Urteil des OLG Köln vom 22.08.1994

OLG Köln (kläger, ambulante behandlung, universität, behandlung, zeitpunkt, auf lebenszeit, aids, behandlungsfehler, hiv, markt)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 92/94
Datum:
22.08.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 92/94
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 9 O 330/92
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 1. Februar 1993 verkündete
Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 9 O 330/92 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger. Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von
16.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien wird
gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische
Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse,
Raiffeisenkasse oder Volks- oder Genossenschaftsbank zu erbringen.
T a t b e s t a n d
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Der 1961 geborene Kläger leidet ebenso wie seine Brüder A. und An. seit seiner
Geburt an Hämophilie A. Als Folge der lebensnotwendigen Behandlung mit
Blutgerinnungsmitteln (Faktor-8-Konzentrate) zog er sich bereits im frühen
Lebensalter eine Hepatitisinfektion zu. Etwa im Jahre 1975 erlernten der Kläger und
seine Brüder im Rahmen eines 8-tägigen Kursus in der Hämophilieambulanz des
Instituts für Experimentelle Hämatologie und Bluttransfusionswesen der Universität
die Fähigkeit zur Heimselbstbehandlung, so daß sie fortan in der Lage waren, die
verordneten Dosen des Faktor-8-Konzentrats selbst zu injizieren.
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Der Beklagte war damals als Beamter auf Lebenszeit in der Hämophilieambulanz
tätig, die er zunächst als akademischer Oberrat und seit 1984 als akademischer
Direktor leitete. Er war mit der ärztlichen Betreuung des Klägers und dessen Brüder
persönlich befaßt. Er verordnete Art und Mengen der Präparate und kontrollierte
deren Wirksamkeit. Ab 1980/81 verordnete er zur Verbesserung des
Behandlungsergebnisses die Injektion höherer Dosen des Faktor-8-Konzentrats. Der
Kläger erhielt damals ein Präparat der Tropon-Werke, dessen Bruder An. ein solches
der Firma Travenol.
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Da im Rahmen der Übertragung von Blut oder Blut-produkten die relativ hohe Gefahr
bestand, daß der Empfänger mit Hepatitis auslösenden Viren infiziert wurde,
arbeiteten die Pharmahersteller seit langem an Verfahren, sogenannte virusinaktive
Präparate herzustellen. Die Behring-Werke brachten im Frühjahr 1981 ein infolge
Hitzebehandlung virusinaktiviertes Faktor-8-Präparat (Haemate HS) auf den Markt,
das Sicherheit vor einer Hepatitisinfektion bot. Von diesem Präparat stellte das
Unternehmen in den Jahren 1981 bis 1985 jeweils 4,5; 9,2; 12,5; 20,1 bzw. 48
Millionen Einheiten her. Gleichzeitig produzierte und verkaufte es weiter-hin nicht
virusinaktivierte Präparate. Zur Herstellung von hitzebehandelten Konzentraten
wurde relativ viel Frischplasma benötigt, weil davon nur etwa 10 % Fertigprodukt
gewonnen wurde. Der Preis war erheblich höher als für nicht virusinaktivierte
Konzentrate. Andere Pharmahersteller brachten virusinaktivierte Präparate erst
später auf den Markt, und zwar die Travenol GmbH am 20. Mai 1983, die Alpha
Therapeutic GmbH am 6. Dezember 1983 und die Tropon Werke GmbH am 22.
Dezember 1983, wobei die Daten den Zeitpunkt der Zulassung durch das
Bundesgesundheitsamt angeben.
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Im Februar 1983 erschien im Deutschen Ärzteblatt ein Aufsatz, in dem über eine seit
Mitte 1981 in den USA auftretende Erkrankung berichtet wird, die als Aids bezeichnet
werde und die gehäuft unter anderem bei Empfängern von Faktor-8-Präparaten
vorkomme, deren Ursache unbekannt sei, man jedoch annehmen müsse, daß sie auf
ähnlichem Wege wie z.B. Hepatitis B übertragen werde. Im April 1983 wurde im
Bundesgesundheitsblatt ein Aufsatz über Aids abgedruckt, in dem die
wissenschaftlich begründete Vermutung geäußert wird, Aids beruhe auf einer
Virusinfektion. Es seien gesicherte Fälle von Aids bei Hämophiliepatienten zu
verzeich-nen, die mit Faktor-8-Präparaten behandelt worden seien.
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Die Hämophilieambulanz der Universität betreute Anfang der 80er Jahre etwa 800
Hämophiliepatienten und hatte einen Jahresbedarf von rund 100 Millionen Einheiten
des Faktor-8-Konzentrats. In der Zeit von 1981 bis 1983 wurden die Patienten vom
Beklagten nach einer Prioritätsliste mit virusinaktivierten Faktor-8-Präparaten der
Behring-Werke, also mit Hämate HS, versorgt. Zunächst erhielten solche Patienten
dieses Präparat, die noch kei-ne Hepatitisinfektion durchlitten hatten, ferner
Kleinkinder und schließlich schwer lebergeschädigte Patienten. Mit Wirkung ab 29.
August 1983 wurde An. auf das virusinaktivierte Präparat der Trave-nol GmbH
umgestellt. Der Kläger und sein Bruder A. wurden am 29. März 1984 umgestellt.
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Das Bundesgesundheitsamt legte fest, daß die Um-stellung sämtlicher
Hämophiliepatienten auf viru-sinaktivierte Faktor-8-Konzentrate mit Wirkung ab 1.
Oktober 1985 zu erfolgen habe.
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Im Oktober 1985 erhielten der Kläger und seine Brüder aufgrund eines von der
Hämophilieambulanz der Universität veranlaßten Tests Kenntnis davon, daß sie mit
dem HI-Virus infiziert sind.
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In der Folgezeit kam es zwischen der Deutschen Hämophiliegesellschaft einerseits
und den Herstellern von Faktor-8-Konzentraten sowie deren Versicherern
andererseits zu Verhandlungen über Schadensersatzleistungen wegen eingetretener
HIV-Infektionen. Man einigte sich auf Abfindungsverträge, die mit inhaltlich
gleichlautenden Formulierungen zwischen den einzelnen Anspruchstellern und dem
jeweils betroffenen Versicherer abgeschlossen werden sollten. Der damals
anwaltlich beratene Kläger schloß gemeinsam mit seiner Ehefrau im Februar 1988
mit dem Gerling-Konzern folgende Ver-einbarung:
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"Wir, Eheleute ... ..., erklären uns für al-le Ersatzansprüche, die von uns oder
unseren Rechtsnachfolgern und von den durch uns gesetzlich vertretenen
Personen gegen
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1. Firma Tropon-Werke GmbH
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2. deren Haftpflichtversicherer Gerling-Konzern, Allgemeine Versicherungs AG,
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3. andere pharmazeutische Unternehmen, die Gerinnungsfaktor-Präparate und
sonstige Blutprodukte hergestellt oder in den Verkehr gebracht haben sowie deren
Haftpflichtversicherer;
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4. jeden anderen Dritten, sofern er als Gesamtschuldner in Betracht kommt,
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geltend gemacht werden können, gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von
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116.000,-- DM
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für vollständig und endgültig abgefunden. Dies gilt auch für alle nicht
vorhersehbaren Schäden und Spätfolgen. Uns ist bekannt, daß mit der Zahlung
kein Anerkenntnis einer Haftung verbunden ist. Unsere behaupteten Ansprüche
sind weder abgetreten noch gepfändet."
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Im Mai 1988 erklärte sich der Gerling-Konzern ferner bereit, zum Ausgleich der
Beisetzungskosten weitere 7.500,-- DM an den Kläger zu zahlen.
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Mit Anwaltsschreiben vom 6. September 1988 meldete der Kläger gegenüber dem
Institut für Experimentelle Hämatologie und das Bluttransfusionswesen der
Universität Ansprüche auf Schmerzensgeld an, weil Anhaltspunkte bestünden, daß
er zu spät auf hitzebehandelte Präparate umgestellt worden sei. Die Universität wies
die Ansprüche mit Schreiben vom 16. September 1988 zurück, weil ein schuldhaftes
Verhalten des Beklagten nicht ersichtlich sei. Im übrigen greife der
Exkulpationsbeweis nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB durch, so daß sich der Kläger an
den Beklagten persönlich bzw. dessen Haftpflichtversicherer wenden möge.
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In der Folgezeit kam es zu einer Korrespondenz zwischen dem anwaltlich
vertretenen Kläger und dem Beklagten sowie dessen Versicherer, die beide die
erhobenen Ansprüche zurückwiesen. Der Versicherer erklärte auf Bitten des Klägers
den Verzicht auf die Einrede der Verjährung, jeweils befristet zum 31. Dezember
1989 bzw. 31. Dezember 1990. Am 14. August 1992 hat der Kläger Klage
eingereicht, die am 2. September 1992 zugestellt worden ist.
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Er hat behauptet, er habe sich durch Injektion mit vom Beklagten verordneten nicht
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virusinaktivierten Präparaten mit dem HI-Virus infiziert. Er meint, dem Beklagten sei
vorzuwerfen, daß er ihn nicht bereits ab Frühjahr 1981 auf Hämate HS umgestellt
habe. Die Behring-Werke wären in der Lage gewesen, auf ärztliche Anforderung die
erforderliche Menge an Präparaten zu liefern. Es sei völlig unverständlich, daß er ihn
nicht wenigstens zeitgleich mit seinem Bruder An. umgestellt habe. Zumindest habe
der Beklagte in Kenntnis des Aids-Risikos, wovon zumindest ab Anfang 1983
auszugehen sei, von der Hochdosierungstherapie abgehen müssen, um das
Infektionsrisiko zu vermeiden. Ferner sei er nicht über die Risiken und die
Möglichkeit, virusinaktivierte Präparate zu bekommen, aufgeklärt worden. Er hätte
sich gegen eine Fortsetzung der Therapie mit hochdosierten nicht virusinaktivierten
Präparaten entschieden.
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Die Abfindung vom Februar 1988 könne seinem Anspruch nicht mit Erfolg
entgegengehalten werden. Davon seien Schmerzensgeldansprüche nicht erfaßt.
Ferner verstoße die Drittausschlußklausel gegen die Vorschriften des AGBG. Auf
anderweitige Ersatzmöglichkeiten im Sinne von § 839 Abs. 1 S. 2 BGB könne er nicht
verwiesen werden, weil solche nicht bestünden. Schließlich seien seine Ansprüche
auch nicht verjährt. Er habe frühestens durch ein Schreiben des
Bundesgesundheitsamtes vom 5. September 1989 Kenntnis im Sinne von § 852 Abs.
1 BGB erlangt, daß ihm eine Fehlbehandlung zuteil geworden sei.
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Der Kläger hält als Ausgleich des erlittenen immateriellen Schadens eine
Schmerzensgeldrente von mindestens 1.000,-- DM monatlich für angemessen. Er hat
beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen,
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1.
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an ihn für die Zeit vom 1. November 1985 bis zum 31. Juli 1992 ein
Schmerzensgeld in Höhe von 81.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2.
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September 1992 zu zahlen,
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2.
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ab dem 1. August 1992 an ihn ein monatliches Schmerzensgeld in Höhe von
1.000,-- DM, zahlbar zum jeweils 2. des Monats, zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat die Einrede der Verjährung erhoben, ist den Vorwürfen entgegengetreten und
hat die Auffassung vertreten, die Klage müsse aus Rechtsgründen wegen der
Wirkungen des Abfindungsvergleichs und des Verweisungsprivilegs nach § 839 Abs.
1 S. 2 BGB scheitern.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klageforderung verjährt sei.
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Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt, die er
prozeßordnungsgemäß begründet hat. Er macht geltend, daß der
Schmerzensgeldanspruch nicht verjährt sei. Er habe erst durch ein Schreiben der
Behring-Werke vom 25. Mai 1991 erfahren, daß sich die Produktion von Hämate HS
nach der Nachfrage gerichtet habe. Da nur eine verhältnismäßig geringe Nachfrage
bestanden habe, sei eben wenig produziert worden. Bei entsprechend höherer
Nachfrage wäre die benötigte Menge produziert worden. Erst die Kenntnis dieser
Umstände habe den Schluß erlaubt, daß es vorwerfbar gewesen sei, ihn bis März
1984 mit nicht virusinaktivierten Präparaten zu behandeln. Die Verjährung habe
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mithin erst zu diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen. Im übrigen wiederholt
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und vertieft er sein Vorbringen erster Instanz. Er beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinen Schlußanträgen erster
Instanz zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil und hält die Einrede der Verjährung aufrecht.
Außerdem beruft er sich auf das Verweisungsprivileg gem. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Er
habe die Hämophilieambulanz völlig selbständig und unabhängig von Weisungen
des Institutsdirektors geleitet, mit der Folge, daß die Universität für etwaiges
fehlerhaftes Handeln seinerseits ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen habe (§§
31, 89 BGB). Jedenfalls komme bei dieser Sachlage eine Exkulpationsmöglichkeit
nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB nicht in Betracht.
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Ihm seien keine Behandlungsfehler vorzuwerfen. Er habe bereits ab 1981 seine
Patienten nach Maßgabe einer Prioritätenliste mit Hämate HS versorgt. Die Behring-
Werke seien nicht in der Lage gewesen, den vollständigen Bedarf zu befriedigen, so
daß ihm gar nichts anderes übrig geblieben sei. Die Behandlung der
Hämophiliepatienten mit nicht virusinaktivierten Faktor-8-Konzentraten sei bis 1985
in der Bundesrepublik gängiger Standard gewesen. Die Ambulanz der Universität sei
die erste in Deutschland gewesen, die sämtliche Patienten bis etwa Mitte 1984
umgestellt habe. Von einer Hochdosierungstherapie könne im übrigen keine Rede
sein. Er habe die therapeutischen notwendigen Dosen ver-ordnet, wie sie nach den
jeweiligen Zuständen der Patienten angemessen gewesen seien.
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Der Kläger könne nicht den Nachweis führen, daß er erst zu einem Zeitpunkt mit HI-
Viren infiziert worden sei, zu dem Hämate HS auf dem Markt erhältlich gewesen sei.
Eine Beweislastumkehr komme nicht in Betracht. Schließlich stehe dem geltend
gemachten Schadensersatzanspruch der Abfindungsvergleich vom Februar 1988
entgegen.
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Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstan-des wird auf Tatbestand und
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und die im Berufungsrechtszug
gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung. Wegen des Ergebnisses
wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. Juni 1994 verwiesen.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14. Juli 1994 um Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung gebeten, um ihm Gelegenheit zu geben, die teilweise Unrichtigkeit der
Aussage des Zeugen Prof. E. darzutun.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die nach §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO) und damit zulässig. Sie ist sachlich
jedoch nicht gerechtfertigt.
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Der Beklagte kann dem Schadensersatzbegehren des Klägers zum einen mit Erfolg
das sogenannte Verweisungsprivileg nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB entgegenhalten;
zum anderen fehlt es am Nachweis, daß die HIV-Infektion auf einer vorwerfbaren
Fehlbehandlung beruht. Ob die Klage auch deshalb keinen Erfolg hat, weil der
geltend gemachte Anspruch verjährt ist, wie das Landgericht gemeint hat, oder sich
der Kläger seiner Ansprüche durch den Abschluß des Abfindungsvergleichs vom
Februar 1988 begeben hat, braucht nicht entschieden zu werden.
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I.
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Die Haftung des Beklagten für den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch,
der seine Grundlage ersichtlich nur im Deliktsrecht (§ 847 BGB) fin-den kann, ist
ausschließlich nach § 839 BGB zu beurteilen. Der Beklagte ist seit 1974 Beamter im
staatsrechtlichen Sinne. Er hat den Kläger im Rahmen und in Ausübung seiner
beamtenrechtlichen Stellung behandelt. Dabei oblag ihm gegenüber jenem die
Amtspflicht, die Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführen.
Daß die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger als Patienten einerseits und dem
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Behandlungsträger andererseits bürgerlichrechtlicher Natur waren und der Beklagte
damit im privatrechtlichen Rechtskreis seines Dienstherren tätig geworden ist,
vermag nichts daran zu ändern, daß sich die Eigenhaftung des Beklagten für
Amtspflichtverletzungen auch in diesem Bereich nach § 839 BGB richtet (vgl. BGH
AHRS 510/2; BGH Z 85, 393).
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Nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Beamte im Falle einer fahrlässigen
Pflichtverletzung nur in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf
andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Letzteres gehört zur Klagebegründung,
das heißt der Verletzte hat darzulegen und zu beweisen, daß eine anderweitige
Ersatzerlangung unmöglich ist (vgl. BGH NJW 1991, 1171), wobei freilich an die
Darlegungs- und Beweislast keine unzumutbar hohen Anforderungen zu stellen sind
(vgl. BGH VersR 1978, 252). Im Streitfall hat der Kläger nicht bewiesen, daß eine
anderweitige Ersatzerlangung unmöglich ist. Der Senat muß nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme im Gegenteil davon ausgehen, daß der Kläger für den Fall einer
(grob) fahrlässigen schadensursächlichen Fehlbehandlung des Beklagten mit Erfolg
die Universität gem. §§ 831, 847 BGB in Anspruch nehmen kann.
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Der Beklagte hat die Behandlung als Verrichtungsgehilfe der Universität
vorgenommen. Die Hämophilieambulanz des Instituts ist nämlich vom Institutsdirektor
(damals Prof. E.) nicht etwa als sogenannte Chefarztambulanz mit der Rechtsfolge
betrieben worden, daß die Patienten, also auch der Kläger, ausschließlich und
unmittelbar Rechtsbeziehungen nur zum Chefarzt unterhielten, so daß die
vertragliche und deliktische Haftungszuständigkeit beim Chefarzt lag, der nach §§
278, 831 BGB wiederum auch für Fehlbehandlungen des ihm nachgeordneten
ärztlichen Personals einzustehen gehabt hätte (vgl. BGH Z 105, 189). Die Zeugen F.
und Prof. E. haben übereinstimmend bekundet, daß die ambulante Behandlung des
Klägers als Kassenpatient nicht aufgrund vertraglicher Beziehung zu einem die
Ambulanz kraft kassenärztlicher Zulassung gem. § 368 a Abs. 8 RVO (heute §§ 95,
116 SGB V) betreibenden Chefarzt durchgeführt wurde. Die ambulante Behandlung
und Versorgung des Klägers mit Faktor-8-Konzentraten erfolgte vielmehr im Rahmen
einer sogenannten Institutsambulanz gem. § 368 n RVO (vgl. dazu BGH Z 120, 376,
383). Wegen der Besonderheiten der Behandlung und Versorgung der
Hämophiliepatienten (Heimselbstbehandlung nach Maßgabe ärztlicher Verordnung)
bestand eine Ver-einbarung zwischen den beteiligten Kassen und der Universität,
wonach jene zur ambulanten Behandlung ermächtigt war und die Kosten unmittelbar
den Kassen in Rechnung stellte. Dem Institutsdirektor flossen insoweit keine
Honorare zu, auch nicht mittelbar und anteilig über die Universität.
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Danach würde die Universität als Geschäftsherr im Sinne von § 831 BGB für
schadensursächliches rechtswidriges Fehlverhalten des Beklagten nur dann nicht
haften, wenn ihr der Beweis gelänge, daß sie bei Auswahl und Überwachung des
Beklagten die im Verkehr erforderliche Sorgfalt hat walten lassen. Daran hat es
jedenfalls in bezug auf die Überwachung gefehlt.
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Die Anforderungen an die Überwachung eines ärztlichen Verrichtungsgehilfen
richten sich nach den Umständen des Einzelfalles. Ein sorgfältig ausgesuchter (Ober-
) Arzt, der sich jahrelang bewährt hat, muß grundsätzlich nur in geringem Umfang und
mit geringer Intensität überwacht werden (vgl. Senat VersR 1989, 708). Deshalb mag
es sein, daß im Streitfall die Anforderungen an die Überwachung des offenbar
bewährten, auf Hämophiliebehandlung spezialisierten, im Dienstgrad eines
akademischen Oberrats stehenden Leiters der Ambulanz eher gering zu bemessen
sind. Die Überwachung durfte indessen nicht völlig aufgegeben werden, weil sich die
Universität andernfalls hinsichtlich ihres Ambulanzleiters dadurch einen
haftungsfreien Raum hätte schaffen können, daß sie ihm einerseits die Stellung eines
verfassungsmäßigen Vertreters vorenthielt, andererseits aber wegen der
herausgehobenen Tätigkeit die nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB geforderten
Überwachungsaufgaben nicht wahrnahm (vgl. BGH VersR 1980, 768, 769, 770). Es
genügte auch nicht, daß die Universität eine Organisationsstruktur schaffte, die eine
Überwachung des Ambulanzleiters durch den Institutsdirektor vor-sah; maßgebend
ist, daß die Überwachung (Leitung) auch tatsächlich im erforderlichen Umfange
wahrgenommen wird. Das ist nicht geschehen.
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Prof. E. hat vor dem Senat bekundet, daß er damals als Institutsdirektor auch für den
Bereich der Hämophilieambulanz weisungsbefugt gewesen sei, auf sein
Weisungsrecht gegenüber dem Beklagten als Ambulanzleiter praktisch aber
verzichtet habe. Der Beklagte habe insbesondere in bezug auf die Behandlung der
Patienten und die gesamte ärztliche Tätigkeit außerordentlich weitgehend
weisungsfrei gearbeitet. Er habe sich nicht darum gekümmert, welcher Patient
welche Medikamente in welcher Dosierung bekommen solle. Es hätten keine
Besprechungen mit dem Beklagten über den Einsatz bestimmter Präparate in
bestimmten Fällen gegeben. Dies habe der Beklagte allein entschieden. Es sei auch
nicht anders verfahren worden, als der Einsatz virusinaktivierter Präparate und die
Umstellung der Patienten hierauf zur Diskussion gestanden habe.
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Danach kann von einer Überwachung im Sinne der in § 831 BGB vorgesehenen
Ausübung der Leitungsfunktion keine Rede sein. Der Institutsdirektor ist, wenn
überhaupt, auf Initiative des an sich zu Überwachenden einbezogen worden. Es läßt
sich daher eher sagen, daß der Institutsdirektor in bezug auf die ärztlichen Belange in
der Hämophilieambulanz vom Beklagten "geleitet" wurde als umgekehrt.
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Der Senat hat keine durchgreifenden Zweifel an der Wahrheit der Zeugenaussage.
Soweit der Zeuge in Interviews auf Fragen danach, welche Maßnahmen seitens der
Hämophilieambulanz in dieser oder jener Angelegenheit damals ergriffen worden
seien, die Vokabel "wir" benutzt hat, ist dies damit zu erklären, daß er nach außen für
die Maßnahmen verantwortlich war und er die getroffenen Maßnahmen im übrigen
auch für richtig hielt (und hält), so daß es aus seiner Sicht keinen Grund gab (und
gibt), sich davon zu distanzieren. Der Senat sieht vor diesem Hintergrund keinen
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Anlaß, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
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II.
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Die Klage ist ferner deshalb unbegründet, weil der Kläger nicht den ihm obliegenden
Beweis erbracht hat, daß er die HIV-Infektion infolge eines vom Beklagten zu
verantwortenden Behandlungsfehlers und/oder Aufklärungsversäumnisses erlitten
hat.
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Es mag richtig sein, daß die Infektion durch die Injektion von mit HI-Viren verseuchten
Faktor-8-Konzentraten hervorgerufen worden ist, die der Beklagte dem Kläger in der
Zeit von 1975 bis 28. März 1984 verordnet hat. Es ist indessen nicht feststellbar, zu
welchem Zeitpunkt die Infektion erfolgt ist. Sie kann innerhalb des genannten
Zeitraums (möglicherweise auch früher) zu jedem beliebigen Zeitpunkt eingetreten
sein. Der Kläger behauptet selbst nicht, daß es medizinischwissenschaftliche
Methoden gäbe, den Zeitpunkt näher einzugrenzen. Sonach läßt sich nicht
ausschließen, daß die Infektion (= Schaden) bereits vor 1981 eingetreten ist, und
zwar infolge einer Behandlung des Beklagten, die damals ohne jeden Zweifel vital
indiziert war, zu der es keine Alternative gab und deren Risiken im wesentlichen in
einer Hepatitisinfektion lag, die unvermeidlich in Kauf genommen werden mußte.
Etwaige ab 1981 vorgekommene Behandlungsfehler des Beklagten würden sich
dann als rechtlich irrelevant erweisen, eben weil zu diesem späteren Zeitpunkt der
Schaden bereits eingetreten gewesen sein kann.
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Somit könnte die Klage nur Erfolg haben, wenn eine Vermutung dafür spräche, daß
die Infektion (erst) später durch Pflichtverstöße eingetreten ist mit der Folge, daß der
Beklagte beweisen müßte, daß der Schaden damals bereits eingetreten war (was er
nicht kann). Der Streitfall bietet indessen keinen Anlaß, dem Kläger derartig
weitreichende Beweiserleichterungen zuzubilligen.
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Es ist in der Arzthaftungsrechtsprechung seit langem anerkannt, daß Erleichterungen
für den Kausalitätsnachweis ausnahmsweise gewährt werden können, wenn ein
grober Behandlungsfehler festgestellt ist. Das ist keine Sanktion für Arztverschulden,
sondern ein Ausgleich dafür, daß das Spektrum der für die Schädigung in Betracht
kommenden Ursachen gerade durch den Fehler besonders verbreitert bzw.
verschoben worden ist (vgl. Steffen, Neue Entwicklungslinien der
BGHRechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., S. 153 mit
Rechtsprechungsnachweisen). In Frage kommen vor allem Verstöße gegen
elementare Behandlungs-regeln, elementare Erkenntnisse der Medizin, die aus
objektiv ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich sind, wodurch die Aufklärung des
Behandlungsverlaufs besonders erschwert wird (vgl. BGH NJW 1992, 754; Senat,
140
Urteil vom 28. März 1990 - 27 U 125/89). Solche Fehler sind dem Beklagten nicht
anzulasten.
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141
Es steht außer Zweifel, daß der Arzt zur Vermei-dung eines
Behandlungsfehlervorwurfs gehalten ist, nur solche Medikamente einzusetzen, die
geeignet sind, die Krankheit wirksam zu bekämpfen und von denen möglichst
geringe Gefahren für die Gesundheit des Patienten im übrigen ausgehen. Bei
mehreren gleich geeigneten Präparaten ist das Mittel zu wählen, das bei dem
Patienten in seiner konkreten Befindlichkeit neben dem primär erstrebten Heil-erfolg
die wenigsten Schäden verursacht. Bei der Auswahl des Medikaments steht dem Arzt
grundsätz-lich ein therapeutisches Ermessen zu, das freilich dort seine Grenzen hat,
wo eine vermeidbare Schä-digung des Patienten droht. Dann kann die falsche
Auswahl in einen Behandlungsfehler umschlagen, der sich als grob erweisen kann,
wenn die getroffene Wahl medizinisch nicht mehr verständlich ist.
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143
Voraussetzung ist allerdings, daß der Arzt über-haupt zwischen mehreren geeigneten
Medikamenten unterschiedlicher Gefahrträchtigkeit wählen kann. Bis Februar 1981
bestand in bezug auf die Behandlung des Klägers keine echte Wahlmöglichkeit. Er
benötigte Faktor-8-Konzentrate, die sämtlich das Risiko einer Hepatitisinfektion
bargen. Das mußte als unvermeidlich in Kauf genommen werden. Erst als ab
Frühjahr 1981 Hämate HS "auf dem Markt" war, bestand - theoretisch - die
Möglichkeit, dem Kläger das lebensnotwendige Faktor-8-Konzentrat zu verordnen,
ohne ihn zugleich des Risikos einer (nochmaligen) Hepatitisinfektion auszusetzen,
weil dieses Präparat durch Hitzebehandlung virusinaktiviert war. Unter den damals
gegebenen Umständen erscheint es jedoch nachvollziehbar, daß der Beklagte den
Kläger nicht sofort umstellte, sondern die Verordnung beibehielt.
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Nach Angaben des Zeugen Dr. K. haben die BehringWerke damals Hämate HS aus
Gründen der aufwendigen Produktionstechnik nur in geringen Mengen herstellen
können. Einer Jahresproduktion von 4,5 Millionen Einheiten stand ein theoretischer
Bedarf von rund 100 Millionen Einheiten allein der Universität entgegen, was etwa
einem Drittel des bundesweiten Bedarfs entsprach, wie der Beklagte
unwidersprochen vorgetragen hat. Es leuchtet ein, daß eine Umstellung aller
Patienten auch dann nicht in Betracht kommen konnte, wenn die Dosen auf ein aus
Sicht des Beklagten thera-peutisch bedenkliches niedrigeres Niveau gesenkt worden
wäre. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, jedenfalls nicht im Sinne eines groben
Behandlungsfehlers, daß der Beklagte das neue Präparat nach Maßgabe der im
Tatbestand näher dargelegten Prioritätenliste verordnete. Danach genoß der Kläger
keine Priorität. Dabei darf ferner nicht außer Acht gelassen werden, daß sich der
Beklagte damals im Rahmen des bundesweit geübten ärztlichen Standards der
Hämophiliebehandlung bewegte. In sämtlichen Hämophiliezentren wurden die
Patienten weiterhin durchweg mit nicht virusinaktivierten Faktor-8-Konzentraten
versorgt. Eine Umstellung sämtlicher Patienten auf Hämate HS war kurzfristig
unmöglich, wie der Zeuge K. glaubhaft bekundet hat. Desweiteren hatte sich nach
dem damaligen Kenntnisstand der Behandler die "Risikolage" für die Patienten nicht
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verändert, so daß die Fortsetzung der Behandlung mit dem "alten" Mittel nicht
gänzlich untragbar schien. An dieser Situation hat sich auch in Ansehung der
Verfügbarkeit von Hämate HS auch im Jahre 1982 nichts geändert.
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Nach Auffassung des Senats ist dem Beklagten die Fortsetzung der Verordnung von
nicht virusinaktivierten Faktor-8-Konzentraten auch für die Zeit ab Frühjahr 1983 nicht
als grober Behandlungsfehler anzulasten. Allerdings mußten die Hämophilie-
behandler seit den Veröffentlichungen über die neue Erkrankung Aids im Februar
1983 im Deutschen Ärzteblatt und im April 1983 im Bundesgesundheitsblatt
zumindest mit der ernsthaften Möglichkeit rechnen, daß ein diese Erkrankung
auslösendes Virus über Faktor-8-Konzentrate in den Körper der Patienten gelangen
könne. Es lag deshalb nahe anzunehmen, daß virusinaktivierte Konzentrate insoweit
zumindest weniger gefährlich sein würden. Indessen war auch zu diesem Zeitpunkt
eine sofortige Umstellung aller Patienten mangels Verfügbarkeit von Hämate HS
nicht möglich. Außerdem hatte sich die wissenschaftliche Erkenntnis der
Gefährlichkeit von Blutprodukten in bezug auf Aids offensichtlich noch nicht
durchgesetzt. Weder hatte das zur Überwachung von Arzneimitteln zuständige
Bundesgesundheitsamt unter Setzung bestimmter Fristen vorgesehen, nicht
virusinaktivierte Produkte alsbald vom Markt zu nehmen, noch hatten die
Hämophiliezentren ihre bisherige Behandlungspraxis geändert. Im übrigen ist der
Beklagte auch nicht untätig geblieben. Nach Angaben des Zeugen Dr. K. hat er 1983
um die Lieferungen größerer Mengen von HS-Präparaten gebeten, einem Wunsch,
dem die Behring-Werke jedoch nur zum Teil nachkommen konnten. Um die
Jahreswende 1983/84 hat er (sogar) angekündigt, ab 1984 ausschließlich
virusinaktivierte Konzentrate einzusetzen. Tatsächlich hat der Beklagte dann auch ab
Mitte 1983 seine Patienten abweichend von der Prioritätenliste sukzessive auf
virusinaktive Präparate umgestellt, sobald ein solches Konzentrat von dem jeweiligen
Hersteller des Faktor-8-Präparats zur Verfügung stand, auf das der jeweilige Patient
eingestellt war. Dies war beim Kläger am 29. März 1984 der Fall. Diese
Vorgehensweise mag insoweit fehlerhaft gewesen sein, als der Beklagte den Kläger
nicht zeitgleich mit dessen Bruder An. auf das dem Kläger bis dahin nicht verordnete
Präparat der Firma Travenol umzustellen; gänzlich unverständlich ist die
Vorgehensweise indessen nicht, weil der Kläger eben auf das Präparat der Tropon-
Werke eingestellt war und die nicht virusinaktivierten Konzentrate auch anderweitig
weiterhin vom Bundesgesundheitsamt unbeanstandet verwendet wurden.
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Der Senat sieht sich nicht gehalten, der Behauptung des Klägers nachzugehen, der
Beklagte habe ihn mit unnötig hohen Dosen des Faktor-8-Präparats therapiert. Selbst
wenn dies zutrifft, liegt darin offensichtlich kein grober Behandlungsfehler, durch den
das Spektrum der für die HIV-Infektion in Betracht kommenden Ursachen besonders
verbrei-tert oder verschoben worden ist.
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Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob dem Beklagten rechtserhebliche
Aufklärungsversäumnisse anzulasten sind. Dies läßt die Frage des
Kausalitätsnachweises im Streitfall unberührt. Der Kläger hat die Beweislast dafür,
daß die HIV-Infektion als Schadensfolge auf eigenmächtiger fortgesetzter
Verordnung von nicht virusinaktivierten Konzentraten beruht. Diesen Beweis hat er
nicht geführt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Wert der Beschwer für den Kläger: über 60.000,-- DM
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 141.000,-- DM
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