Urteil des OLG Köln vom 29.07.2003

OLG Köln: eröffnende bank, haftpflichtversicherung, rechtshängigkeit, erfüllung, vollstreckung, papiere, dokumentenakkreditiv, era, anweisung, vollstreckbarkeit

Oberlandesgericht Köln, 9 U 165/02
Datum:
29.07.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 165/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 0 237/01
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 5.9.2002 verkündete Urteil der
24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 237/01 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
G r ü n d e :
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I. Die Klägerin unterhält bei dem Beklagten seit 1964 eine Haftpflichtversicherung. Dem
Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die
Haftpflichtversicherung (AHB) des Beklagten zugrunde (vgl. Bl. 358 ff GA).
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Im Jahre 1995 stand die Klägerin in Geschäftsbeziehungen zu der I Fisch Feinkost
GmbH ( IFF), die einen Fischvertreib unterhielt. Das Unternehmen importierte Fisch und
verkaufte ihn weiterverarbeitet an Großhandelsketten. Im Laufe des Jahres 1996 geriet
die IFF in finanzielle Schwierigkeiten und ist inzwischen insolvent. Bei der Klägerin war
als Leiter der Auslandsabteilung der Bankkaufmann K L tätig. Er veranlasste, dass die
Klägerin in der Folgezeit zur Finanzierung des Fischimports der IFF
Dokumentenakkreditive ausstellte. Unter Beteiligung des Angestellten L der Klägerin
und der Geschäftsführer der IFF, der Herren M und T, kam es in großem Umfang zu
betrügerischen Handlungen im Zusammenhang mit den Akkreditiveröffnungen, denen in
Wahrheit keine oder nur in ganz geringen Mengen Fischlieferungen zugrunde lagen.
Die Beteiligten wurden inzwischen durch das Landgericht Bielefeld wegen Betruges
verurteilt. Auf die Anklageschrift - StA Bielefeld 6 Js 990/98 - , Bl. 165 ff GA, und das
Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 10.12.2001 - 1 KLs 6 Js 990/98 H 2/00 I - , Bl. 109
ff, wird ergänzend Bezug genommen.
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Die Dokumentenakkreditive der Klägerin sollten bei der C Bank in Oslo diskontiert
werden. Sie enthielten entsprechend dem Tatplan der Beteiligten eine Klausel, wonach
nicht zu zahlen war ("is null and void and not payable"), wenn die Bank bis zu einer
bestimmten Frist nach Vorlage der Dokumente durch die das Akkreditiv eröffnende Bank
darüber informiert wurde, dass in dem Fisch im einzelnen bezeichnete Bakterien,
insbesondere E. coli - Bakterien durch bestimmte Labore festgestellt würden. Hierbei
war den Beteiligten klar, dass solche coli - Bakterien im gefrorenen Fisch in geringen
Mengen immer vorhanden sind und die Verkehrsfähigkeit bei geringem Befall nicht
wesentlich beeinflussen.
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In der Folgezeit wurden die Dokumentenakkreditive von dem Vertragspartner der IFF,
der U Trading, eingelöst. Diese legte sie der C Bank als Hausbank des
Akkreditivnehmers vor. Die Bank nahm daraufhin die Klägerin in einem Umfang von
mehr als 9 Mio DM auf Zahlung in Anspruch. Zwischen der C Bank und der Klägerin
kam es zu einem außergerichtlichen Vergleich, wonach die Klägerin sich zur Zahlung
von 7 Mio DM verpflichtete. Der Beklagte wurde über die Vergleichsverhandlungen
informiert, stimmte der Vereinbarung jedoch nur mit der Maßgabe zu, dass die Frage
des Haftpflichtdeckungsschutzes offen blieb. Der Vergleichsbetrag wurde inzwischen
gezahlt.
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Mit der Klage hat die Klägerin von dem Beklagten als Haftpflichtversicherer Zahlung
eines Teilbetrages von 100.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit verlangt.
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Der Beklagte hat sich auf Leistungsfreiheit berufen, da es sich um einen
Erfüllungsanspruch handele und vorsätzliches Handeln des Angestellten L vorgelegen
habe.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die
Klägerin sei einem Erfüllungsanspruch ausgesetzt, welcher von der
Haftpflichtversicherung nicht abgedeckt sei. Auf die tatsächlichen Feststellungen des
angefochtenen Urteils und die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
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Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht geltend, abzustellen sei
auf die Rechtsnatur des Anspruchs der C Bank. Dieser sei auf das negative Interesse
gerichtet. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Situation durch selbständiges
deliktisches Vorgehen geschaffen worden sei. Schließlich habe der Angestellte L nicht
vorsätzlich hinsichtlich der Schadensfolgen gehandelt.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu
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verurteilen, an sie 51.129,19 EUR nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit
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zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des
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Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze verwiesen.
II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das
Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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1. Der Klägerin steht ein Entschädigungsanspruch nach § 1 Ziffer 1 AHB gegen den
Beklagten nicht zu.
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a) Für die maßgebende Forderung besteht kein Haftpflichtversicherungsschutz. Bereits
aus § 1 Ziffer 1 AHB ist zu entnehmen, dass Gegenstand der Haftpflichtversicherung
keine Erfüllungsansprüche sind (vgl. Littbarski, AHB, § 1 Rn. 37; Voit in Prölss/Martin,
VVG, 26. Aufl., § 1 AHB, Rn 4). Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen fallen schon
deshalb nicht unter Haftpflichtversicherungsschutz, weil es sich nicht um
Schadensersatzansprüche handelt. Einer zusätzlichen Regelung in den vereinbarten
Bedingungen bedurfte es nicht.
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Die ausdrückliche Regelung des § 4 I 6 Abs. 3 der hier nicht zugrunde liegenden
anderen Fassung der AHB (vgl. Voit in Prölss/Martin, a.a.O.) führt nicht zu einer anderen
Beurteilung des vorliegenden Bedingungswerks; sie ist nur deklaratorisch (vgl. Späte,
AHB, § 4, Rn 170 ff).
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Ausgeschlossen von der Haftpflichtversicherung sind danach Ansprüche aus
Hauptleistungspflichten aus Verträgen. Die Erfüllungserwartung des Vertragspartners
des Versicherungsnehmers ist nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes. So liegt
es hier.
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b) Das Dokumentenakkreditiv sichert die Kaufpreisforderung aus Warengeschäften und
ist zahlbar gegen Vorlage der Papiere (vg. Schimansky / Bunte / Lwowski,
Bankrechtshandbuch, 2. Aufl., § 120, Rn. 4, 8; Baumbach/ Hopt, HGB, 29. Aufl.,
BankGesch (7), K /1 ff; siehe auch daselbst Richtlinien und Gebräuche für
Dokumentenakkreditive (ERA) ). Das Akkreditiv ist ein selbständiges
Zahlungsversprechen im Sinne des § 780 BGB, das eine Bank auf Anweisung des
Auftraggebers dem Begünstigten gegenüber abgibt.
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Wegen der abstrakten Natur sind im Grundsatz Einwendungen aus dem
Valutaverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer ausgeschlossen (vgl. Baumbach/Hopt,
a.a.O., K / 18). Aus diesem Grund konnte sich die Klägerin nicht auf die Klausel
betreffend den Bakterienbefall berufen. Die betreffende Klausel bewirkt auch nicht die
Unwirksamkeit des Akkreditivs.
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Die Frage, ob vorliegend die Voraussetzungen der Klausel gegeben waren, bedarf nicht
der Vertiefung. In den Fällen, in denen es sich nur um Scheinlieferungen gehandelt hat,
konnte die Klausel ohnehin nicht zur Anwendung kommen.
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Daraus ergibt sich, dass die Zahlung der Klägerin an die C Bank einschließlich
Nebenforderungen in Erfüllung des Akkreditivs erfolgt ist.
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Dass im Zusammenhang mit der Eröffnung der Akkreditive ein vorsätzliches Handeln
eines Angestellten der Klägerin vorgelegen hat, ändert an der Natur des
Erfüllungsanspruchs nichts.
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Vorliegend handelt es sich nicht um die Zahlung auf einen Schadensersatzanspruch.
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2. Die Frage, ob auch der Leistungsausschluss wegen eines durch Vorsatz
herbeigeführten Schadenfalles nach § 4 II Ziffer 1 AHB vorgelegen hat, wozu der Senat
im Hinblick auf den Inhalt des Strafurteils neigt, konnte offen bleiben.
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3. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht
vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 51.129,19 EUR
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