Urteil des OLG Köln vom 18.10.1999
OLG Köln: treu und glauben, anschlussberufung, auszahlung, prozessstandschaft, fremder, original, korrespondenz, einspruch, vollstreckbarkeit, abtretung
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
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Normen:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Köln, 16 U 98/98
18.10.1999
Oberlandesgericht Köln
16. Zivilsenat
Urteil
16 U 98/98
Landgericht Köln, 3 O 175/98
gewillkürte Prozeßstandschaft
ZPO § 50
Die Geltendmachung fremder Ansprüche in gewillkürter
Prozeßstandschaft setzt nicht nur voraus, daß der wahre
Anspruchsinhaber den Prozeßstandschafter bevollmächtigt hat, den
Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen, sondern darüber
hinaus, daß der Prozeßstandschafter ein eigenes rechtliches Interesse
an der Geltendmachung des Anspruchs hat.
Das Versäumnisurteil des Senats vom 17.05.1999 - 16 U 98/98 - in der
Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Senats vom 31.05.1999
bleibt mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass auch der Hilfsantrag des
Klägers aus seinem Schriftsatz vom 14.06.1999 zurückgewiesen wird.
Dem Kläger werden auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens
auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil vom 17.05.1999 in der Fassung
des Berichtigungsbeschlusses vom 31.05.1999 ist zulässig. In der Sache führt er aber nicht
zur Abänderung des Versäumnisurteils.
Die Berufung des Klägers mit seinem Hauptantrag ist unbegründet, die Anschlussberufung
der Beklagten, mit der sie die völlige Zurückweisung der Klage begehrt hatte, ist begründet.
Zum Berufungsantrag 1:
Der Antrag des Klägers, ihm aus abgetretenen Recht des Herrn H.L. aus dessen
Darlehensverträge vom 23.09.1975/13.11.1975 die Darlehenssumme von 4.400,00 DM als
Differenz zwischen einem angeblich vereinbarten Auszahlungskurs von 96,5 % und einem
tatsächlich Auszahlungskurs von 94,5 % auszuzahlen, ist nicht begründet. Dabei kann
dahinstehen, welcher Auszahlungskurs letztlich zwischen der Beklagten und Herrn L.
tatsächlich vereinbart wurde. Jedenfalls ist der Anspruch heute sicher verwirkt. Die
Auszahlung des Darlehens erfolgte im Jahre 1975. Im Januar 1976 rügte Herr L. den
angeblich falschen Auszahlungskurs. Er hat dann aber zunächst bis November 1983 nichts
weiter unternommen (Bl. 147 d.A.). Als sich dann mit Schriftsatz vom 05.03.1990 der jetzige
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Prozessbevollmächtigte des Klägers für Herrn L. erneut an die Beklagte wandte, machte er
nur Einwendungen zum Übererlös geltend, die jetzt Gegenstand des Klageantrags zu 2
sind, nicht aber zur angeblich geringeren Auszahlung des Darlehens. Auf diese Ansprüche
kam er erst wieder im Jahre 1997 zurück. Klageweise wurde der Anspruch erst im
vorliegenden Rechtsstreit mit der Klageschrift vom 30.03.1998 geltend gemacht. Herr L.,
dessen Verhalten der Kläger sich zurechnen lassen muss, hat damit seinen angeblichen
Anspruch über 20 Jahre lang nicht gerichtlich geltend gemacht. Die Beklagte konnte auch,
nachdem das Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien im Jahre 1990 erneut
Gegenstand der Korrespondenz geworden war, der mit dem Klageantrag zu 1 verfolgte
Anspruch dort aber nicht geltend gemacht worden war, darauf vertrauen, dass diese
Angelegenheit endgültig erledigt sei. Wenn der Kläger heute auf diese Angelegenheit
zurückkommt in dem Wissen, dass die Unterlagen über den damaligen Darlehensvertrag
nach Ablauf aller Aufbewahrungsfristen vernichtet sind, so verstößt dieses Verhalten gegen
den alle Vertragsverhältnisse beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben. Da ein
möglicher Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Differenzbetrages zwischen einem
Darlehensauszahlungskurs von 96,5 % und einem Darlehensauszahlungskurs von 94,5 %
in jedem Falle verwirkt ist, kommt es auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob das
Schreiben der Beklagten an Herrn L. vom 28.01.1976 gefälscht ist oder nicht, nicht mehr
an. Allerdings hat der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung das Original
dieses Schreibens nicht vorgelegt.
Zum Berufungsantrag 2 sowie zur Anschlussberufung der Beklagten:
Dem Kläger steht der ihm im landgerichtlichen Urteil zugesprochene Betrag von 7.855,56
DM nicht zu, so dass er auch die mit der Berufung verfolgten weiteren Zinsen auf diesen
Betrag nicht geltend machen kann. Nach der von der Beklagten und
Anschlussberufungsklägerin mit ihrer Anschlussberufungsschrift vom 09.04.1999 in
Fotokopie überreichten und sodann dem Senat im Termin vom 17.05.1999 im Original
vorgelegten Abtretungsurkunden (enthalten in den jeweiligen
Grundschuldbestellungsurkunden zu Gunsten der P.er Raiffeisenbank e.G.) sind diesem
Kreditinstitut bei der Bestellung von 3 Grundschulden auf dem Grundstück des Herrn H.L.
sämtliche mit dem Klageantrag zu 2, den das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil
zugesprochen hatte und auf den sich die Anschlussberufung bezieht, geltend gemachten
Ansprüche abgetreten worden. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom
17.05.1999 Fotokopien von Grundschuldbestellungsurkunden vorgelegt hatte, in denen
sich diese Abtretung nicht befand, konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass es
sich insoweit um echte, d.h. nicht verfälschte Urkunden handelt. Der Kläger konnte dem
Senat auch in der Folgezeit nicht die Originale zu den von ihm überreichten Fotokopien
vorlegen. Der Senat muss deshalb davon ausgehen, dass die von der Beklagten
vorgelegten Originale mit denen übereinstimmen, die seinerzeit dem Rechtsvorgänger des
Klägers, Herrn H.L. ausgehändigt worden sind. Standen aber H.L. die mit dem Klageantrag
zu 2 geltend gemachten Ansprüche gar nicht zu, so konnte er sie auch nicht an den Kläger
abtreten.
Soweit der Kläger nunmehr mit seinem Hilfsantrag zur Klage die Zahlung dieser Beträge
entsprechend den von der Beklagten vorgelegten Abtretungsurkunden an die P.er
Raiffeisenbank e.G. geltend macht, ist seine Klage nicht zulässig. Die Geltendmachung
fremder Ansprüche in gewillkürter Prozessstandschaft setzt voraus, dass der wahre
Anspruchsinhaber den Prozessstandschafter bevollmächtigt hat, die Ansprüche im eigenen
Namen geltend zu machen. Darüber hinaus ist zwingende Voraussetzung der Zulässigkeit
einer gewillkürten Prozessstandschaft, dass der Prozessstandschafter, hier also der Kläger,
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ein eigenes rechtliches Interesse an der Geltendmachung der Ansprüche hat. Beide
Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Der Kläger hat noch nicht einmal
behauptet, dass die P.er Raiffeisenbank e.G. mit der Geltendmachung der Ansprüche durch
ihn einverstanden ist. Darüber hinaus ist sein eigenes Interesse, nicht etwa das des Herrn
H.L., an der Geltendmachung dieser Ansprüche nicht ersichtlich. Auf das Interesse des
Klägers ist abzustellen, da er im vorliegenden Rechtsstreit als Prozessstandschafter auftritt.
Zum Berufungsantrag 3:
Da die Zahlungsansprüche des Klägers, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen
ergibt, nicht begründet sind, ist auch kein Anspruch des Klägers auf Neuabrechnung der
beiden dem Herrn H.L. gewährten Darlehen aus dem Jahre 1975 gegeben. Eine solche
Neuabrechnung wäre nur erforderlich gewesen, wenn zunächst die Zahlungsansprüche
begründet gewesen wären, so dass dann die Tilgungsleistungen des H.L. auf die von ihm
in Anspruch genommenen Darlehen anders zu verrechnen gewesen wären.
Die Kosten des gesamten Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last, da er mit seiner
Berufung unterlegen ist und die Anschlussberufung erfolgreich war (§§ 91, 97 ZPO). Der
Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die
Beschwer des Klägers und Berufungsklägers im Berufungsverfahren beträgt 14.255,56 DM
(6.400,00 DM hinsichtlich der Berufung und 7.855,56 DM hinsichtlich der
Anschlussberufung).