Urteil des OLG Köln vom 21.06.2007
OLG Köln: erwerbstätigkeit, unterhalt, erbschaft, fahrtkosten, nettoeinkommen, arbeitsstelle, beruf, leistungsfähigkeit, trinkgeld, umschulung
Oberlandesgericht Köln, 12 U 16/07
Datum:
21.06.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 U 16/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Jülich, 10 F 3/07
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 30. Januar 2007 verkündete
Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Amtsgerichts - Familiengericht -
Jülich - 10 F 3/07 - in der durch Beschluss vom 21.02.2007 berichtigten
Fassung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
2
Gegenstand des Rechtsstreits waren ursprünglich von der Klägerin geltend
gemachter Ehegattenunterhalt sowie Kindesunterhalt für die minderjährige Tochter
der Parteien; in II. Instanz ist nunmehr nur noch der Ehegattenunterhalt für den
Zeitraum ab Mai 2007 im Streit.
3
Die am 07.02.1955 geborene Klägerin und der am 25.03.1961 geborene Beklagte
haben am 27.06.1997 geheiratet und leben seit September 2005 getrennt.
4
Die vorehelich am 09.05.1995 geborene Tochter B. der Parteien lebt seit der
Trennung bei der Klägerin und wird von dieser betreut und versorgt.
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Die Klägerin erzielte zunächst aus teilzeitiger Erwerbstätigkeit monatlich ca. 450,-
€, derzeit bezieht sie nach ihren Angaben Krankengeld.
6
Die Tochter B. ist Schülerin ohne Einkommen oder Vermögen.
7
Der Beklagte war als Kellner in einem der Restaurants des Möbelhauses
"Wohnwelt Q." beschäftigt; sein dort erzieltes Einkommen ist hinsichtlich der
Trinkgelder streitig.
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Am 12.08.2006 erlitt er einen Arbeitsunfall, bei dem nach seinen Angaben die
Wirbelsäule verletzt wurde. In der Folgezeit war er weit überwiegend krank und
arbeitete lediglich zwischen dem 16.10. und 21.11.2006, davor und danach war er
krankgeschrieben. Ab dem 24.09.2006 bezog er Verletztengeld.
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Inzwischen ist ihm zum 30.04.2007 gekündigt worden; seit Mai 2007 bezieht er
Arbeitslosengeld.
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Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin zunächst Trennungs-
Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 545,- € sowie Kindesunterhalt für die
Tochter B. von monatlich 257,- € (135 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe bzw.
Kindesunterhalt nach Einkommensstufe 6 der aktuellen Düsseldorfer Tabelle),
beginnend ab Januar 2006, geltend gemacht, ferner einen Rückstandsbetrag für
den Zeitraum Oktober bis Dezember 2005 unter Anrechnung vom Beklagten
erbrachter Zahlungen von 1.356,- €.
11
Nachdem ihr durch das zunächst zuständige Amtsgericht Aachen durch Beschluss
vom 27.03.2006 Prozesskostenhilfe allein für einen Teil des Rückstandsbetrages
bewilligt worden war, hat ihr das Oberlandesgericht Köln im Beschwerdeverfahren
durch Beschluss des seinerzeit zuständigen 10. Zivilsenats vom 31.05.2006
weitgehend Prozesskostenhilfe bewilligt, nämlich für einen Rückstandsbetrag von
1.149,- €, ferner für laufenden Kindesunterhalt von monatlich 257,- € und laufenden
Ehegattenunterhalt von monatlich 425,- €.
12
Die Klägerin hat unter Darlegung im einzelnen vorgetragen, sie und die Tochter B.
seien bedürftig und der Beklagte im geltend gemachten Umfang leistungsfähig,
weil er bei seiner Tätigkeit netto ca. 1.640,- € zuzüglich der Trinkgelder in Höhe
von monatlich ca. 600,- € erhalten habe. Auch bei Abzug einer monatlichen
Kreditrate von 83,47 € sowie des monatlichen Beitrags zu einer zusätzlichen
Altersversorgung bei der Conti Versicherung von 102,26 € ergäben sich jedenfalls
die verlangten Unterhaltsbeträge. Weitere Belastungen seien nicht zu
berücksichtigen.
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Fahrtkosten seien nicht anzurechnen, da der Beklagte mittels öffentlicher
Verkehrsmittel und sogar mit dem Fahrrad zum Arbeitsplatz gelangen könne. Auch
besondere Kosten für Berufskleidung fielen nicht an, da er normale Hemden,
Hosen und Schuhe trage, die er überall kaufen und zudem privat nutzen könne.
14
Da er mit einer neuen Partnerin zusammenlebe, sei ihm eine Haushaltsersparnis
anzurechnen.
15
Aus einer Erbschaft nach seinem verstorbenen Vater habe er erhebliche
Geldbeträge erhalten bzw. noch zu erwarten, die ihn ebenfalls in die Lage
versetzten, den verlangten Unterhalt unschwer zu zahlen.
16
Angesichts von Drohungen des Beklagten, die ohnehin oft verspäteten
17
Unterhaltszahlungen einzustellen, bestehe trotz seiner Zahlungen ein
Titulierungsinteresse.
Der Beklagte war dem entgegengetreten unter Hinweis darauf, sein
Nettoeinkommen betrage nur ca. 1.532,- € monatlich, die von ihm bezogenen
Trinkgelder beliefen sich auf allenfalls ca. 200,- € monatlich.
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Ferner seien 5 % für berufsbedingte Aufwendungen anzurechnen, nämlich
Fahrtkosten sowie Kosten für berufsbedingte Kleidung (weiße Hemden, schwarze
Hosen, schwarze Schuhe), die er überwiegend selbst stellen müsse, die
angesichts des Kellnerberufs stark verschleiße und daher regelmäßige Neukäufe
geeigneten hochwertigen Materials erfordere.
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Zudem sei eine weitere monatliche Kreditrate von 41,06 € zu berücksichtigen,
außerdem Kosten von monatlich 32,74 € für eine Unfallversicherung der Tochter
B..
20
Nach seinem Unfall im August 2006 habe er kaum mehr arbeiten können und
folglich auch kaum Trinkgelder vereinnahmt.
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Aus der Erbschaft habe er bislang nur 30.000,- € erhalten, die weitestgehend für
Gutachten zur Echtheit des Testaments und Kosten des mit seinem Bruder hierum
zu führenden Rechtsstreits verbraucht worden seien. Weitere Zahlungen habe er
nicht bezogen und seien auch nicht absehbar.
22
Er lebe nicht mit einer neuen Partnerin zusammen.
23
Er hat die Auffassung vertreten, angesichts seiner regelmäßigen monatlichen
Zahlungen von 350,- €, hiervon 247,- € Kindesunterhalt sowie 103,- €
Ehegattenunterhalt, bestehe kein Titulierungsinteresse.
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Höheren als den bislang gezahlten Unterhalt könne er nicht leisten.
25
In der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2006 vor dem damals zuständigen
Amtsgericht Aachen hat die Klägerin ihren Antrag im Rahmen der bewilligten
Prozesskostenhilfe gestellt.
26
Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat einen monatlichen Gesamtunterhalt
von 350,- € anerkannt.
27
Diese Erklärung ist ausweislich des Terminsprotokolls vorgespielt und genehmigt
worden.
28
In der mündlichen Verhandlung vor dem später zuständigen Amtsgericht Jülich
vom 16.01.2007 hat die Klägerin Ehegattenunterhalt von monatlich 555,- € und
Kindesunterhalt von 247,- € monatlich geltend gemacht, und zwar unter
Berücksichtigung der monatlichen Zahlungen des Beklagten von 350,- €.
29
Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat dazu erklärt, der Kindesunterhalt
werde anerkannt für die Zeit ab Februar 2007, der Ehegattenunterhalt werde
anerkannt in Höhe von 103,- €.
30
Das Terminsprotokoll enthält keinen Vermerk dahin, dass das Anerkenntnis
vorgespielt und genehmigt worden sei.
31
Das Amtsgericht hat im angefochtenen Teilanerkenntnis- und Schlussurteil in der
Form des Berichtigungsbeschlusses der Klägerin rückständigen
Ehegattenunterhalt für die Zeit von Oktober bis Dezember 2005 von insgesamt
1.164,- €, für den Zeitraum Januar bis Juli 2006 von monatlich 360,- €, ab August
2006 und laufend von monatlich 103,- € sowie Kindesunterhalt von 247,- €
monatlich gemäß dem Anerkenntnis zuerkannt.
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Dabei hat es das Einkommen zugrundegelegt, das auch das Oberlandesgericht im
Prozesskostenhilfebeschluss vom 31.05.2006 angesetzt hat, nämlich netto ca.
1.631,- €. Hiervon hat es die unstreitigen Belastungen abgezogen und 600,- €
Trinkgeld hinzugerechnet. Dazu hat es ausgeführt, der Beklagte habe in den von
der Klägerin vorgelegten Aufstellungen bereits zwischen 1999 und 2002
Trinkgelder mindestens in dieser Höhe vermerkt, ebenso in den Notizen für Januar
2005. Soweit er angegeben habe, es habe sich bei den Aufstellungen lediglich um
Prognosen gehandelt, sei dies angesichts zahlreicher Beträge mit genauen ct-
Beträgen hinter dem Komma nicht nachvollziehbar.
33
Ab Januar 2006 hat es die dann vorzunehmende Besteuerung des Beklagten nach
Klasse I mit 0,5 Kinderfreibetrag zugrundegelegt und ab August 2006 mit Rücksicht
auf die weitgehenden Krankheitszeiten nur mehr ein Trinkgeld von 150,- €
monatlich angenommen mit der Folge, dass sich aufgrund dieser
Einkommensverringerungen ab August 2006 ein Ehegattenunterhalt von monatlich
103,- € ergab.
34
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.
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Er hat sich zunächst lediglich gegen die über die anerkannten Summen
hinausgehend titulierten Unterhaltsbeträge gewandt und sich nach wie vor auf
fehlende Leistungsfähigkeit über die anerkannten Beträge hinaus für die Zeit bis
einschließlich April 2007 berufen. Er wiederholt und vertieft seinen
erstinstanzlichen Vortrag zu den Belastungen sowie zum seiner Ansicht nach weit
überhöht angesetzten Trinkgeld.
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Mit Schriftsatz vom 16.05.2007 hat er die Berufung dahingehend erweitert, dass er
für den Zeitraum ab Mai 2007 vollständige Klageabweisung begehrt.
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Zugleich hat er die Anfechtung des erstinstanzlich abgegebenen Anerkenntnisses
für den Zeitraum ab Mai 2007 erklärt.
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Zur Begründung führt er an, ab Mai 2007 beziehe er nur noch Arbeitslosengeld,
das deutlich unter 1.000,- € liege, so dass er zu keinerlei Unterhaltsleistungen mehr
in der Lage sei. Eine Umschulung werde angestrebt, habe aber noch nicht
begonnen. Im Mai 2007 habe er keinerlei Leistungen erhalten; der
Arbeitslosengeldbescheid weist insoweit "Urlaubsabgeltung" aus.
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Ergänzend hat er in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2007 vor dem Senat
angegeben, er sei 1996 bei der Fa. Wohnwelt Q. als Schwerbeschädigter
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eingestellt worden wegen bestehender Epilepsie-Erkrankung. Darüber hinaus
habe er 2001 einen schweren Unfall erlitten, dessen Folgen durch den
Arbeitsunfall im August 2006 noch verschlimmert worden seien.
Hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe er sich mit seinem
Arbeitgeber geeinigt.
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Auf Nachfrage bezüglich einer Abfindung hat er angegeben, eine solche in Höhe
von 4.600,- € erhalten zu haben.
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Die vorgesehene Umschulung habe noch nicht begonnen, weil das Arbeitsamt
noch mit der Prüfung seiner Gesundheit befasst sei, um zu ermitteln, inwieweit er
dem Arbeitsmarkt überhaupt zur Verfügung stehe.
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Von den aus der Erbschaft vorab erhaltenen 30.000,- € habe er 15.000,- € an einen
Berater überwiesen, der ihn in der Angelegenheit unterstütze. Weitere 11.000,- €
habe er zur Tilgung von Rückständen auf seinem Giro-Konto und bei dem
Kreditkartenunternehmen "Visa-Card" verwandt.
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Nachdem ihm in der vorgenannten mündlichen Verhandlung vor dem Senat für die
Durchführung seiner Berufung Prozesskostenhilfe insoweit bewilligt worden war,
als er sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Ehegattentrennungsunterhalt für
den Zeitraum ab Mai 2007 zu verteidigen beabsichtigt, hat er die Berufung nach
Maßgabe der Prozesskostenhilfebewilligung beschränkt.
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Er beantragt nunmehr,
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die Klage unter Aufhebung des Teilanerkenntnis- und Schlussurteiles des
Amtsgericht Jülich vom 30.01.2007 in vollem Umfange abzuweisen,
soweit Ehegattenunterhalt für den Zeitraum ab 01.05.2007 zuerkannt
worden ist.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens.
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Sie behauptet weiterhin, der Beklagte sei nicht krankheitsbedingt außerstande, im
bisher ausgeübten Beruf als Kellner weiter tätig zu sein, folglich könne er das
frühere Einkommen einschließlich Trinkgelder weiter erzielen.
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Auch die aus der Erbschaft erhaltenen Beträge seien für den Unterhalt, nicht etwa
zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten, einzusetzen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
sowie die als Anlagen zu den Akten gereichten Ablichtungen Bezug genommen.
53
II.
54
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Beklagten hat in der Sache
selbst im jetzt nur noch zur Entscheidung stehenden Umfang keinen Erfolg.
55
Die Entscheidung des Amtsgerichts ist (auch) für diesen Zeitraum zureffend, weil
der Beklagte zum Fortfall seiner Leistungsfähigkeit infolge Erkrankung, Verlust des
Arbeitsplatzes und Arbeitslosengeldbezuges nicht hinreichend substantiiert
vorgetragen hat.
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Vielmehr steht der Klägerin nicht nur für die Zeit bis April 2007, sondern auch für
den Zeitraum ab Mai 2007 der titulierte Ehegattenunterhalt für die Trennungszeit
gemäß § 1361 BGB in Höhe von 103,- € monatlich zu.
57
1.
58
Die Klägerin ist entgegen der Auffassung des Beklagten bedürftig, weil sie ihren
notwendigen Unterhaltsbedarf nicht durch eigenes Einkommen abzudecken
vermag.
59
Insbesondere ist sie nach Ziff. 17.1 der Kölner Unterhaltsleitlinien (Stand Juli 2005,
insoweit identisch auch die Leitlinien Stand Juli 2007) wegen der Betreuung der
nunmehr 12 Jahre alten Tochter B. nicht gehalten, einer vollschichtigen
Erwerbstätigkeit nachzugehen.
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Wenn das Amtsgericht ihr die früher nach eigenen Angaben erzielten 450,- €
monatlich aus Teilzeitbeschäftigung angerechnet hat, ist das nicht zu beanstanden,
denn sie hat weder zu der Erkrankung, die sie angeblich an einer Erwerbstätigkeit
hindert, hinreichend vorgetragen, noch den angekündigten Bescheid über
Krankengeldzahlungen vorgelegt.
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Daher ist ihr das früher erzielte Einkommen von 450,- € auch weiter anzurechnen,
zumal sie einen über das übliche Maß hinausgehenden Betreuungsbedarf der
Tochter, durch den sie an einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit gehindert sein
könnte, nicht darlegt.
62
Dass sie angesichts fehlender Ausbildung bei der ihr nur obliegenden
teilschichtigen Erwerbstätigkeit ein wesentlich höheres Einkommen erzielen
könnte, das ihren Unterhaltsbedarf vollständig abdecken würde, trägt auch der
Beklagte nicht nachvollziehbar vor.
63
2.
64
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist trotz seiner Zahlungen ein
Titulierungsinteresse der Klägerin zu bejahen.
65
Die Klägerin hat – insoweit vom Beklagten nicht bestritten – vorgetragen, dass
dieser nicht nur die freiwilligen Zahlungen häufig verspätet erbracht, sondern auch
die Einstellung dieser Zahlungen angedroht hat. Bereits aus diesem Grund wird ein
schützenswertes Interesse an der Erlangung eines vollstreckbaren Titels zu
bejahen sein, erst recht aber, weil der Beklagte nicht den gesamten verlangten
Unterhalt gezahlt hat.
66
Allerdings hat die Klägerin den Beklagten nicht vorprozessual ausdrücklich zu
einer Titulierung aufgefordert. Dies ist indes unschädlich, weil der Beklagte nicht
den gesamten ursprünglich verlangten Unterhalt, sondern nur einen Teil desselben
freiwillig gezahlt hat.
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Der Unterhaltsberechtigte hat grundsätzlich ein schützenswertes Interesse an einer
Titulierung des gesamten ihm zustehenden Unterhaltsbetrages (vgl. etwa BGH
FamRZ 1998, 1165; OLG Köln NJW-RR 1998, 1703).
68
3.
69
Der Beklagte ist auch ab Mai 2007 hinsichtlich des Ehegattenunterhalts jedenfalls
im titulierten Umfang leistungsfähig bzw. als leistungsfähig zu behandeln.
70
Das Amtsgericht hat auf der Basis des Beschlusses des Oberlandesgerichts zur
Prozesskostenhilfe vom 31.05.2006 für den Zeitraum bis Ende 2005 ein
Nettoeinkommen von ca. 1.620,- € und ab 2006 ein solches von ca. 1.355,- € –
jeweils ohne Trinkgelder – ermittelt. Diese Berechnungen sind zutreffend; insoweit
wird auf den vorgenannten Beschluss sowie das angefochtene Urteil Bezug
genommen.
71
Das zuletzt erzielte Einkommen ist auch im hier maßgeblichen Zeitraum
zugrundezulegen.
72
Zwar bezieht der Beklagte ab Mai 2007 kein Erwerbseinkommen mehr, sondern
lediglich Arbeitslosengeld, das ausweislich des dem Senat in der mündlichen
Verhandlung vom 21.06.2007 vorgelegten und sodann in Kopie zur Akte
gereichten Bescheides in Höhe von 943,80 € zur Auszahlung gelangt.
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Mit diesem Einkommen wäre der Beklagte unter Berücksichtigung allein des
titulierten Kindesunterhalts ungeachtet der weiteren unstreitigen Belastungen nicht
leistungsfähig zur Zahlung von Ehegattenunterhalt.
74
Allerdings kann dieses Einkommen aus Arbeitslosengeld für die Ermittlung des ab
Mai 2007 geschuldeten Ehegattenunterhalts nicht als allein maßgeblich
herangezogen werden.
75
Vielmehr ist zumindest das im Jahr 2006 erzielte vorerwähnte Einkommen von
1.355,- € – bei Steuerklasse I und ohne Trinkgelder – dem Beklagten ebenso für
2007, auch im hier maßgeblichen Zeitraum ab Mai 2007, als realistisch erzielbar
anzurechnen.
76
Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte bei – ihm unterhaltsrechtlich
obliegendem – gehörigem Bemühen um eine neue Arbeitsstelle nicht zumindest
ein Einkommen in dieser Höhe erzielen könnte. Bemühungen um eine neue
Arbeitsstelle hat der Beklagte indes nicht vorgetragen, viel weniger belegt.
77
Zunächst trägt der Beklagte nicht vor, seit wann er die Gefahr einer Kündigung als
realistisch angesehen hat; gegebenenfalls hätte er sich bereits seit längerem um
eine andere Arbeitsstelle bemühen müssen, erst recht, wenn er selbst davon
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ausging, dem jetzigen Beruf nicht weiter nachgehen zu können. Derartige
Bemühungen trägt er selbst nicht vor.
Weiter war ihm anzusinnen, arbeitsrechtliche Schritte gegen die Kündigung
einzuleiten, zumal er sehr lange bei dem Unternehmen beschäftigt war
(ausweislich der Verdienstabrechnungen seit 01.10.1996, also im Zeitpunkt der
Kündigung über 10 Jahre), und nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat bereits als Schwerbeschädigter eingestellt worden
war, also besonderen Kündigungsschutz genoss. Auch dies ist nicht geschehen.
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Erst auf den Hinweis der Klägerin und konkrete Frage des Senats hat er in der
mündlichen Verhandlung eingeräumt, sich mit dem Arbeitgeber geeinigt und eine
Abfindung von 4.600,- € erhalten zu haben. Ein Beleg hierzu liegt nicht vor.
Angesichts der Dauer seiner Beschäftigung spricht viel dafür, dass die Abfindung
deutlich höher war. Dies mag jedoch hier dahinstehen.
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Dass seine Angabe, er könne im früheren Beruf als Kellner nunmehr
krankheitsbedingt nicht mehr tätig sein, zutrifft, kann nicht festgestellt werden.
Dieses von der Klägerin vehement bestrittene Vorbringen ist schon nicht
hinreichend substantiiert, weil weder die genaue Art der Erkrankung noch deren
Ausprägung in etwaigen Beschwerden konkret dargetan werden und auch nicht
erläutert wird, weshalb diese dazu führen sollen, dass der bisherige Beruf nicht
mehr ausgeübt werden könne.
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Die hierzu einzig vorgelegten beiden Atteste sind wenig aussagekräftig und
genügen zur hinreichenden Darlegung nicht. Ihnen kann, wie ausgeführt, weder die
konkrete Erkrankung noch die Art der Beschwerden entnommen werden; vor allem
fehlen jegliche Angaben dazu, ob und welche Heilmaßnahmen – gegebenenfalls
erfolglos – nach dem ersten und dem zweiten Unfall versucht worden sind, und ob
solche gegebenenfalls an fehlender Mitwirkung des Beklagten scheiterten (z.B.
Krankengymnastik).
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Die Atteste lassen insbesondere nicht auf völlige Erwerbsunfähigkeit schließen.
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Zumindest, solange eine etwa geplante Umschulung nicht begonnen hat – auch für
seinen diesbezüglichen Vortrag ist der Beklagte jeden Beleg schuldig geblieben,
der Arbeitslosengeldbescheid beinhaltet keinen Anhaltspunkt für eine
Gesundheitsprüfung, vielmehr lediglich dringliche Hinweise, sich um Arbeit zu
bemühen –, ist der Beklagte daher gehalten, umfangreiche Bemühungen zu
entfalten, um zumindest den hier titulierten, sehr geringen und den Bedarf der
Klägerin bei weitem nicht abdeckenden Ehegattenunterhalt sicherzustellen (zu den
Anforderungen an diese Bemühungen – nicht allein zur Sicherstellung des
Mindest-Kindesunterhalts, sondern generell zur Abdeckung von
Unterhaltsverpflichtungen – Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rechtsprechung zum
Unterhaltsrecht, 9. Aufl., Rz. 574 ff., 614 ff., je m.zahlr.w.N.).
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Denn die für einen Unterhaltsanspruch vorausgesetzte Leistungsfähigkeit wird
nicht allein durch das tatsächlich vorhandene Einkommen des
Unterhaltsschuldners, sondern vielmehr auch durch seine Erwerbsfähigkeit
bestimmt, nämlich durch die Mittel, die er bei gutem Willen durch eine zumutbare
Erwerbstätigkeit erreichen könnte (BVerfG NJW 2006, 2317). Reichen die
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tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit,
seine Arbeitsfähigkeit in bestmöglicher Weise einzusetzen und eine mögliche
Erwerbstätigkeit auszuüben (vgl. ebenso bereits etwa BGH FamRZ 1985, 158 f.;
BGH FamRZ 1994, 372 f.; BGH FamRZ 1998, 357 ff., 359, je m.w.N.).
Weder hat der Beklagte derartige Bemühungen dargelegt, noch hat er konkret
vorgetragen, dass und weshalb ihm keinerlei Erwerbstätigkeit möglich sein soll.
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Unter diesen Umständen ist ihm zumindest das früher (ohne Trinkgelder) erzielte
Einkommen von netto 1.355,- € als erzielbar anzurechnen. Denn mangels jeglicher
Bemühungen vermag der Senat nicht festzustellen, dass der Beklagte kein höheres
Einkommen als das derzeitige aus Arbeitslosengeld erzielen könnte.
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Hinzuzurechnen ist der erhaltene Abfindungsbetrag, der – wenn er tatsächlich nur
4.600,- € betrug – verteilt auf 12 Monate monatlich ca. 383,- € ausmacht.
88
Dabei kann davon ausgegangen werden, dass der Beklagte jedenfalls ein Jahr
nach der Kündigung, d.h. im Frühsommer 2008, wieder eine der früheren
vergleichbare Arbeitsstelle mit in etwa vergleichbarem Einkommen –
gegebenenfalls einschließlich von Trinkgeldern – gefunden haben wird, wenn er
sich in dem von der Rechtsprechung geforderten Umfang um eine solche bemüht.
Krankheitsbedingte Hinderungsgründe sind, wie ausgeführt, nicht hinreichend
dargetan.
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Dabei ist noch unberücksichtigt geblieben, dass der Beklagte aus der Erbschaft
nach seinem verstorbenen Vater nach eigenen Angaben bereits 30.000,- € erhalten
hat, von denen er 11.000,- € zur Tilgung eigener bestehender Verbindlichkeiten
und weitere 15.000,- € für einen "Berater", der jedoch weder Rechtsanwalt noch
überhaupt Jurist sei, aufgewandt hat. Es spricht viel dafür, dass zumindest fiktive
Erträgnisse aus diesem Betrag ebenfalls zur Tilgung seiner
Unterhaltsverpflichtungen verwendet werden müssen.
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Von dem vorbezeichneten erzielbaren Einkommen abzusetzen sind zunächst die
unstreitigen Belastungen für den Kredit mit 83,47 € sowie für die Conti-
Versicherung mit 102,26 €.
91
Abzüge für Fahrtkosten sind unverändert in Höhe von 66,- € entsprechend dem
vorgenannten Beschluss des Oberlandesgerichts vorzunehmen. Wenn von einer
Erwerbstätigkeit ausgegangen wird, fallen aller Wahrscheinlichkeit nach auch
Fahrtkosten an. Bei einem vergleichbar entfernten Arbeitsplatz und Benutzung
öffentlicher Verkehrsmittel würden Fahrtkosten in schätzungsweise vergleichbarer
Höhe zwischen 60,- und 70,- € anfallen.
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Damit sind Belastungen von insgesamt 251,73 € in die Berechnung einzustellen.
93
Der weitere Kredit "C. K.", den der Beklagte zunächst mit einer monatlichen Rate
von 41,06 € angegeben hat, ist nur einmal jährlich mit diesem Betrag zu tilgen, d.h.
monatlich rund 3,50 €. Hierzu hat der Beklagte aber, worauf das Amtsgericht zu
Recht hingewiesen hat, weder Tilgungsbelege vorgelegt noch dargelegt, dass und
weshalb dieser Betrag auch nach 2004 noch zu tilgen war. Daher bleibt dieser
Betrag unberücksichtigt.
94
Ebenso außer Betracht bleibt der Betrag für die Unfallversicherung der Tochter, die
nicht im Einvernehmen der Parteien gezahlt wird, auch nicht zwingend notwendig
und daher angesichts der beengten finanziellen Verhältnisse nicht anzusetzen ist.
95
Abzusetzen ist ferner der titulierte Kindesunterhalt, der nicht mehr Gegenstand des
Berufungsverfahrens ist.
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Die Anrechnung einer Haushaltsersparnis wegen Zusammenlebens mit einer
neuen Partnerin kam nicht in Betracht, weil die Klägerin für ihren diesbezüglichen,
vom Beklagten bestrittenen Vortrag keinen Beweis angetreten hat.
97
Damit ergibt sich folgende Berechnung:
98
Erzielbares Nettoeinkommen 1.355,00 €
99
Zuzüglich anteiliger Abfindungsbetrag 383,00 €
100
Gesamteinkommen 1.738,00 €
101
Abzüge Belastungen insgesamt 251,73 €
102
Zwischensumme 1.486,27 €
103
Abzüglich Kindesunterhalt 247,00 €
104
Verbleiben 1.239,27 €
105
Abzüglich des ihm zu belassenden Selbstbehalts von 1.000,00 €
106
Verbleiben für Ehegattenunterhalt 239,27 €
107
Tituliert sind jedoch lediglich 103,- €. Insoweit ist der Beklagte leistungsfähig, denn
es verbleibt ihm sogar der gegenüber Ehegatten anzusetzende Selbstbehalt von
1.000,- € (BGH NJW 2006, 1654 ff.; ebenso Ziff. 21.3.2. der neugefassten Kölner
Unterhaltsleitlinien, Stand 01.07.2007).
108
Auch wenn dem Beklagten nach Erhalt der Kündigung ein gewisser Zeitraum zur
Arbeitssuche zugebilligt würde, in dem nicht das vorgenannte erzielbare
Einkommen angerechnet würde, ergäbe sich keine abweichende Beurteilung.
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Denn dann wäre die Abfindung auf einen entsprechend deutlich kürzeren Zeitraum
zu verteilen und stünden mit Arbeitslosengeld und Abfindungsanteilen ebenfalls
hinreichende Mittel für den Unterhalt zur Verfügung.
110
Gleiches gilt für den Fall, dass alternativ lediglich das Arbeitslosengeld sowie der
auf 12 Monate verteilten Abfindungsbetrag angerechnet würde. Denn in diesem
Fall wären die Verbindlichkeiten zu strecken oder auszusetzen und der gegenüber
dem minderjährigen Kind dann nur bestehende Selbstbehalt eines nicht
Erwerbstätigen von 770,- € zu beachten, so dass sich auch dann Leistungsfähigkeit
für die hier in Rede stehenden Unterhaltsbeträge ergäbe.
111
Der Beklagte müsste zur Abdeckung des jetzt titulierten Unterhalts sowie seiner
sonstigen Verbindlichkeiten ein Nettoeinkommen – gegebenenfalls einschließlich
Trinkgelder – von ca. 1.550,- € erzielen. Bei Abzug von gerundet jeweils 250,- € für
Kredite und Kindesunterhalt sowie gerundet 100,- € für Ehegattenunterhalt
verblieben ihm dann 950,- €. Dies ist ausreichend, denn dabei ist zu
berücksichtigen, dass ihm gegenüber der Klägerin zwar der vorgenannte
Selbstbehalt von 1.000,-€, gegenüber der minderjährigen Tochter aber nur ein
solcher von 900,- € zu belassen ist und deshalb vorliegend ein Mittelwert von 950,-
€ angemessen erscheint.
112
4.
113
Infolgedessen kann offenbleiben, ob der Beklagte auch an das erstinstanzlich in
Höhe dieses Ehegattenunterhaltsbetrages abgegebene Anerkenntnis, das ohne
Einschränkung erklärt wurde, gebunden ist.
114
III.
115
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.
116
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10,
713 ZPO.
117
Die Revision ist nicht gemäß § 543 II ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts erfordert.
118
Streitwert:
119
Bis zum 20.06.2007: Rückstände: 3.684,- € ((1.164,- + (7 x 360,- €))
120
Laufender Unterhalt: 4.200,- € ((247,- + 103,- €) x 12))
121
122
Ab dem 21.06.2007: 1.236,- € (103,- € x 12)
123