Urteil des OLG Köln vom 15.05.2003

OLG Köln: stundenlohn, verdienstausfall, aktivlegitimation, betriebskosten, taxi, versicherer, sachschaden, herausgabe, eigentümer, berechtigung

Oberlandesgericht Köln, 12 U 172/02
Datum:
15.05.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 U 172/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 16 O 419/01
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung seiner
weitergehen-den Berufung wird das am 12.07.2002 verkündete Urteil
der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln (Az.: 16 O 419/01) teilweise
abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, über den am
20.09.2001 gezahlten Betrag von 20,45 € sowie den am 12.02.2003
gezahl-ten Betrag von 10.959,73 € hinaus weitere 4,55 € nebst 5%
Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG aus 10.980,18 € seit
dem 20.07.2001 bis zum 20.09.2001, aus 10.959,73 € vom 21.09.2001
bis 12.02.2003 sowie aus wei-teren 4,55 € seit dem 20.07.2001 zu
zahlen.
Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger das Original des
Gutachtens des Sachverständigen Dipl.Ing. T. vom 27.06.2001 mit der
Gutachten-Nr. xxxx über die Besichtigung der Beschädigungen am Taxi
des Klägers mit dem polizeilichen Kennzeichen x-xx xxx und der
Kalkulation der Reparaturkosten herauszugeben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden dem Kläger zu
16% und den Beklagten als Gesamtschuldner zu 84% auferlegt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(von der Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 313a I ZPO
abgesehen)
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.
2
Über den von den Beklagten am 12.02.2003 gezahlten Betrag von 10.959,73 € sowie
die am 20.09.2001 erfolgte Zahlung einer Kostenpauschale von 20,45 € hinaus kann
der Kläger noch weitere 4,55 € als Kostenpauschale verlangen. Ein darüber
hinausgehender Schadensersatzanspruch aus dem Unfallereignis vom 18.06.2001 ist
nicht begründet. Außerdem kann der Kläger die Herausgabe des von ihm beauftragten
und an die Beklagte zu 2. übersandten Originalgutachtens verlangen.
3
I.
4
Der Haftungsgrund ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagten bestreiten nicht
weiter die Aktivlegitimation des Klägers und haben inzwischen den Sachschaden mit
10.458,66 €, die Sachverständigenkosten mit 501,07 € und eine Kostenpauschale in
Höhe von 20,45 € ausgeglichen. Bis auf eine berechtigte Erhöhung der
Kostenpauschale um 4,55 € angesichts der heutigen allgemeinen Kostensteigerungen
ist ein weitergehender Anspruch des Klägers nicht gegeben.
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Soweit der Kläger einen höheren Sachschaden mit 2.144,53 DM = 1.096,48 € anmeldet
und einen zu geringen Ansatz von Arbeitswerten durch den Sachverständigen rügt,
kann dem nicht gefolgt werden. Es ist nicht gerechtfertigt, grundsätzlich für die Reparatur
eines Mercedes-Fahrzeuges im Sommer 2001 einen Stundenlohn von 170,--DM
anzusetzen. Zum Einen gibt der Kläger selber in der Klagebegründung vom 30.07.2001
an, dass jedenfalls die Hälfte der Mercedes-Vertragswerkstätten einen geringeren
Stundenlohn verlangen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass
grundsätzlich ein Stundenlohn von 170,--DM bei Inanspruchnahme einer Mercedes-
Vertragswerkstätte anfällt.
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Die Höhe eines Verdienstausfallschadens hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert.
Entgegen der Auffassung des Klägers kann der Verdienstausfall nicht mit einer
Tagespauschale von 90,--DM angesetzt werden, weil eine dabei zugrunde gelegte
Schätzung der Tageseinnahmen nach §§ 287 ZPO, 252 BGB mangels konkreter
Anknüpfungstatsachen nicht möglich ist. Wie der Senat bereits durch Urteil vom
28.04.2003 in dem Verfahren 12 U 223/02 ausgeführt hat, kann nicht davon
ausgegangen werden, dass ein Tagesverdienst grundsätzlich mit 90,--DM bzw. im
dortigen Fall mit 40,--€ angenommen werden kann. Nach den Ausführungen im
vorgenannten Urteil ist von folgenden rechtlichen Überlegungen auszugehen:
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Die Vorschrift des § 252 BGB ermöglicht, den entstandenen Schaden nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge, also abstrakt zu berechnen. Sie eröffnet aber nicht die
Berechnung des Erwerbsschadens ohne Berücksichtigung der konkreten Entwicklung
des Unternehmens. Sowohl § 287 ZPO als auch § 252 BGB verlangen für die
Schadensberechnung die schlüssige Darlegung konkreter Ausgangs- und
Anknüpfungstatsachen. Auch bei Anwendung des § 252 BGB muss der Geschädigte
die Tatsachen, die seine Gewinnerwartung wahrscheinlich machen sollen, im einzelnen
darlegen und beweisen (BGH Urteil vom 15.03.1888 - VI ZR 81/87, MDR 1988,849,850;
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vgl. auch OLG Köln 12. ZS, Urteil vom 04.03.1993 - 12 U 138/92, ZfS 1993,261,262f).
Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht. Der ersatzfähige
Verdienstausfall eines Taxiunternehmers ist ausgehend von seinem Tagesbruttoumsatz
zu berechnen. Von diesem Betrag ist zunächst die Mehrwertsteuer abzuziehen. Alsdann
ist der verbleibende Rest um die ersparten Betriebskosten zu bereinigen. Dabei ist von
den Betriebsergebnissen in den letzten Jahren vor dem schädigenden Ereignis
auszugehen (Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. § 252 Rn. 16). Der so ermittelte Betrag ist
für die tatsächliche Ausfallzeit hochzurechnen (KG, Urteil vom 10.04.1997 - 12 U
279/96, n.v.). Angaben des Klägers in die konkrete Entwicklung seines Betriebes fehlen.
Einer näheren Darlegung dieser Anknüpfungstatsachen kann er sich nicht mit dem
Hinweis entledigen, die Praxis anderer Spruchkörper des Oberlandesgerichts sowie des
Amts- und Landgerichts Köln belege, dass mit Rücksicht auf die begrenzte Zahl von
Konzessionen und der im Wesentlichen bei allen Unternehmen in etwa gleich hohen
Betriebskosten als gerichtsbekannt angesehen werden müsse, dass mit einem Taxi in L.
je Einsatzschicht ein Mindestverdienst in der geltend gemachten Höhe erzielt werde.
Auf dieser Grundlage läßt sich ein Verdienstausfall des Klägers nicht feststellen. Dabei
mag dahingestellt bleiben, ob dem Kläger vergleichbare Taxiunternehmer
Mindesteinkünfte in der angegebenen Höhe erzielen. Wie der Senat in der mündlichen
Verhandlung ausgeführt hat, fehlen schon hinreichende Ausgangs- und
Anknüpfungstatsachen dafür, dass die Einnahmesituation des Klägers vor dem Unfall
derjenigen anderer Taxiunternehmer in L. entsprochen hat. Erst Recht vermittelt das
Vorbringen des Klägers keine Erkenntnisse darüber, ob seine Betriebskosten in etwa
mit den Kosten seiner Konkurrenten vergleichbar sind.
9
II.
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Dem Kläger steht zudem ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2. auf Herausgabe des
Originalgutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. T. gemäß § 985 BGB zu. Er ist
Eigentümer des von ihm beauftragten Gutachtens und hat das Eigentum auch nicht
durch die Übersendung an die Beklagte zu 2. verloren.
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Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger selbst der Beklagten das
Gutachten hat übereignen wollen. Wie bereits in dem zuvor zitierten Urteil des Senats
vom 28.04.2003 ausgeführt, kann in der Übersendung kein Angebot zur
Eigentumsübertragung gesehen werden. Mit der Vorlage des Originals des Gutachtens
will der Geschädigte dem in Anspruch genommenen Versicherer die Möglichkeit geben,
sich von der Berechtigung der geltend gemachten Forderungen zu überzeugen. Sie
dient - für die Haftpflichtversicherung erkennbar - allein dem Zweck, die Regulierung
durch Einsicht in das Schadensgutachten zu erleichtern. Dass übersandte Gutachten
häufig nach Abschluss der Regulierung nicht zurückgefordert werden, rechtfertigt nicht
generell den Schluß, ein Geschädigter wolle die Originalurkunde dauerhaft aus der
Hand geben. Deren Wiedererlangung kann für diesen im Einzelfall etwa bei der
Ausführung einer Reparatur oder Veräußerung des Unfallfahrzeuges aus den
verschiedensten Gründen von Interesse sein. Auch ohne besonderen Hinweis kann der
Versicherer die Übersendung des Gutachtens daher nicht dahin verstehen, dieses
behalten und wie ein Eigentümer damit verfahren zu können. Dies gilt erst recht im
Hinblick darauf, dass der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 29.06.2001 mit der
Übersendung des Gutachtens bereits eine Rückgabe geltend gemacht hat.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 BGB in der für die Zeit ab 01.05.2000 gemäß
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Art. 229 § 1 I S.3 EGBGB geltenden Fassung, denn die Beklagten befanden sich
aufgrund des Schreibens vom 29.06.2001 spätestens seit dem 20.07.2001 in Verzug.
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz folgt aus § 92 I ZPO nach dem Verhältnis
des Obsiegens und Unterliegens. Für das Berufungsverfahren kommt hinsichtlich des
Zahlungsantrages § 97 II ZPO zur Anwendung, da der Kläger erstmals im zweiten
Rechtszug seine Aktivlegitimation hinreichend dargelegt und nachgewiesen hat. Den
Nachweis der Aktivlegitimation, die die Beklagten bereits im Verfahren vor dem
Landgericht in der Klageerwiderung bestritten hatte, hat der Kläger erst durch die mit der
Berufungsbegründung und im Verhandlungstermin vor dem Senat vorgelegten
Unterlagen nachgewiesen. Bei einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens
bedachten Prozeßführung wie dies in § 282 I ZPO vorgesehen ist, hätte der Kläger
diese Unterlagen schon rechtzeitig in erster Instanz eingereicht. Eine getrennte
Kostenaufteilung im Hinblick darauf, dass der Klageantrag zu 2. nur gegen die Beklagte
zu 2. gerichtet ist, ist nicht angezeigt, weil seine Berücksichtigung bei der Quotierung
nur eine unwesentliche Abweichung ergeben würde und auch keinen Gebührensprung
verursacht.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
15
Streitwert für die 1. Instanz:
16
für den Zahlungsantrag (unter Berücksichtigung des
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Rechenfehlers des Klägers) 25.429,89 DM
18
für den Herausgabeantrag 300,-- DM
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25.729,89 DM = 13.155,48 €
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Streitwert für das Berufungsverfahren:
21
bis zum 25.03.2003
22
für den Berufungsantrag zu 1. 13.002,10 €
23
für den Berufungsantrag zu 2. 153,44 €
24
13.155,54 €
25
danach ab übereinstimmender Teilerledigung
26
für den Zahlungsantrag 2.021,92 €
27
für den Herausgabeantrag 153,44 €
28
2.175,36 €
29
Beschwer des Klägers: 2.017,37 €
30
Beschwer des Beklagten zu 1. 4,55 €
31
Beschwer der Beklagten zu 2. 157,99 €
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