Urteil des OLG Köln vom 18.12.1998

OLG Köln (degenerative veränderung, kläger, unfall, zweifel, schaden, zpo, veränderung, vorläufig, qualifikation, belastungsgrenze)

Oberlandesgericht Köln, 19 U 51/98
Datum:
18.12.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 51/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 20 O 427/96
Schlagworte:
HWS-Syndrom Unfall geringe Geschwindigkeit
Normen:
§§ 823, 847 BGB
Leitsätze:
Hat bei einem Verkehrsunfall die hierdurch verursachte
Geschwindigkeitsänderung um bzw. unter 5 km/h gelegen, so liegt dies
unterhalb der biomechanischen Belastungsgrenze, ab der eine gesunde
Halswirbelsäule Schaden erleiden kann. Schmerzendgeld wegen
Verletzung derselben kann der Geschädigte dann nur verlangen, wenn
er nachweist, dass seine Halswirbelsäule vorgeschädigt war und dieser
Zustand sich durch den Unfall verschlimmert hat.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 18.2.1998 - 20 O 427/96 - wird auf seine Kosten
zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, die auch durch das
Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, festgestellt, daß dem Kläger aus Anlaß
des Unfallgeschehens vom 20.4.1998 ein weiteres Schmerzensgeld von 7.300,-- DM
nicht zusteht; auch kann er nicht die Feststellung verlangen, daß die Beklagte ihm zum
Ersatz jedes weiteren Schadens verpflichtet ist.
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Nach dem auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogenen Unfall-rekonstruktionsgutachten
des Sachverständigen Dr. G. vom 14.1.1997 steht fest, daß die durch den Unfall
verursachte Geschwindigkeitsänderung des klägerischen Fahrzeugs in linearer
Richtung um 5 km/h und in Querrichtung unter 5 km/h gelegen hat. Wie der
Sachverständige weiter ausgeführt hat, wird mit diesen Werten keinesfalls die untere
biomechanische Belastungsgrenze erreicht, ab der eine gesunde Halswirbelsäule einen
Schaden erleiden kann. Da beim Kläger unstreitig eine degenerative Veränderung der
Halswirbelsäule vorhanden war, hatte sich der medizinische Gutachter Prof. Dr. M. mit
der Frage zu befassen, ob die vom Sachverständigen Dr. G. konstatierte
Geschwindigkeitsänderung in der Lage war, diese degenerative Veränderung derart zu
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verschlimmern, daß sich daraus eine Nervenwurzelsymtomatik in C4 entwickeln konnte,
die Anlaß zur nachfolgenden Operation war. Diese Frage hat der Sachverständige
verneint. Er hat hierzu ausgeführt, daß die festgestellte Geschwindigkeitsänderung
generell auch bei einer degenerativ vorgeschädigten Halswirbelsäule nicht zu dem
behaupteten Schaden geführt hätte. Desweiteren hat der Sachverständige ausgeführt,
daß auch ausweislich der Befundberichte nicht ein Bandscheibenvorfall, sondern die
degenerativen Umgestaltungen an der Wirbelsäule des Klägers zu den behaupteten
Beschwerden geführt hätten. Diese Aussage hat er in seinem Ergänzungsgutachten
vom 29.10.1997 bekräftigt und hierbei insbesondere ausgeführt, daß ein
Bandscheibenprolaps bei C4/5, wie er auf der Myelographie und dem
Computertomogramm beschrieben sei, nicht durch den Operationbefund bestätigt und
im übrigen auch nicht mit einer Verletzung der Halswirbelsäule, wie sie der Kläger
durchgemacht hat, in Zusammenhang zu bringen sei. Damit kommt dem vom Kläger in
seiner Berufungsbegründung in den Vordergrund gerückten Operationsbericht zum
Befund bei C5, den der Sachverständige nicht richtig gewürdigt habe, keine
entscheidende Bedeutung zu. Daß die vom Kläger desweiteren behaupteten
Taubheitsgefühle am Mittel-/Ringfinger nicht der Nervenwurzel C5, sondern C7
zuzuordnen sind und schon deshalb nichts mit dem Unfallereignis zu tun haben können,
hat der Sachverständige ebenfalls klargestellt. Diese Ausführungen des
Sachverständigen sind überzeugend, der Sachverständige hat sämtliche für die
Beurteilung entscheidenden Unterlagen ausgewertet und sich auch umfassend mit dem
Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt; er hat zu seiner vom Kläger in Zweifel
gezogenen Qualifikation überzeugend darauf hingewiesen, daß er sich seit mehr als 20
Jahren mit Halswirbelsäulenverletzungen beschäftigt und als Orthopäde
selbstverständlich auch die neurologische Befunderhebung bei einer
Wirbelsäulenerkrankung beherrscht. Angesichts dessen bedarf es der Einholung des
vom Kläger beantragten weiteren Gutachtens eines Neurochirurgen zur weiteren
Abklärung nicht, die Qualifikation dieses Sachverständigen steht, wie schon das
Landgericht betont hat, außer Zweifel. Soweit der Kläger auf andere Befundberichte
verweist, aus denen sich ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und den
Beeinträchtigungen seiner Halswirbelsäule ergeben soll, verkennt er, daß dieser
Zusammenhang maßgeblich auf seinen eigenen, durch objektive Befunderhebung nicht
verifizierten Angaben beruht. Der Kläger hat somit den ihm nach § 286 ZPO
obliegenden Vollbeweis für diesen Zusammenhang nicht führen können.
Für den Feststellungsantrag fehlt das Feststellungsinteresse, da der Kläger auch 4
Jahre nach dem Unfall noch nicht konkret belegt hat, welche Mehraufwendungen ihm
durch den Unfall entstanden sind. Er ist nach den obigen Darlegungen auch
unbegründet.
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Für seinen Feststellungsantrag fehlt das Feststellungsinteresse, da der Kläger auch 4
Jahre nach dem Unfall noch nicht konkret hat darlegen und belegen können, welche
Mehraufwendungen ihm durch den Unfall entstanden sind. Er ist nach den obigen
Darlegungen auch unbegründet.
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Die Kosten der hiernach erfolglosen Berufung hat nach § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu
tragen. Vorläufig vollstreckbar ist das Urteil nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Beschwer für den Kläger und Berufungsstreitwert: 10.300,-- DM
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