Urteil des OLG Köln vom 06.05.2002

OLG Köln: implantation, widerklage, zahnarzt, schlechterfüllung, anhörung, schmerzensgeld, rückerstattung, einwilligung, vergütung, vollstreckbarkeit

Oberlandesgericht Köln, 5 U 60/99
Datum:
06.05.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 60/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 187/95
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 17. Februar 1999 verkündete
Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 187/95 - unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert
und insgesamt wie folgt neu gefasst: Die Klage wird abgewiesen. Auf
die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 7.500,- EUR
nebst 4% Zinsen seit dem 25. März 1995 zu zahlen. Die weitergehende
Widerklage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits erster
Instanz einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens
25 OH 9/94 Landgericht Köln tragen der Kläger zu 19% und die Beklagte
zu 81%. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu
36% und der Beklagten zu 64% auferlegt. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
1
Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache nur zum Teil begründet.
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Die auf Zahlung eines Resthonorars in Höhe von 2.691,35 DM gerichtete Klage hat das
Landgericht zutreffend (auch) mit der Begründung, das Honorar für die operative
Freilegung der Implantate sei Bestandteil der Honorarvereinbarung vom 16. Juli 1991
und dieses Honorar habe die Beklagte vollständig gezahlt, abgewiesen. Gegen diese
tragende Erwägung führt der Kläger in der Berufung nichts an.
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Die Widerklage hat nur insoweit Erfolg, als der Kläger verpflichtet ist, an die Beklagte
ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,- EUR zu zahlen.
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Einen Behandlungsfehler hält der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht
für bewiesen. Allerdings hat der erstinstanzlich herangezogene Sachverständige Prof.
Dr. N. insbesondere bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht die
Auffassung vertreten, dass es unter Berücksichtigung der vom Zahnarzt W., der im
Beweissicherungsverfahren tätig geworden ist, gefertigten Röntgenaufnahmen sowie
der vom Kläger während des operativen Eingriffs erstellten Fotographien kaum noch
vertretbar gewesen sei, die Implantate zu setzen, weil an den entsprechenden Stellen
erhebliche Bindegewebsanteile zu sehen seien, so dass Implantate dort nicht
hinreichend verlässlich eingebracht werden konnten. Nach seiner Auffassung hätte in
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jedem Fall abgewartet werden müssen, bis sich das Bindegewebe zu Knochen
differenziert hatte. Dem ist der zweitinstanzlich vom Senat beauftragte Sachverständige
Prof. Dr. T. mit überzeugenden Ausführungen entgegengetreten. Der Sachverständige
Prof. Dr. T., der über langjährige Erfahrungen im Bereich der Implantologie verfügt und
dem Senat auch aus anderen Verfahren als äußerst kompetent bekannt ist, hat unter
Auswertung der vom Kläger vorgelegten Fotographien feststellen können, dass die
Kieferbasis, die letztlich entscheidend für den Erfolg einer Implantation ist, bei der
Beklagten insgesamt gut war. Die Weichteilsituation spielt dabei eine eher
untergeordnete Rolle. Der Sachverständige hat bei der Beklagten nur einen
vernachlässigbar geringen Teil an Bindegewebe bezogen auf die Länge des Implantats
ausgemacht. Wesentlich für den dauerhaft festen Sitz des Implantats ist demgegenüber
der Anteil, der im festen Knochenanteil sitzt. Ein über 3 mm großes Knochendefizit, das
einer Implantation entgegengestanden hätte, hat nach den Feststellungen des
Sachverständigen Prof. Dr. T. bei der Beklagten indes nicht vorgelegen. Insgesamt war
es nach seinen Ausführungen nicht behandlungsfehlerhaft, dass der Kläger die
Implantation bereits nach einer Wartezeit von 8 bis 9 Wochen seit der Extraktion der
Zähne vorgenommen hat. In dieser Zeit heilen Entzündungen oder Verletzungen des
Zahnfleisches ab. Eine knöcherne Verheilung musste im vorliegenden Fall nicht mehr
abgewartet werden, weil sich die Zähne der Beklagten praktisch nicht mehr im Knochen
befunden haben. Vor dem Hintergrund dieser bei der Beklagten vorliegenden Situation
war das Vorgehen des Klägers mithin gut vertretbar. Der Senat folgt diesen
nachvollziehbaren und überzeugend begründeten Feststellungen des
Sachverständigen Prof. Dr. T..
Der Kläger hat allerdings nicht den ihm obliegenden Nachweis geführt, dass er die
Beklagte hinreichend über die Risiken des Fehlschlagens einer Implantatbehandlung
aufgeklärt hat. Eine schriftliche Einwilligungserklärung der Beklagten liegt nicht vor. Der
bloße Vermerk "Info" in den Behandlungsunterlagen ist für sich genommen nicht
aussagekräftig. Der Senat hat sich auch unter Berücksichtigung der Aussage der Zeugin
L. nicht die sichere Überzeugung bilden können, dass die Beklagte mit der notwendigen
Deutlichkeit über das mit der Implantatbehandlung verbundene Fehlschlagsrisiko
aufgeklärt worden ist. Eine genaue Erinnerung an die Einzelheiten des mit der
Beklagten geführten Gesprächs hatte die Zeugin L. nicht mehr. Ohnehin fällt auf, dass
die Zeugin angeblich zwar noch eine sehr genaue Erinnerung an die Beklagte und an
die bei ihr geplanten Implantationsmaßnahmen hatte, andererseits schon größte
Schwierigkeiten hatte, den Zeitraum, in dem sie bei dem Kläger beschäftigt war,
einigermaßen exakt zu bestimmen. Von daher bleiben Zweifel, ob sie aufgrund der
inzwischen verstrichenen langen Zeitspanne von gut 10 Jahren tatsächlich noch
imstande war, mit hinreichender Genauigkeiten über die damalige Aufklärungspraxis
des Klägers zu berichten. Dies gilt vor allem für das Risiko des Fehlschlags einer
Implantation, das nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. bei 5-10% -
im Bereich des Oberkiefers zum damaligen Zeitpunkt sogar noch etwas höher - lag. Die
Zeugin L. hat insoweit zwar allgemein bekundet, es werde in jede Richtung aufgeklärt,
so dass der Patient ein Grundlage für eine freie Entscheidung habe. Einzelheiten dazu
hat sie aber nicht angegeben. Bedenken an einer zureichenden Risikoaufklärung bei
der Beklagten ergeben sich zudem aus den Bekundungen der Zeugin M.. Die Zeugin,
die anders als die Zeugin L. in das damalige Geschehen sicher stärker einbezogen war,
hat mit deutlicher Zurückhaltung und in dem Bemühen, tatsächlich nur noch das
wiederzugeben, was ihr heute noch in Erinnerung ist, bekundet, der Kläger habe ihrer
Mutter trotz der ihm mitgeteilten Bedenken von Dr. N. zu der Implantatbehandlung
geraten, weil schließlich er der Experte sei. Er habe der Beklagten gesagt, sie solle sich
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keine Sorgen machen. Das deutet darauf hin, dass insbesondere die Aufklärung über
das Fehlschlagsrisiko vernachlässigt worden sein könnte. Sichere Feststellungen, dass
der Kläger auf dieses Risiko in der gebotenen Deutlichkeit hingewiesen hat, lassen sich
bei diesem Beweisergebnis nicht treffen. Das geht zu Lasten des insoweit darlegungs-
und beweispflichtigen Beklagten.
Dass die Beklagte auch bei zutreffender Aufklärung in die Implantatbehandlung
eingewilligt hätte, steht nicht fest. Zwar mag ihr grundsätzlich sehr daran gelegen
gewesen sein, keine Vollprothese tragen zu müssen. Diese Behandlungsalternative
bestand immerhin. Dass die Beklagte unter diesen Umständen jedenfalls in einem
Entscheidungskonflikt war, hat sie plausibel gemacht: Sie hat nach ihren glaubhaften
Bekundungen bei ihrer Anhörung durch den Senat nach der ersten Beratung beim
Kläger zunächst mit ihrem Zahnarzt Dr. N. Rücksprache gehalten mit der Bitte, dass
beide miteinander sprechen sollten. Das zeigt, dass die Beklagte angesichts der
offenbar eher skeptischen Einstellung von Dr. N. keineswegs unter jeden Umständen
eine Implantatbehandlung wollte und somit in einer Entscheidung nicht von vornherein
festgelegt war.
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Die mangels hinreichender Aufklärung somit nicht von der Einwilligung der Beklagten
gedeckte Implantatbehandlung verpflichtet den Kläger zur Zahlung eines
Schmerzensgeldes. Unter Berücksichtigung der vom Landgericht im angefochtenen
Urteil im einzelnen aufgezeigten Umstände (Urteil S. 12; § 543 Abs. 1 ZPO a.F.) hält der
Senat ein Schmerzensgeld von 7.500,- EUR für angemessen.
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Hingegen hat die Beklagte keinen Anspruch auf Rückerstattung der an den Kläger
geleisteten Vergütung. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entfällt der
Vergütungsanspruch eines Arztes wegen Schlechterfüllung des geschlossenen
Dienstvertrages in den Fällen, in denen die Schlechterfüllung in einer unzureichenden
Risikoaufklärung besteht, nur dann, wenn die Dienstleistung wegen unzureichender
Bemühungen um den Heilerfolg unbrauchbar war (OLG Köln, NJW-RR 1999, 694, 695
sowie MedR 1994, 198, 199). Davon, dass der Kläger sich um den Behandlungserfolg
nicht hinreichend bemüht hat, kann indes keine Rede sein. Aus den gleichen Gründen
muss der Kläger der Beklagten auch nicht diejenigen Kosten erstatten, die aufgrund des
arbeitsteiligen Vorgehens bei Dr. S. entstanden sind.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist
entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht einschlägig, weil die Verweisung der
Sache vom Amts- an das Landgericht Folge der Erhebung der Widerklage durch die
Beklagte war.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n.F. liegen
nicht vor.
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Berufungsstreitwert: 24.943,37 EUR (48.785,- DM)
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Beschwer des Klägers: 8.876,07 EUR (17.360,08 DM)
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Beschwer der Beklagten: 16.067,31 EUR (31.424,92 DM)
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