Urteil des OLG Köln vom 27.09.2006

OLG Köln: berufserfahrung, vorstellungsgespräch, anschluss, treuhänder, daten, unabhängigkeit, kreis, beratung, konkretisierung, unternehmen

Oberlandesgericht Köln, 7 VA 009/05
Datum:
27.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 VA 009/05
Tenor:
1.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 01.12.2005 gegen den
Bescheid des Antragsgegners vom 04.11.2005 – 71 AR 8/05 – wird
zurückgewiesen.
2.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtlichen Verfahrens und die
dem Antragsgegner entstandenen Kosten.
3.
Der Gegenstandswert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
2
Der Antragsteller ist seit 1996 Mehrheitsgesellschafter einer Rechtsanwalts-
Partnerschaftsgesellschaft mit Sitz in L und einem Büro in C, das ursprünglich von
Rechtsanwalt X geführt wurde und inzwischen von Rechtsanwalt T geführt wird. Der
Schwerpunkt der Tätigkeit der Gesellschaft besteht in der Beratung kleiner und
mittelständischer Unternehmen. In der Ler Kanzlei besteht ein insolvenzrechtliches
Dezernat, das von Rechtsanwalt D betreut wird.
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Im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 03.08.2004 (NJW
2004, 2725) bewarb sich der Antragsteller unter dem 25.11.2004 – nach vorheriger
telefonischer Besprechung zwischen Rechtsanwalt X und Prof. Dr. W, einem der beim
Amtsgericht Köln für Insolvenzsachen zuständigen Richter – um die Aufnahme in die
(von allen Insolvenzrichtern des Amtsgerichts Köln gemeinsam geführte) Liste der
Personen, die für die Bestellung als Insolvenzverwalter in Betracht gezogen werden
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(demnächst: Vorauswahlliste). Dabei wies er u. a. darauf hin, dass Schwerpunkt der
Anwaltstätigkeit alle wesentlichen Bereiche des Wirtschaftsrechts seien und die Kanzlei
dementsprechend häufig auch mit Fragen des Insolvenzrechts befasst sei, in letzter Zeit
zunehmend. Er wolle sich zunächst auf Verbraucherinsolvenzverfahren und sonstige
Kleinverfahren konzentrieren.
Mit Schreiben vom 15.02.2005 teilte ihm Prof. Dr. W die von den Insolvenzrichtern
zugrunde gelegten Kriterien für die Aufnahme in die Vorauswahlliste mit, nämlich u. a.:
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"Nachweis besonderer Kenntnisse auf dem Gebiet des Insolvenzrechts.
Dieser Nachweis ist geführt, wenn Sie ... darlegen, dass Sie in den letzten drei
Jahren mindestens 15 eröffnete Regelinsolvenz- bzw. 20
Verbraucherinsolvenzverfahren federführend als Insolvenzverwalter oder
Sachwalter bearbeitet haben. Erfüllen Sie diese Voraussetzungen nicht,
genügt die von der Rechtsanwaltskammer verliehene Befugnis zur Führung
der Bezeichnung "Fachanwalt für Insolvenzrecht". In Ausnahmefällen kann es
ausreichen, wenn Sie als Rechtsanwalt .... über eine langjährige
Berufserfahrung im wirtschafts- und gesellschaftsrechtlichen insbesondere
insolvenzrechtlichen Bereich verfügen."
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Der Antragsteller ergänzte mit Schreiben vom 21.04.2005 die Angaben zu der nach
seiner Ansicht gegebenen Eignung als Insolvenzverwalter i. S. d. § 56 InsO und reichte
den dem Schreiben vom 15.02.2005 beigefügten Fragebogen ausgefüllt zurück. Dabei
teilte er (u. a.) mit, dass er zwar bisher noch nicht zum Insolvenzverwalter bestellt
worden, Tätigkeitsschwerpunkt aber auch Insolvenzrecht sei; in der Zeit von 1988 bis
1992 habe er das Grundstudium der Betriebswirtschaftslehre absolviert; Rechtsanwalt T
habe während seiner früheren Tätigkeit in einem Anwaltsbüro in C auch Einblicke in die
Abläufe und Besonderheiten der Abwicklung von Insolvenzverfahren erhalten; er,
Antragsteller, habe im Jahre 2004 die von der Deutschen Anwaltsakademie angebotene
Fortbildungsveranstaltung zum Insolvenzrecht besucht und werde sich nun für den
entsprechenden Fachanwaltslehrgang anmelden; es beständen
Kooperationsvereinbarungen mit zwei Steuerberater-Kanzleien und einem
Wirtschaftsprüfer. Ferner bot er die Vorlage einer nach Sachgebieten sortierten
Mandatsliste an.
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Der Antragsteller wurde daraufhin zu einem Informationsgespräch eingeladen, das am
19.10.2005 unter Beteiligung aller Insolvenzrichter des Amtsgerichts Köln stattfand.
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Mit dem angefochtenen und hiermit in Bezug genommenen Bescheid vom 04.11.2005
(Bl. 27, 28 GA) hat der Antragsgegner den Antrag abgelehnt, im Wesentlichen mit der
Begründung:
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Dem von den Insolvenzrichtern in Ausnahmefällen bezüglich der Aufnahme in die
Vorauswahlliste für ausreichend erachteten Kriterium der langjährigen einschlägigen
Berufserfahrung im wirtschafts- und gesellschafts-, insbesondere aber im
insolvenzrechtlichen Bereich genüge der Antragsteller derzeit nicht. Im Termin vom
19.10.2005 habe er auf Nachfrage zu der in seinen vorausgegangenen Schreiben nur
sehr allgemein vorgebrachten anwaltlichen Tätigkeit mit Bezug zum Insolvenzrecht
ausgeführt, er wolle zunächst nur mit einfach gelagerten Fällen betraut werden, um aus
seinen Fehlern zu lernen. Im Sinne einer Bestenauslese werde jedoch im konkreten Fall
nur eine solche Person bei der Bestellung zum Insolvenzverwalter Berücksichtigung
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finden können, die bereits über die erforderliche Geeignetheit, insbesondere die
notwendige Geschäftskunde verfüge. Wer eine solche Geschäftskunde erst erlangen
müsse, erscheine schon generell nicht geeignet, bestellt und damit in die
Vorauswahlliste aufgenommen zu werden. Insoweit sei für die Beurteilung der
einschlägigen Berufserfahrung des Antragstellers nicht allein dessen Äußerung im
Gespräch maßgeblich. Auf Nachfrage habe er nicht konkret mitzuteilen vermocht, worin
genau bei ihm bereits derzeit eine langjährige einschlägige Berufserfahrung bestehen
könnte. Mithin erscheine er jedenfalls derzeit nicht bereits generell geeignet, in die
Vorauswahlliste Aufnahme zu finden.
Gegen diesen ihm am 14.11.2005 zugestellten Bescheid richtet sich der am 08.12.2005
eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem der Antragsteller seine
Aufnahme in die Vorauswahlliste weiter verfolgt. Er macht geltend:
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Die im angefochtenen Bescheid genannte Erklärung, er wolle aus seinen Fehlern
lernen, habe er so nicht abgegeben, sondern, er wolle anfangs mit
Verbraucherinsolvenzverfahren beauftragt werden, um eigene Erfahrungen im Bereich
der Insolvenzverwaltung zu sammeln und die Praxis beim Amtsgericht Köln kennen zu
lernen. Von Fehlern habe er in diesem Zusammenhang nur insoweit gesprochen, als er
eingeräumt habe, dass er als junger Jurist in einer anderen Kanzlei eventuell den einen
oder anderen – nicht Insolvenzverwaltungen betreffenden – Fehler gemacht habe (Seite
9 der Antragsschrift, Bl. 9 GA), bzw. dass er geäußert habe, Fehler in Verbraucher- und
kleineren Regelinsolvenzverfahren hätten nicht so weitreichende Auswirkungen wie in
umfangreichen Regelinsolvenzverfahren (Seite 8 des Schriftsatzes vom 14. 03. 2006,
Bl. 66 GA). Unzutreffend sei ferner der Vorwurf, er habe nicht genügend detailliert zu
seinen Erfahrungen im wirtschafts- und speziell insolvenzrechtlichen Bereich
vorgetragen. Abgesehen davon, dass der Antragsgegner von seinem Angebot, eine
nach Fachgebieten geordnete Mandatsliste vorzulegen, keinen Gebrauch gemacht
habe, habe ihm Prof. Dr. W in einem Telefonat am 01.03.2005 erklärt, er solle nicht zu
langatmige Ausführungen machen, weil alle Insolvenzrichter die Bewerbungen lesen
müssten. Im Termin vom 19.10.2005 sei dieses Thema auch nicht dezidiert erfragt
worden. Er habe darauf hingewiesen, dass er im Bereich von Insolvenzverfahren bis auf
Insolvenzverwaltung schon jede Tätigkeit ausgeübt und entsprechende Erfahrung
gesammelt habe. Über Erfahrungen im Bereich der Insolvenzverwaltung verfügten
Mitarbeiter, die ihm bei verwaltender Tätigkeit zur Verfügung stünden – gemeint offenbar
die Rechtsanwälte T und D, die vor Eintritt in die vom Antragsteller geführte Kanzlei in
auch mit Insolvenzverwaltungen befassten Kanzleien tätig gewesen sein sollen,
jedenfalls Rechtsanwalt D auch als Vertreter des bestellten Insolvenzverwalters; diese
hätten ihm ihre Kenntnisse inzwischen vermittelt. Schließlich rügt der Antragsteller, dass
der Antragsgegner die von ihm für maßgebend gehaltenen Kriterien zu allgemein
formuliert habe; sie seien für den Bewerber nicht genügend transparent. Eine
Differenzierung nach verschiedenen Sachbereichen sei erforderlich, werde vom
Antragsgegner aber nicht vorgenommen.
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Der Antragsgegner, der die Zurückweisung des gestellten Antrags erstrebt, legt die von
ihm gehandhabte Verfahrensweise bei Bewerbungen um die Aufnahme in die
Vorauswahlliste und das dafür maßgebende Anforderungsprofil näher dar. Er führt aus,
dass die Eignung des Bewerbers außer durch entsprechende Erfahrungen als
Insolvenzverwalter bzw. durch den Erwerb der Berechtigung, den Titel Fachanwalt für
Insolvenzrecht zu führen, auch auf andere Weise dargetan werden könne. Dabei lasse
er sich vom Grundsatz der Bestenauslese leiten. Diesem genüge der Antragsteller nicht.
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Vornehmlich fehle es ihm schon nach eigenen Angaben an beruflicher Erfahrung auf
dem Gebiet der Insolvenzverwaltung, worauf sein, des Antragsgegners,
Hauptaugenmerk liege. Soweit er als Regelvoraussetzung Berufserfahrung auf dem
Gebiet der Insolvenzverwaltung fordere, sei er sich bewusst, dass es ein Zirkelschluss
wäre, würde er zwingend verlangen, dass ein Bewerber schon an einem anderen
Gericht zugelassen und beauftragt worden sei, da, wenn alle Gerichte
so verführen, nur noch bereits gelistete Bewerber eine Chance hätten, nicht aber der
Nachwuchs. Deshalb lasse er es genügen, wenn ein Bewerber in einer
Verwalterkanzlei in "zweiter oder dritter Reihe", d. h. hinter oder neben einem
Insolvenzverwalter Insolvenzverwaltungen bearbeitet habe.
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Was das Vorstellungsgespräch am 19.10.2005 angehe, so habe der Antragsteller
tatsächlich erklärt, er wolle zunächst aus seinen Fehlern lernen. Man wolle ihn aber
nicht an einem einzigen, sehr unglücklichen Satz festhalten, wie sich schon aus dem
angefochtenen Bescheid ergebe. Entscheidend sei, dass er weder schriftlich noch im
Gespräch seine Eignung dargetan habe. Seine Ausführungen seien, auch bei
Nachfragen, detailarm gewesen.
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Was Erfahrungen und Kenntnisse von Mitarbeitern angehe, so komme es nicht darauf
an, sondern auf die persönliche Sachkunde und Erfahrung des Antragstellers. Dieser
könne sich solcher Mitarbeiter bedienen, müsse aber persönlich jederzeit in der Lage
sein, diese im Einzelfall verantwortlich zu führen und erforderlichenfalls zu korrigieren.
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Insgesamt gesehen sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Antragsteller das
Anforderungsprofil in seiner Person erfülle. Dies sei ganz ausdrücklich Gegenstand des
Vorstellungsgesprächs am 19.10.2005 gewesen. Auch die Voraussetzungen für die
Beauftragung als Treuhänder auf dem Gebiet der Verbraucherinsolvenz erfülle der
Antragsteller nicht.
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Dieser erwidert, der Antragsgegner orientiere sich in Wahrheit am Bedarf für
Insolvenzverwalter, den er durch die bisherige Zahl der Verwalter als gedeckt ansehe.
Das sei unter Berücksichtigung von Artikel 12 GG unzulässig. Die jetzigen
Ausführungen zur Tätigkeit als Insolvenzverwalter "in zweiter oder dritter Reihe"
missachteten die aus dem Schreiben vom 15.02.2005 ersichtlichen vom Antragsgegner
selbst gesetzten Voraussetzungen für die Aufnahme in die Vorauswahlliste. Es sei
unzumutbar, von ihm zu verlangen, seine Tätigkeit als Partner in einer Anwaltskanzlei
aufzugeben, um als Mitarbeiter in einer Insolvenzkanzlei die erforderliche Anzahl von
Verfahren zu bearbeiten. Es müsse Anwälten in seiner Lage gestattet sein, die
erforderlichen Kenntnisse entweder anderweitig zu erwerben oder sie durch den
Nachweis langjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts zu
ersetzen.
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Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf den Inhalt der
beigezogenen Bewerbungsakte 71 AR 8/05 Amtsgericht Köln Bezug genommen.
19
II.
20
1.
21
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach §§ 23, 24, 26 EGGVG zulässig.
22
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 03.08.2004
–1 I BvR 135/00 und 1086/01 – NJW 2004, 2725) ist die Entscheidung des
Insolvenzgerichts, ob ein Bewerber um die Bestellung als Insolvenzverwalter in den
Kreis derjenigen Personen aufzunehmen ist, aus dem der Richter im Einzelfall den ihm
als am ehesten nach § 56 InsO geeignet Erscheinenden auswählt, als Akt öffentlicher
Gewalt i. S. d. Artikel 19 Abs. 4 GG gerichtlich überprüfbar. Im Anschluss hieran ist
anerkannt, dass der richtige Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Aufnahme des
Bewerbers in die sog. Vorauswahlliste der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §
23 EGGVG ist (OLG München ZIP 2005, 670; OLG Schleswig NJW 2005, 1664; OLG
Hamburg NJW 2006, 451; KG ZInsO 2006, 153).
23
Richtiger Antragsgegner ist nicht der Amtsgerichtspräsident/-direktor als Behördenleiter,
sondern der zuständige Insolvenzrichter bzw. wenn – wie hier – Entscheidungen über
die Aufnahme in die Vorauswahlliste von den Insolvenzrichtern gemeinsam getroffen
werden und eine gemeinschaftliche Liste geführt wird, das Insolvenzgericht, d. h. die
zuständigen Richter in ihrer Gesamtheit. Denn die Entscheidung ist zwar kein
Rechtsprechungsakt, erfolgt aber in richterlicher Unabhängigkeit (BVerfG a. a. O. Seite
2727; zur Bestellung als Insolvenzverwalter im konkreten Einzelfall BVerfG, Beschluss
vom 23.05.2006 – 1 BvR 2530/04 – Rdn. 23 ff. = ZIP 2006, 1355, 1357 = NJW 2006,
2613). In richterlicher Unabhängigkeit zu treffende Entscheidungen unterliegen nicht
dem Einfluss des Behördenleiters und sind deshalb von diesem auch nicht zu
verantworten. Soweit das Kammergericht a. a. O. angenommen hat, (auch) der
Behördenleiter könne als richtiger Antragsgegner angesehen werden, nötigt das nicht
zur Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG, weil das
Kammergericht nicht entschieden hat, dass ein gegen das Insolvenzgericht bzw. den
einzelnen zuständigen Insolvenzrichter gerichteter Antrag – so legt der Senat hier den
Antrag auf gerichtliche Entscheidung aus – unzulässig sei.
24
2.
25
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
26
a)
27
Artikel 12 GG gebietet es, dem Bewerber um eine Tätigkeit im Rahmen von
Insolvenzverfahren eine faire Chance zu eröffnen, entsprechend seiner in § 56 InsO
vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden (BVerfG NJW 2004, 2725, 2727; zur
Verwalterbestellung im konkreten Einzelfall BVerfG, Beschluss vom 23.05.2006 Rdn.
31). Mangels bislang gesetzlich vorgegebener Kriterien für die Beurteilung der Eignung
i. S. d. § 56 InsO, die nicht nur für den Regelinsolvenzverwalter erforderlich ist, sondern
auch für den Treuhänder in Verfahren nach dem 9. Teil der Insolvenzordnung (§ 313
Abs. 1 Satz 3) und den Sachwalter bei der Eigenverwaltung (§ 274 Abs. 1 InsO), ist es
Aufgabe des Insolvenzrichters/-gerichts, die erforderlichen Maßstäbe festzulegen und
anzuwenden. Dabei steht ihm ein weites Auswahlermessen (bzw.
Beurteilungsspielraum, da es um die Ausfüllung des Rechtsbegriffs der Eignung geht)
zu (BVerfG NJW 2004, 2725, 2727 f.; Beschluss vom 23.05.2006 Rdn. 30, 31, 41, 43 ff.;
Beschluss vom 19.07.2006 ZIP 2006, 1541 f.). Die Entscheidung über die Eignung setzt
eine fehlerfreie Verfahrensgestaltung, eine zutreffende Feststellung des maßgebenden
Sachverhalts, die Festlegung eines vertretbaren Anforderungsprofils und eine darauf
basierende willkürfreie Beurteilung voraus. Mehr als eine Vertretbarkeit des
28
Anforderungsprofils kann wegen des dem Insolvenzrichter zustehenden
Auswahlermessens/Beurteilungsspielraums nicht gefordert werden. Es ist nicht Aufgabe
des nach § 23 EGGVG angerufenen Oberlandesgerichts, ein eigenes vermeintlich oder
wirklich besseres Anforderungsprofil zu entwickeln.
Die Vorauswahlliste muss dem Insolvenzrichter einen Rahmen geben, der ihm trotz der
Eilbedürftigkeit der Bestellungsentscheidung bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
eine hinreichend sichere Tatsachengrundlage für eine sachgerechte
Auswahlentscheidung im konkreten Fall vermittelt. Um diese Funktion zu erfüllen, muss
sie die Erhebung, Verifizierung und Strukturierung der Daten gewährleisten, die eine
sachgerechte Auswahl des Insolvenzverwalters aus dem Kreis der geeigneten
Bewerber im konkreten Fall ermöglichen. Sie ist so zu führen, dass in sie jeder
Bewerber aufgenommen wird, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an
eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für
das Amt des Insolvenzverwalters erfüllt (BVerfG, Beschluss vom 23.05.2006 Rdn. 43 bis
45; Beschluss vom 19.07.2006, ZIP 2006, 1541, 1542). Die notwendige Strukturierung
der Daten erfordert nicht, dass mehrere Listen geführt werden, differenziert nach der
unterschiedlichen Art der Insolvenzverfahren – was beim Antragsgegner offenbar nicht
geschieht -, sondern kann auch in anderer Weise erfolgen. Gegenteiliges ergibt sich
auch nicht aus der vom Antragsteller angeführten Entscheidung des Kammergerichts
(ZInsO 2006, 153 f.). Die Gestaltung der Vorauswahlliste bleibt im Rahmen der
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das aber gerade nicht mehrere Listen
fordert, den Fachgerichten überlassen (BVerfG Beschluss vom 23.05.2006 Rdn. 45 und
ZIP 2006, 1541, 1542). Im Übrigen ist diese Frage hier nicht entscheidungserheblich, da
der Antragsgegner die Eignung des Antragstellers i. S. d. § 56 InsO generell verneint hat
– was, wie noch auszuführen sein wird, nicht zu beanstanden ist.
29
b)
30
Ausgehend von den genannten Kriterien bleibt der Antrag auf gerichtliche Entscheidung
erfolglos:
31
Das vom Antragsgegner zugrunde gelegte Anforderungsprofil ergibt sich aus dessen
Schreiben an den Antragsteller vom 15.12.2005 und dem von ihm erarbeiteten
Fragebogen (Bl. 5 bis 6b BA) und ist nicht zu beanstanden, entgegen der vom
Antragsteller vertretenen Ansicht auch nicht bezüglich hinreichender Konkretisierung
und Transparenz. Der Antragsgegner verlangt danach nicht ausnahmslos praktische
Erfahrungen des Bewerbers im Bereich der Insolvenzverwaltung, was zwar
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG ZIP 2006, 1541), nach Ansicht des
Senats aber einfachrechtlich bedenklich wäre, weil eine solche Forderung den
Bewerber mit eigener Kanzlei nötigen würde, mit einer Insolvenzverwalter-Kanzlei
zusammen zu arbeiten – was praktisch unter Umständen nicht oder nur schwer zu
realisieren wäre – bzw. sich in einer solchen Kanzlei anstellen zu lassen – was wie im
Fall des Antragstellers kaum zumutbar wäre -. Neben der Befugnis zur Führung der
Bezeichnung Fachanwalt für Insolvenzrecht, die allerdings auch jedenfalls im Grundsatz
praktische Erfahrungen in der Insolvenzverwaltung voraussetzt (§ 5 Satz 1g) FAO), lässt
der Antragsgegner in Ausnahmefällen eine langjährige Berufserfahrung im wirtschafts-
und gesellschaftsrechtlichen, insbesondere insolvenzrechtlichen Bereich ohne
praktische Erfahrungen in der Insolvenzverwaltung ausreichen.
32
Zu Unrecht macht der Antragsteller geltend, die Antragserwiderung vom 25.01.2006
33
zeige, dass der Antragsgegner sich daran hier nicht gehalten habe. Seite 5 der
Antragserwiderung (Bl. 35 GA) heißt es ausdrücklich, dass die Eignung "äußerst
hilfsweise" auch auf andere Weise als durch praktische Erfahrungen in der
Insolvenzverwaltung dargetan werden könne. Soweit es Seite 12 der
Antragserwiderung (Bl. 42 GA) heißt, der Antragsgegner lasse es genügen, wenn ein
Bewerber in einer Verwalterkanzlei "in zweiter oder dritter Reihe"
Insolvenzverwaltungen bearbeitet habe, und der Antragsteller daraus herleitet, entgegen
dem Schreiben vom 15.12.2005 seien in seinem Fall praktische Erfahrungen in der
Insolvenzverwaltung für unabdingbar erklärt worden, trifft das nicht zu. Ausweislich Seite
11 der Antragserwiderung (Bl. 41 GA) betrifft der genannte Passus die "regelmäßige
Voraussetzung" der Berufserfahrung gerade auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung,
worauf (Seite 7 der Antragserwiderung, Bl. 37 GA) das "Hauptaugenmerk" des
Antragsgegners liegt. Das bestätigt gerade, dass ausnahmsweise fehlende praktische
Erfahrungen in der Insolvenzverwaltung der Aufnahme in die Vorauswahlliste nicht
entgegen stehen. Dem entspricht der Inhalt des angefochtenen Bescheids. Dass der
Antragsgegner praktische Erfahrungen des Antragstellers gerade in der
Insolvenzverwaltung nicht für unabdingbar gehalten hat, wird ferner dadurch belegt,
dass dieser zu einem Vorstellungsgespräch gebeten worden ist, an dem alle
Insolvenzrichter teilgenommen haben. Dieser Mühe hätten sie sich kaum unterzogen,
wäre die Bewerbung des Antragstellers mangels praktischer Erfahrungen in der
Insolvenzverwaltung, die sich ohne Weiteres aus den Bewerbungsunterlagen ergab,
aus ihrer Sicht von vornherein aussichtslos gewesen.
Dasselbe gilt für die Behauptung des Antragstellers, der Antragsgegner orientiere sich
in Wahrheit am Bedarf für Insolvenzverwalter, den er für gesättigt halte. Widerlegt wird
diese Behauptung zudem durch die – unwidersprochene – Darstellung des
Antragsgegners Seite 7 der Antragserwiderung (Bl. 37 GA), dass er im Anschluss an
den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 03.08.2004 von 20 Bewerbungen
14 positiv beschieden habe und 37 Bewerbungen noch abarbeiten müsse.
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Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner bei fehlender praktischer
Erfahrung des Bewerbers im Bereich der Insolvenzverwaltung die Aufnahme in die
Vorauswahlliste nur "in Ausnahmefällen", "äußerst hilfsweise" vornimmt. Zu Recht weist
er darauf hin, dass Insolvenzverwaltung kein Lehrbetrieb ist. Die Vorauswahlliste soll
dem Insolvenzrichter bei Eröffnung eines konkreten Insolvenzverfahrens eine rasche
Entscheidung bezüglich des zu bestellenden Insolvenzverwalters ermöglichen. Wegen
des zeitlichen Drucks der zu treffenden Entscheidung ist eine Abwägung der Vorzüge
und Nachteile zahlloser gelisteter Personen praktisch kaum möglich. Das bringt es mit
sich, dass die Liste, soll sie ihren Zweck erfüllen, überschaubar bleiben muss und nicht
jeder in sie aufzunehmen ist, der bei wohlwollendster Beurteilung noch so gerade die
Minimalanforderungen an die Eignung i. S. d. § 56 InsO erfüllt. Das würde letztlich auch
einem solchen Bewerber nichts oder wenig nützen, da er bei der erforderlichen
Strukturierung der Liste mit einer Verwalterbestellung im konkreten Fall nicht oder kaum
ernsthaft rechnen könnte. Jedenfalls ist die Entscheidung des Antragsgegners, nur in
Ausnahmefällen Bewerber ohne praktische Erfahrungen in der Insolvenzverwaltung in
die Liste aufzunehmen, nicht zu beanstanden, weil sie zumindest vertretbar ist.
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Solche Ausnahmen kommen in Betracht, wenn theoretische Kenntnisse und praktische
Erfahrungen des Bewerbers speziell im Insolvenzrecht denen von Personen mit
praktischer Erfahrung in der Insolvenzverwaltung, wenn auch zunächst nur im Bereich
von Kleinverfahren, gleichkommen oder zumindest annähernd gleichkommen. Es lässt
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sich nicht feststellen, dass der Antragsgegner im Streitfall eine solche Ausnahme zu
Unrecht verneint hat. Die vom Antragsteller im Vorstellungsgespräch angeblich
geäußerte Erklärung, er wolle aus seinen Fehlern lernen – was bei wohlwollender
Beurteilung ohnehin nicht mehr beinhaltet als die Selbstverständlichkeit, dass jeder
Mensch Fehler macht und aus seinen Fehlern lernen soll -, hat er richtigerweise nicht für
ausschlaggebend gehalten. Das ergibt sich nicht nur aus der Antragserwiderung (Seite
11, Bl. 41 GA), sondern bei unbefangener Lektüre auch aus dem angefochtenen
Bescheid.
Insolvenzrechtliche Kenntnisse und praktische Erfahrungen, die denen eines in der
Insolvenzverwaltung schon praktisch Erprobten zumindest annähernd gleichkommen,
ergeben sich in der notwendigen Konkretisierung nicht aus dem Vortrag des
Antragstellers. Bezeichnend ist, dass das insolvenzrechtliche Dezernat in seiner
Kanzlei nicht von ihm, sondern von Rechtsanwalt D geführt wird. Zutreffend macht der
Antragsgegner geltend, dass sich ein Insolvenzverwalter zwar der Hilfe sachkundiger
Personen bedienen könne, aber persönlich in der Lage sein müsse, verantwortlich zu
führen und Fehler solcher Mitarbeiter zu korrigieren. Aus der eigenen Darstellung des
Antragstellers Seite 4 ff. des Schriftsatzes vom 14.03.2006 (Bl. 62 ff. GA) folgt, dass von
den in seinem Dezernat anfallenden 100 bis 120 Mandaten pro Jahr rund 1/5
Insolvenzrecht betreffen. Das ist zumindest für einen vornehmlich wirtschaftsrechtlich
tätigen Rechtsanwalt nicht besonders hoch und lässt nicht die Schlussfolgerung zu,
dass Kenntnisse und Erfahrungen des Antragstellers im Insolvenzrecht die des
Durchschnitts der Anwälte erheblich übertreffen.
37
Zu Unrecht rügt der Antragsteller, der Antragsgegner habe nicht von seinem Angebot
Gebrauch gemacht, eine nach Sachgebieten geordnete Mandatsliste vorzulegen. Eine
solche Liste hat allenfalls eine sehr eingeschränkte Aussagekraft, zumal sie über die
Qualität der Bearbeitung nichts aussagt. Weitaus sachgerechter ist das hier praktizierte
Verfahren, den Antragsteller zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, um in Rede
und Gegenrede dessen Kenntnisse und praktische Erfahrungen speziell im
Insolvenzrecht zu eruieren. Für seine Behauptung, das Gespräch vom 19.10.2005 habe
gar nicht diesen Zweck verfolgt, er sei nicht dezidiert befragt worden, insgesamt habe
sich der Eindruck aufgedrängt, die negative Entscheidung sei schon im Vorfeld gefallen,
ist er beweisfällig. Die gegenteilige Darstellung des Antragsgegners, die Ausführungen
des Antragstellers seien – auch auf Nachfrage – detailarm gewesen, ist nicht widerlegt.
Gegen dessen Behauptung spricht im Übrigen der Umstand, dass sich alle
Insolvenzrichter die Zeit für das rund halbstündige Gespräch genommen haben, was sie
sich vernünftigerweise erspart hätten, wäre dieses für die Entscheidung belanglos
gewesen.
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Ferner sei bemerkt, dass der Antragsteller auch besondere theoretische Kenntnisse auf
dem Gebiet des Insolvenzrechts nicht belegt hat. Insoweit hat er sich nur auf den
Besuch einer Fortbildungsveranstaltung der Deutschen Anwaltsakademie zum
Insolvenzrecht im Jahre 2004 berufen, von der nicht einmal ersichtlich ist, dass sie mit
einer Leistungskontrolle abgeschlossen wurde. Eine Anmeldung zum
Fachanwaltslehrgang hat er lediglich angekündigt. Ob diese inzwischen erfolgt ist,
wenn ja, was daraus geworden ist, ist nicht vorgetragen.
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Unter Berücksichtigung der genannten Umstände ist es auch nicht zu beanstanden,
dass der Antragsgegner die derzeitige Eignung des Antragstellers für die Aufgabe eines
Treuhänders verneint hat. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, wieso die Beratung kleiner
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und mittelständischer Unternehmen, in der nach eigenen Angaben der Schwerpunkt der
anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers und seiner Kanzlei insgesamt bestehen soll,
ihn gerade als Treuhänder in Verbraucherinsolvenzverfahren prädestinieren soll. Die
von ihm angeführte Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Schuldnerhilfe
Deutschland e. V. reicht dafür, wie keiner weiteren Ausführungen bedarf, ebenso wenig
aus.
3.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 30 Abs. 1 EGGVG, § 29 Abs. 2 EGGVG
i. V. m. § 13a Abs. 1 FGG.
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Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 30 Abs. 3 EGGVG i. V. m. § 30 KostO.
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