Urteil des OLG Köln vom 04.06.2009
OLG Köln: ungebührliches verhalten, wiedereinsetzung in den vorigen stand, gesetzliche vermutung, eigenes verschulden, rechtliches gehör, rechtsmittelbelehrung, verkündung, beleidigung, datum
Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 272/09 + 276/09
Datum:
04.06.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 272/09 + 276/09
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 25 Ns 21/09
Tenor:
Die sofortigen Beschwerden werden verworfen.
Die Kosten der Beschwerdeverfahren fallen dem Beschwerdeführer zur
Last.
Gründe:
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I.
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Nach Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Bonn
vom 27.10.2008 – Cs 331 Js 486/08 – ist er durch Urteil des Amtsgerichts Bonn vom
06.01.2009 – 74 Cs 447/08 – wegen Beleidigung in drei Fällen, davon in einem Fall in
Tateinheit mit Bedrohung zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 €
verurteilt worden.
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Auf die hiergegen eingelegte Berufung ist er nach Einstellung von zwei Fällen der
Beleidigung durch Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bonn vom
25.02.2009 – 25 Ns 21/09 – wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer
Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt worden. Darüber hinaus sind ihm
zur Hälfte die Kosten des Verfahrens auferlegt worden.
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Nach Verkündung des Urteilstenors und der Kostenentscheidung verließ der
Beschwerdeführer laut schimpfend den Sitzungssaal und schmiss dabei lautstark die
Türe hinter sich zu. Daraufhin ist in der Sitzung gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe
von 150 Euro verhängt worden. Der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 25.09.2009
– 25 Ns 21/09 - ist dem Beschwerdeführer samt dem Urteil am 10.03.2009 zugestellt
worden.
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Mit Schreiben vom 16.03.2009 hat der Beschwerdeführer gegen das Urteil Revision
eingelegt, welche mit Beschluss des Landgerichts Bonn vom 21.04.2009 – 25 Ns 21/09
- als unzulässig verworfen worden ist.
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Weiterhin hat er mit einem am selben Tage bei Gericht eingegangenen Schreiben vom
16.03.2009 gegen die Auferlegung der Kosten in dem Berufungsurteil, sowie mit einem
am 17.03.2009 bei Gericht eingegangenen Schreiben vom 16.03.2009 gegen die
Festsetzung des Ordnungsgeldes sofortige Beschwerde eingelegt.
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II.
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1. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist bereits unzulässig.
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Sie ist zwar statthaft, aber nicht fristgerecht eingelegt.
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a. Nach § 464 Abs. 3 StPO ist gegen die Entscheidung über die Kosten und Auslagen
die sofortige Beschwerde statthaft. Sie wird auch nicht dadurch unstatthaft, dass die von
dem Beschwerdeführer zusätzlich eingelegte Revision gegen das Urteil
zwischenzeitlich mit Beschluss des Landgerichts Bonn vom 21.04.2009 als unzulässig
verworfen worden ist (Gieg in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage, § 464, Rdn. 8).
Denn das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde sowie die Rechtsmittel der Berufung
und Revision stehen selbstständig nebeneinander und haben unterschiedliche Inhalte
zum Gegenstand.
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b. Die sofortige Beschwerde ist aber nicht fristgerecht eingelegt worden.
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Nach § 311 Abs. 2 StPO ist die sofortige Beschwerde binnen einer Woche ab
Bekanntmachung der anzufechtenden Entscheidung einzulegen. Wann eine
Entscheidung bekannt gemacht ist, richtet sich nach § 35 StPO. Danach werden
Entscheidungen, die in Anwesenheit der davon betroffenen Person ergehen, durch
Verkündung, solche, die in Abwesenheit der betroffenen Person ergehen, durch
Zustellung bekannt gemacht.
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Die angefochtene Kostenentscheidung ist in Anwesenheit des Beschwerdeführers
bekannt gemacht worden, da dieser bei Verkündung des Urteilstenors sowie der
Kostenentscheidung noch im Sitzungssaal der Berufungshauptverhandlung zugegen
war.
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Somit war für den Fristbeginn der 25.02.2009 maßgeblich. Die Wochenfrist endete nach
§ 43 Abs. 1 StPO folglich mit Ablauf des 04.03.2009. Die Eingabe des
Beschwerdeführers vom 16.03.2009 erfolgte damit verspätet.
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c. Dem Beschwerdeführer war auch nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gemäß § 44 S. 1 StPO zu gewähren, denn er hat die Frist zur Einlegung
der sofortigen Beschwerde nicht ohne sein Verschulden versäumt.
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Die gesetzliche Vermutung des § 44 S. 2 StPO kommt ihm nicht zugute. Nach dieser
Vorschrift ist die Versäumung einer Rechtsmittelfrist dann als unverschuldet anzusehen,
wenn eine erforderliche Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist. Ausweislich des
Protokolls ist zwar keine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden. Dies ist aber allein auf
darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer den Sitzungssaal eigenmächtig vor
der Urteilsbegründung verlassen hat. Ob dieses Verhalten als bewusster Verzicht auf
die Rechtsmittelbelehrung ausgelegt werden kann, - aus der Verhandlung vor dem
Amtsgericht wusste er, dass nach der Urteilsverkündung eine Rechtsmittelbelehrung
erteilt wird - kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat er die Erteilung der
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Rechtsmittelbelehrung vereitelt. Die sich daraus ergebene Unkenntnis muss er sich
daher als eigenes Verschulden zurechnen lassen.
Das Gericht ist in einem derartigen Fall auch nicht unter dem Gesichtspunkt der
Fürsorge verpflichtet, die Rechtsmittelbelehrung schriftlich nachzuholen. Diese
Möglichkeit hat der Beschwerdeführer durch sein Verhalten verwirkt (vgl. OLG
Düsseldorf ZfZ 1984, 218).
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2. Die sofortige Beschwerde gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes ist zulässig,
aber unbegründet.
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Sie ist fristgerecht eingelegt worden. Da das Ordnungsgeld gegen den
Beschwerdeführer nach Verlassen des Sitzungssaales in dessen Abwesenheit gegen
ihn festgesetzt worden ist, ist nach § 35 Abs. 2 StPO das Datum der Zustellung
maßgeblich,
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Die Frist begann somit am 10.03.2009 und endete nach § 43 Abs. 1 StPO mit Ablauf des
17.03.2009. Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 16.03.2009 ist daher am
17.03.2009 rechtzeitig bei Gericht eingegangen.
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Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.
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Die Verhängung des Ordnungsgeldes war nach § 178 GVG gerechtfertigt, da der
Beschwerdeführer sich in der Sitzung ungebührlich verhalten hat.
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Ungebührliches Verhalten umfasst alle Verhaltensweisen, die den ordnungsgemäßen
Ablauf der Sitzung gefährden oder beeinträchtigen und die Würde des Gerichts
und/oder der Verfahrensbeteiligten angreifen oder missachten (Diemer in Karlsruher
Kommentar a.a.O., § 178 GVG, Rdn. 1).
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Das schimpfende Verlassen des Sitzungssaales sowie das laute Zuschlagen der Tür
des Gerichtssaales stellen ein ungebührliches Verhalten dar. Die der Verkündung des
Urteils folgende Urteilsbegründung war dadurch im ordnungsgemäßen Ablauf gestört.
Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht,
dass er auf die Urteilsbegründung des Gerichts keinen Wert legt und dadurch seine
Missachtung gegenüber dem Gericht bekundet.
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Das Verhalten kann auch nicht als einmalige spontane Entgleisung gewertet werden,
die für sich noch keine Sanktion wegen Ungebühr rechtfertigt. Dagegen spricht schon,
dass der Beschwerdeführer es auch im Nachhinein nicht für notwendig befunden hat,
sein Verhalten zu entschuldigen, vielmehr mit der Beschwerde zum Ausdruck bringt, es
sei sein Recht gewesen, in dieser Weise sein Unverständnis über das Urteil zum
Ausdruck zu bringen. Zudem ist es auch bereits zuvor durch Bemerkungen wie "Da
sieht man doch wie die Staatsanwaltschaft ermittelt." und "Nur weil ich einen Fehler der
Staatsanwaltschaft aufgedeckt habe und diese zu Recht kritisiert habe. Unfassbar ist
das! Warum haben Staatsanwälte in Deutschland so eine Macht?" zu Angriffen
gekommen, die darauf zielten, die Verfahrensbeteiligten herabzusetzen. Von einem
situationsbedingten Kontrollverlust kann daher keine Rede sein.
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Unschädlich ist, dass der angefochtene Beschluss keine Begründung enthält. Die in §
34 StPO vorgeschriebene Begründung dient dem Zweck, den Anfechtungsberechtigten
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in die Lage zu versetzen, eine sachgemäße Entscheidung über sein weiteres
sachgemäßes Vorgehen, insbesondere die Einlegung eines Rechtsmittels zu treffen,
und dem Rechtsmittelgericht die Prüfung der Entscheidung zu ermöglichen (Meyer-
Goßner, StPO, 51. Auflage, § 34 Rdn. 1). Dieser Zweck ist vorliegend bereits durch die
Protokollierung des Sachverhalts, den das Gericht als ungebührliches Verhalten wertet,
erreicht worden (vgl. dazu Meyer-Goßner a.a.O. § 182 GVG Rdn. 4). .
Der Verhängung des Ordnungsgeldes steht auch nicht entgegen, dass dem
Beschwerdeführer zuvor kein rechtliches Gehör gewährt worden ist. Denn diese
Möglichkeit hat er selbst durch das eigenmächtige Verlassen des Sitzungssaales
vereitelt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
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