Urteil des OLG Köln vom 03.09.2008
OLG Köln: scheidung, trennung, eheliche gemeinschaft, rechtskraft, firma, befristung, beschränkung, krankheit, gesundheit, alter
Oberlandesgericht Köln, 26 UF 60/08
Datum:
03.09.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
26. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 UF 60/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Heinsberg, 7 F 279/05
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 28. Februar 2008
verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Heinsberg (7 F
279/05) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
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Die Antragsgegnerin begehrt die unbefristete Zahlung nachehelichen
Krankenunterhalts.
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Der im Juni 1959 geborene Antragsteller und die im August 1956 geborene
Antragsgegnerin haben im Januar 1994 geheiratet. Aus ihrer Verbindung sind keine
Kinder hervorgegangen. Der Antragsteller ist Beamter bei der Stadt X. Die
Antragsgegnerin, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, war seit
1982 als Lagerarbeiterin bei der Firma X beschäftigt. Sie setzte diese
Vollerwerbstätigkeit in der Ehe mit dem Antragsteller fort. Im Jahr 1999 erkrankte die
Antragsgegnerin an einer depressiven Episode. Im Jahr 2000 endete ihr langjähriges
Anstellungsverhältnis bei der Firma X durch Auflösungsvertrag. Anschließend war die
Antragsgegnerin jeweils für kürzere Zeiten bei verschiedenen Unternehmen beschäftigt,
u.a. als Kassiererin, Verkäuferin und Saisonarbeiterin, auch im Rahmen geringfügiger
versicherungsfreier Beschäftigungsverhältnisse. Zuletzt arbeitete die Antragsgegnerin
von Mai bis November 2004 vollschichtig als Bäckereiverkäuferin; das Arbeitsverhältnis
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wurde vom Arbeitgeber am Ende der Probezeit gekündigt. Die Parteien trennten sich im
Mai 2004. Seit Dezember 2004 ist die Antragsgegnerin arbeitsunfähig erkrankt; sie
leidet an einer schweren depressiven Störung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im
angefochtenen Urteil inhaltlich Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
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Auf den im Mai 2005 zugestellten Scheidungsantrag hat das Amtsgericht mit
Verbundurteil vom 28. Februar 2008 die Ehe der Parteien geschieden - die Scheidung
ist seit dem 15. Juli 2008 rechtskräftig -, den Versorgungsausgleich durchgeführt und
den Antragsteller zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von monatlich
417,00 € bis Dezember 2008 und monatlich 126,00 € bis Dezember 2009 verurteilt.
Ausgehend von einem bereinigten Erwerbseinkommen des Antragstellers von 1.993,13
€ und einem Nettorenteneinkommen der Antragsgegnerin von 873,78 €
(Erwerbsunfähigkeitsrente brutto 794,36 € zuzüglich 171,15 € Rente aufgrund des
Versorgungsausgleichs, abzüglich 72,90 € Krankenversicherungsbeiträge und 18,83 €
Pflegeversicherungsbeitrag) ergebe sich ein an den ehelichen Lebensverhältnissen
ausgerichteter Unterhaltsanspruch von 417,00 €, der gemäß § 1578b BGB nach einer
Übergangszeit bis einschließlich Dezember 2008 auf den angemessenen Bedarf von
1.000,00 €, d.h. einen Zahlbetrag von 126,00 € zu reduzieren sowie nach einer weiteren
Übergangsfrist von einem Jahr ab Januar 2010 gänzlich zu versagen sei, da die
Antragsgegnerin keine ehebedingten Nachteile erlitten habe. Auch ihre Erkrankung sei
nicht durch die Ehe hervorgerufen worden.
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Mit ihrer Berufung wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Herabsetzung und
zeitliche Befristung des Unterhalts. Sie begehrt die unbefristete Zahlung von monatlich
417,00 € ab Rechtskraft der Scheidung. Das Amtsgericht sei fehlerhaft davon
ausgegangen, dass ihre Erkrankung nicht durch die Ehe hervorgerufen sondern erst in
der Trennungszeit aufgetreten sei. Der Antragsteller verteidigt die angefochtene
Entscheidung. Das Amtsgericht habe zu Recht eine Befristung des Unterhaltsanspruchs
vorgenommen. Auf den in erster Instanz erhobenen Verwirkungseinwand beruft der
Antragsteller sich in zweiter Instanz nicht mehr.
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II.
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Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den
Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin zur Recht und mit zutreffender Begründung
nach § 1578b BGB begrenzt.
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Anspruchsgrundlage für den ab Rechtskraft der Scheidung am 15. Juli 2008 zu
zahlenden Unterhalt ist § 1572 BGB. Die Antragsgegnerin ist seit Dezember 2004
krankheitsbedingt außerstande, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
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Einwendungen gegen die Unterhaltsberechnung des Amtsgerichts haben die Parteien
in zweiter Instanz nicht erhoben. Der eheangemessene Unterhalt beträgt danach 417,00
€ im Monat, u.a. ausgehend davon, dass sich das Renteneinkommen der
Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung aufgrund der Entscheidung zum
Versorgungsausgleich um 171,15 € im Monat erhöht.
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Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ist unter Billigkeitsgesichtspunkten nach
Abwägung der Gesamtumstände auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2009 zu befristen
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und zuvor bereits ab dem 01. Januar 2009 der Höhe nach zu begrenzen.
Gemäß § 1578b Abs. 1 und 2 BGB n.F. ist nunmehr – abweichend von der alten
Rechtslage – auch ein Unterhaltsanspruch wegen Krankheit zeitlich zu befristen
und/oder der Höhe nach auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn
eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des
Unterhaltsanspruchs bzw. ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre.
Zu berücksichtigen sind dabei nach dem Gesetzeswortlaut insbesondere etwaige
Kindesbelange und ehebedingte Nachteile. Welche Kriterien daneben für die
Billigkeitsabwägung beim typischerweise – so auch im vorliegenden Fall (s.u.) – nicht
auf der Ehe sondern auf schicksalhaften Ereignissen beruhenden Krankenunterhalt
greifen sollen, lässt das Gesetz offen.
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Der Gesetzgeber hat die Neuregelung wie folgt begründet (BT-DR 16/1830, S. 18 f.):
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"Mit § 1578b des Entwurfs wird eine grundsätzlich für alle Unterhaltstatbestände
geltende Billigkeitsregelung eingefügt, die nach Maßgabe der in der Regelung
aufgeführten Billigkeitskriterien eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung von
Unterhaltsansprüchen ermöglicht. ... In der neueren Rechtsprechung ... ist eine
Tendenz zu einer vermehrten Beschränkung von Unterhaltsansprüchen
festzustellen.
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Daran knüpft der Entwurf mit dem neu eingefügten § 1578b an. Die Neuregelung
verfolgt das Ziel, die Beschränkung von Unterhaltsansprüchen anhand objektiver
Billigkeitsmaßstäbe und hier insbesondere anhand des Maßstabs der
´ehebedingten Nachteile´ zu erleichtern. Ihr liegen folgende grundsätzliche
Erwägungen zugrunde:
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Die Leistungen der Ehegatten, die sie aufgrund ihrer vereinbarten Arbeitsteilung in
der Ehe (Berufstätigkeit, Haushaltsarbeit, Kindererziehung) erbringen, sind
gleichwertig, so dass sie grundsätzlich Anspruch auf ´gleiche Teilhabe am
gemeinsam Erwirtschafteten´ haben. Dieser Teilhabeanspruch bestimmt in
besonderer Weise auch die unterhaltsrechtliche Beziehung der Ehegatten ...,
bedeutet aber nicht von vorneherein eine ´Lebensstandardgarantie´ im Sinne einer
zeitlich unbegrenzten und in der Höhe nicht abänderbaren Teilhabe nach der
Scheidung. Grund für die nachehelichen Unterhaltsansprüche ist die sich aus Art. 6
GG ergebende fortwirkenden Solidarität. Diese fortwirkende Verantwortung für den
bedürftigen Partner erfordert vor allem einen Ausgleich für Nachteile, die dadurch
entstehen, dass der Unterhaltsberechtigte wegen der Aufgabenverteilung in der
Ehe, insbesondere der Kindererziehung, nach der Scheidung nicht oder nicht
ausreichend für seinen eigenen Unterhalt sorgen kann. Diese Erwägung liegt
insbesondere den Unterhaltstatbeständen des § 1570 BB (Betreuungsunterhalt), §
1573 BGB (Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt) und §
1575 BGB (Ausbildungsunterhalt) zugrunde. ´Ehebedingte Nachteile´, die auf der
Aufgabenverteilung in der Ehe beruhen, steigen wegen der zunehmenden
persönlichen und sozialen Verflechtung typischerweise mit der Dauer der Ehe an,
so dass im Einzelfall eine lebenslange Unterhaltspflicht gerechtfertigt sein kann. Je
geringer aber diese Nachteile sind, desto eher ist im Licht des Grundsatzes der
Eigenverantwortung unter Billigkeitsgesichtspunkten eine Beschränkung des
Unterhalts geboten, wobei in besondere Weise auf die Wahrung der Belange eines
vom Berechtigten betreuten gemeinschaftlichen Kindes zu achten ist.
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Die nach der Ehe fortwirkende Verantwortung erschöpft sich allerdings nicht im
Ausgleich ehebedingter Nachteile. Beispielsweise bestehen die
Unterhaltsansprüche wegen Alters, Krankheit oder Arbeitslosigkeit (§§ 1571, 1572,
1573 Abs. 1 BGB) auch dann, wenn Krankheit oder Arbeitslosigkeit ganz
unabhängig von der Ehe und ihrer Ausgestaltung durch die Ehegatten eintreten. ...
Auch in diesen Fällen kann eine uneingeschränkte Fortwirkung der nachehelichen
Solidarität unter Billigkeitsgesichtspunkten unangemessen sein. Im
Spannungsverhältnis zwischen der fortwirkenden Verantwortung und dem
Grundsatz der Eigenverantwortung muss auch hier in jedem Einzelfall eine
angemessene und für beide Seiten gerechte Lösung gefunden werden, bei der die
Dauer der Ehe von besonderer Bedeutung sein wird."
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Aus dieser Begründung folgt zunächst, dass die Gesetzesänderung eine verstärkte
Begrenzung des nachehelichen Unterhalts bezweckt. Der Gesetzgeber hat ferner
ausdrücklich die Unterscheidung nach den einzelnen Unterhaltstatbeständen
aufgegeben und eine für alle Unterhaltstatbestände geltende Billigkeitsregelung
getroffen, die anhand objektiver Maßstäbe auszufüllen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der
Krankenunterhalt hinsichtlich Dauer und Höhe privilegiert behandelt werden soll und
z.B. tendenziell länger zu zahlen ist als der Unterhalt nach den anderen Tatbeständen
oder erst dann begrenzen werden kann, wenn die weitere Entwicklung des
Gesundheitszustandes absehbar ist (so wohl OLG Nürnberg, forum familienrecht 2008,
202 ff.), lassen sich weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung
entnehmen. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Ausdehnung der
Befristungsmöglichkeit auf den Alters- und Krankenunterhalt bewusst in Kauf
genommen, dass die daraus folgende Bedürftigkeit des geschiedenen Ehegatten im
Zweifel von der Allgemeinheit durch sozialstaatliche Leistungen aufgefangen werden
muss, so dass eine unbefristete Verantwortung für Ereignisse, die dem persönlichen
Lebensschicksal eines Ehegatten zuzuordnen sind, nach der neuen Rechtslage
grundsätzlich nicht mehr besteht (OLG Celle, FamRZ 2008, 1449, 1452).
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Neben den in der Gesetzesbegründung angeführten Kriterien ist bei der
Billigkeitsabwägung auch zu berücksichtigen, in welchem Maße die andauernden
Unterhaltszahlungen den Unterhaltsschuldner vor dem Hintergrund seiner sonstigen
Verpflichtungen und des ihm verbleibenden Einkommens belasten (Palandt-
Brudermüller, Kommentar zum BGB, 67. Aufl., § 1578b-E Rn. 4; Wendl/Staudigl, Das
Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis,
die Gesundheit der Partner sowie ein etwaiger besonderer persönlicher oder
wirtschaftlicher Einsatz für den anderen während der Ehe (Wendl/Staudigl, a.a.O., § 4
Rn. 592).
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Nach den angeführten Maßstäben ist die vom Amtsgericht vorgenommene Verbindung
von Absenkung und Befristung des Unterhalts angemessen, da der Antragsgegnerin
aus der Ehe keine Nachteile entstanden sind und allein aus der Ehedauer kein
unbegrenzter Unterhaltsanspruch hergeleitet werden kann.
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Auch unter Zugrundelegung des Tatsachenvortrags in der Berufungsbegründung steht
zunächst fest, dass die Erkrankung der Antragsgegnerin nicht durch die Ehe verursacht
worden ist, sondern schon vor der Heirat angelegt war. Die Antragsgegnerin trägt selbst
vor, dass sie seit den 80er Jahren an einer rezidivierenden depressiven Störung leidet.
Bereits in den 80er Jahren kam es zu zwei depressiven Episoden, die zu
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psychosomatischen Kuraufenthalten führten. Währen der Ehe traten weitere Schübe in
den Jahren 1999 und 2004 auf. Dass das Arbeitsverhältnis mit der Firma X im Jahr 2000
aufgrund ihrer Erkrankung und nicht – wie der Antragsteller vorträgt – wegen ihrer
Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation einvernehmlich beendet worden ist, hat die
Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargelegt und ergibt sich auch nicht aus dem
Gutachten der Sachverständigen X im Trennungsunterhaltsverfahren 7 F 468/05
Amtsgericht Heinsberg. Gleiches gilt für die Behauptung der Antragsgegnerin, sie sei
nach dem Verlust des Arbeitsplatzes bei der Firma X krankheitsbedingt nur noch
eingeschränkt arbeitsfähig gewesen und habe deshalb in den Jahren 2000 bis 2004
lediglich kurzfristige Anstellungen gehabt. Letztlich ist dieser zentrale Sachvortrag der
Antragsgegnerin aus der Berufungsbegründung aber auch unerheblich, da die
Krankheit in jedem Fall bereits vor der Ehe angelegt war und ein Bezug zwischen dem
Verlauf der Erkrankung und der Ausgestaltung der Ehe sowie der weitgehend
durchgehenden Erwerbsbiographie der Antragsgegnerin nicht erkennbar ist. Der
erneute und heftige Ausbruch der Erkrankung Ende des Jahres 2004 mag durch die
Trennung mit gefördert worden sein (nach den Feststellungen der Sachverständigen X
hatte die Antragsgegnerin wahrscheinlich schon bei der Trennung von ihrem zweiten
Ehemann, mit dem sie von 1985 bis 1990 verheiratet war, eine depressive Episode
erlitten), dies kann aber im Rahmen der Billigkeitsabwägung nicht als ehebedingter
Nachteil gewertet werden. Es ist weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich,
dass das Verhalten des Antragstellers über die Trennung als solche hinaus in irgend
einer Form die Gesundheit der Antragsgegnerin geschädigt hat. Soweit die
Antragsgegnerin in der Berufungsbegründung auf die Trennungsumstände hinweist und
behauptet, der Antragsteller habe ihre gegenüber im März 2004 körperliche Gewalt
angewandt, ist nicht dargelegt, in welchem konkreten Zusammenhang dieser Vorfall mit
der späteren depressiven Episode stehen soll. Zudem fehlt es an einen Beweisantritt für
den vom Antragsteller ausdrücklich bestrittenen Übergriff.
Abweichend von ihrem schriftsätzlichen Vortrag hat die Antragsgegnerin im übrigen auf
Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2008 bestätigt, dass ihre
Erkrankung letztlich nicht ehebedingt sei.
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Die Antragsgegnerin hat auch sonst aus der kinderlosen Ehe keine persönlichen oder
wirtschaftlichen Nachteile erlitten. Die Antragsgegnerin war durchgehend – soweit es
ihre Gesundheit und die Arbeitsmarktsituation zuließen – voll erwerbstätig und
jedenfalls nicht durch die Ehe als solche in ihrer Berufstätigkeit eingeschränkt.
Insgesamt ist ihre wirtschaftliche Situation nicht schlechter, sondern im Gegenteil sogar
deutlich besser als sie ohne die Heirat mit dem Antragsteller wäre. Über den
Versorgungsausgleich kommen der Antragsgegnerin nämlich bereits monatlich mehr als
170,00 € zu Gute. Der wirtschaftliche Vorteil aus dem Versorgungsausgleich verbleibt
der Antragsgegnerin auf Dauer und unabhängig von Unterhaltszahlungen des
Antragstellers.
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Die Ehe der Parteien ist ferner nicht als besonders lang zu bewerten.
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Wonach sich das nach der Gesetzesbegründung gerade für den Krankenunterhalt
bedeutsame Kriterium der Ehedauer bemessen soll, hat der Gesetzgeber nicht im Sinne
einer festen Zeitschranke geregelt. In der früheren Rechtsprechung wurde üblicherweise
entsprechend § 1579 Nr. 1 BGB an die Zeit zwischen der Eheschließung und der
Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens angeknüpft (s. Wendl/Staudigl, a.a.O., § 4
Rn. 591). Nach der Gesetzesbegründung, die ausdrücklich auf den typischen
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Zusammenhang zwischen der Ehedauer und den wachsenden persönlichen/sozialen
Verflechtungen abstellt, muss die Ehedauer indes eher von der Zeit des tatsächlichen
Zusammenlebens, dem Alter der Ehegatten bei der Trennung und den weiteren
persönlichen Umständen her beurteilt werden (vgl. Palandt-Brudermüller, a.a.O., §
1578b Rn. 10).
Im vorliegenden Fall hat die Ehe hat bis zur Trennung der Parteien knapp 10½ Jahre
gedauert, der Scheidungsantrag ist rund 11½ Jahren nach der Eheschließung zugestellt
worden. Nach der jüngeren Rechtsprechung zu §§ 1573 Abs. 5 und 1578 Abs. 1 BGB,
die in die Neuregelung des § 1578b BGB eingeflossen ist, stand selbst eine Ehedauer
von 15 Jahren und mehr einer Anspruchsbegrenzung nicht grundsätzlich entgegen (vgl.
Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1573 Rn. 33). Eine enge wirtschaftliche oder soziale
Verflechtung ist nicht erkennbar. Die Parteien haben eine Doppelverdiener-Ehe geführt.
Sie waren im Zeitpunkt der Trennung beide berufstätig und erst 45 bzw. 48 Jahre alt.
Dass sie sich während der Zeit des Zusammenlebens in besonderer Weise auf die
Erkrankung der Antragsgegnerin eingestellt hatten, ist weder dargelegt noch sonst
ersichtlich.
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Schließlich ist im Rahmen der Billigkeitsabwägung mit zu berücksichtigen, dass der
Antragsteller bereits seit der Trennung im Mai 2004 Unterhalt zahlt. Das
Nettoeinkommen des Antragstellers beträgt bereinigt rund 1.994,00 €. Bei einem
solchen Einkommen stellen Unterhaltszahlungen von über 400,00 € eine nicht
unerhebliche Belastung dar. Auf der anderen Seite liegt das Gesamteinkommen der
Antragsgegnerin von netto rund 874,00 € - einschließlich der Vorteile aus dem
Versorgungsausgleich - deutlich über dem Existenzminimum für einen nicht
Berufstätigen von 770,00 €.
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Die dem konkreten Einzelfall angemessene Lösung im Spannungsverhältnis zwischen
der fortwirkenden Verantwortung des gesunden, 49 Jahre alten Antragstellers für seine
arbeitsunfähig erkrankte, 52 Jahre alte geschiedene Ehefrau einerseits und dem
Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung auch eines Erkrankten andererseits
gebietet vor dem Hintergrund der Ehedauer von rund 11 Jahren ohne enge persönliche
oder soziale Verflechtungen die Einräumung – nur – einer angemessenen Schonfrist für
die Umstellung auf den Lebensstandard nach den eigenen Verhältnissen der
Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin benötigt nach der Scheidung Zeit, um sich auf
die neue wirtschaftliche Situation einzustellen. Auf der anderen Seite kann allein aus
der Ehedauer mangels jeglicher ehebedingter Nachteile im konkreten Fall keine über
die Rechtskraft der Scheidung langjährig hinausgehende Verpflichtung zur
Unterhaltszahlung hergeleitet werden. Auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen
Verhältnisse der Parteien wäre es unbillig, den Antragsteller allein aufgrund der
schicksalhaften Erkrankung der Antragsgegnerin unbegrenzt zu Unterhaltszahlungen zu
verpflichten. Ein besonderer Einsatz der Antragsgegnerin für die eheliche Gemeinschaft,
der trotz nicht besonders langer Ehe und dem Fehlen ehebedingter Nachteile einen
längeren Unterhalt rechtfertigen könnte, ist nicht dargelegt. Ob bei der Begrenzung des
Krankenunterhalts nach § 1578b BGB der Gesichtspunkt der Auswirkung auf die
Erkrankung zu beachten ist (so das OLG Nürnberg, a.a.O.), kann dahinstehen, da für ein
entsprechendes Gesundheitsrisiko hier nichts vorgetragen ist.
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Die vom Amtsgericht vorgenommen Kombination von relativ zügiger Beschränkung des
Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf binnen 10 Monaten nach Ausspruch
(fünf Monaten nach Rechtskraft) der Scheidung und Befristung des herabgesetzten
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Unterhalts auf einen Zeitraum von einem weiteren Jahr ist angemessen. Bei der
Bemessung der Schonfrist ist folgendes zu berücksichtigen:
Die Antragsgegnerin konnte und musste seit Anfang des Jahres 2008 damit rechnen,
dass ihr Anspruch auf Krankenunterhalt begrenzt werden würde. Das Amtsgericht hatte
bereits mit Beschluss vom 24. Januar 2008 auf die neue Rechtslage hingewiesen und
ausgeführt, dass ein dauerhafter, uneingeschränkter Unterhaltsanspruch nicht der
Billigkeit entspreche, da die Antragsgegnerin keine ehebedingten Nachteile erlitten
habe. Insgesamt ist der Antragsgegnerin auch im Verhältnis zur Dauer des
Zusammenlebens mit dem Antragsteller ein hinreichender Zeitraum eingeräumt worden,
um sich auf die veränderte wirtschaftliche Situation einzustellen. 10½ Jahre
gemeinsamen Lebens bis zur Trennung der Parteien stehen anschließenden
Unterhaltszahlungen (Trennungsunterhalt, nachehelicher Unterhalt) von 5½ Jahren
gegenüber, davon 4½ Jahre ausgerichtet am ehelichen Lebensstandard und 1 Jahr
ausgerichtet am angemessenen Lebensbedarf der Antragsgegnerin. Den
angemessenen Lebensbedarf, der sich nach der Lebensstellung des Berechtigten vor
der Ehe bemisst (s. Wendl/Staudigl, a.a.O., § 4 Rn. 583), hat das Amtsgericht für eine
ungelernte Arbeiterin großzügig auf 1.000,00 € geschätzt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision wird nach § 543 ZPO zugelassen, da die gesetzliche Neuregelung in §
1578b BGB insbesondere hinsichtlich des Krankenunterhalts der Konkretisierung durch
eine einheitliche Rechtsprechung bedarf.
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Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 3.492,00 € (12 x [417,00 € - 126,00 €]).
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