Urteil des OLG Köln vom 16.02.2001
OLG Köln: gegen die guten sitten, gebrauch der marke, verkehr, anzeige, verleger, werbung, farbe, verfügung, unterlassen, veröffentlichung
Oberlandesgericht Köln, 6 U 129/00
Datum:
16.02.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 129/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 84 O 15/00
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 15. Juni 2000
verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Köln - 84 O 15/00 - teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu
gefaßt: Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung
verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzu-setzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00
DM - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6
Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Ver-kehr die nachfolgend in
Farbkopie wiedergegebene Werbeanzeige der f..de AG zu verbreiten:
Der weitergehende Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung und die weitere Berufung der Antragsgegnerin
werden zurückgewie-sen. Die Kosten des Verfahrens werden
gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist mit seiner Verkündung
rechtskräftig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin, eines Zeitungsverlages, hat in der Sache
insoweit Erfolg, als das Landgericht sie dem jetzigen Hauptantrag der Antragstellerin
folgend unter gleichzeitiger Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel im Wege der
einstweiligen Verfügung verurteilt hat, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
Werbeanzeigen der f..de AG zu verbreiten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass für
Online-Dienstleistungen geworben wird und die Farbe Magenta flächig oder die
Farbkombination Grau/Magenta blickfangartig benutzt wird und/oder blickfangartig die
Konzernmarke
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der Antragstellerin, bestehend aus dem Großbuchstaben "T" und vier Digits, verwendet
wird, wenn dies wie in der vorstehend im Urteilstenor wiedergegebenen Anzeige erfolgt.
Dagegen hat die Antragstellerin Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin die weitere
Verbreitung der konkreten, im Urteilstenor in Farbkopie wiedergegebenen
Werbeanzeige der f..de AG unterlässt. Deshalb war die Antragsgegnerin auf den in der
mündlichen Verhandlung vom 26.01.2001 gestellten Hilfsantrag der Antragstellerin
antragsgemäß zur Unterlassung zu verurteilen und die Berufung der Antragsgegnerin
insoweit zurückzuweisen.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind der Verleger einer
Zeitung und auch der verantwortliche Redakteur allerdings nicht nur für den
redaktionellen, sondern auch für den Anzeigenteil einer Zeitung verantwortlich. Der
Verleger wie der Redakteur haben, wenn auch nicht selbst, so doch durch
entsprechende Anweisungen sicherzustellen, dass Anzeigen mit gesetzwidrigem Inhalt
von der Veröffentlichung ausgeschlossen werden. Für eine Überprüfung von Anzeigen
muss allerdings ein besonderer Anlass bestehen (vgl. schon BGH GRUR 1972, 722
"Geschäftsaufgabe"). Das ist namentlich dann der Fall, wenn der Inhalt der Anzeige
erkennbar Rechtsgüter Dritter verletzt; die Prüfungspflicht beschränkt sich auf grobe und
eindeutige, für einen Verleger oder Redakteur unschwer zu erkennende
Wettbewerbsverstöße. Handelt es sich um einen solchen groben und unschwer zu
erkennenden Wettbewerbsverstoß, sind Redakteur und Verleger für die Schaltung einer
solchen rechtswidrigen Anzeige wettbewerbsrechtlich verantwortlich und können selbst
auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa
BGH GRUR 1999, 418, 420 "Möbelklassiker"; BGH GRUR 1997, 313, 316
"Architektenwettbewerb"; BGH WRP 1995, 302 "Schlussverkaufswerbung II"; BGH
GRUR 1994, 454 = NJW-RR 1994, 874 "Schlankheitswerbung"; BGH WRP 1991, 19 ff.
"Pressehaftung I" und BGH WRP 1992, 640 f. "Pressehaftung II"; BGH GRUR 1993, 53
f. "Ausländischer Inserent").
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Auf der Basis dieser Kriterien hat die Antragstellerin keinen Anspruch darauf, dass die
Antragsgegnerin ohne Rücksicht auf den veröffentlichten Werbetext stets die
blickfangmäßige Verwendung ihrer Konzernmarke und/oder die flächige Verwendung
der Farbe Magenta oder die blickfangmäßige Nutzung der Farbkombination
Grau/Magenta in der konkreten Verletzungsform unterlässt. Dagegen kann sie
entsprechend ihrem in der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2001 ausdrücklich
formulierten, nach Auffassung des Senats aber ohnehin bereits als Minus im
Hauptantrag enthaltenen Hilfsbegehren von der Antragsgegnerin verlangen, dass diese
von der Veröffentlichung der konkreten, von der Firma f..de AG in Auftrag gegebenen
Werbeanzeige künftig absieht.
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Letzteres ergibt sich daraus, dass sich die Werbeanzeige der Firma f..de AG nach Inhalt
und Aufmachung sehr deutlich von üblichen, wenn auch möglicherweise sehr aggressiv
formulierten Werbeanzeigen unterscheidet und evident wettbewerbswidrig ist. Auch
einem wettbewerbsjuristisch nicht im einzelnen ausgebildeten Redakteur einer Zeitung,
der in der Hektik des Alltagsgeschäfts keine Zeit hat, sich jede einzelne Werbeanzeige
genau anzuschauen und vor allem diese auf ihre wettbewerbsrechtliche
Unbedenklichkeit zu überprüfen, muss ins Auge springen, dass die konkrete Werbung
mit den Regeln lauteren Wettbewerbs (§ 1 UWG) nicht in Einklang zu bringen ist. Auch
bei flüchtiger Lektüre drängt sich nämlich die Gesetzwidrigkeit der Anzeige geradezu
auf, wenn dort unter Verwendung der weitestgehend bekannten Konzernmarke der
Antragstellerin und der jedenfalls weitgehend bekannten, mit ihr in Verbindung
gebrachten Farbe "Magenta" bzw. der Farbkombination "Grau/Magenta" das Wort
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"Offline"
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abgedruckt ist, und es dort weiter hämisch heißt, Deutschland gehe T-Offline, man solle
mitgehen. Als ebenso evident unzulässig und geradezu bösartig erweist sich die in der
Werbeanzeige gestellte Suggestivfrage, ob man genug von Mindestvertragslaufzeiten,
festen Grundgebühren, doppelten Kosten durch Telefon- und Onlinegebühren und
irreführenden Freisurf-Lockangeboten mit versteckten Telefongebühren habe. Auch
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dann, wenn man an die Sorgfaltspflicht der Presse bei der Verbreitung von Anzeigen
nicht die gleichen Anforderungen stellen will wie bei Veröffentlichungen im
redaktionellen Teil einer Zeitung, fällt die konkrete Werbung mit ihren Textpassagen so
aus dem Rahmen des Üblichen, dass sich jedermann, auch dem Redakteur einer
Zeitung, aufdrängen muss, dass der Inserierende einen durch die Verwendung der
Konzernmarke und der Konzernfarben direkt angesprochenen Konkurrenten nicht
dadurch verunglimpfen darf, dass er aus dem im Verkehr weitgehend bekannten
Firmenschlagwort "T-online" das herabsetzend wirkende Schlagwort "T-offline" kreiert
und seine Verunglimpfungen dann unter anderem dadurch fortsetzt, dass er vorgibt, der
Konkurrent kassiere doppelt und schrecke auch vor irreführenden Lockangeboten nicht
zurück.
Stellt die konkret geschaltete Anzeige demgemäß einen groben und offensichtlichen
Wettbewerbsverstoß dar, der aus den bereits vom Landgericht genannten Gründen (§
543 Abs. 1 ZPO) nicht nur zur wettbewerbsrechtlichen Verantwortlichkeit und einer
entsprechenden Unterlassungsverpflichtung des Inserenten, sondern auch der
Antragsgegnerin führt, erweist sich demgegenüber das weitergehende
Unterlassungspetitum in der Form, in der es Eingang in die mündliche Verhandlung vor
dem Senat und den dort gestellten Hauptantrag der Antragstellerin gefunden hat, als
unbegründet. Insoweit hat die Antragstellerin ihre Ausführungen insbesondere in ihrem
Schriftsatz vom 23.01.2001 in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich dahingehend
klargestellt, sie sei der Auffassung, es sei der Antragsgegnerin stets verwehrt, im
geschäftlichen Verkehr Werbeanzeigen der f..de AG zu verbreiten, wenn und soweit dort
ihre - der Antragstellerin - Konzernmarke blickfangartig verwendet und/oder die Farbe
Magenta flächig oder die Farbkombination Grau/Magenta blickfangartig wie geschehen
benutzt werde, auf den weiteren Textinhalt der Anzeige komme es nicht an. Dem
vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vielmehr ist das solchermaßen
verstandene, sich von der konkreten Verletzungsform lösende Unterlassungsbegehren
der Antragstellerin unbegründet. Es mag sein, dass die f..de AG als unmittelbare
Konkurrentin der Antragstellerin im Einzelfall Markenrechte und auch sonstige Rechte
der Antragstellerin verletzt, wenn sie bei der Bewerbung ihrer Dienstleistungen Marken
ihres Konkurrenten ohne dessen Zustimmung abbildet. Ob es sich um eine
Rechtsverletzung handelt, hängt indes stets von den jeweiligen Umständen des
Einzelfalls ab. Zum Beispiel kann die Frage, ob der angesprochene Verkehr, auf dessen
Sicht es maßgeblich ankommt (statt aller: Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rdnr. 48
mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung), in der konkreten Verwendung
der - fremden - Marke einen marken-/zeichenmäßigen Gebrauch durch den Verwender
in einer Werbeanzeige sieht, von dem konkreten Textinhalt der Werbeanzeige
beeinflusst werden. In diesem Fall stellt sich dann unter anderem die in der
Rechtsprechung und dem juristischen Schrifttum nicht einheitlich beantwortete und
bislang höchstrichterlich nicht entschiedene Frage, ob der markenrechtliche
Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 Markengesetz einen markenmäßigen
Gebrauch der Marke voraussetzt oder ob die Benutzung geschützter Marken im
geschäftlichen Verkehr auch ohne Begrenzung auf bestimmte Benutzungsformen stets
unzulässig ist (zum Meinungsstand vgl. die Nachweise bei Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 14
Rdnr. 50 ff.). Gleichfalls eine Frage des Einzelfalls ist es, ob der Inhaber einer Marke
trotz der Benutzung dieser Marke durch einen Dritten gemäß § 23 Nr. 1, Nr. 2 oder Nr. 3
Markengesetz daran gehindert ist, diesem eine nicht gegen die guten Sitten
verstoßende Benutzung der Marke im geschäftlichen Verkehr zu untersagen. Auch die
Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen
des § 23 Markengesetz kann im Falle der Verwendung der Marke in der Werbung
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entscheidend davon abhängen, welches Verständnis der Verkehr von der Werbung
insbesondere durch deren textliche Ausgestaltung gewinnt. Erst recht kann die im
Streitfall entscheidende Frage, ob nämlich einem Zeitungsverlag bzw. einem
verantwortlichen Redakteur vorgeworfen werden muss, die Gesetzwidrigkeit einer
Werbeanzeige sei evident, das habe sich ihm aufdrängen müssen, nicht losgelöst von
ihrem konkreten Textinhalt beurteilt werden.
Erweist sich die Berufung der Antragsgegnerin demgemäß teilweise als begründet, war
das angefochtene Urteil mit der Kostenfolge der §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO teilweise
zu ändern. Der Senat bewertet das Unterliegen und Obsiegen der Parteien gleich hoch
und hat die Kosten des Verfahrens deshalb gegeneinander aufgehoben.
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Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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