Urteil des OLG Köln vom 27.03.1996

OLG Köln (zpo, gebühr, mehrwertsteuer, höhe, 1995, streitwert, falle, betrag, aufwand, umfang)

Oberlandesgericht Köln, 17 W 91/96
Datum:
27.03.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
17. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 W 91/96
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 20 O 258/95
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird wie folgt abgeändert: Aufgrund des
Urteils des Landgerichts Köln vom 22. November 1995 - 20 O 258/95 -
sind von der Beklagten an die Klägerin über die im Beschluß vom 15.
Dezember 1995 festgesetzten Kosten hinaus weitere 997,05 DM nebst 4
% Zinsen seit dem 16. Februar 1996 zu erstatten. Die Kosten des
Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten
auferlegt.
G r ü n d e
1
Das zulässige Rechtsmittel der Klägerin ist begründet. Die von ihr mit Antrag vom 29.
Januar 1996 zur Kostenfestsetzung angemeldete Verkehrsanwaltsvergütung ihres S.er
Anwalts (10/10 Verkehrsgebühr gemäß § 52 BRAGO nach einem Streitwert von
20.800,00 DM zum Betrage von 820,00 DM zuzüglich einer Auslagenpauschale gemäß
§ 26 BRAGO von 40,00 DM, Fotokopiekosten gemäß § 27 BRAGO von 7,00 DM und 15
% Mehrwertsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO in Höhe von 130,05 DM, insgesamt
997,05 DM) ist von der Beklagten gemäß § 91 ZPO in vollem Umfang an sie zu
erstatten.
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Entgegen der Auffassung des Rechtspflegers ist die Verkehrsanwaltsvergütung des in
S. praktizierenden Anwalts der Klägerin nicht deshalb von der Kostenerstattung
ausgenommen, weil der Klägerin durch das Urteil vom 22. November 1995 die Kosten
der Anrufung des unzuständigen Arbeitsgerichts Jena auferlegt worden sind. Wie sich
aus der Begründung dieser Kostenentscheidung ergibt, beruht sie auf § 281 Abs. 3 Satz
2 ZPO. Demgemäß ist sie dahin auszulegen, daß die Klägerin mit den durch die
Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Mehrkosten belastet sein soll. Es
ist darauf abzustellen, welche Kosten entstanden wären, wenn sie ihre Klage sofort
beim Landgericht Köln eingereicht hätte. In diesem Fall hätte ihr S.er Anwalt die 10/10-
Gebühr als Verkehrsgebühr nach § 52 BRAGO verdient. Diese erstattungsrechtliche
Handhabung von Mehrkostenentscheidungen nach § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO entspricht
der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. beispielsweise den vom Rechtspfleger
in der angefochtenen Entscheidung zitierten Beschluß des Senats vom 15. Oktober
1994 - 17 W 451/84 -, außerdem Beschluß des Senats vom 06. Juni 1988 - 17 W 274/88
-). Die weiteren vom Rechtspfleger im angefochtenen Beschluß zitierten
Entscheidungen des Senats betreffen die gebührenrechtliche (nicht
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erstattungsrechtliche) Frage, ob der Rechtsanwalt in derselben Prozeßangelegenheit
mehrere Betriebsgebühren, nämlich eine Gebühr gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO für
seine Tätigkeit im gerichtlichen Mahnverfahren bzw. eine Prozeßgebühr gemäß § 31
Abs. 1 Nr. 1 BRAGO sowie eine Verkehrsgebühr gemäß § 52 BRAGO nebeneinander
verdienen kann. Im hier zu entscheidenden Fall geht es demgegenüber darum, ob eine
einzige dem Anwalt erwachsene 10/10-Betriebsgebühr, die als Prozeßgebühr nicht zu
den erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits gehört, als Verkehrsgebühr der
Kostenerstattung unterliegt.
Bei der Frage des Umfangs der Erstattungsfähigkeit der von der Klägerin geltend
gemachten Kosten ihres S.er Anwalts ist darauf abzustellen, welche Kosten ihr
entstanden wären, hätte sie ihre Klage sofort bei dem zuständigen Landgericht Köln
anhängig gemacht. In diesem Falle hätte sie nach der in ständiger Rechtsprechung
vertretenen Auffassung des Senats - wie grundsätzlich jede Partei, die sich anschickt,
Klage zu erheben - den Rat eines an ihrem Wohnort oder in dessen Nähe
praktizierenden Anwalts über die Erfolgsaussichten und Risiken der beabsichtigten
Rechtsverfolgung sowie die einzuleitenden Schritte eines gerichtlichen Vorgehens
gegen die Beklagte einholen sowie den Streitstoff mit ihren Kölner
Prozeßbevollmächtigten aus erstattungsrechtlicher Sicht wenigstens einmal persönlich
besprechen dürfen. Tatsächlich wäre eine weitere Reise zur Besprechung des am 11.
Oktober 1995 mit einem Widerrufsvorbehalt geschlossenen Vergleichs notwendig
gewesen. Eine vergleichende Kostenbetrachtung führt zu dem Ergebnis, daß ohne
Zuziehung des S.er Anwalts zur Vermittlung des Verkehrs zwischen der Klägerin und
ihren Kölner Prozeßbevollmächtigten anderweitige notwendige Kosten entstanden
wären, die über der Verkehrsanwaltsvergütung gelegen hätten. Die Beauftragung des
S.er Anwalts als Verkehrsanwalt wäre deshalb im Falle sofortiger Klageerhebung beim
Landgericht Köln erstattungsrechtlich unbedenklich gewesen.
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Ohne Zuziehung eines Verkehrsanwalts wären der Klägerin folgende anderweitige
notwendige Aufwendungen entstanden:
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5/10 Ratsgebühr gemäß § 20 BRAGO n.F.
6
unter Berücksichtigung einer 20 %igen
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Kürzung nach dem Einigungsvertrag: 280,00 DM
8
Auslagenpauschale gemäß 26 BRAGO: 40,00 DM
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15 % Mehrwertsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO: _48,00 DM
10
368,00 DM.
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Erstattungsfähiger Aufwand für jede der beiden Informationsreisen (§ 91 Abs. 1 Satz 2
ZPO i.V.m. §§ 2, 9, 10 ZSEG, § 9 BRKG):
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Eisenbahnfahrt von S. nach K.
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und zurück in der 2. Wagenklasse entsprechend
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den unbestrittenen Angaben der Beklagten: 300,00 DM
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Zu- und Abgang: 20,00 DM
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Zusätzlicher Aufwand: 28,00 DM
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Zeitversäumnisentschädigung, mindestens
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14 Stunden à 4,00 DM: _56,00 DM
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404,00 DM
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Informationsreisekosten somit insgesamt: 808,00 DM.
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Einschließlich von Aufwendungen für ergänzende schriftliche bzw. fernmündliche
Unterrichtung der Kölner Prozeßbevollmächtigten in einer geschätzten Höhe von 30,00
DM wären der Klägerin ohne Beauftragung eines Verkehrsanwalts Beratungs- und
Informationskosten in Höhe von insgesamt 1.206,00 DM erwachsen. Dieser Betrag liegt
aber weit über der Verkehrsanwaltsvergütung ohne Fotokopiekosten (10/10-
Verkehrsgebühr gemäß § 52 BRAGO nach einem Streitwert von 20.800,00 DM zum
Betrage von 820,00 DM zuzüglich einer Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO von
40,00 DM und 15 % Mehrwertsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO von 129,00 DM,
insgesamt 989,00 DM). Diese ist daher erstattungsfähig. Dies gilt auch bezüglich der
Kosten für die Herstellung von 7 Fotokopien zum Betrage von 8,05 DM (einschließlich
15 % Mehrwertsteuer; §§ 25 Abs. 2, 27 BRAGO, § 91 ZPO). Der S.er Anwalt der
Klägerin hat mindestens diese Anzahl von Fotokopien von Unterlagen mit der
Klageschrift eingereicht. Würde die Klage sofort beim Landgericht Köln von einem dort
zugelassenen Anwalt eingereicht worden sein, wären diese Ablichtungen ebenfalls
anzufertigen gewesen. Die betreffenden Herstellungsaufwendungen gehören somit
nicht zu den durch die Anrufung des unzuständigen Arbeitsgerichts erwachsenen
Mehrkosten. Zinsen auf diesem Betrag sind erstmalig mit der am 16. Februar 1996 bei
Gericht eingegangenen Erinnerungsbegründung geltend gemacht worden und können
deshalb gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst ab diesem Zeitpunkt berücksichtigt
werden.
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Sind somit die von der Klägerin geltend gemachten Kosten ihres S.er Anwalts in Höhe
von 997,05 DM in vollem Umfang erstattungsfähig, sind sie unter Abänderung des
angefochtenen Beschlusses gegen die Beklagte festzusetzen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Streitwert für das Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren: 997,05 DM
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