Urteil des OLG Köln vom 28.03.2006

OLG Köln: bewährungsfrist, weisung, anschrift, stadt, auskunft, ermittlungsverfahren, widerruf, untersuchungshaft, untermieter, meldung

Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 123/06
Datum:
28.03.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 123/06
Schlagworte:
(Keine) Verlängerung der Bewährungszeit bei Verstoß gegen
Anordnung zur Mitteilung eines Wohnungswechsel
Normen:
StGB § 56 a, 56 f
Tenor:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der darin dem
Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
G r ü n d e :
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I.
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Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Landgerichts Köln vom 27.10.2003 wegen
versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren
verurteilt worden, deren Vollstreckung für die Dauer von 3 Jahren zur Bewährung
ausgesetzt wurde. Durch Bewährungsbeschluß vom 27.10.2003 wurde der
Beschwerdeführer unter Ziff. 2. b) angewiesen, dem Landgericht jeden
Wohnungswechsel innerhalb der Bewährungszeit sofort mitzuteilen. Durch den
angefochtenen Beschluss hat die Strafkammer die Bewährungsfrist um ein Jahr und 6
Monate verlängert mit der Begründung, der Verurteilte habe gegen die erwähnte Auflage
wiederholt verstoßen. Wegen der Einzelheiten wird hierzu auf die Entscheidung der
Strafkammer Bezug genommen.
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Der Verurteilte hat gegen die Entscheidung mit Schriftsatz seines Verteidigers vom
20.02.2006 "sofortige" Beschwerde eingelegt.
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II.
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1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Es handelt sich allerdings nicht um eine
(fristgebundene) sofortige Beschwerde, weil die angefochtene Entscheidung nicht einen
der in § 453 Abs. 2 S. 2 StPO bezeichneten Verfahrensgegenstände betrifft. Gegen
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sonstige nachträgliche Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur
Bewährung nach §§ 56 a ff StGB beziehen - und um eine solche handelt es sich bei der
hier angeordneten Verlängerung der Bewährungsfrist - findet nach § 453 Abs. 1, Abs. 2
S.1 und 2 StPO die einfache Beschwerde statt.
2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
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Für eine Verlängerung der Bewährungszeit auf insgesamt nunmehr 4 1/2 Jahre zu
Unrecht gibt es derzeit keine ausreichenden Gründe.
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a) Das Landgericht konnte sich bei seiner Entscheidung nicht auf die Bestimmung des §
56 f Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB stützen, weil die Vorschrift die Feststellung eines
Bewährungsversagens nach § 56 f Abs. 1 StGB voraussetzt. Die Voraussetzungen für
einen Bewährungswiderruf (nach dem hier allein in Betracht kommenden Abs. 1 Nr. 2)
sind vorliegend aber nicht erfüllt. Die dem Verurteilten angelasteten Weisungsverstöße
genügen nicht, um ihm in Korrektur der ursprünglichen positiven Prognose nunmehr
eine negative Prognose zu stellen. Das hat auch das Landgericht nicht getan, das sich
zu der Frage, ob bei dem Verurteilten Anlaß zu der Besorgnis der Begehung neuer
Straftaten besteht, gar nicht geäußert hat.
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b) Die Möglichkeit zu nachträglicher Verlängerung der Bewährungszeit wird allerdings
ohne die engeren Voraussetzungen des § 56 f Abs. 2 StGB durch die Bestimmung des §
56 a Abs. 2 S. 2 StGB eröffnet (vgl zum Verhältnis der beiden Vorschriften MK-Groß, §
56 a Rdn 16; LK-Gribbohm § 56 a Rdn 4; NK-Ostendorf § 56 a Rdn 4).
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Die Bewährungszeitverlängerung steht nach § 56 a Abs. 2 S.2 StGB - anders als nach §
56 f Abs. 2 StGB - im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Die Bestimmung soll dem
die Verantwortung für eine Strafaussetzung zur Bewährung tragenden Gericht
Spielraum für eine möglichst flexible Handhabung bieten, auf sich verändernde
Umstände in der Lebensführung des Verurteilten adäquat reagieren zu können.
Andererseits muß der Verurteilte bei Einhaltung der ihm vom Gericht auferlegten
Maßnahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Erlaß der Strafe rechnen können.
Nach dem so zu bestimmenden Sinn und Zweck der genannten Vorschrift können
lediglich neue Umstände, die in der Person bzw. im Verhalten des Verurteilten liegen,
zu einer nachträglichen Änderung des Bewährungsbeschlusses führen (vgl OLG
Düsseldorf NStZ 91,53; SK-Horn, § 56 a Rdn 5; LK-Gribbohm, aaO).
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c) In dem festgestellten zweimaligen Verstoß des Verurteilten gegen die Weisung, jeden
Wohnungswechsel anzuzeigen, liegen keine genügenden Umstände, die die
nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit zu rechtfertigen vermögen. Die
Anordnung, jeden Wohnungswechsel mitzuteilen, dient nicht der Einwirkung auf die
Lebensführung des Verurteilten mit dem Ziel einer Resozialisierung. Sie stellt keine
Weisung im Sinne des § 56 c Abs. 2 StGB dar ( vgl. Senat 12.02.2002 - 2 Ws 51/02 -).
Bei Verstößen dagegen lässt sich ein Kausalzusammenhang mit der Gefahr neuer
Straffälligkeit nicht ohne weiteres begründen. Es kann auch nicht festgestellt werden,
dass die (nur) postalische Erreichbarkeit des Verurteilten, die etwa durch einen
Nachsendeantrag oder über den Untermieter ohne weiteres zu bewerkstelligen war,
dem Gericht die ihm nach § 453 b StGB obliegende Bewährungsüberwachung nicht
hinreichend ermöglicht hat. Es kommt hinzu, dass der Verurteilte einerseits unter der
Anschrift I.straße in früheren Jahren tatsächlich polizeilich gemeldet war, wie aus der
Auskunft des Einwohnermeldeamts der Stadt Köln vom 14.09.2005 hervorgeht, und
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andererseits der angefochtene Beschluss dem Verurteilten ausgerechnet unter der
Anschrift D. H. Straße zugestellt worden ist, von der ihm angelastet wird, sie ohne
Meldung an das Gericht verlassen zu haben.
d) Der Senat weist allerdings noch auf folgendes hin :
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Die Staatsanwaltschaft Köln führt gegen den Verurteilten ein Ermittlungsverfahren
wegen Bandendiebstahls - 101 Js 18/05 - , in dem er am 12.01.2006 vorläufig
festgenommen wurde und sich seither in Untersuchungshaft befindet. Mit einer Anklage
ist demnächst zu rechnen, wie dem Senat auf Anfrage mitgeteilt worden ist. Im Falle
einer rechtskräftigen Verurteilung wird zu gegebener Zeit ein Widerruf der Bewährung in
vorliegender Sache nach § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht kommen. Das kann auch
nach Ablauf der (nunmehr wieder) am 27.10.2006 endenden Bewährungszeit noch
geschehen (vgl. Senat 24.10.03 - 2 Ws 579/03-; 28.05.2004 - 2 Ws 277+278/04;
08.04.05 - 2 Ws 153/05 -).
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 467 StPO.
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