Urteil des OLG Köln vom 04.07.2006

OLG Köln: betriebskosten, allgemeine geschäftsbedingungen, mietvertrag, nebenkosten, verwaltungskosten, vermieter, vertragsinhalt, abrechnung, agb, wohnraum

Oberlandesgericht Köln, 22 U 40/06
Datum:
04.07.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 40/06
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 16 O 222/04
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln
vom 31.01.2006 – 16 O 222/04 - abgeändert und insgesamt wie folgt neu
gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
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Die Parteien streiten über die Abrechnung von Hausverwaltungskosten als
Mietnebenkosten in einem gewerblichen Mietverhältnis.
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Der Kläger ist Eigentümer eines Geschäftshauses in L. Die Verwaltung des Hauses
lässt er von einer Hausverwaltungsfirma führen, mit der er ein Entgelt von 5,5 % der
Bruttosollmiete (mtl. 31.320,00 €) vereinbart hat. Er hat in dem Gebäude seit 15.08.2002
an die Beklagte Gewerberäume zum Betrieb eines Musik-Fachgeschäfts vermietet.
Gemäß § 4 des Mietvertrags hat die Beklagte monatliche Vorauszahlungen auf die
Nebenkosten zu leisten, nämlich 1.000 € für Heizung und 1.000 € für Betriebskosten
jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Anlage 1 zum Mietvertrag enthält eine
Aufstellung der einzelnen Betriebskosten. Unter Nr. 17, der letzten Position dieser
Aufstellung, sind als "sonstige Betriebskosten" u.a. die Kosten der kaufmännischen und
technischen Hausverwaltung der Mietsache aufgeführt. Die Höhe der
Hausverwaltungskosten ist nicht angegeben.
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Die erste Nebenkostenabrechnung des Klägers für den Zeitraum 15.08. bis 31.12.2002
weist anteilige Heizungs- und Betriebskosten (ohne Hausverwaltung) von 9.555,54 €
brutto und zusätzlich anteilige Hausverwaltungskosten von 8.159,38 € brutto (mtl.
1.813,20 €) aus. Auf den Gesamtbetrag dieser Nebenkosten von 17.714,92 € hat der
Kläger die Vorauszahlungen von 10.440,00 € angerechnet. Der Differenzbetrag von
7.274,92 €, dessen Zahlung die Beklagte verweigert, ist Gegenstand der Klage.
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Das Landgericht hat die Klage zugesprochen.
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Die Berufung der Beklagten, mit der ausschließlich die Geltendmachung von
Verwaltungskosten angegriffen wird, führt zur Abweisung der Klage.
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II.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung restlicher Nebenkosten für den Zeitraum
15.8. bis 31.12.2002. Denn der nur in Höhe von 9.555,54 € entstandene Anspruch
(Nebenkosten ohne Hausverwalterkosten) ist durch die Nebenkostenvorauszahlungen
der Beklagten erloschen. Einen Anspruch auf Zahlung von Verwaltungskosten von
8.159,38 € aus § 4 des Mietvertrags in Verbindung mit Nr.17 der Anlage 1 zum
Mietvertrag hat der Kläger nicht. Denn bei dieser Klausel handelt es sich, soweit sie den
Mietern die Kosten der Hausverwaltung auferlegt, um eine unwirksame allgemeine
Geschäftsbedingung.
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1.
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Bei dem Mietvertrag der Parteien handelt es sich um einen vom Vermieter gestellten
Formularvertrag, dessen Regelungen sich nach den nach den §§ 305 ff. BGB n.F.
beurteilen, soweit sie nicht zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt worden
sind. Dies war bezüglich der Regelung in Nr.17 der Anlage 1 zum Mietvertrag nicht der
Fall, wie sich aus der vorgelegten Korrespondenz über die Verhandlungen ergibt. Es
handelt sich bei dieser Klausel somit, wie bereits das Landgericht unbeanstandet
angenommen hat, um eine allgemeine Geschäftsbedingung.
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2.
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Zwar ist die Bestimmung in Nr.17 der Anlage 1 zum Mietvertrag nicht schon wegen
unangemessener Benachteiligung des Mieters gemäß § 307 Abs.1 Satz 1, Abs.2 Nr.1
BGB unwirksam. Denn eine Vereinbarung, mit der der Vermieter den Mieter von
Gewerberäumen mit den Kosten einer vom Vermieter beauftragten Hausverwaltung
belastet, wird grundsätzlich als zulässig angesehen (OLG Nürnberg, WuM 1995, 308,
309; Schmitt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 8. Aufl., § 556 Rdn.34, 6). § 556 Abs.3
BGB steht dem nicht entgegen, weil diese Vorschrift nur für Mietverhältnisse über
Wohnraum gilt.
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3.
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Die Überbürdung von nichtbezifferten Hausverwaltungskosten auf die Beklagte durch
eine allgemeine Geschäftsbedingung ist jedoch als Überraschungsklausel gemäß § 305
c BGB unwirksam, weil sie jedenfalls in ihrer konkreten Auswirkung von den
Erwartungen des Vertragspartners des Verwenders deutlich abweicht und dieser mit ihr
vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte.
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Der Vertragspartner des Verwenders muss darauf vertrauen dürfen, dass sich die AGB
im Rahmen dessen halten, was bei Würdigung aller Umstände bei Verträgen dieser Art
zu erwarten ist. Gehen allgemeine Geschäftsbedingungen über diese Grenzen hinaus,
werden sie als überraschende Klauseln nicht Vertragsinhalt (Palandt/Heinrichs, BGB,
65. Aufl., § 305 c, Rdn. 2). Dies ist hier unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der
Nebenkostenregelung des Vertrags, insbesondere der Art und Weise, wie die
Verwaltungskosten – ohne Angabe der Höhe – in der Aufstellung der Betriebskosten
aufgeführt sind, der Fall.
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Die Regelung verschleiert im Zusammenhang mit den zu niedrig angesetzten
Nebenkostenvorauszahlungen die Höhe der Hausverwalterkosten und damit die wahre
Höhe der vom Mieter insgesamt zu tragenden Betriebskosten.
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Sie enthält keine Angaben zur Höhe der Hausverwalterkosten. Sie gibt nicht annähernd
zu erkennen, in welcher Größenordnung sich die davon erfasste Position bewegt. Auch
ein Mieter, der die Überbürdung von Hausverwaltungskosten einkalkuliert, kann bei
einer derartigen Regelung an unauffälliger Stelle ohne Bezifferung oder einen sonstigen
Hinweis auf die Höhe der Kosten nicht erwarten, dass sich dahinter eine Kostenposition
verbirgt, die – zusätzlich zu den gesondert erhobenen Betriebskosten für
"Hausreinigung" (Nr.9 der Anlage 1) und "Hauswart" (Nr.14 der Anlage 1) – mit 8.159,38
€ höher ist als die Summe aller übrigen Betriebskosten unter Nr. 1 bis 16 der Anlage 1
zum Mietvertrag, obgleich die Erwähnung der Hausverwalterkosten als "sonstige
Betriebskosten" unter der – letzten – Nr. 17 der Betriebskostenaufstellung auf einen nur
geringen Betrag schließen lässt. Dies ist irreführend. Der Mieter muss der
Nebenkostenregelung des Mietvertrags zumindest in grobem Umfang entnehmen
können, welche Belastungen neben der Grundmiete auf ihn zukommen. Nur so kann er
entscheiden, ob das Mietobjekt sich für ihn "rechnet" oder nicht. Je höher die auf ihn
zukommenden Kosten, um so wichtiger ist der deutliche Hinweis auf diese Kosten (vgl.
auch KG, NZM 02, 954).
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Dies gilt erst recht, wenn – wie hier - auch die im Mietvertrag vereinbarten
Nebenkostenvorauszahlungen nicht erkennen lassen, dass weitere Kosten in weit
höherem Umfang auf den Mieter zukommen werden. Zwar schafft die Höhe der
Nebenkostenvorauszahlungen keinen Vertrauenstatbestand für den Mieter, dass diese
Beträge dem letztlich errechneten Betrag entsprechen werden (OLG Hamm, NZM 2003,
717 m.w.Nachw.). Jedoch darf die tatsächliche Höhe der auf den Mieter zukommenden
Nebenkosten auch nicht durch eine bei weitem zu niedrig angesetzte
Nebenkostenvorauszahlung einerseits und eine unklare Nebenkostenregelung
andererseits so verschleiert werden, dass die Größenordnung der vom Mieter insgesamt
zu tragenden Betriebskosten nicht einmal entfernt erkennbar wird. Dies ist aber der Fall,
wenn die nur als "sonstige Betriebskosten" aufgeführten Kosten der Hausverwaltung für
sich allein fast das Doppelte der Vorauszahlungen für die gesamten Betriebskosten
ausmachen.
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Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, die Höhe der Nebenkosten sei im Zeitpunkt
des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar gewesen. Denn die Höhe der
Verwaltungskosten, 5,5 % der Bruttosollmiete, war ihm bekannt und konnte exakt
berechnet werden. Die Höhe der Nebenkostenvorauszahlungen hätte also ohne
weiteres angemessen festgesetzt werden können. Da dies nicht geschehen ist, hatte die
Beklagte keinen Hinweis auf die tatsächliche Höhe der anfallenden Kosten, sondern
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musste von lediglich geringen Kosten im Verhältnis zu den übrigen im einzelnen
aufgeführten Betriebskosten ausgehen.
Damit erweist sich die Regelung bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls als
überraschend im Sinne des § 305 c BGB und damit unwirksam.
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Das Vorbringen des Klägers in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28.06.2006
gibt zu einer anderen Entscheidung oder einer Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung keinen Anlass.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
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IV.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Der Senat
weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofes ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den
Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 7.274,07 Euro
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