Urteil des OLG Köln vom 15.01.1993
OLG Köln (karte, aufruf, absicht, kläger, form, kündigung, aufforderung, zpo, verkehrspolitik, organisation)
Oberlandesgericht Köln, 6 U 150/92
Datum:
15.01.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 150/92
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 12 O 140/92
Schlagworte:
Vertragsstrafe; Kernbereich; Unterlassungspflicht
Normen:
BGB § 339; NJW-RR 93, 870;
Leitsätze:
Verpflichtet sich eine Organisation, die sich dem Umweltschutz widmet,
zur Unterlassung, "für eine Mitgliedschaft bei ihr" mit dem Aufruf zu
werben "Zeigen Sie ihrem Automobilclub die rote Karte", stellt es keinen
Verstoß gegen diese übernommene Unterlassungsverpflichtung dar,
wenn die Organisation sich anderweitig an einer Umweltaktion beteiligt
und - ohne daß eine Werbeabsicht dargelegt wurde - in diesem
Zusammenhang für eine Presseverlautbarung mitverantwortlich
zeichnet, in der es u.a. heiß: "wir, die unterzeichnenden Umweltgruppen
und Parteien rufen, alle Bürger und Bürgerinnen, die noch immer
Mitglied beim (es folgt der Name eines Automobilclubs) sind, auf, am
Sonntag, dem ... in ... dem (es folgt wieder der Name des
Automobilclubs) die rote Karte in Form einer Kündigung zu zeigen".
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 29. Juli 1992 verkündete Urteil
der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 12 O 140/92
- wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden
dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer
des Klägers beträgt 10.000,- DM.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig, sie hat aber in der Sa- che keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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Der Beklagte hat die in der strafbewehrten Unter- lassungsverpflichtungserklärung vom
27.6.1991 ver- sprochene Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,- DM nicht verwirkt. Die
auch unter dem Namen des VCD veröffentlichte "Presseinformation" vom 28.8.1991, in
der die Äußerung "wir, die unterzeichnenden Umweltgruppen und Parteien rufen alle
Bürger und Bürgerinnen, die noch immer Mitglied beim ... sind, auf, am Sonntag, dem 1.
September 1991 in E. dem ... die rote Karte in Form einer Kündigung zu zeigen"
enthalten ist und auf die der Kläger sein Begehren auf Zahlung einer Vertrags- strafe
stützt, stellt keine Äußerung dar, die in den Kernbereich der
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Unterlassungsverpflichtungser- klärung vom 27.6.1991 fällt.
Zwar hat der Senat Zweifel, ob die Unterlassungs- verpflichtungserklärung so
einengend auszulegen ist, daß sich der Beklagte zur Unterlassung der Äußerung
"Zeigen Sie ihrem Automobilclub die rote Karte" nur dann verpflichtet hat, wenn er
hiermit ausschließlich gezielt um Mitglieder wirbt. Gegen ein derartiges Verständnis
spricht der Wortlaut der Unterlassungserklärung, auf den in erster Linie abzustellen ist,
selbst wenn dieser weiter reicht als die Verletzungsform der den Anlaß der
Unterwerfung bildenden Handlung (BGH GRUR 1992, 61, 62 - Preisvergleichsliste
m.d.N.).
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Der Kläger hat jedoch nicht hinreichend dargelegt, daß es neben anderen Motiven
Absicht des VCD als Mit-Unterzeichner der Presseinformation vom 28.8.1991 war, auf
diese Weise zumindest auch um Mitglieder zu werben, wie es nach dem Wortlaut der
Erklärung vom 27.6.1991 durch den Hinweis "für die Mitgliedschaft ... zu werben"
jedenfalls als Voraussetzung für einen Verstoß gegen die Unter- werfung gefordert wird.
Selbst wenn aber eine der- artige Absicht bestanden haben sollte, tritt diese derart hinter
den anderen mit der Presseinforma- tion verfolgten Zielen zurück, daß sich hieraus kein
Verstoß herleiten läßt.
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Anlaß für die Presseinformation war eine von zahlreichen Gruppen getragene
umweltpolitische Ak- tion zur Einführung der R-U-Karte, bei der eine Teilnahme des ...
verhindert werden sollte, weil die Unterzeichner die Auffassung vertraten, der ... würde
eine falsche Verkehrs- und Umweltpolitik betreiben. Der Text der Presseinformation
setzt sich kritisch mit der angeblich vom ... betriebe- nen Verkehrspolitik auseinander;
die Verfasser des Textes versuchen, anhand von Einzelbeispielen dem ... eine aus ihrer
Sicht unglaubwürdige Verkehrs- politik nachzuweisen. In diesem Zusammenhang ist
der beanstandete Aufruf "dem ... die rote Karte in Form einer Kündigung zu zeigen" zu
beurteilen. Dieser Aufruf, der unstreitig die Leser dazu auffordert, aus dem ...
auszutreten, beinhaltet jedoch nicht gleichzeitig die Aufforderung, einer der
Unterzeichner-Organisationen beizutreten, und stellt sich somit auch nicht als mittelbare
Mit- gliederwerbung dar. Dies ergibt sich insbesondere aus dem der beanstandeten
Äußerung folgenden Text, in dem dem ... vorgeworfen wird, er betreibe keine
menschengerechte, sondern eine autogerechte Ver- kehrspolitik. Zu einer
menschengerechten Verkehrs- politik gehört nach Auffassung der Unterzeichner die
vorrangige Förderung des ÖPNV (Öffentlichen Personennahverkehr) und nicht die
Förderung des reibungslosen Autoverkehrs. Diese Darlegungen en- den mit dem
weiteren Aufruf, "von den Au.. Ab- schied zu nehmen und durch den Kauf der R-U-Karte
Signale für eine umweltfreundliche und zukunfts- weisende Verkehrspolitik zu geben".
Dadurch wird deutlich, daß mit der Aufforderung, dem ... zu kündigen, nicht als
Alternative empfohlen werden soll, einer der mitunterzeichnenden Organisatio- nen
beizutreten, sondern sich von den ersparten Mitgliedsbeiträgen, die sonst an den ...
gezahlt würden, die R-U-Karte zu kaufen. Selbst wenn sich aus dem Gesamttext der
"Presseinformation" vom 28.8.1991 eine gewisse Konkurrenzsituation zwi- schen dem
... und den Unterzeichnern des Aufrufs ergeben sollte, weil die Unterzeichner für sich in
Anspruch nehmen, die gegenüber dem ... bessere Verkehrs- und Umweltpolitik zu
betreiben, und versuchen, dem ... einen Informationsstand auf dem Fest zur Einführung
der R-U-Karte in E. zu verwehren, obwohl sie selbst eigene Informa- tionsstände dort
betreiben, lälßt dies angesichts des eindeutigen Aufrufs, die R-U-Karte zu kaufen, die
"Presseinformation" nicht als eine Mitglieder- werbung für die Unterzeichner erscheinen.
Vielmehr handelt es sich um eine gezielte umwelt- und verkehrspolitische Äußerung,
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die allein zum Inhalt hat, den öffentlichen Personennahverkehr zu Lasten einer
Verkehrspolitik, die in erster Linie die Kraftfahrzeuge im Auge hat, zu fördern.
Der Senat ist sich hierbei bewußt, daß in jeder politischen Äußerung, in der die eigenen
Ziele als die richtigen angepriesen werden, auch eine Eigenwerbung liegt, und somit
die Absicht, durch diese Äußerungen auch Mitglieder zu werben, nicht ganz
ausgeschlossen ist. Sollte eine solche unter- schwellige Absicht ebenfalls bei den
Unterzeich- nern der "Presseinformation" vorhanden gewesen sein, tritt diese jedoch
vorliegend angesichts des eindeutigen Aufrufs und in Anbetracht der Vielzahl
unterschiedlichster Organisationen, die zu den Unterzeichnern gehören, völlig hinter
den umwelt- und verkehrspolitischen Zielen des Aufrufs zurück.
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Soweit der Kläger sich darauf beruft, die Ab- sicht, Mitglieder zu werben, ergebe sich
aus dem Schreiben des VCD vom 29.8.1991, fehlt es in diesem Schreiben bereits an
den beanstandeten Aussagen "zeigen sie ihrem Automobilclub die rote Karte" oder
"dem ... die rote Karte in Form einer Kündigung zu zeigen". Das als
Pressestellungnahme gedachte Schreiben vom 29.8.1991 setzt sich ledig- lich mit
einem Aufruf des ..., auf Bus und Bahn umzusteigen, kritisch auseinander und zweifelt
die Glaubwürdigkeit des ... hinsichtlich dieses Aufrufes an. In diesem Schreiben wird
aber weder in irgendeiner Weise Bezug auf die beanstandete "Presseinformation" vom
28.8.1991 genommen noch wird der beanstandete Aufruf aufgestellt oder wie- derholt.
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Hat somit der Kläger schon nicht hinreichend dar- gelegt, daß mit der Aufforderung "dem
... die rote Karte zu zeigen" auch die Absicht der Unterzeich- ner dieses Aufrufs
verbunden war, Mitglieder zu werben, kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob diese
ebenfalls von dem VCD unterzeichnete "Pres- seinformation" in Anbetracht der in der
Berufungs- instanz vorgelegten Satzungen des Beklagten und seines Kreisverbandes
dem Beklagten zuzurechnen ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreck- barkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer des Klägers entspricht dem Wert
seines Unterlie- gens im Rechtsstreit.
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