Urteil des OLG Köln vom 07.08.1997
OLG Köln (bedürftige partei, einleitung des verfahrens, zpo, vertretung, waffengleichheit, partei, gegner, erforderlichkeit, 1995, beschwerde)
Oberlandesgericht Köln, 14 WF 95/97
Datum:
07.08.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
14. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 WF 95/97
Vorinstanz:
Amtsgericht Kerpen, 50 F 87/97
Schlagworte:
Beiordnung Anwalt Umgangsrechtsverfahren
Normen:
ZPO § 121 II S. 1, FGG §§ 12, 14
Leitsätze:
Der Grundsatz der ,Waffengleichheit" gem. § 121 II S. 1 Hs. 2 2. Alt. ZPO
erfordert bei anwaltlicher Vertretung des Gegners eine
Anwaltsbeiordnung ohne Prüfung der Erforderlichkeit der Beiordnung.
Das gilt auch dann, wenn keine widerstreitenden Anträge gestellt
werden und ungeachtet des Amtsermittlungsgrundsatzes auch im FGG-
Verfahren.
Rechtskraft:
unanfechtbar
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des
Amtsgerichts - Familiengericht - Kerpen vom 1.7.1997 (50 F 87/97) dahin
abgeändert und ergänzt, daß der Antragsgegnerin im Wege der
Prozeßkostenhilfe Rechtsanwalt O. D., K., beigeordnet wird.
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G R Ü N D E
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Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluß der Antragsgegnerin
Prozeßkostenhilfe für ein Umgangsrechts-verfahren bewilligt, aber die Beiordnung
eines Rechtsanwalts abgelehnt und der Beschwerde durch Beschluß vom 22.7.1997
nicht abgeholfen.
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Für das vorangehende Verfahren nimmt der Senat auf seinen Beschluß vom
23.6.1997 (14 WF 74/97) Bezug.
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Das Amtsgericht hat nunmehr Prozeßkostenhilfe bewilligt, aber die Beiordnung eines
Rechtsanwalts abgelehnt, obwohl der Antragsteller seit der Einleitung des
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Verfahrens durch Rechtsanwälte vertreten war. Es hat (im Anschluß an Thalmann,
PKH in Familiensachen (1992), § 121 Rn.25) die Auffassung vertreten, die Wahrung
der "Waffengleichheit" entspräche hier reinem Formalismus, denn mangels eines
widerstreitenden Antrags sei die von § 121 II S.1 2.Alt. ZPO vorausgesetzte
Gegnerschaft nicht gegeben.
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Der Begründung des Amtsgerichts dafür, daß der Antragsgegnerin entgegen § 121 II
S.1 Hs. 2 , 2. Alt. ZPO kein Anwalt beizuordnen sei, vermag der Senat - mit der wohl
überwiegenden Auffassung - nicht zu folgen.
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Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, daß der Gesetzgeber die Anwaltsbeiordnung
vorsieht, wenn der Gegner durch einen Anwalt vertreten ist, ohne die
Anwaltsvertretung auch in diesem Fall von der "Erforderlichkeit" abhängig zu
machen. Die Norm kann daher nicht so verstanden werden, daß beim Grundsatz der
Waffengleichheit über die formale Gleichbe-handlung hinaus eine Erforderlichkeit
wegen einer "Gegner-schaft" der Gegenseite zu prüfen wäre. Es geht nicht um eine
Beiordnung aus "optischen Gründen", sondern nach dem klaren Gesetzeswortlaut
darum, daß die prozeßkostenhilfe-bedürftige Partei dem Gegner mit der gleichen
rechtlichen Vertretung gegenübertreten kann. Diese Regelung hat ihren
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Grund darin, daß die Frage, welche sachdienlichen Anträge zu stellen sind oder wie
sonst prozeßtaktisch vorzugehen ist, regelmäßig erst im Verlauf des Rechtsstreits
nach anwaltlicher Beratung entschieden werden kann (so mit Recht Münchener-
Komm.-ZPO/Wax, § 121, Rn. 27, 29 und Stein/Jonas/Bork, 20. Aufl. (1993), § 121
Rn.10 m.w.N.; Zöller/Philippi, 20. Aufl. (1997), § 121 Rn.9; Zimmermann,
Prozeßkostenhilfe in Familiensachen, Rn. 346, 347 wohl einschränkend). Die
Gegnerschaft ergibt sich daher nicht erst aus widerstreitenden Anträgen, sondern
schon daraus, daß die Gegenseite anwaltlich vertreten Anträge stellt und die arme
Partei nur dann waffengleich behandelt wird, wenn auch sie mit anwaltlicher Hilfe
prüfen kann, wie im Verfahren zu agieren ist.
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Nach Auffassung des Senats kann auch im Umgangs- oder Sorgerechtsverfahren
nichts anderes gelten. Richtig ist zwar, daß es sich um FGG-Verfahren handelt und §
14 FGG nur eine entsprechende Anwendung der Prozeßkostenhilfevorschriften
vorsieht (so OLG Nürnberg FamRZ 1995, 371). Daraus, daß im FGG-Verfahren der
Amtsermittlungsgrundsatz gilt, läßt sich aber nicht schließen, daß die "ent-
sprechende" Anwendung des § 121 II ZPO aus diesem Grunde auch bei anwaltlicher
Vertretung der Gegenseite eine Erforderlichkeitsprüfung gestatte, obwohl das Gesetz
diese sonst bei anwaltlicher Vertretung der Gegenseite aus-schließt (anders insoweit
OLG Nürnberg FamRZ 1995, 371).
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Auch bei Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes im FGG-Verfahren sind
Grundlage der Amtsermittlung oft Hinweise und Anregungen der Parteien, die erst
den Anlaß für konkrete Ermittlungen von amtswegen bieten (OLG Köln -2. Zivilsenat-
FamRZ 1991, 117 ; Keidel/Kuntze/Amelung, FGG, 13. Aufl., § 12 Rn. 88 m.w.N.).
Waffengleichheit fordert daher, daß auch die bedürftige Partei die Möglichkeit hat, mit
Hilfe anwaltlicher Sachkunde den Sachverhalt so vorzutragen, daß das Gericht
Anlaß zu Ermittlungen von amtswegen hat. In diesem Zusammenhang ist auch zu
betonen, daß der Gesetzgeber mit der Regelung des § 121 II ZPO dafür sorgen
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wollte, daß die bedürftige - und meist rechtlich unerfahrene - Partei bei anwaltlicher
Vertretung der Gegenseite nicht einmal den Eindruck haben soll, der Gegenseite
ohne entsprechende Hilfe gegenüberzustehen.
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