Urteil des OLG Köln vom 27.06.1997
OLG Köln (abweisung der klage, kläger, tätigkeit, betrieb, arbeitsunfall, maschine, sache, unfall, haftung, unternehmer)
Oberlandesgericht Köln, 19 U 16/97
Datum:
27.06.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 16/97
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 21 O 343/95
Schlagworte:
Eingliederung des anliefernden Fahrers im Betrieb des Empfängers
Normen:
RVO §§ 636, 637, 539
Leitsätze:
Der Haftungsausschluß des § 636 Abs. 1 RVO gilt auch zugunsten von
Arbeitskollegen des Geschädigten, soweit diese im gleichen Betrieb
beschäftigt sind und den Unfall durch eine betriebliche Tätigkeit
verursacht haben (§ 637 Abs. 1 RVO). 2. Hilft der Fahrer eines LKWs am
Bestimmungsort seiner Fracht beim Abladen auf Wunsch des
Empfängerbetriebes mit, dann ist er für die Dauer dieser Tätigkeit in
diesen Betrieb eingegliedert i.S.d. § 539 Abs. 2 RVO. Es schadet nicht,
wenn er gleichzeitig Interessen seines Arbeitgebers in Bezug auf den
Schutz des LKWs vor Beschädigungen wahrnimmt, sofern dieser Schutz
grundsätzlich Sache des Empfängerbetriebes ist.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 21. Zivilkammer des
Landge-richts Köln vom 5.12.1996 - 21 O 343/95 - abgeändert und wie
folgt neu gefaßt: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des
Rechtsstreits trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung des Beklagten führt zur Abweisung der Klage. Die persönliche
Haftung des Beklagten für Ansprüche des Klägers aus dem Unfall vom 15.5.1992 ist
ausgeschlossen (§§ 636, 637, 539 II RVO).
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Gemäß § 636 Abs. 1 RVO ist der Unternehmer den in seinem Unternehmen tätigen
Versicherten zum Ersatz des Personenschadens, den ein Arbeitsunfall verursacht hat,
nur dann verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn
der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Sinn und
Zweck der gesetzlichen Regelung bestehen darin, daß anstelle der Haftung gegenüber
dem Beschäftigten im Einzelfall die Verpflichtung des Unternehmers tritt, die Beiträge
zur gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen. Einbezogen in dieses System sind über
§ 539 Abs. 2 RVO Personen, die, ohne in einem Beschäftigungsverhältnis zu dem
Unfallbetrieb zu stehen, doch in ähnlicher Weise, und sei es nur vorübergehend, tätig
werden. Sie sind nämlich nach der genannten Vorschrift wie ein Arbeitnehmer gegen
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Arbeitsunfälle versichert, so daß ihnen etwaige Ansprüche auf Ersatz des bei einem
Arbeitsunfall erlittenen Personenschadens gegen den Unternehmer auch nur nach
Maßgabe des § 636 RVO zustehen können (OLG Düsseldorf, VersR 1993, 210).
Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann auch der Beklagte das Haftungsprivileg
der §§ 636, 637, 539 II RVO als "Arbeitskollege" des Klägers für sich in Anspruch
nehmen. Denn der Haftungsausschluß gilt sowohl zugunsten des Unternehmers als
auch der Arbeitskollegen des Geschädigten, soweit diese im gleichen Betrieb
beschäftigt sind und den Unfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht haben. Das
ergibt sich ausdrücklich aus § 637 I RVO (vgl. a. Wussow/Schloen, UHR 14. Aufl., Rn.
2590). Auch der Schmerzensgeldanspruch wird dadurch ausgeschlossen (Geigel/Kolb,
Der Haftpflichtprozeß 21. Aufl., 31. Kap. Rn. 22; Wussow/Schloen, a.a.O., Rn. 2594;
beide mit zahlr. Nachw. a. d. Rspr.). Zum ausgeschlossenen Personenschaden gehören
auch Kosten wegen vermehrter Bedürfnisse wie z.B. wegen des vom Kläger erwähnten
orthopädischen Schuhwerks (Geigel/Kolb, a.a.O., Rn. 21). Daß von dem
Feststellungsanspruch nicht ausgeschlossene Sachschäden umfaßt würden, ist nicht
ersichtlich.
Bei dem Entladevorgang auf dem Betriebsgelände der B. GmbH, bei der der Beklagte
als Leiter dieses Betriebsgeländes angestellt war, war der Kläger in den Betrieb der B.
GmbH eingegliedert.
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Im vorliegenden Fall war es unstreitig Sache der Fa. B., die Maschine von dem vom
Kläger gefahrenen LKW abzuladen. Der Beklagte nahm dabei den Kläger zu Hilfe, weil
dieser kurz vor Betriebsschluß gekommen war und sonst keine Hilfskraft zur Verfügung
stand. Seine Tätigkeit diente damit allein den Zwecken der Fa. B., nicht denen des
Frachtunternehmens, in dem der Kläger im Rahmen einer Nebenerwerbstätigkeit tätig
war. Sie war erst abgeschlossen, als die Maschine endgültig von dem LKW abgeladen
war. Dieser Vorgang war zum Unfallzeitpunkt gerade nach dem Vortrag des Klägers
noch nicht beendet. Denn danach trat der Kläger an die zum zweiten Mal von der
Ladefläche des LKW abgehobene Maschine heran, um ein Anstoßen an die Bordwände
des LKW zu verhindern. Auch dies war noch Teil des Abladevorgangs, zu dem es auch
gehörte, Schäden an dem LKW zu verhindern. Hätte der Beklagte genügend eigene
Hilfspersonen zur Verfügung gehabt, dann wäre es zu einer Mitwirkung des Klägers
nicht gekommen, auch nicht zum Schutz der Bordwände. Auch insofern fiel seine
Tätigkeit in die betriebliche Sphäre des Fa. B., so daß sie dieser der Sache nach
zuzurechnen ist (BGH, VersR 1984, 736; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Daß damit
gleichzeitig das Schutzinteresse des Frachtunternehmens in Bezug auf den LKW
gewahrt wurde, ändert bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung des Vorgangs nichts.
Dabei wäre es lebensfremd, in seinem letzten Abschnitt auf Seiten des Klägers einen
Interessenwechsel vom fremden zum eigenen Interesse anzunehmen. Ein Fall, in dem
regelmäßig das Eigeninteresse überwiegen soll (vgl. BGH, NJW 1987, 1022;
Wussow/Schloen, a.a.O., Rn. 2608) liegt hier nicht vor.
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Da die Klage keinen Erfolg hatte, muß der Kläger die Kosten des Rechtsstreits tragen (§
91 I ZPO).
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Das Urteil ist nach den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.
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Wert der Beschwer des Klägers: 9.500,00 DM
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