Urteil des OLG Köln vom 18.06.2008

OLG Köln: gesellschafterversammlung, versicherer, aufklärungspflicht, solvenz, feststellungsklage, fahrlässigkeit, geschäftsbericht, kausalität, kapitalanlage, bonität

Oberlandesgericht Köln, 13 U 62/08
Datum:
18.06.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 U 62/08
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 3 O 263/07
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 11.3.2008 verkündete Urteil
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln (3 O 263/07) wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
G R Ü N D E:
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Die zulässige Berufung des Klägers ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da
das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat. Zur Begründung wird auf die mit
Beschluss des Senats vom 18.6.2008 erteilten Hinweise verwiesen, die trotz der
dagegen erhobenen Einwendungen die Zurückweisung der Berufung tragen.
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Die Stellungnahme des Klägers lässt unberücksichtigt, dass sich – wie das Landgericht
mit zutreffender Begründung festgestellt hat - nicht nur bereits aus den im Jahre 2003 für
ihn zugänglichen Geschäftsberichten vom 31.3. und 26.9.2003 mit ausreichender
Deutlichkeit die mangelnde Tragfähigkeit und das Scheitern des gesamten Konzepts
der Erlösausfallversicherung ergab (Geschäftsführungsbericht 1/2003 – Bl. 58, 59 GA:
"Aufgabe der repräsentativen Geschäftsräume in Brüssel durch N. ohne Angabe eines
neuen Geschäftssitzes; Beauftragung einer auf Wirtschaftsdelikte spezialisierten
Privatdetektei mit der Auffindung möglicher Vermögenswerte; Abschluss einer Short Fall
Guarantee" (= Erlösausfallversicherung) "bei der N. oder anderen Anbietern faktisch
nicht mehr möglich"). Dem Kläger – der die Aufklärungspflicht der Beklagten in diesem
Kontext daraus herleitet, dass nur ein solventes, seriöses Versicherungsunternehmen
im Versicherungsfall tatsächlich die Versicherungsleistung erbringen könne (Schriftsatz
vom 10.9.2007 – Bl. 138 GA) - war darüber hinaus aus dem Protokoll der
Gesellschafterversammlung vom 17.10.2002 auch bekannt, dass es sich nach den
dortigen Ausführungen des Gesellschafters K. bei der N. gerade nicht um einen
solventen Versicherer handelte (vgl. S. 3 des Protokolls unter "Erlösausfallversicherung"
– Bl. 49 GA: "...Über einen Londoner Broker wurde diese Versicherung bei der ...(N.), mit
Büro in Brüssel und Sitz Panama abgeschlossen und nicht bei einem solventen
Versicherer wie AXA, AIG Gerling oder Dt. Filmversicherungsgemeinschaft...").
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Angesichts dieser grundsätzlichen geltenden Feststellung – die N. war eben kein
solventer Versicherer wie die als Gegenbeispiel angeführten
Versicherungsunternehmen - kommt es auf die dem Kläger nach anwaltlicher Beratung
im Jahre 2007 bekannt gewordene, nach seinem Vorbringen insolvenzbedingte
Löschung der N. im Handelsregister G. am 20.10.1999 (Bl. 17 GA) in diesem
Zusammenhang nicht an: Da dem Kläger seiner Behauptung zufolge die Absicherung
der Beteiligung durch die Erlösausfallversicherung vom Kundenbetreuer der Beklagten
als besonders positiv und professionell dargestellt wurde – sie sei "das
Verkaufsargument" gewesen (Schriftsatz vom 10.9.2007, S. 4, Bl. 140 GA) – lag es
jedenfalls nach Kenntnisnahme von den vorgenannten Geschäftsberichten vom 31.3.
und 26.9.2003 auf der Hand, dass sich der im Protokoll der Gesellschafterversammlung
vom 17.10.2002 erfolgte Hinweis auf die mangelnde Solvenz der N. bestätigt hatte und
die Beklagte die Solvenz und Seriosität der N., soweit ihr diese als
Erlösausfallversicherer vor dem Beitritt des Klägers im November 2000 überhaupt
bekannt war (wenn nicht, würde es schon deshalb an einer Pflichtverletzung fehlen),
entweder gar nicht oder nur ungenügend geprüft haben konnte. Andernfalls hätte sie
keine so uneingeschränkt positive Beurteilung der Erlösausfallversicherung abgeben
dürfen. Ob und ggfls. welche Erkundigungen und Maßnahmen die Beklagte in Bezug
auf die Überprüfung des Erlösausfallversicherers im Einzelnen getroffen hatte, brauchte
dem Kläger nicht bekannt zu sein. Eine Kenntnis der Pflichtverletzung oder
Schädigungshandlung liegt nämlich nicht erst dann vor, wenn der Geschädigte in allen
Einzelheiten weiß, wie die zum Schaden führenden Vorgänge abgelaufen sind;
vielmehr reicht es aus, wenn er die Richtung des Tatgeschehens kennt (vgl. BGH WM
91, 2135, 2136). Vor diesem Hintergrund ist dem Kläger die angeblich
schadensbegründende Verletzung der Überprüfungs- und Aufklärungspflicht der
Beklagten zumindest aus grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, denn die ihm
nach dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 17.10.2002 sowie den
Geschäftsberichten aus dem Jahr 2003 bekannten Tatsachen waren für die Erhebung
einer Feststellungsklage gegen die Beklagte – die nicht ohne Risiko sein musste -
zuverlässig genug.
Die vorgelegte Entscheidung des 24. Zivilsenats des OLG Köln (Bl. 252 ff. GA) ist mit
der hier zu beurteilenden Fallgestaltung nicht vergleichbar. Der darin zitierte
Geschäftsbericht mag für den im dortigen Fall drohenden Schaden nicht genügend
Anhaltspunkte enthalten haben; im vorliegenden Fall ist das aber, wie ausgeführt,
grundlegend anders.
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Ungeachtet dessen scheidet eine Haftung der Beklagten aufgrund unterlassener
Überprüfung der Bonität des Erlösausfallversicherers – sowie des unterbliebenen
Hinweises hierauf beim Beratungsgespräch – aber auch deshalb aus, weil der Kläger
die Schadensursächlichkeit dieser Pflichtverletzung weder dargelegt noch unter Beweis
gestellt hat. Der – insoweit darlegungs- und beweispflichtige - Kläger hat, obwohl die
Beklagte die Kausalität der behaupteten falschen und unvollständigen Information für
die Anlageentscheidung bereits in der Klageerwiderung bestritten hat (Bl. 45 GA), im
gesamten Rechtstreit nicht einmal behauptet, er hätte bei einem Hinweis der Beklagten
auf die unterbliebene Prüfung des Erlösausfallversicherers die Kapitalanlage nicht
gezeichnet. Auf die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens kann sich der Kläger in
diesem Zusammenhang nicht berufen, denn diese Vermutung greift – wie die Beklagte
mit Recht geltend macht - nicht ein, wenn die ordnungsgemäße Aufklärung beim
Vertragspartner einen Entscheidungskonflikt ausgelöst hätte, weil vernünftigerweise
nicht nur eine, sondern mehrere Möglichkeiten aufklärungsrichtigen Verhaltens
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bestanden (vgl. BGH NJW 04, 2967; 05, 1113). So liegt es, wenn – wie im Streitfall – die
Erzielung von Steuervorteilen Hauptzweck der Beteiligung ist (BGH ZIP 06, 668).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 11.000 €.
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