Urteil des OLG Köln vom 03.06.1997
OLG Köln (kläger, bundesrepublik deutschland, person des öffentlichen lebens, schweres verschulden, 1995, schutz der persönlichkeit, grad des verschuldens, form und inhalt, veröffentlichung, netz)
Oberlandesgericht Köln, 15 U 129/96
Datum:
03.06.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 U 129/96
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 O 553/95
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 22. Mai 1996 verkündete Urteil
der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 553/95 - wird
zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.500,00 DM
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Beide Parteien können die Sicherheit auch durch
die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder
öffentrechtlichen Sparkasse erbringen.
T a t b e s t a n d
1
Der im Jahre 1922 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Berlin geborene Kläger ist
Journalist und war 19 Jahre Leiter des "Z.-M.". Er ist Jude und fast seine gesamte
Familie ist während des 3. Reiches in Konzentrationslagern umgekommen. Der Kläger
gehörte der "Konservativen Aktion" zunächst als Vorsitzender des Kuratoriums und in
der zweiten Jahreshälfte 1986 als deren stellvertretender Vorsitzender an. Über das
Vermögen des Vereins wurde im Oktober 1986 das Konkursverfahren eröffnet. Im
November 1988 wurde er aus dem Vereinsregister gelöscht.
2
Die Beklagte betreibt in Mülheim an der Ruhr einen Verlag. Sie vertreibt u.a. ein von den
Autoren R.-E. P. und K. Sch. herausgegebenes Buch mit dem Titel "Projekthandbuch:
Gewalt und Rassismus". Dieses entstand in Zusammenarbeit u.a. mit der "Aktion
Sühnezeichen/Friedensdienste", "Arbeitsgruppe SOS-Rassimus NRW", den Ämtern für
Jugendarbeit der Evangelischen Kirche im Rheinland und Westfalen sowie der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, der "DPG Deutschen Postgewerkschaft",
der "IG Metall", dem Landesjugendpfarramt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche
Hannover, dem Landesjugendring Nordrhein-Westfalen und dem Landesschülerrat
Brandenburg.
3
In der 1993 erschienenen ersten Auflage des Buches (Kopie Bl. 31-208 des
Anlagenbandes) wurde auf Seite 66 (Kopie Bl. 26 des Anlagenbandes) sowie in einem
zusätzlichen Beiblatt im Anhang (Kopie Bl. 25 des Anlagenbandes) je ein Schaubild
unter dem Titel "Das rechtsextremistische Netz in Deutschland" (so Bl. 66 des
Projekthandbuches) bzw. "Das rechtsextremistische Netzwerk" (so Beiblatt im Anhang)
4
gezeigt. Bei dem Beiblatt im Anhang handelt es sich im wesentlichen um eine DIN A 3 -
Vergrößerung des auf Seite 66 abgedruckten Schaubildes.
Auf dem Schaubild befinden sich um den in der Mitte angeordneten Begriff "Das
rechtsextremistische Netz" viele Kästen, in denen jeweils eine oder mehrere Gruppen,
Vereinigungen, Parteien, Zeitschriften sowie Personen aufgeführt werden. In einem im
linken unteren Bereich des Schaubildes angeordneten Kasten wird unter dem fett
gedruckten Begriff "Konservative Aktion" in Klammern der Name des Klägers - "(G. L.)" -
genannt. Darunter heißt es ohne Fettdruck "Deutsche Konservative". Der Kasten
"Konservative Aktion" ist zusammen mit den darüber angeordneten Kästen "Die
Patrioten", "D...", "A...." und "R..." mit einer Hintergrundfarbe unterlegt (vgl. Original des
Beiblattes im Anhang Bl. 4 des Anlagenbandes der Akte 28 O 493/94 - Landgericht Köln
-).
5
Auf der linken Seite des auf Seite 66 des Projekthandbuches abgedruckten Schaubildes
heißt es:
6
"Nur vordergründig wirkt die rechtsextremistische Szene zersplittert. Im Alltag sind diese
Organisationen und Strömungen miteinander verflochten. Deutlich wird dies
insbesondere bei der G.., die öffentlich kaum in Erscheinung tritt, im Hintergrund aber
die Fäden zieht. Viele Rechtsextremisten gehören zu verschiedenen Organisationen;
dabei gehen sie oft arbeitsteilig vor. Für den Fall von Verbotsandrohungen bereiten sie
schon früh die Möglichkeit zum Wechsel in eine andere Organisation vor."
7
Wegen des weiteren Inhalts des Schaubildes wird im einzelnen auf Bl. 25 f. des
Anlagenbandes verwiesen.
8
Auf Seite 106 f. des Buches (Kopie Bl. 85 des Anlagenbandes) heißt es unter der
Überschrift "Rechtsextremismus":
9
"Rechtsextremismus liegt immer dann vor, wenn die beiden Grundelemente der
"Ungleichwertigkeit von Menschen" und die der Gewaltakzeptanz zusammenfließen.
10
Der Ungleichwertigkeit von Menschen als zentralem, integrierendem Kernstück
rechtsextremistischer Ideologien entsprechen etwa folgende Facetten:
11
- Nationalistische bzw. "völkische" Selbstübersteigerung,
12
- Rassistische Sichtweise/Fremdenfeindlichkeit,
13
- Unterscheidung von "lebenswertem" und "unwertem" Leben (etwa
14
durch Eugenik),
15
- Behauptung "natürlicher" Hierarchien (über Soziobiologie),
16
- Betonung des "Rechtes des Stärkeren" (Sozialdarwinismus),
17
- Totalitäres "Norm"-Verständnis, d.h. Ausgrenzung des
18
"Andersseins".
19
Der Gewaltperspektive und -akzeptanz als zentralem, integrierendem Kernstück
rechtsextremistischen politischen Verhaltens entsprechen etwa folgende Facetten:
20
- Ablehnung rationaler Diskurse/Überhöhung von Irrationalismen,
21
- Betonung des alltäglichen "Kampfes ums Dasein",
22
- Ablehnung demokratischer Regelungsformen von sozialen und
23
politischen Konflikten,
24
- Betonung autoritärer und militärischer Umgangsformen und
25
Stile."
26
In einem bei dem Landgericht Köln anhängig gewesenen einstweiligen
Verfügungsverfahren - 28 O 493/94 - wurde der Beklagten durch Beschluß vom
20.12.1994 (Bl. 4-7 des Anlagenbandes) verboten, in bezug auf den Kläger das
streitgegenständliche Schaubild zu verbreiten. Mit Schriftsatz vom 07.02.1995 (Bl. 3 des
Anlagenbandes) erkannte die Beklagte den in dem Beschluß des Landgerichts Köln
titulierten Unterlassungsanspruch an und verzichtete auf Anträge gemäß §§ 926, 927
ZPO. Die Autoren R.-E. P. und K. Sch. gaben mit Schriftsatz vom 04.12.1995 (Bl. 15 f.
des Anlagenbandes) eine von dem Kläger geforderte Unterlassungserklärung ab.
27
Die Folgeauflage des Buches "Projekthandbuch: Gewalt und Rassismus" vertreibt die
Beklagte mit einem Schaubild in einer geänderten Form, in dem weder der Kläger noch
die "Konservative Aktion" genannt wird (Hülle Bl. 208a des Anlagenbandes). Im Herbst
1995 druckte die "IG ..." in einem Heft ihrer Reihe Bildungsmaterialien mit dem Titel "Die
Neue Rechte - Die Gefahr bleibt" das streitgegenständliche Schaubild ab.
28
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Auskunft, Schadensersatz und Zahlung einer
Geldentschädigung wegen der Nennung seines Namens in dem Schaubild in Anspruch.
29
Er hat vorgetragen, durch das Schaubild in seiner graphischen Gestaltung und
Anordnung der einzelnen Kästen werde der Eindruck erweckt, daß er mit
rechtsextremistischen und verfassungsfeindlichen Organisationen, wie der "N...", der
"N..-K.", der "W. W.", der "N.." oder der "H.. () B.. d. S. d. e. W.-S.", der S.-P. "L... A. H.",
der SS-Panzerdivision "T..", der S.-Division "R. S." und der S.-P.-G.-D. "H. W." in einem
Netz arbeitsteilig zusammenarbeite und als aktiver Rechtsextremist auf die gezielte
Umgehung der Verbote hinarbeite. Hierbei werde er als Sympathisant derer dargestellt,
die ihn verfolgt und seine Familie umgebracht haben. Diese schwere Beeinträchtigung
seiner Persönlichkeit könne nur durch eine hohe Geldentschädigung ausgeglichen
werden.
30
Das Feststellungsbegehren sei begründet, da nach der Lebenserfahrung eine
hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, daß er durch das schuldhafte Verhalten
der Beklagten einen Schaden erlitten habe.
31
Der Kläger hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, seit wann und in
welchem Umfang (Auflage) sie Handlungen, wie sie mit dem Beschluß des
Landgerichts Köln vom 20.12.1994, Az.: 28 O 493/94, untersagt wurden, bisher
begangen hat, und zwar aufgeschlüsselt nach Monaten unter Angabe von Namen
und Anschrift der Erklärungsempfänger;
33
34
35
36
1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu
ersetzen, der diesem durch die mit Beschluß des Landgerichts Köln vom
20.12.1994, Az.: 28 O 493/94, untersagte Handlung entstanden ist und/oder noch
entstehen wird; hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, einen nach
Auskunftserteilung gemäß Ziffer 1 noch zu beziffernden Betrag zu zahlen;
37
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes
Schmerzensgeld, jedoch mindestens DM 10.000,00 nebst 4 % Zinsen seit
Klageerhebung zu zahlen.
38
Die Beklagte hat beantragt,
39
40
die Klage abzuweisen.
41
Sie hat die Ansicht vertreten, es handele sich bei dem Schaubild um eine
Meinungsäußerung, die nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreite. Die Begriffe
"N..." und "R....." seien dem Beweise nicht zugänglich. Die Meinungsäußerung, daß der
Kläger ins rechtsextreme Umfeld gehöre, habe einen sachlichen Bezug. Insoweit hat
sich die Beklagte auf zahlreiche Veröffentlichungen von und über die "K. A." berufen (Bl.
28-33 d.GA.; Bl. 209, 213 f., 226-231, 240-244 des Anlagenbandes).
42
Das Landgericht hat durch Urteil vom 22.05.1996 (Bl. 79 ff. d.GA.) die Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das streitgegenständliche Schaubild
greife nicht rechtswidrig und schuldhaft in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Klägers ein. Bei dem Schaubild handele es sich bei einer Gesamtbetrachtung um eine
Meinungsäußerung in Form eines Werturteils mit Tatsachenkern, die vom Schutz des
Art. 5 Abs. 1 GG erfaßt werde. Die Zuordnung des Klägers zu der "K. A." sei eine wahre
Tatsachenbehauptung. Soweit in dem Schaubild der Kläger repräsentativ für die "D.K."
43
stehe, liege eine unwahre Tatsachenbehauptung vor. Hieraus könne der Kläger jedoch
weder einen Auskunfts- noch einen Schadensersatzanspruch herleiten. Es sei bereits
zweifelhaft, ob diese möglicherweise mißverständliche Darstellung von der Beklagten
schuldhaft verursacht worden sei und damit von ihr zu vertreten wäre. Auch sei nicht
ersichtlich, welcher konkrete Schaden ihm durch die hergestellte Beziehung zu den "D.
K." entstanden sei oder zukünftig noch entstehen könne.
Ein Anspruch auf Zubilligung von "Schmerzensgeld" sei nicht begründet. Weder liege
die hierfür erforderliche schwere Persönlichkeitsverletzung vor, noch sei ein schweres
Verschulden seitens der Beklagten gegeben. Der Kläger habe nicht ausreichend
dargetan, warum ihm die namentliche Nennung in dem Schaubild einen
schwerwiegenden immateriellen Schaden zugefügt habe, der nicht auf anderweitige
Weise beseitigt werden könne. Auch liege in dem Teil des Schaubildes, der eine
Meinungsäußerung beinhalte, keine unzulässige Schmähkritik im Sinne eines grob
herabsetzenden Werturteils oder eines bloßen Verächtlichmachens ohne sachlichen
Bezug vor.
44
Gegen das ihm am 21.06.1996 (Bl. 101 d.GA.) zugestellte Urteil hat der Kläger mit
einem am 17.07.1996 (Bl. 103 d.GA.) bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung
eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.12.1996
(Bl. 130 d.GA.) mit einem am 06.12.1996 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 131
ff. d.GA.) begründet hat.
45
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen (Bl. 132 ff. 203 ff.
d.GA.). Er führt aus, nicht nur durch dieses Verfahren, sondern bereits durch die
Verbreitung des streitgegenständlichen Schaubildes mit Unterstützung des Landes
Nordrhein-Westfalen, der Gewerkschaften und der Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands müsse er noch einmal die Schrecken seiner Verfolgung und die
Ermordung seiner Familie durch die deutschen Nazis durchleben (Bl. 133 d.GA.). Die
gesamte schreckliche Vergangenheit werde dadurch aufgewühlt. Er leide seit dem
ablehnenden Urteil des Landgerichts unter gesundheitlichen Schäden, insbesondere
unter Schlaflosigkeit (Bl. 133 d.GA.).
46
Das Landgericht gehe in seinem Urteil von unzutreffenden Tatsachen aus. Er habe sich
- entgegen den Feststellungen in dem angefochtenen Urteil - Ende 1984/Anfang 1985
wegen gravierender inhaltlicher Differenzen mit L. P. und dem Geschäftsführer Siegerist
von der "K. A." zurückgezogen (Bl. 135, 146 f. d. GA.). Ende 1986 habe er die Funktion
des stellvertretenden Vorsitzenden zum Zwecke der Auflösung der "K. A." übernommen.
Eine weitere Tätigkeit für den Verein oder im Namen des Vereins habe es nicht
gegeben (Bl. 135 f., 139 f., 146 f, 208).
47
Bei dem Begriff "d. r. N. i. D." handele es sich um eine Tatsachenbehauptung. Die
Frage, ob jemand von der Ungleichheit von Menschen spreche oder Gewalt akzeptiere
oder nicht, sei zumindest theoretisch dem Beweis zugänglich (Bl. 136 d.GA.). Insoweit
habe das Gericht § 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der
Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für
Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) (Text Bl. 151 d.GA.)
außer acht gelassen. In dieser Vorschrift werde der Begriff des "Links- und
Rechtsextremismus" durch einzelne, dem Beweis zugängliche Voraussetzungen, die
zur Bezeichnung als "rechts- oder linksextremistisch" vorliegen müssen, definiert (Bl.
137 d.GA.).
48
Bei einer genaueren Betrachtung des Schaubildes ergebe sich, daß er nicht an
irgendeiner Stelle im rechtsextremistischen Netz aufgeführt sei. Die "K. A." werde
räumlich und bildlich unmittelbar im Zusammenhang mit der "Hilfsgemeinschaft auf
Gegenseitigkeit Bundesverband der Soldaten der ehemaligen Waffen SS,
Traditionsgemeinschaften der SS HIAG": S. P. "L. A. H.", S. P. "T.", S. P. "H.-J.", S. D,
"R. S.", S. P.-G.-D. "H. W." genannt. Bereits die graphische Nähe zu diesen
Organisationen stelle eine unzutreffende Tatsachenbehauptung dar, die ihn in seiner
Persönlichkeit schwer beeinträchtige (Bl. 137 f. 148, 207 d.GA.).
49
Die Nennung seines Namens diene ausschließlich der Polemik und der politischen
Diffamierung eines in der heutigen politischen Landschaft der Bundesrepublik
Deutschland nicht links stehenden Juden (Bl. 138 d.A.). Dies sei angesichts seiner
schrecklichen Vergangenheit nicht durch Art. 5 GG gedeckt (Bl. 138 d.A.).
50
Der durchschnittliche Leser entnehme dem Schaubild die unzutreffende
Tatsachenbehauptung, er arbeite mit rechtsextremistischen Gruppen in einem Netz
arbeitsteilig zusammen (Bl. 138 d.GA.). Zudem sei er als einzige Person in dem
Schaubild namentlich erwähnt worden, ohne Vorsitzender der genannten Vereinigung
gewesen zu sein (Bl. 140 d.GA.)
51
Die Nennung seines Namens mit den "D. K." stelle eine unzutreffende
Tatsachenbehauptung dar, durch die er schwer getroffen werde, da diese Vereinigung
von seinem schärfsten Gegner - Siegerist - als Reaktion auf dessen Rauswurf aus der
"K. A." gegründet worden sei (Bl. 140 d.GA.). Insoweit werde er mit einer Vereinigung in
Verbindung gebracht, deren Vorsitzender wegen Verbreitens rechtsextremistischer
Publikationen verurteilt worden ist (Bl. 142 d.GA.).
52
Er habe durch die Erstveröffentlichung einen Schaden erlitten. Es sei davon
auszugehen, daß die Auflage in allen gesellschaftlich relevanten Institutionen verbreitet
worden sei (Bl. 142 f. d.GA.) und daß zahlreiche Institute, Schulen und Betriebe diese
bei der Jugendarbeit einsetzen würden, so daß er weiterhin ständig in seinen
Persönlichkeitsrechten verletzt werde.
53
Dem Leser sei nicht mitgeteilt worden, daß es sich bei ihm um einen von den Nazis
verfolgten Juden handele. Vielmehr gehe der Durchschnittsleser aufgrund des
Schaubildes davon aus, daß er einer der rechtsextremistischen Exponenten in der
heutigen BRD sei (Bl. 144 f. d.GA.).
54
Durch die Veröffentlichung von Artikeln in der Zeitschrift "C." und "J. F." sei kein
sachlicher Bezug zur Nennung seiner Person in dem Schaubild gegeben. Er habe sich
in diesen Artikeln niemals in rechtsextremistischer, rechtsradikaler oder anderweitig
fremdenfeindlicher Art und Weise geäußert (Bl. 147 f. d.GA.).
55
Der Kläger beantragt,
56
57
das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln (28 O 553/95) vom 22.05.1996
abzuändern und
58
59
1. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, seit wann und in
welchem Umfang (Auflage) sie Handlungen, wie sie mit Beschluß des Landgerichts
Köln vom 20.12.1994, Az.: 28 O 483/94 untersagt wurden, bisher begangen hat, und
zwar aufgeschlüsselt nach Monaten unter Angabe von Namen und Anschriften der
Erklärungsempfänger;
60
61
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen Schaden zu ersetzen, der
ihm durch die mit Beschluß des Landgerichts Köln vom 20.12.1994, Az.: 28 O 493/94,
untersagte Handlung entstanden ist oder noch entstehen wird;
62
63
hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, einen nach Auskunftserteilung gemäß Ziffer 1
noch zu beziffernden Betrag zu zahlen.
64
Nachdem der Kläger zunächst angekündigt hat, zu Ziffer 3) den Antrag zu stellen,
65
66
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes
Schmerzensgeld, jedoch mindestens DM 10.000,00 nebst 4 % Zinsen seit
Klageerhebung zu zahlen,
67
beantragt er - nach Erörterung der Sach- und Rechtslage - nunmehr,
68
69
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes
Schmerzensgeld, jedoch mindestens DM 65.000,00 nebst 4 % seit Klageerhebung zu
zahlen;
70
71
zusätzlich bittet er um Vollstreckungsschutz.
72
Die Beklagte beantragt,
73
74
die Berufung des Klägers zurückzuweisen;
75
76
hilfsweise, ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, auch
durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland
ansässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse abzuwenden.
77
Die Beklagte tritt den Behauptungen und Rechtsansichten des Klägers entgegen und
verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Ergänzung ihres
erstinstanzlichen Sachvortrages (Bl. 183 ff. d.GA.).
78
Sie ist der Auffassung, die Wiedergabe des Namens des Klägers auf Seite 66 und auf
einem Beiblatt im Anhang des bereits 1993 von ihr verlegten Buches stelle keine
unwahre Tatsachenbehauptung, sondern insgesamt eine Meinungsäußerung dar, die
von dem Grundrecht auf Meinungs- und Meinungsäußerungsfreiheit, der Pressefreiheit
und der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre geschützt sei (Bl. 185 f. d.GA.).
79
Der Kläger könne seine Ansprüche auch nicht aus der von ihr unterzeichneten
Abschlußerklärung vom 07.02.1995 und den Unterlassungserklärungen der Autoren
vom 04.12.1995 herleiten. Diese seien nur abgegeben worden, um einen Prozeß zu
vermeiden, nicht um einen Anspruch materiell-rechtlich anzuerkennen (Bl. 186 f. d.GA.).
80
Der Umstand, daß der Kläger Jude sei und von den Nationalsozialisten im Dritten Reich
verfolgt wurde, werde in dem streitgegenständlichen Projektbuch nicht im
Zusammenhang mit dem Namen des Klägers behandelt (Bl. 187 d.GA.).
81
Eine Persönlichkeitsverletzung könne auch nicht darin gesehen werden, daß in dem
Buch nicht mitgeteilt werde, daß es sich bei dem Kläger um einen von den Nazis
verfolgten Juden handele. Der Kläger habe sich nicht als verfolgter Jude zu politischen
Frage geäußert und sei auch nicht als prominenter, verfolgter Jude im Kuratorium und
Vorstand der "K.A." gewesen (Bl. 187 d.GA.).
82
Durch die wiederholte Veröffentlichung von Artikeln in der Zeitschrift "C." bzw. in der
vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Zeitschrift "J. F." habe sich der
Kläger aus der Sicht der Leser bewußt in einen Zusammenhang mit rechtsextremen
Autoren und verfassungsfeindlichem Gedankengut gebracht (Bl. 190, 194 d.GA.).
83
In dem Schaubild werde an keiner Stelle behauptet, der Kläger arbeite mit Mördern
zusammen (Bl. 190 d.GA.). Für die Veröffentlichung des Schaubildes durch die "IG C. P.
K." sei sie nicht verantwortlich (Bl. 192 d.GA.).
84
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den
vorgetragenen Inhalt der in dem Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen. Die von den Parteien zu den Akten gereichten Unterlagen und die
beigezogene Akte 28 O 493/94 - Landgericht Köln - waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
85
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
86
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
87
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen gegen die
Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Erteilung einer Auskunft, Feststellung
der Schadensersatzverpflichtung und Zahlung einer Geldentschädigung wegen der
Veröffentlichung des Schaubildes in der beanstandeten Form in dem Buch
"Projekthandbuch: G. und R." nicht zu.
88
I.
89
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von
mindestens 65.000,00 DM zzgl. 4 % Zinsen seit Klageerhebung.
90
1.
91
Eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten läßt sich nicht aus der von ihr
unterzeichneten Abschlußerklärung vom 07.02.1995 (Bl. 3 des Anlagenbandes) und
aus der von den Autoren R.-E. P. und K. Sch. des Projektbuches am 04.12.1995
abgegebenen Unterlassungsverpflichtung (Bl. 15 f. des Anlagenbandes) herleiten.
Hierdurch wird von den jeweiligen Unterzeichnern ausschließlich der durch den
Beschluß des Landgerichts Köln vom 20.12.1994 titulierte Unterlassungsanspruch des
Klägers - 28 O 493/94 - (weitere Verbreitung des Schaubildes in der von dem Kläger
gerügten Form) anerkannt. Ein materiellrechtliches Anerkenntnis möglicher weiterer
Ansprüche - insbesondere eines Zahlungsanspruchs - kann hieraus nicht entnommen
werden, zumal die Beklagte im Zusammenhang mit dem Kostenerstattungsanspruch
sowie die Autoren des Buches, R.-E. P. und K. Sch., die Erklärung ohne Anerkennung
einer Rechtspflicht abgegeben haben.
92
2.
93
Ebenfalls steht dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen
der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu, §§ 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs.
1 GG.
94
Die namentliche Erwähnung in einem auf Seite 66 und auf einem Beiblatt im Anhang
abgedruckten Schaubild des 1993 von der Beklagten verlegten Buches
"Projekthandbuch: G. und R." mit dem Titel "D. r. N. i. D. bzw. "D. r. N." mag zwar
geeignet sein, die Persönlichkeit und den Charakter des Klägers in den Augen der
Öffentlichkeit herabzuwürdigen und somit zu verletzen.
95
Insoweit darf vorliegend auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß aufgrund des Zweckes
und des Inhaltes des von der Beklagten verlegten Buches davon auszugehen ist, daß
es im Rahmen der Jugendarbeit bei Institutionen und Projekten, insbesondere bei den
Einrichtungen, die bei der Herausgabe des Buches mitgearbeitet haben, eingesetzt
wird. Hierdurch können zahlreiche Personen von der Darstellung Kenntnis erlangen.
96
Dies rechtfertigt jedoch nicht die Zubilligung eines immateriellen Schadensersatzes. Die
besonderen Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung bei
Persönlichkeitsverletzungen ausnahmsweise eine Geldentschädigung zum Ausgleich
des immateriellen Schadens zuspricht, sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
97
a)
98
Nach der gefestigten, vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Rechtsprechung der
Zivilgerichte (z.B. BVerfG, NJW 1973, 1221 ff. (1224); BGH NJW 1985, 2644 ff. (2646);
NJW 1995, 861 ff. (864 f. ); Löffler-Steffen, Presserecht, 4. Auflage 1997, § 6 LPG, Rdnr.
334 ff. m.w.N. aus der Rspr.) kann derjenige, dessen Persönlichkeit in schwerer Weise
schuldhaft verletzt worden ist, Ersatz in Geld auch für immaterielle Schäden
beanspruchen. Voraussetzung ist jedoch, daß die Schwere der Beeinträchtigung eine
solche Genugtuung erfordert. Nur bei ernsten und nachhaltigen
99
Persönlichkeitsverletzungen besteht das unabweisbare Bedürfnis, dem Betroffenen
wenigstens einen gewissen Ausgleich durch Zahlung einer Geldentschädigung zu
gewähren.
Weiterhin ist erforderlich, daß die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht in anderer
Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Die Gewährung des Anspruches auf
eine Geldentschädigung findet ihre Rechtfertigung in dem Gedanken, daß der Verletzte
anderenfalls wegen der erlittenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts ohne
Rechtsschutz und damit der vom Grundgesetz vorgesehene Schutz der Persönlichkeit
lückenhaft bliebe (vgl. z.B. BGH, NJW 1985, 1617 ff. (1619); NJW 1985, 2644 ff. (2646);
NJW 1995, 861 ff. (864 f.); NJW 1996, 1131 ff. (1134); Löffler-Steffen, a.a.O., Rdnr. 333,
338 m.w.N. aus der Rspr.).
100
Ob ein derart schwerer Eingriff in den Eigenwert der Persönlichkeit anzunehmen ist,
kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Hierbei
sind besonders der Grad des Verschuldens und die Art und Schwere der zugefügten
Beeinträchtigung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung
des Verletzten, ferner auch Anlaß und Beweggrund des Handelns zu berücksichtigen
(st. Rspr.: z.B. BGH, NJW 1985, 2644 ff. (2646)); Löffler-Steffen, a.a.O. Rdnr. 336;
Soehring, Presserecht, 2. Auflage 1995, Rdnr. 32.20 jeweils m.w.N. aus der Rspr.).
101
b)
102
Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände stellt sich die Wiedergabe des Namens des
Klägers in dem streitgegenständlichen Schaubild nicht als ein so schwerwiegender
Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, daß das unabweisliche Bedürfnis
bestünde, ihm wenigstens einen gewissen finanziellen Ausgleich für die erlittene ideelle
Beeinträchtigung zu gewähren.
103
aa)
104
Die Berufung des Klägers geht zunächst davon aus, daß bereits deshalb eine schwere
Persönlichkeitsverletzung vorliege, weil das Schaubild eine unwahre
Tatsachenbehauptung aufstelle, die ihn schwer beeinträchtige. Dem vermag der Senat
nicht beizutreten.
105
Bei dem inkriminierten Schaubild handelt es sich von seinem Gesamtaussagegehalt her
um eine durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Meinungsäußerung der Beklagten, die
die von der Rechtsprechung gezogene enge Grenze der Unzulässigkeit nicht
überschreitet.
106
Die Frage, ob eine Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung vorliegt, ist im
Einzelfall unter Berücksichtigung des individuell angesprochenen Durchschnittslesers
sowie des Kontextes und des Sinnzusammenhangs festzustellen. Eine Äußerung ist
demnach eine "Tatsachenbehauptung", wenn sie aus der Sicht des
Erklärungsempfängers bei verständiger Würdigung als dem Beweis zugänglich
angesehen wird. Eine "Meinung" liegt demgegenüber vor, wenn die Äußerung durch die
Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist und sie
demgemäß aus der Sicht des angesprochenen Personenkreises nicht nachweislich
oder abwegig sein kann (st. Rspr.: z.B. BVerfG, NJW 1983, 1415 ff. (1415 f.); NJW 1992,
1439 ff. (1440)).
107
Bei der in dem Schaubild vorgenommenen Zuordnung des Klägers zu der "K. A."
handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Diese Äußerung ist eines Beweises
zugänglich. Ob es sich bei dem unter dem Namen des Klägers aufgeführten Begriff "D.
K." um die Tatsachenbehauptung handelt, der Kläger gehöre zu den "D. K." oder nur um
einen Hinweis auf eine Folgeorganisation der "K. A." kann dahingestellt bleiben.
108
Vorliegend darf, um der Gefahr der Verengung des Freiheitsraumes für den Betroffenen
einerseits und für den seine Meinung Äußernden andererseits zu begegnen, nicht
lediglich die beanstandete Äußerung aus dem Zusammenhang herausgegriffen und
nach Form und Inhalt beurteilt werden. Vielmehr ist bei der Würdigung das
Gesamtvorbringen mit einzubeziehen (z.B. OLG München, NJW 1992, 1323 ff. (1325)).
109
Der durchschnittliche Leser, auf dessen Verständnis allein abzustellen ist (vgl. Löffler-
Steffen, a.a.O., § 6 LPG, Rdnr. 85 m.w.N.), versteht das Schaubild und die damit zum
Ausdruck kommende Äußerung als einheitliche Erklärung der Beklagten, in der diese
das - ihrer Meinung nach - in Deutschland bestehende rechtsextremistische Netz
skizziert. Insoweit überlagert die im Schaubild zum Ausdruck kommende
Gesamterklärung die ebenfalls enthaltenen einzelnen Tatsachenbehauptungen.
110
Der Gesamtgehalt des Schaubildes stellt sich als eine Meinungsäußerung dar. So sind
die in dem Schaubild bzw. in der am linken Bildrand beigefügten Anmerkung benutzten
Begriffe "D. r. N." bzw. "D. r. N.", "Rechtsextremisten" und "r.S." mit einer
Beweisaufnahme nicht klärbar. Diese werden in dem Schaubild nicht weiter erläutert
und sind eine Frage des Meinens und Dafürhaltens und damit keine
Tatsachenbehauptung.
111
Bereits bei den Begriffen "Netz" bzw. "Netzwerk" handelt es sich um eine
Meinungsäußerung. So wird ein "Netzwerk" im Brockhaus wie folgt beschrieben
(Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage 1991, Band 15, S. 457):
112
"3. Soziologie: Begriff zur Erklärung zwischenmenschl. Beziehungen in einem
gesellschaftl. System. Graphisch dargestellt, bezeichnen Punkte bestimmte Personen,
Linien ihre gegenseitigen Beziehungen. Die Gesamtgesellschaft eines definierten
Raumes kann in soziale Netze gegliedert und in ihrem Rahmen insgesamt betrachtet
werden. In Gestalt von N. können z.B. Nachbarschaftsbeziehungen, Statushierarchien,
örtl. Macht- oder Einflußverhältnisse, Geschlechtsrollenunterschiede bei Ehepaaren
oder Möglichkeiten von Strategien zur Verbreitung von Produkten dargestellt werden. -
Auch die experimentelle Sozialpsychologie untersucht in Gestalt von Kommunikations-
N. die Einwirkung von Verhaltensweisen und Persönlichkeitsstrukturen auf soziale
Beziehungen".
113
Bei Anlegung dieser Definition besagt das Schaubild nichts anderes, als daß die dort
aufgeführten Gruppen, Vereinigungen, Zeitschriften und Personen und somit auch die
"K. A." und der Kläger in einen bestimmten sozialen und politischen Raum gehören und
zu den anderen Organisationen dieses Raums direkte oder indirekte Beziehungen
bestehen. Diese Einschätzung ist mit den Mitteln der Beweisaufnahme nicht
nachprüfbar, vielmehr ist es eine Frage der subjektiven (politischen) Beurteilung.
114
Auch die Begriffe "Rechtsextremismus" und "rechtsextremistisch" sind einer
Beweisaufnahme nicht zugänglich. Sie beschreiben keine Tatsachenbehauptung,
115
sondern geben eine bewertende Meinungsäußerung wieder, die - je nach politischem
Standort des Betrachters - unterschiedlich ausfallen kann.
Entgegen der Ansicht des Klägers wird auch in § 4 des Gesetzes über die
Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des
Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz
(Bundesverfassungsschutzgesetz) der Begriff "Rechtsextremismus" nicht eindeutig
durch einzelne, dem Beweis zugängliche Voraussetzungen, die zur Bezeichnung als
"rechtsextremistisch" vorliegen müssen, definiert. Diese Vorschrift beschreibt nur, wann
Bestrebungen gegen den Bestand, die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder
die "Freiheitlich Demokratische Grundordnung" i.S.d. Gesetzes vorliegen, ohne den
Begriff "Rechtsextremismus" mit den Mitteln der Beweisaufnahme bestimmbar zu
machen.
116
Schließlich macht die am linken Bildrand beigefügte Erläuterung das Schaubild in
seiner Gesamtheit nicht zu einer Tatsachenbehauptung. Auch insoweit erfolgt eine
Aussage der Beklagten, die letztlich einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den
Mitteln des Beweises nicht zugänglich ist. Sie ist letztlich substanzarm, ohne konkret
greifbare Tatsachen. So werden die Verflechtungen am Beispiel der ausdrücklich
erwähnten "GdNF" nicht weiter konkretisiert. Es fehlen Angaben dazu, bei welchen
Organisationen die "G..." "im Hintergrund die Fäden zieht". Auch wird nicht weiter
beschrieben, welche Rechtsextremisten zu den "verschiedenen Organisationen"
gehören. Insoweit lassen die Ausführungen einen beweiszugänglichen Tatsachenkern
vermissen.
117
bb)
118
Die in dem Schaubild enthaltene Meinungsäußerung beeinträchtigt den Kläger nicht
schwerwiegend in seinem Persönlichkeitsrecht.
119
So läßt sich ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht
damit begründen, daß dem Leser in der 1. Auflage des von dem Beklagten
herausgegebenen Projektbuches nicht mitgeteilt wird, daß es sich bei dem Kläger um
einen "von den Nazis verfolgten Juden handelt" (Bl. 144 d.GA.), der selbst in Gestapo-
Haft und im Konzentrationslager gesessen hat, und dessen Familienangehörige im
Dritten Reich verfolgt und in Konzentrationslagern umgekommen sind (Bl. 132 d.GA.).
Eine Verpflichtung der Beklagten zur Aufnahme eines entsprechenden Hinweises in
das Buch bzw. in das auf Seite 66 abgedruckte Schaubild besteht nicht.
120
Der Kläger hat nicht dargelegt, daß er etwa als namhafter Jude am öffentlichen Leben
teilgenommen hat. Ebenfalls ist nicht ersichtlich, daß der Kläger sich in dieser Funktion
zu politischen Fragen äußerte und in dieser Eigenschaft im Kuratorium bzw. - für kurze
Zeit - im Vorstand der "K. A." mitarbeitete. Das streitgegenständliche Schaubild im
Projekthandbuch behandelt zudem weder die Verfolgung und Vernichtung der
europäischen Juden im Dritten Reich noch den (historischen) Nationalsozialismus vor
1945. Schließlich nimmt es nicht Stellung zu der Person eines "nicht links stehenden
Juden" (Bl. 138 d.GA.) in der heutigen Bundesrepublik Deutschland.
121
Der Kläger kann einen schwerwiegenden Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht auch nicht
daraus herleiten, daß er durch das Schaubild in seiner graphischen Gestaltung und
Anordnung der einzelnen Kästen in einen unmittelbaren Zusammenhang mit
122
nationalsozialistischen Organisationen gestellt werde.
Das inkriminierte Schaubild stellt den Kläger in einem Kasten in den Zusammenhang
mit der "K. A." und den "D. K.". Dabei wird dieses Schaubild unter den Titel "Das
rechtsextremistische Netz in Deutschland" gestellt und auf der linken Seite erläutert. An
keiner Stelle enthält das Schaubild ein Urteil der Beklagten über die Zusammenarbeit
des Klägers mit anderen in dem Schaubild aufgeführten Organisationen.
123
Dies ergibt sich weder aus der Überschrift des Schaubildes "Das rechtsextremistische
Netz in Deutschland" (so Seite 66 des Projekthandbuches) bzw. "das
rechtsextremistische Netzwerk (so Bleiblatt im Anhang), noch aus dessen Inhalt und
dem am linken Rand Seite 66 des Projekthandbuchs abgedruckten Begleittext.
124
Ebensowenig wird eine Verflechtung der "K. A." bzw. des Klägers mit den anderen dort
dargestellten Vereinigungen näher ausgeführt. So enthält das Schaubild auch kein
Pfeildiagramm, wodurch eine Zusammengehörigkeit oder Zusammenarbeit der
einzelnen aufgeführten Vereinigungen, Gruppen, Parteien etc. graphisch unterstrichen
würde. Vielmehr ist die "Konservative Aktion" ohne eine unmittelbare optische
Verbindung zu anderen Vereinigungen im linken unteren Bereich in Nähe der
Vereinigung "Die ..." aufgeführt.
125
Daß die Beklagte bei der Anordnung der einzelnen Gruppierungen ein bestimmtes
System eingehalten hat und sich hieraus für den Betrachter Verflechtungen ergeben, ist
für einen unbefangenen Durchschnittsleser, auf den nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes abzustellen ist (z.B. BGH, NJW 1985, 2644 ff. (2646); NJW
1987, 1398 f. (1399) m.w.N.), nicht erkennbar. Durch die graphische Gestaltung und
Anordnung der einzelnen Kästen wird eine bestimmte - nach außen erkennbare -
Struktur des "rechtsextremistischen Netzes bzw. Netzwerkes" nicht ersichtlich.
126
Die in dem Schaubild vorgenommene Einstufung der "K. A." und somit auch der Person
des Klägers in das "rechtsextremistische Netz in Deutschland" rückt ihn noch nicht in
unmittelbare Nähe zu den Nationalsozialisten und der von ihnen begangenen
Verbrechen. So wird der unbefangene Durchschnittsleser bei Betrachtung des
Schaubildes nicht davon ausgehen, der Kläger arbeite mit sämtlichen dort aufgeführten
Vereinigungen, Gruppierungen, Parteien etc. arbeitsteilig zusammen.
127
Ein entsprechender Aussagegehalt kann dem Schaubild nicht entnommen werden. Im
Gegenteil wird gerade die "Zersplitterung" der sogenannten rechten Szene aufgezeigt.
So werden so unterschiedliche Gruppierungen wie verbotene Organisationen z.B. "D... -
....", "D. K.", N.. - ..." und auch nicht verbotene Parteien wie z.B. "...", "...", "... - ..." und "..."
aufgeführt, die verschiedentlich an Europa-, Bundestags-, Landtags- oder
Kommunalwahlen teilgenommen haben bzw. noch teilnehmen. Daneben sind auch
"Teile der Vertriebenenverbände", "Burschenschaften", Gruppen aus der Musikszene
wie "... ...", "..." aus Großbritannien und Zeitschriften wie "C." und "J. F." namentlich
genannt.
128
Hieraus wird auch für den nur oberflächlich informierten und interessierten
Durchschnittsleser deutlich, daß die aufgeführten Gruppen nicht alle gleichzusetzen
sind, das Schaubild vielmehr das breite Spektrum der rechte Szene darstellt. Erst recht
kann dem Schaubild nicht die Wertung entnommen werden, der Kläger arbeite
persönlich arbeitsteilig mit nachweislich rechtsextremistischen und nationalistischen
129
Organisationen zusammen.
Dieser Eindruck wird auch nicht durch das hierfür von dem Kläger herangezogene Zitat
aus dem am linken Rand des Schaubildes befindlichen Begleittext
130
"nur vordergründig wirkt die rechtsextremistische Szene zersplittert. Im Alltag sind diese
Organisationen und Strömungen miteinander verflochten"
131
hervorgerufen. Diese nur auf dem Schaubild auf Seite 66 des Projekthandbuches
abgedruckte Anmerkung weist allgemein auf eine Verflechtung der verschiedenen
Organisationen und Strömungen der rechten Szene hin, ohne namentlich den Kläger als
Teil dieser Struktur anzuführen.
132
Als Beispiel hierfür wird die "G.." genannt, wobei an keiner Stelle in dem Schaubild oder
der Anmerkung erwähnt wird, daß der Kläger Mitglied dieser Gruppierung ist bzw. im
Hintergrund "die Fäden zieht", verschiedenen Organisationen angehört und für den Fall
von Verbotsandrohung den Wechsel in eine andere Organisation vorbereite.
133
Auch die graphische Anordnung der Kästen stellt keinen unmittelbaren Zusammenhang
zwischen der Person des Klägers und rechtsextremistischen und
verfassungsfeindlichen Organisationen her. Eine solche Anprangerung des Klägers
folgt nach dem maßgeblichen Verständnis eines unbefangenen Durchschnittsbetrachter
nicht aus der Gestaltung des Schaubildes. Insbesondere ergibt sich eine
Zusammenarbeit des Klägers mit diesen Organisationen nicht aus der räumlichen
Anordnung des Kastens "K. A." zu dem der "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit B. d.
S. der ehemaligen W. S., ....": SS Panzerdivision "L. A. H"; S. P. "T.", S. P. "H...", S. D.
"R. S.", S. P. D. "H. W.".
134
Zwischen beiden Kästen befindet sich ein breiterer Zwischenraum, der eine deutliche
Trennung markiert. Zudem liegt eine Zuordnung der "K. A." eher zu dem Kasten "D. P."
nahe, da insoweit der Zwischenraum schmaler ist. Dies wird auch dadurch
unterstrichen, daß die Kästen "Konservative Aktion", "D. P.", "D...", "A../I.../Schutzbund
für Leben und Umwelt/A../E. R.", "R..." eine verbindende Hintergrundfarbe haben, die
diese Kästen deutlich von dem Kasten "H..." trennt (Bl. 4 des Anlagenbandes des
Verfahrens 28 O 493/94 - Landgericht Köln - ).
135
Eine schwerwiegende Diffamierung des Klägers läßt sich auch nicht aus einer
Gesamtschau des Schaubildes auf Seite 66 mit der Beschreibung des Begriffes
"Rechtsextremismus" auf Seite 106 f. des Projekthandbuches herleiten.
136
Insoweit ist dem Kläger nicht darin beizutreten, daß der unbedarfte Durchschnittsleser
davon ausgehe, daß der "Kläger als Journalist und Jude selbst für die Ungleichheit der
Menschen eingetreten ist und eintritt, eine völkische Selbstübersteigerung vertritt,
rassische Ansichten hat und fremdenfeindlich ist, zwischen lebenswertem und
unwertem Leben unterscheide, von dem Vorhandensein natürlicher Hierarchien und
dem Recht des Stärkeren ausgehe, Menschen, die anders sind, ausgrenzt,
demokratische Regelungsformen von sozialen und politischen Konflikten ablehne und
statt dessen autoritäre und militärische Umgangsformen und Stile befürworte" (so der
Kläger Bl. 10 d.GA.).
137
Auf Seite 106 f. des Projektbuches wird weder ein direkter Bezug zum dem auf Seite 66
138
abgedruckten Schaubild noch zu der Person des Klägers hergestellt. Ebensowenig
ergibt sich aus den Ausführungen auf Seite 106 f. des Buches, daß sämtliche in dem
Schaubild aufgeführten Gruppen entsprechende Ideen vertreten. So heißt es wörtlich
auf Seite 106 des Projekthandbuches: "Der Ungleichwertigkeit von Menschen als
zentralem, integrierenden Kernstück rechtsextremistischer Ideologien entsprechen etwa
folgende Facetten". Bei welcher Gruppe welche Facette im einzelnen vorliegt, wird
weder auf Seite 106 f. des Projekthandbuches noch innerhalb des
streitgegenständlichen Schaubildes auf Seite 66 konkretisiert.
Soweit der Kläger als einziges Mitglied der "K. A." in dem Schaubild erwähnt wird, liegt
hierin kein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeit des Klägers vor. Es sind
keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß die Nennung des Namens des Klägers dazu
diente, ihn herabzusetzen bzw. zu diffamieren. Die Aussage der Beklagten bezieht sich
auf das Wirken des Klägers in dieser Vereinigung.
139
Soweit das Schaubild einen Zusammenhang zwischen der Person des Klägers und der
"K. A." herstellt, liegt eine zutreffende Tatsachenbehauptung vor.
140
Der Kläger war der "K. A." zuzuordnen. Dabei ist es bedeutungslos, ob und wie lange
der Kläger Mitglied des Vereins war. Auf jeden Fall bekleidete er in der Gruppierung als
langjähriger Vorsitzender des Kuratoriums und im Herbst 1986 - vor ihrer Auflösung - als
stellvertretender Vereinsvorsitzender wichtige Funktionen. In diesem Punkt ist, wie das
Landgericht zutreffend in der angefochtenen Entscheidung ausführt (§ 543 ZPO), das
Schaubild nicht falsch, wenn es den Kläger bei der "K. A." namentlich anführt.
141
Der Kläger muß sich als Person des öffentlichen Lebens, der insoweit zumindest das
Erscheinungsbild der "K. A." nach außen mitbestimmt hat, die Nennung seines Namens
im Zusammenhang mit der "K. A." gefallen lassen. Ausweislich der zu den Akten
gereichten Schreiben der "K. A." (z.B. Schreiben vom 23.01.1985, Bl. 209 des
Anlagenbandes; Schreiben vom 10.09.1985, Bl. 240 f. des Anlagenbandes) wurde der
Kläger jeweils in der Fußnote der Schreiben bei den Mitgliedern des Kuratoriums an
erster Stelle namentlich unter der Bezeichnung "G. L., Fernseh-Journalist
(Vorsitzender)" aufgeführt. Entsprechende Schreiben sind - so Schreiben vom
10.09.1985 (Bl. 240 f. des Anlagenbandes), Schreiben vom 21.10.1985 (Bl. 242 des
Anlagenbandes) - mit Spendenaufrufen versandt worden.
142
Soweit der Kläger in dem Kasten auch noch mit den "D. K." in Verbindung gebracht
wird, führt dies nicht zu einer Bejahung eines schweren Eingriffs in die Persönlichkeit.
Zwar gehörte der Kläger - unstreitig - nicht zu den "D. K.". Selbst wenn man insoweit von
einer unwahren Tatsachenbehauptung - und nicht von einer bloßen Mitteilung der
Folgeorganisation - ausgeht, ist bei der gebotenen Gesamtschau jedoch kein
finanzieller Ausgleich für einen immateriellen Schaden geboten. Weitere Angaben, die
den Eindruck einer unmittelbaren Beziehung des Klägers zu den "D. K." erwecken, sind
dem Schaubild nicht zu entnehmen. Die Auswirkungen des unzulässigen Teils sind
daher vergleichsweise gering, selbst wenn man berücksichtigt, daß diese Vereinigung -
so der Kläger - von "seinem schärfsten Gegner" in der "K. A." gegründet worden ist, der
zudem wegen rechtsextremistischer Publikationen rechtskräftig verurteilt wurde.
143
Zudem tritt diese Angabe hinter den übrigen Äußerungen im Schaubild zurück. Ihr wird
auch keine weitere, besondere Bedeutung bei der Darstellung des
"rechtsextremistischen Netzes in Deutschland" bzw. den nach dem Erläuterungstext
144
vorhandenen Verflechtungen zugemessen.
Auch wenn für den Kläger durch die namentliche Erwähnung möglicherweise die
Gefahr besteht, zu Unrecht in eine politische Ecke gestellt zu werden, mit der der
überwiegende Teil der Bevölkerung nichts zu tun haben will, liegt insoweit kein
erheblicher Eingriff in die Individualsphäre des Klägers vor.
145
Zwar gehört es zum Wesen des Persönlichkeitsrechts, daß es auch Schutz dagegen
bietet, zum Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit gemacht zu werden. Jedoch
besteht der Grundsatz nicht ausnahmslos.
146
Insoweit kommt es auch maßgeblich darauf an, ob und in welchem Ausmaß der von der
Äußerung Betroffene seinerseits an dem von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Prozeß
öffentlicher Meinungsbildung teilgenommen, sich damit aus eigenem Entschluß den
Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen und sich durch dieses Verhalten eines
Teils seiner schützenswerten Privatsphäre begeben hat.
147
Gerade im Bereich des politischen Meinungskampfes spielt es eine entscheidende
Rolle, ob der Betroffene durch die Art seines persönlichen Auftretens und seines
Kampfstiles die Kritik selbst herausgefordert hat und damit auch Veranlassung gab, sich
mit seiner Person zu befassen (z.B. BVerfG, NJW 1980, 2069 f. (2069) m.w.N.; BGH,
NJW 1964, 1471 f. (1472); NJW 1965, 1476 f. (1477); OLG Stuttgart, NJW 1981, 2817 f.
(2817)).
148
Vorliegend muß sich der Kläger zurechnen lassen, daß er wichtige Funktionen in der
"K. A." bekleidete und unstreitig in dieser Vereinigung Mitglieder vorhanden waren, die -
wie z.B. der frühere stellvertretende Vorsitzende Siegerist - nach dem eigenen
Vorbringen des Klägers rechtsextremistisches Gedankengut vertreten. Eine
ausdrückliche, nach außen sichtbare Distanzierung von dieser Vereinigung zeigt auch
der Kläger nicht auf. Gleiches gilt für die Veröffentlichung von Artikeln durch den Kläger
in der Zeitschrift "J. F.". Zu dieser Zeitschrift heißt es u.a. in dem vom Innenministerium
des Landes Nordrhein-Westfalen herausgegebenen Verfassungsschutzbericht des
Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1994, Seite 140:
149
"Zu den Autoren der JF zählen sowohl ausgewiesene Rechtsextremisten als auch
vereinzelt Mitglieder demokratischer, etablierter Parteien........
150
......
151
Die durch den Verfassungsschutz NRW vorgenommene Auswertung der bisher
erschienenen Ausgaben der JF, insbesondere des Jahres 1994, hat zahlreiche
tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen
ergeben. Konstant und auffällig ist die JF von Beiträgen durchsetzt, in denen die
Verfasser für politische Standpunkte werben oder Forderungen erheben, die mit
grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung,
insbesondere der Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten
und Grundsatz der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung,
nicht in Einklang stehen."
152
cc)
153
Eine zusammenfassende Abwägung und Würdigung aller denkbarer
Beeinträchtigungen mit den für die Zubilligung einer Geldentschädigung wesentlichen
Gesichtspunkten führt zu dem Ergebnis, daß die Auswirkungen einer möglichen
Rechtsverletzung unter der Schwelle bleiben, die für die Zubilligung einer
Geldentschädigung als einer ausnahmsweise zuzusprechenden, besonderen
Genugtuung gesetzt ist. So waren auch nicht die Auflagensteigerung und die
Gewinnerzielungsabsicht maßgeblicher Anlaß und Beweggrund für die Aufstellung und
Verbreitung der beanstandeten Äußerung (vgl. allgemein: BGH, NJW 1995, 861 ff.
(865)). Unwiderlegt ging es der Beklagten bei der Veröffentlichung des
Projekthandbuches darum, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit durch eine
"sachorientierte, aufklärende und humanitär engagierte Schrift" zu befriedigen.
154
c)
155
Daher kann es dahingestellt bleiben, ob die weiteren Voraussetzungen für die
Zubilligung einer Geldentschädigung vorliegen, insbesondere ob der Beklagten
hinsichtlich des Abdrucks des Schaubildes wegen dessen bereits im Jahre 1987 im "J."
erfolgten Veröffentlichung überhaupt ein schweres Verschulden vorzuwerfen ist.
Ebenfalls bedarf es keiner Erörterung, inwieweit die Beklagte für den im Jahre 1995
erfolgten Abdruck des inkriminierten Schaubildes durch die "IG C. P. K." verantwortlich
ist und ob die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen
werden kann.
156
II.
157
Die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung kann der Kläger nicht verlangen.
Ein entsprechender Anspruch steht einem Betroffenen nur zu, wenn er die konkrete
Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts als Folge der angegriffenen Veröffentlichung
vorträgt und sie im Bestreitensfall unter Beweis stellt.
158
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Daß bereits aufgrund der im Jahre 1993
erfolgten Veröffentlichung des Schaubildes ein materieller Schaden entstandenen ist,
zeigt der Kläger nicht auf. Auch wird die Wahrscheinlichkeit eines künftigen
Schadenseintritts nicht dargetan. Soweit Zukunftsschäden des Klägers in Frage stehen,
dürfen zwar nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden, um dem Betroffenen nicht
vorschnell die Möglichkeit zum Ersatz eines später wirklich entstehenden materiellen
Schadens abzuschneiden (BGH NJW 1980, 2807 ff. (2809)). Insbesondere kann die
Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts auf Erfahrungssätze gestützt werden, wenn
solche bestehen. Eine allgemein gehaltene Erklärung, es bestehe nach der
Lebenserfahrung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, daß er einen Schaden
infolge der Veröffentlichung erlitten habe, reicht aber zur Begründung des
Schadensfeststellungsantrages nicht aus (vgl. allgemein: Soehring, NJW 1997, 360 ff.
(372) unter Bezugnahme auf BGH NJW 1994, 2614 ff. (2616 f.)).
159
Erfahrungssätze, die im Streitfall für eine ausreichende Schadenswahrscheinlichkeit
sprechen könnten, werden weder von dem Kläger aufgezeigt, noch sind sie sonst
ersichtlich. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die namentliche Erwähnung des
Klägers in dem Schaubild sein Ansehen belastet, so sind jedoch keine Erkenntnisse
darüber ausreichend gesichert, daß dieser Umstand sich für den Kläger zwangsläufig
materiell nachteilig auswirkt. Hat sich nahezu 4 Jahre nach der Veröffentlichung bei dem
Kläger noch kein konkreter Ansatz für einen materiellen Schaden gezeigt, dann dürfte
160
für die Zukunft die Möglichkeit eines Schadenseintritts nur noch theoretischer Natur
sein, zumal die Beklagte in der Folgeauflage des Projekthandbuches das
streitgegenständliche Schaubild in der beanstandeten Form nicht mehr abgedruckt hat.
Die Feststellung einer Ersatzpflicht eines künftigen immateriellen Schadens kommt
bereits deshalb nicht in Betracht, weil dem Kläger - wie dargelegt - kein Anspruch auf
Entschädigung immaterieller Nachteile zuzubilligen ist.
161
III.
162
Dem Kläger steht unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ebenfalls
kein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zu. Dieser dient zudem nicht dazu, dem
Geschädigten etwa die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsbegründenden
Voraussetzungen abzunehmen.
163
IV.
164
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; der Ausspruch über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
165
Streitwert für das Berufungsverfahren:
166
bis zum 14.04.1997: 20.000,00 DM
167
(Beschluß des Senates vom 12.12.1996 (Bl. 170 d.GA.)
168
ab dem 15.04.1997: 75.000,00 DM
169
(5.000,00 DM + 5.000,00 DM + 65.000,00 DM)
170
Beschwer des Klägers: über 60.000,00 DM
171