Urteil des OLG Köln vom 18.09.1998
OLG Köln (kläger, fahrzeug, verkäufer, zusicherung, formular, zeuge, schaden, agb, klausel, vorläufig)
Oberlandesgericht Köln, 19 U 20/98
Datum:
18.09.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 20/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 21 O 310/96
Schlagworte:
Unklare Klausel AGB Unfallfreiheit Gebrauchtwagen
Normen:
BGB § 459; AGBG § 5
Leitsätze:
Wird in einem Kaufvertragsformular die Klausel "Der Verkäufer verkauft
das Fahrzeug unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung. Von diesem
Gewährleistungsausschluß ausgenommen sind folgende (vom
Verkäufer zugesicherte) Eigenschaften des Fahrzeugs: Das Fahrzeug ist
unfallfrei.* Das Fahrzeug ist während des Besitzes beim Verkäufer
unfallfrei betrieben worden.* Das Fahrzeug hat lediglich folgende
Unfallschäden erlitten (Zahl, Art der Beschädigung, Reparaturkosten):*
... (* Nichtzutreffendes bitte streichen)" von den Vertragsparteien nur
durch zwei Querstriche hinter dem Doppelpunkt im letzten Absatz
ergänzt, dann ist der Umfang der Zusicherung der Unfallfreiheit unklar,
nicht aber das Formular als solches im Sinne von § 5 ABGB.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des
Landgerichts vom Köln 08.12.1997 - 21 O 310/96 - wird auf seine Kosten
zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der geltendgemachte
Schadensersatzanspruch steht dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
2
Weil die Parteien einen Gewährleistungsausschluß vereinbart haben, kommt es darauf
an, ob die Beklagte, vertreten durch ihren Ehemann, den Zeugen M. dem Kläger
uneingeschränkt Unfallfreiheit des Opel Corsa zugesichert hat. Dazu enthält der von
den Parteien unterschriebene Kaufvertrag vom 06.01.1996 (Bl. 24 d.A.) folgendes:
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"Der Verkäufer verkauft das Fahrzeug unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung.
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Von diesem Gewährleistungsausschluß ausgenommen sind folgende (vom Verkäufer
zugesicherte) Eigenschaften des Fahrzeugs:
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Das Fahrzeug ist unfallfrei.* Das Fahrzeug ist während des Besitzes beim Verkäufer
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unfallfrei betrieben worden.* Das Fahrzeug hat lediglich folgende Unfallschäden erlitten
(Zahl, Art der Beschädigung, Reparaturkosten):*
...
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(* Nichtzutreffendes bitte streichen)"
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Hinter dem letzten Doppelpunkt sind von Hand zwei Querstriche eingetragen worden.
Andere Streichungen enthält das Formular nicht, auch keine Klausel, daß mündliche
Abreden nicht gelten sollen.
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In Verbindung mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme des Landgerichts hat der Kläger
damit eine uneingeschränkte Zusicherung der Unfallfreiheit nicht bewiesen. Schon der
Inhalt der Urkunde ist nicht zweifelsfrei. Durch die Striche sind erlittene Unfallschäden
verneint worden. Dem Kläger ist zuzugeben, daß die beiden vorhergehenden Sätze sich
logisch nicht unbedingt ausschließen, denn ein Verkäufer kann wie zur Bekräftigung der
Unfallfreiheit zusätzlich zusichern, daß - insbesondere - während seiner Besitzzeit kein
Unfallschaden eingetreten sei. Gemeint ist in dem Formular allerdings im zweiten Satz
eindeutig eine Einschränkung gegenüber dem ersten: Während dieser allgemein
Unfallfreiheit zusichert, beschränkt der zweite sie auf die Besitzzeit des Verkäufers. (Der
dritte Satz enthält dann eine weitere Einschränkung: "lediglich folgende
Unfallschäden".) Damit ist nach dem benutzten Formulartext die Vereinbarung der
Parteien verschiedenen Deutungen offen; nach seiner Konzeption ist die Aussage
widersprüchlich, weil uneingeschränkte und eingeschränkte Zusicherung
nebeneinander stehen. Deshalb ist aber nicht das Formular (als AGB) unklar im Sinne
von § 5 AGBG, wie der Kläger meint, sondern die Parteien haben es nicht ausreichend
ausgefüllt bzw. gestrichen und haben dadurch ihre Vereinbarung schriftlich nicht
hinreichend klargestellt. Daher kommt es darauf an, was die Parteien zur Unfallfreiheit
besprochen haben, zumal mündliche Abreden nicht ausgeschlossen worden sind.
Individuelle Vereinbarungen haben im übrigen Vorrang vor AGB (§ 4 AGBG).
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Das Landgericht hat die Aussage des Begleiters des Klägers, des Zeugen V., mit Recht
zurückhaltend bewertet. Konkret hat er nur die Zusicherung "Unfallfreiheit" angegeben,
alles andere ist vage geblieben. Den Vertrag vom 06.01.1996 kannte er nicht, "schon
eher" den vom Kläger mitgebrachten Vertragsentwurf (Bl. 21 d.A.), der aber von der
Beklagten bzw. dem Zeugen M. nicht unterschrieben worden ist. Insgesamt wirkt die
Aussage in Bezug auf die Unfallfreiheit wie eingelernt. Der Zeuge M. hat demgegenüber
geschildert, daß über die Unfallfreiheit gesprochen worden sei, und daß er dabei gesagt
habe, das Fahrzeug sei "bei uns" unfallfrei gewesen und es sei von einem polnischen
Diplomaten als unfallfrei erworben worden. Dies entspricht den Angaben in dem
Kaufvertrag vom 17.08.1995 zwischen dem polnischen Verkäufer und dem Zeugen M.
(Bl. 13 d.A.). Es liegt nahe, daß der Zeuge M. sich tatsächlich so geäußert hat, weil er
naturgemäß über das Schicksal des Fahrzeugs beim Vorbesitzer aus eigener Kenntnis
nichts sagen konnte. Es spricht auch viel dafür, daß die Beklagte und der Zeuge M.
tatsächlich von einem Unfallschaden, wenn er vorgelegen haben sollte, nichts wußten,
denn der Kläger hat ihn, obwohl mit Gebrauchtwagen handelnd, selbst nicht entdeckt
und dazu ausgeführt, die Schäden hätte "nur bei intensivster Kontrolle des
Kofferrauminnenraums und Unterbaus festgestellt werden" können. Das Geräusch, nach
dessen Ursache der Zeuge L. für die Beklagte gefahndet hat, hat nicht erkennbar etwas
mit dem vom Kläger geltendgemachten Schaden zu tun. Das behauptet der Kläger auch
selbst nicht.
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Insgesamt kann damit eine Zusicherung seitens der Beklagten nur in dem von dem
Zeugen M. bekundeten Umfang als bewiesen angesehen werden. Diese Zusicherung
kann durchaus richtig gewesen sein und wäre auch nicht widerlegt, wenn beim Kläger
ein Schaden nicht entstanden ist. Denn damit stände noch nicht fest, daß der Schaden
während der Besitzzeit der Beklagten eingetreten ist.
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Ein Anspruch nach § 463 BGB scheidet danach ebenso aus wie eine Anfechtung des
Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB).
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Auf die übrigen Streitpunkte kommt es nicht mehr an.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Das Urteil ist nach den §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO vorläufig vollstreckbar.
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