Urteil des OLG Köln vom 14.10.2002

OLG Köln (Versuch, Ausschluss, Anstiftung, Staatsanwalt, Zukunft, Bestätigung, Vorbereitungshandlung, Verdacht, Erfolgsdelikt, Zeugenaussage)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 508-509/02
14.10.2002
Oberlandesgericht Köln
2. Strafsenat
Beschluss
2 Ws 508-509/02
Es wird abgelehnt, Rechtsanwalt T. und Rechtsanwältin J. nach § 138 a
StPO von der Mitwirkung in dem Verfahren auszuschließen.
Damit ist die Anordnung in dem Vorlagebeschluss vom 16. September
2002, dass die Rechte beider genannter Verteidiger nach § 138 c Abs. 3
S. 1 StPO ruhen, gegenstandslos.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der beiden
ge-nannten Verteidiger hat die Staatskasse zu tragen. Hiervon sind
ausge-nommen die Kosten für die Hinzuziehung der Rechtsanwältin M.
als Bei-stand; diese werden nicht erstattet.
G r ü n d e
I.
Gegen die Angeklagten G. und M. hat die Staatsanwaltschaft unter dem 15. August 2002
Anklage erhoben. Dem Angeklagten G. werden insgesamt 16 Taten, strafbar gemäß §§
181 Abs. 1 Nr. 1, 181 a Abs. 1 Nr. 1 und 2, 185, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr.1 und 2, 239 b
Abs. 1, 241 Abs. 1, 246 Abs. 1, 253 Abs. 1 und 3, 22, 23 Abs. 1, 27, 52, 53 StGB, 1, 105 ff.
JGG, dem Angeklagten M. wird ein Fall der Beihilfe zur Geiselnahme zur Last gelegt. Die
Strafkammer hat unter dem 10. September 2002 das Hauptverfahren eröffnet.
Die Anklage beruht weitgehend auf den Angaben der geschädigten Zeugin S.G.B.. Diese
hat in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 20. Juni 2002 (Bl. 55 ff. d.A.) von Bemühungen
des Angeklagten G. berichtet, sie zu einer Rücknahme ihrer Strafanzeige und zur
Behauptung, ihre belastenden Angaben seien falsch, zu bewegen. In diesem
Zusammenhang heißt es in dem Vernehmungsprotokoll vom 20. Juni 2002 (Bl. 56 d.A.)
bezüglich des Rechtsanwalts T.:
"Der Anwalt von O., der Herr T., hatte mir schon vor der richterlichen Vernehmung
gesagt, ich könne sagen, ich sei mit O. verlobt und dann brauchte ich keine Aussage mehr
zu machen. Ich war aber nicht mit O. verlobt und deshalb habe ich das auch nicht gesagt."
In seinem weiteren Gespräch in der Kanzlei der Rechtsanwälte T. und J. führt das
Vernehmungsprotokoll vom 20. Juni 2002 aus (Bl. 58, 59 d.A.):
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"Am Dienstag hat mich O. dann nachmittags zum Herrn T. gefahren. O. wollte, dass ich
mich von der Frau J. vertreten lasse. Die würde mir dann helfen, die Anzeige
zurückzuziehen.
Ich habe mich dann mit der Frau J. unterhalten. Später kam auch der Herr T. dazu. Ich
habe denen gesagt, dass alles, was ich bei der Polizei gesagt hätte, stimmen würde. Ich
habe auch gesagt, dass mich der O. unter Druck setzen würde. Frau J. hat mir dann gesagt,
es sei kein Problem, die Anzeige zurückzuziehen. Sie sagte auch, es sei ja nicht so
schlimm, weil noch kein Haftbefehl bestehen würde. Dies wurde dann auch von Herrn T.
bestätigt. Ich habe dem T. dann auch erzählt, dass ich in K. schon mal Anzeige erstattet
habe. T. und O. wussten von der Anzeige noch gar nichts. ... T. sagte, das würde er schon
machen, das ließe sich auch regeln.
Bei den Anwälten war ich allein. Ich habe O. dann später von den Gesprächen erzählt.
Ich habe ihm gesagt, dass alles geregelt werden könnte. Damit war er zufrieden."
Die Strafkammer hat diese Ausführungen zum Anlass genommen, die Sache mit Beschluss
vom 16. September 2002 gem. § 138 c Abs. 2 S. 1 StPO dem Oberlandesgericht zur
Entscheidung über einen Ausschluss der beiden Wahlverteidiger Rechtsanwalt T. und
Rechtsanwältin J. nach § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO vorzulegen. Sie ist der Ansicht, die
beiden genannten Verteidiger seien dringend verdächtig, durch die zitierten Äußerungen
den Versuch einer Strafvereitelung nach § 258 StGB zugunsten des Angeklagten G.
unternommen zu haben.
Zugleich hat die Strafkammer in dem Beschluss vom 16. September 2002 das Ruhen der
Rechte der beiden genannten Verteidiger aus den §§ 147 und 148 StPO bis zu der
Entscheidung des Oberlandesgerichts gem. § 138 c Abs. 3 S. 1 StPO angeordnet.
II.
Die Vorlage ist gem. § 138 c Abs. 2 S. 1 StPO zulässig. Insbesondere genügt der
Vorlegungsbeschluss vom 16. September 2002 auch hinsichtlich der erforderlichen
Begründung, die aus sich selbst heraus verständlich sein muss, den von der
Rechtsprechung hierzu aufgestellten Anforderungen (vgl. hierzu SenatsE 2 Ws 53/02 vom
5. März 2002; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 138 c Rdn. 9 m.w.N.).
In der Sache ist aber ein Ausschluss des Rechtsanwalts T. und der Rechtsanwältin J. als
Verteidiger von der Mitwirkung in dem Verfahren nach § 138 a Abs. 1 StPO abzulehnen.
Aus dem Vorlagebeschluss in Verbindung mit dem übrigen Akteninhalt ergibt sich sowohl
aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen kein Anlass für die Annahme, dass die
beiden genannten Verteidiger dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens
rechtfertigenden Grade verdächtig sind, eine Handlung begangen zu haben, die für den
Fall der Verurteilung der Angeklagten Strafvereitelung wäre (§ 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO).
Schon in tatsächlicher Hinsicht kann nicht davon ausgegangen werden, dass die in dem
Vorlagebeschluss wiedergegebenen Äußerungen zunächst des Rechtsanwalts T. und an
einem anderen Tag der Rechtsanwältin J. mit Bestätigung durch Rechtsanwalt T.
überhaupt so gefallen sind. Die Protokollierung der Kriminalpolizei vom 20. Juni 2002 ist
keine wörtliche, sondern beinhaltet eine sinngemäße Wiedergabe der Angaben der Zeugin
B.. Auch der hierzu gefertigte Vermerk des vernehmenden Kriminalbeamten vom 27. Juni
2002 (Bl. 100, 101 d.A.) gibt die von der Zeugin B. benannten Äußerungen der von dem
Ausschließungsverfahren betroffenen Rechtsanwälte nicht wörtlich und damit nicht exakt
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wieder, nicht vielmehr inhaltlich vom Protokoll ab. Insbesondere aber werden die am
20.06.2002 protokollierten Angaben der Zeugin B. relativiert durch ihre Äußerungen in der
späteren polizeilichen Vernehmung vom 11. Juli 2002 (Bl. 182 d.A.). Dort heißt es
hinsichtlich der Beratungstermine bei dem Rechtsanwalt T. (und dem Rechtsanwalt S.-J.)
nur noch: "Sie haben mir damals gesagt, dass ich die Aussage verweigern könne, wenn ich
mich mit G. verloben würde. Konkret wussten die Rechtsanwälte nicht, ob wir beide verlobt
waren". Hierzu verhält sich sodann der Vermerk des sachbearbeitenden Staatsanwalts W.
vom 19. September 2002 (der sich allerdings nicht bei dem dem Senat vorgelegten
Aktendoppel befindet, aber unter dem 9. Oktober 2002 dem Rechtsanwalt T. zugeleitet
worden ist). Danach hat der Staatsanwalt den ihm zur Ausbildung zugewiesenen
Rechtsreferendar R. gerade auch deswegen zu der erneuten Vernehmung vom 11. Juli
2002 gesandt, damit die Zeugin befragt werde, ob Rechtsanwalt T. sie tatsächlich wie
zuvor angegeben beraten habe. Der Referendar berichtete dem Staatsanwalt
anschließend, die Zeugin habe ihre Angaben relativiert und angegeben, Rechtsanwalt T.
habe sie allgemein auf ein Zeugnisverweigerungsrecht bei einem Verlöbnis hingewiesen.
Daraufhin habe er - Staatsanwalt W. - (zunächst) von der Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens gegen Rechtsanwalt T. abgesehen.
Nach alledem kann schon in tatsächlicher Hinsicht nicht davon ausgegangen werden, dass
zunächst Rechtsanwalt T. die Zeugin B. dazu bewegen wollte, wahrheitswidrig unter
Angabe eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Verlöbnisses keine weitere belastende
Aussage mehr zu tätigen. Die spätere Äußerung durch Rechtsanwältin J. mit Bestätigung
durch Rechtsanwalt T. ist ebenfalls nicht hinreichend belegt. Sie lässt zudem aber auch mit
Worten wie "...helfen, die Anzeige zurückzuziehen" oder "...das ließe sich auch regeln"
Strafvereitelungstendenzen nicht zur Genüge erkennen.
Einer Beweisaufnahme durch den Senat in mündlicher Verhandlung zu dem tatsächlichen
Ablauf der Unterredungen der Zeugin B. mit Rechtsanwalt T. und Rechtsanwältin J. bedarf
es nicht. Einem Ausschluss der Verteidiger stünden aber auch Rechtsgründe entgegen,
wenn die zu dem Vorlegungsbeschluss vom 16. September 2002 führenden Äußerungen
der Rechtsanwälte T. und J. entgegen dem Akteninhalt tatsächlich so gefallen sein sollten,
wie sie dort wiedergegeben sind. Dies gelte selbst dann, wenn die angebliche Äußerung
"Ich könne sagen, ich sei mit O. verlobt und dann brauchte ich keine Aussage mehr zu
machen" dahin zu verstehen sein sollte, dass Rechtsanwalt T. in Kenntnis eines nicht
bestehenden und auch für die Zukunft nicht beabsichtigten Verlöbnisses die Zeugin zu
einer falschen Aussage in der Zukunft bewegen wollte. Zwar genügt für eine
Ausschließung eines Verteidigers nach § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO auch der wenigstens
hinreichende Verdacht einer nur versuchten Strafvereitelung nach § 258 StGB. Selbst
wenn man aber insoweit von einem täterschaftlichen Verhalten des Verteidigers (und nicht
nur von einer Anstiftung der Zeugin durch ihn) ausgehen wollte, so wäre doch durch eine
Bemerkung wie vorliegend geschildert die Grenze zum Versuch noch nicht überschritten; in
Ansehung des § 258 StGB als Erfolgsdelikt läge vielmehr nur eine (straflose) und damit
auch für § 138 a StPO nicht genügende Vorbereitungshandlung vor (BGHSt 31, 10 = NStZ
82, 329). Es begeht noch keinen Versuch der Strafvereitelung nach § 258 StGB, wer es
erfolglos unternimmt, einen Zeugen zu einer falschen Aussage zugunsten eines
Beschuldigten zu beeinflussen; dem gemäß kann ein Verteidiger in einem solchen Fall
auch nicht gem. § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO ausgeschlossen werden (OLG Bremen NJW 81,
2711). Die Grenze zum Versuchsbeginn wäre erst durch den Beginn der falschen
Zeugenaussage (so BGH NStZ 82, 330) oder dann überschritten, wenn der Verteidiger, der
zuvor auf einen Zeugen mit dem Ziel eingewirkt hat, ihn zu einer Falschaussage zu
veranlassen, diesen Zeugen bereits benannt hätte (so BGH NJW 83, 2712 = NStZ 83, 503;
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ebenso Stree in Schönke-Schröder, StGB, 26. Aufl., § 258 Rdn. 31). Dies war vorliegend
aber gerade nicht der Fall und würde zudem voraussetzen, dass der Zeuge - was die
Zeugin B. nicht getan hat - die Falschaussage zugesichert hat und der Verteidiger damit mit
der Benennung der Zeugin alles getan hat, was seiner Meinung nach ohne weiteres in die
Vollendung des Tatbestandes des § 258 StGB einmünden würde (vgl. Kleinknecht/Meyer-
Goßner, StPO, 45. Aufl., § 138 a Rdn. 11). Nicht anders verhält es sich in rechtlicher
Hinsicht, wenn man nach allgemeinen Täter-/Teilnahmeregeln für den Fall der vollendeten
Strafvereitelung den falsch aussagenden Zeugen als Täter und den ihn hierzu
veranlassenden Verteidiger als Anstifter ansehen wollte. Es läge dann in einem
Verfahrensstadium wie vorliegend bei Unterstellung der Richtigkeit der wiedergegebenen
Äußerungen der betroffenen Verteidiger gegeben in Bezug auf § 258 StGB lediglich ein
Fall der versuchten Anstiftung zur Strafvereitelung vor, die nicht unter Strafe steht (so auch
Beulke NStZ 82, 330, dessen ansonsten angestellte Kritik an BGHSt 31, 10 = NStZ 82, 329
vom Bundesgerichtshof in der späteren Entscheidung BGH NJW 83, 2712 gerade nicht
übernommen worden ist). Dem gemäß bliebe in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden -
selbst wenn in tatsächlicher Hinsicht von einem Anstiftervorsatz der Verteidiger zu einer
Falschaussage auszugehen wäre, der sich die Zeugin B. aber widersetzt hat - allenfalls
eine Strafbarkeit nach § 159 StGB wegen Versuchs der Anstiftung zur Falschaussage
(BGH NStZ 82, 330), die aber von dem Anwendungsbereich des § 138 a StPO nicht erfasst
ist.
Die ablehnende Entscheidung über die Ausschließung eines Verteidigers kann entgegen §
138 d Abs. 1 StPO ohne mündliche Verhandlung ergehen, wenn eine Ausschließung von
vornherein nicht in Betracht kommt (OLG Bremen NJW 81, 2711; ständige Rechtsprechung
auch des Senats, zuletzt SenatsE 2 Ws 53/02 vom 5. März 2002). Das Erfordernis
mündlicher Verhandlung soll nämlich nur dann, wenn eine Ausschließung in Betracht
kommt, dem Schutz des Verteidigers dienen, damit dieser besser als in einem schriftlichen
Verfahren ihn entlastende Umstände darlegen und ihn belastende Beweise entkräften
kann. Andererseits muss ein Zwischenverfahren über die Ausschließung des Verteidigers
auch im Interesse des Angeklagten so schnell wie möglich abgeschlossen werden. Die
Entscheidung ergeht daher vorliegend durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht bei der Ablehnung der Ausschließung
eines Verteidigers auf der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO (vgl.
Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 138 d Rdn. 10). Allerdings sind die Kosten des Verteidigers
für die Hinzuziehung eines anderen Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig (KG JR 21, 121;
Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O. und § 464 a Rdn. 10). Denn der Verteidiger ist in dem
ihn betreffenden Ausschließungsverfahren nach §§ 138 a ff. StPO nicht Angeklagter oder
Beschuldigter, so dass ein Fall des § 137 Abs. 1 StPO, wonach er sich seinerseits eines
Verteidigers bedienen kann, nicht vorliegt. Der ihn in dem Ausschließungsverfahren
vertretende Rechtsanwalt ist lediglich als Beistand des Verteidigers anzusehen.