Urteil des OLG Köln vom 29.06.1993
OLG Köln (agb, verzug, widerklage, zpo, gesetz, kausalität, baustelle, klausel, zug, verhandlung)
Oberlandesgericht Köln, 22 U 38/93
Datum:
29.06.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 38/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 91 O 207/92
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. Dezember 1992
verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Köln - 91 O 207/92 - abgeän-dert und wie folgt neu gefaßt: Die Beklagte
wird verurteilt, an die Klägerin 26.850,06 DM nebst 12,5 % Zinsen seit
dem 25. April 1992 zu zahlen. Die Widerklage wird abgewiesen und die
Anschlußberufung der Beklagten zurück-gewiesen. Die Kosten des
Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Berufung und Anschlußberufung sind zulässig. In der Sache hat nur das Rechtsmittel
der Klägerin Erfolg und führt zur vollständigen Abweisung der Widerklage, während
die Anschlußberufung der Be-klagten unbegründet ist.
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Die unstreitige Klageforderung war einschließlich des Zinsbegehrens in voller Höhe
zuzusprechen, nachdem die Beklagte klargestellt hat, daß die Ge-genforderung nicht
aufrechnungsweise, sondern mit der Widerklage verfolgt wird.
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Die auf Ersatz angeblicher Verzugsschäden gerich-tete Widerklage ist unbegründet.
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Allerdings sind Ansprüche aus Verzug nicht bereits durch die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin ausgeschlossen, da die entsprechende
Klausel in ihren AGB unwirksam ist. Die Klägerin beschränkt in Ziffer 5 ihrer AGB
Verzugsansprüche u.a. auf vorsätzliches Handeln ihrer nicht leiten-den Angestellten
und sonstigen Erfüllungsgehilfen. Dies verstößt gegen § 11 Nr. 8 AGB-Gesetz. Diese
Vorschrift gilt nach der herrschenden Meinung im Schrifttum über §§ 9, 24 AGB-
Gesetz auch im kaufmännischen Verkehr (Palandt-Heinrichs, BGB, 52. Auflage, § 11
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AGB-Gesetz Randnr. 38 m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hat diese Frage zwar bisher
offen gelassen (BGH Z 93, 48), aber entschieden, daß sich der Verwender nicht vom
groben Verschul-den einfacher Erfüllungsgehilfen freizeichnen kann, soweit es sich -
wie hier - um die Verlet-zung von Hauptpflichten handelt (BGH, NJW 1985, 915).
Dieser Verstoß führt zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel. Eine sogenannte
geltungserhal-tende Reduktion auf den mit § 11 Nr. 8 AGB-Gesetz vereinbaren Inhalt
ist nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig (BGH Z 92, 313,
316).
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Dem Schadensersatzbegehren der Beklagten kann je-doch nicht stattgegeben
worden, weil sie, wie von der Klägerin schon in erster Instanz gerügt worden ist, den
Umfang der von ihr behaupteten Schäden und deren Verursachung durch einen
Lieferungsver-zug der Klägerin nicht hinreichend nachvollziehbar dargelegt hat. Für
die einzelnen Schadenspositio-nen gilt folgendes:
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1. Gerüstkosten
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Die Beklagte verlangt mit dieser Schadensposi-tion den Ersatz von Gerüstkosten für
die Zeit vom 25. September - 15. Dezember 1991. Dieses Be-gehren ist bereits
insoweit unschlüssig, als die Klägerin mangels Bestimmung einer genauen Liefer-
zeit (Liefertermin "ca. 36. Kalenderwoche") erst mit Zugang der Mahnung am 10.
Oktober 1991 in Ver-zug kam und dieser Verzug am 22. November 1991 mit der
Lieferung der letzten Teile aus dem Auftrag Nr. 1293 endete. Die vor und nach
diesem Verzugs-zeitraum entstandenen Gerüstvorhaltekosten können daher nicht
durch den Verzug der Klägerin bedingt sein. Aber auch für den Verzugszeitraum läßt
sich dem Vortrag der Beklagten eine Kausalität zwischen dem Verzug und den in
dieser Zeit aufgewendeten Gerüstkosten nicht nachvollziehbar entnehmen. Wie sich
aus der Rechnung der Gerüstbaufirma vom 22. Januar 1992 (Blatt 31 d.A.) ergibt,
hatte die Beklagte bereits für die Zeit ab Ende August 1991 ein Gerüst für die
Baustelle in G. bestellt. Dies spricht dafür, daß die Beklagte noch mit weiteren
Arbeiten an dem Bauvorhaben in G. befaßt war, die von den erst ab ca. 36.
Kalenderwoche zu erwar-tenden Lieferungen der Klägerin unabhängig waren, wie
die Beklagte nunmehr auch in ihrem nachgelas-senen Schriftsatz vom 3. Juni 1993
einräumt. Die Beklagte trägt jedoch nicht vor, von welcher Art und von welchem
Umfang diese Arbeiten waren und ob sie diese Arbeiten bereits bei Verzugsbeginn
am 10. Oktober 1991 vollständig beendet hatte. Es ist daher nach dem
Beklagtenvortrag nicht auszuschlie-ßen, daß die Beklagte das Gerüst auch während
der Verzugszeit noch für anderweitige Arbeiten weiterbenötigte. Hierfür spricht auch
der Inhalt der Rechnung der Großbaufirma vom 22. Januar 1992, aus der sich ergibt,
daß der Beklagten in der hier maßgebenden Zeit (Oktober und November 1991) von
der Gerüstbaufirma Gerüste in wechselnder und unterschiedlicher Größe vorgehalten
worden sind. Dies zeigt, daß sich der Gerüstbedarf der Beklag-ten während der
Verzugszeit wiederholt änderte, was darauf hindeutet, daß die Arbeiten auf den Ge-
rüsten während der Verzugszeit weitergingen. Dann aber können die Gerüste nicht
allein wegen der noch ausstehenden Lieferungen der Klägerin vorge-halten worden
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sein.
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2. Wartezeiten
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Während die Beklagte diese Schadensposition in erster Instanz noch mit 100
Stunden Zusatzarbeiten begründet hatte, behauptet sie nunmehr, es seien 100
Stunden Wartezeiten wegen der verzögerten Lie-ferungen der Klägerin angefallen.
Zum Beleg hier-für hat sie mit ihrer Berufungserwiderung schrift-liche Zeitnachweise
vorgelegt, die allerdings sämtlich Daten aus Oktober 1992 tragen. Dieser Vortrag ist
unschlüssig, weil die betreffenden Ar-beiten im Herbst 1991 stattgefunden haben. In
der mündlichen Verhandlung hat sich der Prozeßbevoll-mächtigte der Beklagten
mangels weiterer Informa-tion durch seine Mandantin nicht in der Lage gese-hen, den
Widerspruch der Zeitangaben auszuräumen.
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In ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 3. Ju-ni 1993 trägt die Beklagte nunmehr
vor, daß die vorgelegten Arbeitszeitnachweise erst nachträglich aus den
Originalzeitnachweisen gefertigt worden seien und hierbei die Jahreszahl
verwechselt worden sei. Dieses Vorbringen kann gemäß § 296 a Satz 1 ZPO nicht
mehr berücksichtigt werden, weil es nicht durch den neuen Vortrag im Schriftsatz der
Klägerin vom 25. Mai 1993 veranlaßt worden ist und daher nicht von dem der
Beklagten eingeräumten Schriftsatznachlaß gedeckt wird (§ 283 ZPO). Zu einer
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach §§ 156, 296 a Satz 2 ZPO
besteht kein Anlaß, da die Vorlage nachträglich gefertigter Zeitnach-weise einen
substantiierten Vortrag zu den pau-schal behaupteten 100 Stunden Wartezeiten nicht
zu ersetzen vermag und die Beklagte in der Lage war, bereits in ihrer
Berufungserwiderung die angegebe-nen Wartezeiten im einzelnen aufzuschlüsseln
und gegebenenfalls durch Vorlage der damals gefertig-ten Originalzeitnachweise zu
belegen.
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3. Containerkosten
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Zu dieser Schadensposition gelten die gleichen Erwägungen wie hinsichtlich der
Gerüstkosten. Die Beklagte trägt auch hier nicht vor, mit welchen anderweitigen
Arbeiten sie auf der Baustelle in G. befaßt war, inwieweit sie auch hierfür die betref-
fenden Container benötigte und wann diese Arbeiten beendet waren. Außerdem
ergibt sich aus den Rech-nungen der Vermieterin der Container (Blatt 29, 30 d.A.),
daß die Beklagte bereits mit Auftrag vom 16. August 1991 die Container auch für die
Monate November und Dezember bestellt hatte. Dies deutet darauf hin, daß die
Container von vornherein auch für anderweitige Arbeiten, die sich bis Dezember
1991 hinzogen, angemietet worden waren. Dann aber fehlt eine Kausalität zwischen
dem Verzug der Klägerin und den aufgewandten Containerkosten. Für den Monat
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Dezember 1991 fehlt diese Kausalität außerdem schon deshalb, weil der Verzug
bereits am 22. November 1991 beendet war.
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4. Kosten von Abbau und Wiedereinrichtung der Bau-stelle
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Zu dieser bereits vom Landgericht abgewiesenen und mit der Anschlußberufung
weiterverfolgten Schadensposition fehlt auch in zweiter Instanz ein schlüssiger und
hinreichend substantiierter Sachvortrag der Beklagten. Der Arbeitsaufwand von 50
Stunden wird von ihr lediglich pauschal behauptet. Es fehlen nähere Angaben dazu,
in welchem Zeitpunkt welche Gerätschaften und welche Arbeitsmittel zu welchen
anderen Baustellen in welcher Entfernung transportiert und später wieder
zurückgeschafft worden sind. Soweit die Beklagte behauptet, daß die Gerätschaften
und Arbeitsmittel auf anderen Baustellen eingesetzt worden seien, liegt die Annahme
nahe, daß sie dort auch benötigt wurden. Dann entfällt aber bereits die Kausalität
zwischen den angeblich aufgewendeten Kosten und dem Lieferverzug der Klägerin.
Auch hierauf geht die Beklagte bei der Begründung dieser Schadenspo-sition nicht
ein. Ohne einen entsprechend substan-tiierten Vortrag läßt sich aber ein kausaler
Scha-den nicht nachvollziehen, so daß die Widerklage auch mit dieser
Schadensposition keinen Erfolg ha-ben kann.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und zu-gleich Urteilsbeschwer: 23.116,77 DM
(Berufung: 20.116,77 DM, Anschlußberufung: 3.000,00 DM).
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