Urteil des OLG Köln vom 17.02.1998

OLG Köln (1995, vorstand, entlastung, aufsichtsrat, nichtigkeit, inhalt, prüfer, konzern, ergebnis, bericht)

Oberlandesgericht Köln, 22 U 163/97
Datum:
17.02.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 163/97
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 91 O 198/96
Normen:
AKTG §§ 131, 243, 256
Leitsätze:
1. Eine Anfechtung des Konzernbeschlusses nach § 256 AktG kommt
nicht in Betracht. 2. Der Antrag auf Feststellung der Richtigkeit des
Jahresabschlusses ist rechtsmißbräuchlich, wenn die Wiederholung des
Jahresabschlusses weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht zu
Änderungen oder neuen Erkenntnissen führen würde. 3. Ein
Hauptversammlungsbeschluß über die Entlastung des Vorstandes, der
unter Verletzung von Informationspflichten des Vorstands
zusammengekommen ist, ist anfechtbar, wenn davon auszugehen ist,
daß dieser Verstoß für das Zustandekommen des
Entlastungsbeschlusses relevant war.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Köln vom
11. Juni 1997 - 91 O 198/96 - unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Es wird
festgestellt, daß der in der ordentlichen Hauptversammlung der
Beklagten vom 10.9.1996 unter Tagesordnungspunkt 3 b) gefaßte
Beschluß, mit dem den im Geschäftsjahr 1995 tätigen
Vorstandsmitgliedern der Beklagten mit Ausnahme des Herrn P.H.
Entlastung erteilt worden ist, nichtig ist. Im übrigen wird die Klage
abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die
Klägerin zu 70 % und die Beklagte 30 %. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin
wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.200,-- DM
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung
durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,-- DM
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung kann auch durch
selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder
öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d
1
Die Beklagte ist die geschäftsführende Holding des K. Konzerns. Die K. H. W.
2
Aktiengesellschaft (nachfolgend "HW AG" genannt) ist ein 100 %iges
Tochterunternehmen der Beklagten und mit dieser durch einen Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag verbunden. Nach Feststellung des Konzern- und
Jahresabschlusses 1995 der Beklagten am 3. Mai 1995 wurden seit dem 24. Mai 1995
Verluste der HW AG in Höhe von über 779 Mio. DM aus Aufträgen für den Bau
schlüsselfertiger Zementwerke, insbesondere aus den saudi-arabischen Großaufträgen
H., R. und Y., bekannt, die auch für die Beklagte zu einer existenzbedrohenden Krise
führten. Die Verluste waren durch Bilanzmanipulationen bei der HW AG verdeckt
worden. Die Abschlußprüferin der Beklagten, die C. & L. Deutsche Revision
Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, widerrief in der Folge den für den
Jahresabschluß 1995 der Beklagten erteilten Bestätigungsvermerk. Die
Jahresabschlüsse der Beklagten und der HW AG für 1995 wurden sodann in laufender
Rechnung berichtigt und neu aufgestellt. Von einer rückwirkenden Änderung der
Jahresabschlüsse 1993 und 1994 wurde abgesehen.
Nach Bekanntwerden der Verluste der HW AG beauftragte der Aufsichtsrat der
Beklagten die W.-E. Deutsche Industrie-Treuhand GmbH, gemäß § 111 Abs. 2 AktG zu
prüfen, ob
3
"(1) den Mitgliedern des Vorstandes der K. AG bereits zum Zeitpunkt der Aufstellung
4
von deren ursprünglichem Jahres- und Konzernabschluß 1995 Informationen vorge-
5
legen haben, aufgrund derer sie - ggf. jeweils einzeln - eine andere Bilanzierung
6
im Jahresabschluß 1995 der K. H. W. AG, K., ... hätten fordern
7
(und damit mittelbar eine andere Bilanzierung im Jahres- und Konzernabschluß
8
1995 der K. AG hätten vornehmen) müssen, und
9
(2) dem Vorstand der K. AG, soweit ihm die entsprechenden Informationen nicht
10
vorlagen, Mängel in der Organisation oder der Durchführung der Konzernkontrolle
11
zuzurechnen sind."
12
Zur Zeit der Aufstellung des Jahres- und Konzernabschlusses 1995 gehörten dem
Vorstand der Beklagten die Herren S. (Vorstandsvorsitzender seit dem 15.6.1995), E.
und H. (stellvertretendes Vorstandsmitglied seit dem 5.5.1995 und in Personalunion
Vorsitzender des Vorstands der HW AG) an.
13
Mit Schreiben vom 2.8.1996 hat die W.-E. Deutsche-Industrie Treuhand GmbH dem
Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Beklagten, Herrn Dr. E., die Ergebnisse der
Sonderuntersuchung mitgeteilt. Der Bericht schließt mit der zusammenfassenden
Erklärung:
14
"Wir gelangen daher insgesamt zu dem Ergebnis, daß den Herren S.
15
und E. nicht Mängel in der Organisation oder der Durchführung der
16
Konzernkontrolle zuzuordnen sind, die dazu geführt haben, daß ihnen die er-
17
heblichen Verluste der HW AG zum Zeitpunkt der Aufstellung des urspüngli-
18
chen Jahres- und Konzernabschlusses 1995 der K. nicht bekannt waren."
19
Die Klägerin ist Aktionärin der Beklagten. In der Hauptversammlung der Beklagten vom
10.9.1996, die von dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. E. geleitet wurde, lagen der vom
Aufsichtsrat der Beklagten festgestellte berichtigte Jahresabschluß 1995 der Beklagten,
der berichtigte Lagebericht 1995 der Beklagten und der Bericht des Aufsichtsrats der
Beklagten über das Geschäftsjahr 1995 vor. Ebenso wurden der berichtigte
Konzernabschluß zum 31.12.1995 und der berichtigte Konzernlagebericht vorgelegt.
20
Zu Beginn der nahezu 12stündigen Hauptversammlung, in der die Frage nach den
Ursachen und der Verantwortung für die bei der HW AG eingetretenen Verluste und
deren Verschleierung im Vordergrund der Erörterungen stand, führte der
Aufsichtsratsvorsitzende vor Eintritt in die Tagesordnung u.a. aus, die vom Aufsichtsrat
veranlaßte Sonderuntersuchung nach § 111 AktG komme zu dem Schluß, daß "die
Verlustverschleierung nur hätte aufgedeckt werden können, wenn die Geschäftsräume
bei der W. durchsucht und die Akten auf den arabischen Baustellen eingesehen worden
wären". Er fügte hinzu, daß eine solche Vorgehensweise angebracht gewesen wäre,
wenn der Aufsichtsrat kein Vertrauen in Herrn H. und den H.-W.-Vorstand gehabt hätte.
Hierfür habe jedoch angesichts der mehr als zwanzigjährigen erfolgreichen Tätigkeit
von Herrn H. und des hohen Ansehens des H.-W.-Vorstands kein Anlaß bestanden (S. 3
des Wortprotokolls).
21
An anderer Stelle seiner Ausführungen erklärte der Aufsichtratsvorsitzende, der jetzige
Vorstand genieße das Vertrauen des Aufsichtsrates, der sich hierin auch durch das
Ergebnis der Sonderuntersuchung bestätigt fühle. Die Prüfer seien zu dem Ergebnis
gekommen, daß weder Herrn S. noch Herrn E. ein Vorwurf gemacht werden könne und
daß ihnen auch keine Mängel in der Organisation oder in der Konzernkontrolle
zuzurechnen seien. Der Aufsichtsrat habe diese Ergebnisse in der Aufsichtsratssitzung
am 2.8.1995 eingehend diskutiert und mit den Prüfern besprochen. Er schließe sich
diesem Urteil uneingeschränkt an. Die wichtigsten Ergebnisse des Berichts könnten die
Anwesenden am Bildschirm verfolgen. Den Aktionärinnen und Aktionären wolle man
den gesamten Bericht zugänglich machen, sobald die Verhandlungen über die
Großaufträge in Saudi-Arabien abgeschlossen und die Ermittlungen gegen die
Schuldigen weiter gediehen seien (S. 5 des Wortprotokolls).
22
Auf die einleitenden Ausführungen des Aufsichtsratsvorsitzenden folgte der Bericht des
Vorstandsvorsitzenden der Beklagten. Der Vorstandsvorsitzende erklärte u.a., bis zum
24.Mai 1996 seien die Verluste der HW AG weder im Zusammenhang mit der
Feststellung des Jahresabschlusses 1995 noch zu anderen Gelegenheiten, z.B. bei der
Berichterstattung des für den Industrieanlagenbereich zuständigen K.-
Vorstandsmitglieds in den K.-AG-Vorstandssitzungen und im K.-Aufsichtsrat, noch in
den Vorstandssitzungen der H. W. noch durch die von Herrn E. und ihm selbst
zusätzlich durchgeführten Kontrollen erkennbar gewesen. Er legte dar, in welcher Weise
der Vorstand bei der Kontrolle der HW AG vorgegangen sei und daß Vorstand und
Aufsichtsrat der K. AG die Manipulationen aufgrund einer in sich geschlossenen
Täterkette nicht hätten erkennen können. Die Informationen über die Verluste seien
bewußt unterdrückt worden, indem die Berichterstattung über die Ergebnislage der HW
23
AG insgesamt und im speziellen die Situation der drei saudi-arabischen Großaufträge
systematisch unterdrückt worden seien. Gegen organisierte Manipulationen durch
Kollegen und Mitarbeiter, mit denen man täglich umgehe und denen man vertraue, sei
auch das beste Controlling nicht geschützt. Diese Auffassung werde auch von dem
unabhägigen Gutachter W.-E. ausdrücklich bestätigt (S. 14 des Wortprotokolls).
Im unmittelbaren Anschluß an den Bericht des Vorstandsvorsitzenden stellte der
Geschäftsführer der Klägerin, Herr F., den Antrag zur Geschäftsordnung, die
Beschlußfassung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat auf die nächste
ordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft zu vertagen. Zur Begründung des
Antrags führte er u.a. aus, darin, daß man den Aktionären das Gutachten über die
Sonderuntersuchung nicht vor Abschluß der staatsanwaltlichen Ermittlungen
aushändigen wolle, sehe er das beste Argument für die Vertagung der Beschlußfassung
solange man nicht wisse, "... was Ihre eigenen Gutachter nun auf unsere Kosten
ausgegutachtet haben" (S. 27 des Wortprotokolls).
24
Im weiteren Verlauf forderten auch andere Hauptversammlungsteilnehmer die
Bekanntgabe des gesamten Inhalts des Sondergutachtens. So bat der Aktionärsvertreter
Dr. P. darum, das Gutachten an Ort und Stelle im vollen Wortlaut einzusehen zu können,
u.a. weil er glaube, "... daß die Aussagen darin sich vielleicht anders lesen lassen
könnten, als sie im Endergebnis interpretiert werden..." (S. 38 des Wortprotokolls). Auf
die Frage von Herrn Dr. P., warum das Gutachten noch nicht veröffentlicht werde,
antwortete der Aufsichtsratsvorsitzende, das ergebe sich "...einfach daraus, daß Herr S.
bei seinen Verhandlungen mit den saudi-arabischen Auftraggebern noch nicht zu Ende
gekommen ist und daß in dem Gutachten dieser Komplex eine wichtige Rolle spielt."
Man wolle nicht, "...daß dies an die Öffentlichkeit kommt, bevor hier unterschrieben
worden ist" (S. 90 des Wortprotokolls). Im weiteren Verlauf teilte der
Aufsichtsratsvorsitzende auf Bitten des Geschäftsführers der Klägerin dann den für die
Sonderuntersuchung erteilten Prüfungsauftrag im Wortlaut mit. Auf den anschließenden
Zuruf von Herrn F. "Und das Ergebnis ?" erklärte er: "Das Ergebnis haben wir Ihnen zu
Anfang der Sitzung an die Wand geworfen. Es ist ein längerer Bericht, der am Schluß zu
dem Ergebnis kommt, daß beiden Herren in keinem der beiden Punkte ein Vorwurf zu
machen ist. Wir werden Ihnen aber dieses Gutachten zugänglich machen, sobald die
Verhandlungen mit den saudischen Auftraggebern abgeschlossen sind" (S. 138/139
des Wortprotokolls).
25
Der Aktionär K. bat um eine Erklärung dafür, warum das Gutachten vorenthalten werde,
er frage, was man zu verbergen oder zu befürchten habe (S. 162 des Wortprotokolls).
Auch der Aktionär Ke. bat, ihm das Gutachten zur Einsicht auszuhändigen (S. 168 des
Wortprotokolls).
26
Im weiteren Verlauf der Hauptversammlung hat der Vorstandsvorsitzende der Beklagten
dann noch im Zusammenhang mit der Frage des Aktionärs Prof. Dr. W. ob Vorgänge,
die im "Manager-Magazin" zitiert worden seien, "Gegenstand des
Persilscheingutachtens von W.-E." gewesen seien und ob keine Prüfung erfolgt sei,
folgende Passage aus dem Gutachten vorgelesen:
27
"Einen externen Hinweis auf mögliche Verluste erhielt Herr E. im
28
Dezember 1994, als ihm von dritter Seite die Behauptung des Vorstands-
29
vorsitzenden eines deutschen Konkurrenten zugetragen wurde, Verluste
30
aus den saudi-arabischen Zementanlagen seien wegen unakzeptabler
31
Konditionen bereits bei Vertragsschluß absehbar gewesen und dürften
32
sich infolge der zu erwartenden Terminüberschreitungen im Fall H.
33
noch erhöhen. Herr H., den Herr E. um eine Stellung-
34
nahme gebeten hatte, widersprach den Behauptungen in Übereinstimm-
35
ung mit seiner bisherigen Darstellung und erklärte entsprechende, auch
36
in der Presse zitierte Branchengerüchte mit der Vermutung, Konkurrenten
37
seien offenbar verärgert, die Aufträge nicht selbst erlangt zu haben."
38
(Bl. 201 des Wortprotokolls)
39
Der Aktionär Prof. Dr. W. hat dann im weiteren Verlauf noch nachgefragt, ob die von ihm
geschilderten Vorgänge "im Persilgutscheingutachten geprüft" worden seien, und ob die
vorgelesene Passage "...alles war, was sich auf diesen Komplex bezog" (s. 208 des
Wortprotokolls).
40
In der Abstimmung zu Punkt 3 a) der Tagesordnung hat die Hauptversammlung Herrn
P.H. mit einer Mehrheit von 89 % die Entlastung verweigert. Allen übrigen im
Geschäftsjahr tätigen Vorstandsmitgliedern wurde in der Abstimmung zu Punkt 3 b) der
Tagesordnung mit 80.9 % die Entlastung erteilt. Zu Punkt 4) der Tagesordnung wurde
dem Aufsichtsrat der Beklagten für das Geschäftsjahr 1995 mit 81,2 % der Stimmen
Entlastung erteilt. Der Vorsitzende gab das Ergebnis der Beschlüsse zu 3 b) und 4)
jeweils mit dem Bemerken bekannt, daß damit zugleich die Gegenanträge - dazu
gehörte auch der Vertagungsantrag des Geschäftsführers der Klägerin - erledigt seien.
Der Geschäftsführer der Klägerin erklärte namens und in Vollmacht der Klägerin
Widerspruch gegen die Beschlüsse zu 3 a), 3 b), und 4) zu Protokoll.
41
Mit der Klage hat die Klägerin die vorbezeichneten Hauptversammlungsbeschlüsse
angefochten und darüber hinaus die Feststellung der Nichtigkeit der Jahres- und
Konzernabschlüsse 1994 und 1995 der Beklagten beantragt. Sie hat vorgetragen, die
Jahresabschlüsse der Beklagten einschließlich der Konzernabschlüsse für 1994 und
1995 seien nichtig. Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses zum 31.12.1995 ergebe sich
aus Gründen der Bilanzkontinuität aufgrund des nichtigen Jahresabschlusses zum
31.12.1994. Die HW AG habe die ab 1994 errichteten Zementfabriken in Arabien nicht
kostendeckend hereingenommen. Die Jahresabschlüsse der Beklagten 1993 und 1994
hätten daher ein unzutreffendes Bild über die Vermögens- und Ertragslage gegeben.
Der Beteiligungsansatz sei ebenso unzutreffend bewertet wie die Forderungen an
verbundene Unternehmen. Es liege damit ein Fall des § 256 Abs. 5 AktG vor. Bei
zutreffender Bilanzierung 1994 hätte nicht ein Jahresfehlbetrag von 308 Mio. DM,
sondern ein solcher von weit mehr als 1 Mrd. DM ausgewiesen werden müssen. Es
liege daher auch ein Verstoß gegen § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG vor. Der Jahresabschluß
1995 gehe von falschen Ausgangszahlen des Vorjahres aus und führe im
42
Anlagespiegel, den Verlustvorträgen und den Aufwendungen und Erträgen zu falschen
Zahlen. Er sei daher nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 AktG nichtig. Da sich der
Geschäftsbericht der Beklagten zu der Nichtigkeit der Vorjahresabschlüsse nicht
verhalte, vermittle er kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild i.S.v. §§
289 Abs. 1, 315 Abs. 1 HGB. Der Vorstand der Beklagten habe sich geweigert, die
Jahresabschlüsse 1993 und 1994 den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen, wohl
weil ein geänderter Jahresabschluß zwingend zu einer Rückzahlung zu Unrecht
erhaltener abschlußbezogener Tantiemen führen würde. Da aber der Jahresabschluß
1995 der Beklagten nichtig sei, fehle es auch an der Grundlage für die Beschlußfassung
über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat.
Die Klägerin hat die Beschlüsse über die Entlastung des Vorstands und des
Aufsichtsrats überdies gemäß § 243 Abs. 4 AktG wegen Auskunftsverweigerung
angefochten. Sie hat die Auffassung vertreten, indem der Vorstand der Beklagten sich
geweigert habe, das Sondergutachten der W.-E. Deutsche Industrie Treuhand GmbH in
der Hauptversammlung vom 10.9.1996 den Aktionären in vollem Umfang zur Kenntnis
zu geben, habe er das Auskunftsrecht der Aktionäre verletzt. Außerdem seien Fragen
der Klägerin zu den Baustellen Y. und R. und zu dem Zeitpunkt, in dem der Aufsichtsrat
der Beklagten von dem Prüfungsbericht vom 17.4.1996 Kenntnis erhalten habe, nicht
beantwortet worden. Im übrigen könnten die Entlastungsbeschlüsse auch deshalb
keinen Bestand haben, weil die D. Bank AG wegen der Verletzung der
Mitteilungspflichten gemäß § 21 ff WpHG bzw. § 20 AktG nicht hätte mitstimmen dürfen.
43
Die Klägerin hat beantragt,
44
1. Es wird festgestellt, daß die Jahresabschlüsse sowie die Konzernabschlüsse
45
der Beklagten zum 31.12.1994 und zum 31.12.1995 nichtig sind;
46
hilfsweise,
47
es wird festgestellt, daß die Jahresabschlüsse der Beklagten zum 31.12.1995
48
nichtig sind, und es wird weiterhin festgestellt, daß die Konzernabschlüsse
49
der Beklagten zum 31.12.1994 und zum 31.12.1995 insoweit falsch sind, als
50
sie kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermö-
51
gens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns vermitteln;
52
2. Die in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 10.9.1996
53
unter den Tagesordnungspunkten 3 a und 3 b gefaßten Beschlüsse auf
54
Entlastung des Vorstands bzw. Nichtentlastung des Herrn P.H.
55
werden für nichtig erklärt;
56
hilfsweise,
57
es wird festgestellt, daß die in der ordentlichen Hauptversammlung der
58
Beklagten vom 10.9.1996 unter den Tagesordnungspunkten 3 a und 3 b
59
gefaßten Beschlüsse auf Entlastung des Vorstands bzw. Nichtentlastung
60
des Herrn P.H. nichtig sind,
61
äußerst hilfsweise,
62
es wird festgestellt, die in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklag-
63
ten vom 10. 9.1996 unter den Tagesordnungspunkten 3 a und 3 b
64
gefaßten Beschlüsse auf Entlastung des Vorstands bzw. Nichtentlastung
65
des Herrn P.H. sind unwirksam;
66
3. der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 10.9.1996
67
unter Tagesordnungspunkt 4 gefaßte Beschluß über die Entlastung des
68
Aufsichtsrats wird für nichtig erklärt;
69
hilfsweise,
70
es wird festgestellt, daß der in der ordentlichen Hauptversammlung der
71
Beklagten vom 10. September 1996 unter Tagesordnungspunkt
72
4 gefaßte Beschluß über die Entlastung des Aufsichtsrats nichtig ist;
73
äußerst hilfsweise,
74
es wird festgestellt, daß der in der ordentlichen Hauptversammlung der
75
Beklagten vom 10. September 1996 unter Tageordnungspunkt 4 gefaß-
76
te Beschluß über die Entlastung des Aufsichtsrats unwirksam ist.
77
Die Beklagte hat beantragt,
78
die Klage abzuweisen.
79
Sie hat vorgetragen, bezüglich der Konzernabschlüsse sei der Klageantrag zu 1)
unzulässig, weil der Konzernabschluß nicht i.S. von § 256 Abs. 1 AktG festgestellt
werde. Der Jahresabschluß 1994 sei nicht nichtig. Wenn nach jetzigem Kenntnisstand
nicht auszuschließen sei, daß wegen der Verluste und Risiken der HW AG einzelne
Aktiva in ihrem Jahresabschluß 1994 erheblich überbewertet worden seien und
Verbindlichkeiten aus der Verlustübernahme nicht im erforderlichen Umfang eingestellt
worden seien, ergebe sich daraus gem. § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG Nichtigkeit nur,
80
wenn wenigstens eines ihrer Vorstandsmitglieder die Verluste und Risiken zum
Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses gekannt hätte oder als ordentlicher
Kaufmann hätte kennen müssen. Das sei, wie auch in dem Sondergutachten festgestellt
worden sei, nicht der Fall gewesen. Im übrigen führe eine etwaige Nichtigkeit des
Jahresabschlusses 1994 nicht zur Nichtigkeit des Folgeabschlusses 1995. Für die
Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses 1994 bestehe auch kein
Rechtsschutzbedürfnis. Eine Neuaufstellung erübrige sich, da die erforderlichen
inhaltlichen Berichtigungen durch Korrekturbuchungen bei der Aufstellung des
Folgeabschlusses in laufender Rechnung vorgenommen worden seien. Aufgrund der
umfassenden Korrekturen vermittele der Jahresabschluß 1995 ein den tatsächlichen
Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der
Gesellschaft gem. § 264 Abs. 2 HGB. Eine Neuaufstellung des Jahresabschlusses 1994
sei auch deshalb nicht erforderlich, weil die Beklagte schon seit 1986 keine Dividende
mehr ausgeschüttet habe. Für 1994 seien im Inland keine Ertragssteuern gezahlt
worden. Die dem Vorstand Mitte 1995 für 1994 gezahlten Tantiemen seien nicht
abschlußabhängig gezahlt worden.
Die Beklagte hat den Standpunkt eingenommen, daß das Auskunftsrecht der Aktionäre
im Zusammenhang mit der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat nicht verletzt
worden sei. Die Ergebnisse des Sondergutachtens seien in der Hauptversammlung
erläutert worden und hätten auch über Bildschirm verfolgt werden können. Über die
Lage der Gesellschaft und des Konzerns sei Auskunft erteilt worden. Die gestellten
Fragen seien beantwortet worden. Da Pflichtverletzungen des Vorstands, mit Ausnahme
des Herrn H., und des Aufsichtsrats nicht festzustellen gewesen seien, habe keine
Berechtigung der Hauptversammlung bestanden, die Entlastung zu verweigern. Die
Stimmabgabe der D. Bank AG bei den Entlastungsbeschlüssen sei wirksam, da die
Aktionärin mit Schreiben vom 21.6.1995 an die Beklagte und das Bundesaufsichtsamt
für das Wertpapierwesen die Mitteilungen gem. den §§ 41 Abs. 2 i.V.m. 21 Abs. 1, 22
und 24 WpHG sowie § 20 Abs. 1, Abs. 3 AktG gemacht habe.
81
Durch Urteil vom 11.6.1997 - 91 O 198/96 -, auf das wegen sämtlicher Einzelheiten
Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung
hat das Landgericht ausgeführt, hinsichtlich der Konzernabschlüsse sei der
Feststellungsantrag unzulässig, da diese keine rechtsgeschäftliche Basis hätten und
daher nicht feststellungsfähig seien. Im übrigen fehle es bezüglich des
Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses zum 31.12.1994 am
Feststellungsinteresse. Zwar seien diese Abschlüssse inhaltlich unrichtig, weil sie die
existenzbedrohenden Verluste bei der Tochtergesellschaft der Beklagten nicht
offenlegten. Ob sie dieserhalb nichtig seien, könne aber dahinstehen, denn auch bei
Berücksichtigung des Interesses der Gläubiger der Beklagten an einem wahren
Abschluß sei die Notwendigkeit einer Neuaufstellung nicht zu erkennen, da aufgrund
des Jahresabschlusses zum 31.12.1994 keine Vermögensdispositionen getroffen
worden seien. Die Beklagte habe unwidersprochen vorgetragen, daß im Inland 1994
keine Ertragssteuern gezahlt worden seien, seit 1986 keine Dividende mehr gezahlt
werde und die Mitte 1995 an den Vorstand gezahlte Tantieme abschlußunabhängig
gezahlt worden sei.
82
Hinsichtlich des Jahresabschlusses zum 31.12.1995 hat das Landgericht die Klage als
unbegründet angesehen. Die Wirksamkeit dieses Abschlusses bleibe von einer
etwaigen Nichtigkeit des Abschlusses zum 31.12.1994 unberührt, da die Nichtigkeit des
vorgelagerten Jahresabschlusses keinen gesetzlichen Nichtigkeitsgrund darstelle. Ein
83
Verstoß gegen Bewertungsvorschriften liege nicht vor, und die Bilanzkontinuität im
formellen Sinne sei gewahrt, wie der Verlustvortag im Jahresabschluß zum 31.12.1995
zeige. Wenn zunächst die Jahresabschlüsse nach dem Kenntnisstand von 1995
geändert würden, würde sich daher am Ergebnis des Jahresabschlusses zum
31.12.1995 nichts ändern.
Eine Verletzung des Auskunftsrechts der Klägerin hat das Landgericht mit der
Begründung verneint, daß gemäß § 337 Abs. 2 AktG im vorliegenden Fall eines
Mutterunternehmens im Konzern als Grundlage für die Entscheidung über die
Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat der Hauptversammlung, wie geschehen, der
Konzernabschluß und der Konzernlagebericht vorzulegen seien. Für ein
weitergehendes Auskunftsrecht bezüglich dieses Tageordnungspunktes finde sich im
Gesetz keine Grundlage. Insbesondere bestehe zur Vorbereitung des
Entlastungsbeschlusses kein Auskunftsrecht mit dem Ziel der Feststellung
pflichtwidrigen Verhaltens der Organmitglieder. Vielmehr sei es das souveräne Recht
der Hauptversammlung, den Organmitgliedern trotz festgestellten pflichtwidrigen
Verhaltens oder in Kenntnis eines unaufgeklärten, möglicherweise pflichtwidrigen
Verhaltens Entlastung zu erteilen. Daß die D. Bank AG nicht habe abstimmen dürfen,
habe die Klägerin nicht substantiiert dargetan. Es genüge nicht, daß sie mit Nichtwissen
bestreite, ob die Mitteilung der Bank an das Bundesaufsichtsamt für das
Wertpapierwesen gesandt worden sei.
84
Gegen dieses ihr am 13.6.1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 14.7.1997
eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.9.1997 mit am 12.9.1997 eingegangenem
Schriftsatz begründet hat.
85
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge in teilweise
modifizierter Form weiter und begehrt darüber hinaus zu 1) ihres Klageantrags
hilfsweise auch die Feststellung, daß auch der Jahresabschluß zum 31.12.1994 nichtig
ist.
86
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinsttanzliches Vorbringen. Sie hält
insbesondere daran fest, daß ein mangelhafter Konzernabschluß nicht hingenommen
werden könne. Wenn der Konzernabschluß auch für die Ansprüche der Anteilseigner,
der Gläubiger und des Fiskus und daher für die Ermittlung des verteilbaren
Jahresgewinns sowie des steuerlichen Gewinns keine Bedeutung habe, so sei er doch
für die Beurteilung der Ausschüttungspolitik des Mutterunternehmens von Bedeutung.
Wolle man gleichwohl eine analoge Anwendung des § 256 Abs. 1 AktG ablehnen, so
bestehe aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses doch jedenfalls ein allgemeines
Feststellungsinteresse der Klägerin an der hilfsweise beantragten Feststellung, daß die
Konzernabschlüsse zum 31.12.1994 und 31.12.1995 insoweit falsch seien, als sie kein
den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und
Ertragslage des Konzerns vermittelten. Zu Unrecht habe das Landgericht auch ein
Feststellungsinteresse bezüglich der Nichtigkeit des Jahresabschlusses zum
31.12.1994 verneint. Nach § 256 Abs. 7 AktG i.V.m. § 249 AktG sei insoweit ein
besonderes Feststellungsinteresse nicht erforderlich. Der Jahresabschluß 1994 der
Beklagten sei falsch, da u.a. die Beteiligung an der HW AG und die Position
"Forderungen an verbundene Unternehmen" falsch und überbewertet seien. Es handele
sich um einen Fall einer unzulässigen Überbewertung i.S.d. § 256 Abs. 5 Nr. 1 AktG.
Was den Jahresabschluß 1995 angehe, so fehle die Vergleichbarkeit im Zeitablauf.
87
Seien die Vorjahresbeträge nicht vergleichbar, so sei dies im Anhang anzugeben und
zu erläutern. Würden andernfalls die Vorjahresbeträge angepaßt, sei auch dies im
Anhang anzugeben und zu erläutern. Von beiden Varianten sei im Jahresabschluß
1995 kein Gebrauch gemacht worden.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Fragerecht des Aktionärs sei entgegen den
abweichenden Ausführungen des Landgerichts uneingeschränkt. Die Tatsache, daß die
Mehrheit die Entlastung ablehne oder aussprechen könne, unterscheide die
Entlastungsbeschlüsse auch nicht von anderen möglichen Beschlüssen. Zu Unrecht sei
das Landgericht auch von der Stimmberechtigung der D. Bank AG ausgegangen, da die
Beklagte nicht bewiesen habe, daß das Stimmrecht ordnungsgemäß ausgeübt worden
sei. Wegen der fehlenden Stimmberechtigung der D. Bank sei der Entlastungsbeschluß
der Hauptversammlung insgesamt nicht ordnungsgemäß zustandegekommen. Deshalb
unterliege auch die an sich berechtigte Nichtentlastung des Vorstandsmitgleids H. der
Anfechtung.
88
Die Klägerin beantragt,
89
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
90
1) festzustellen, daß die Jahresabschlüsse sowie die Konzernabschlüsse der
91
Beklagten zum 31. Dezember 1994 und zum 31. Dezember 1995 nichtig sind,
92
hilfsweise festzustellen, daß die Jahresabschlüsse der Beklagten zum 31. De-
93
zember 1994 und zum 31.Dezember 1995 nichtig sind und daß die Konzern-
94
abschlüsse der Beklagten zum 31.Dezember 1994 und zum 31. Dezember
95
1995 insoweit unrichtig sind, als sie kein den tatsächlichen Verhältnissen ent-
96
sprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns der
97
Beklagten vermitteln;
98
äußerst hilfsweise, festzustellen, daß die Jahresabschlüsse der Beklagten
99
zum 31. Dezember 1994 und zum 31. Dezember 1995 unwirksam sind und
100
daß die Konzernabschlüsse der Beklagten zum 31. Dezember 1994 und zum
101
31. Dezember 1995 insoweit unrichtig sind, als sie kein den tatsächlichen
102
Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage
103
des Konzerns der Beklagten vermitteln;
104
2) die in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 10. Sep-
105
tember 1996 zu den Tagesordnungspunkten 3 a und 3 b gefaßten Be-
106
schlüsse auf Entlastung des Vorstands und auf Nichtentlastung des Herrn
107
P.H. für nichtig zu erklären,
108
hilfsweise festzustellen, daß die in der ordentlichen Hauptversammlung der
109
Beklagten vom 10. September 1996 zu den Tagesordnungspunkten 3 a
110
3 b gefaßten Beschlüsse auf Entlastung des Vorstands und auf Nichtent-
111
lastung des Herrn P.H. nichtig sind,
112
äußerst hilfsweise festzustellen, daß die in der ordentlichen Hauptver-
113
sammlung der Beklagten vom 10. September 1996 zu den Tagesord-
114
nungspunkten 3 a und 3 b gefaßten Beschlüsse auf Entlastung des
115
Vorstands und auf Nichtentlastung des Herrn P.H. unwirk-
116
sam sind;
117
3) den in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 10. Sep-
118
tember 1996 zu Tagesordnungspunkt 4 gefaßten Beschluß über die Ent-
119
lastung des Aufsichtsrats für nichtig zu erklären,
120
hilfsweise festzustellen, daß der in der ordentlichen Hauptversammlung
121
der Beklagten vom 10. September 1996 zu Tagesordnungspunkt 4 gefaßte
122
Beschluß über die Entlastung des Aufsichtsrats nichtig ist;
123
äußerst hilfsweise festzustellen, daß der in der ordentlichen Hauptver-
124
sammlung der Beklagten vom 10. September 1996 zu Tagesordnungs-
125
punkt 4 gefaßte Beschluß über die Entlastung des Aufsichtsrats unwirksam
126
ist.
127
Die Beklagte beantragt,
128
die Berufung zurückzuweisen.
129
Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Sachvortrags das angefochtene Urteil. Sie vertritt die Auffassung, für die Feststellung
der Nichtigkeit des Jahresabschlusses zum 31.12.1994 fehle es bereits am allgemeinen
Rechtsschutzinteresse der Klägerin. Im übrigen sei der Jahresabschluß 1994 nicht
130
nichtig, da die Überbewertungen in der Bilanz der HW AG für den Vorstand der
Beklagten bei der Aufstellung des Jahresabschlusses nicht erkennbar gewesen seien.
Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses zum 31.12.1995 lasse sich auch nicht auf eine
angebliche Verletzung des § 265 Abs. 2 HGB stützen, da die sich aus den
Korrekturbuchungen ergebenden Abweichungen im Anhang des Geschäftsberichts
näher erläutert seien. Zu Recht habe das Landgericht auch eine Verletzung des
Auskunftsrechts der Klägerin verneint. Der Aktionär könne nach § 131 Abs. 1 Satz 1
AktG Auskunft nur verlangen, soweit dies zur sachgemäßen Beurteilung des gerügten
Stands der Tagesordnung erforderlich sei. Dabei sei ein strenger Maßstab anzulegen.
Wie sich dem Wortprotokoll der Hauptversammlung entnehmen lasse, seien Umfang
und Inhalt der Erläuterungen weit über das erforderliche Maß hinausgegangen. Im
Verlauf der Hauptversammlung habe der Vorstand allein etwa 80 Fragen der Klägerin
auch zu kleinsten Einzelpunkten beantwortet. Auf der Grundlage des dadurch erlangten
Wissensstandes hätte ein objektiv urteilender Aktionär über die Tagesordnungspunkte
Entlastung ohne weiteres abstimmen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den
vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und eingereichten
Unterlagen Bezug genommen.
131
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
132
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung der
Klägerin hat in der Sache nur in dem Punkte der Anfechtung des
Hauptversammlungsbeschlusses über die Entlastung des Vorstands der Beklagten
Erfolg. Im übrigen war sie zurückzuweisen.
133
I.
134
Den Klageanträgen bezüglich der Konzern- und Jahresabschlüsse 1994 und 1995 der
Beklagten muß auch bei Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Klägerin
insgesamt der Erfolg versagt bleiben.
135
1.
136
Zu Recht hat das Landgericht den Antrag der Klägerin auf Feststellung der Nichtigkeit
der Konzernabschlüsse der Beklagten zum 31.12.1994 und zum 31.12.1995 als
unzulässig angesehen. Allein Jahresabschlüsse können nichtig sein, weil nur sie eine
rechtsgeschäftliche Basis haben, Konzernabschlüsse dagegen nicht, weil sie gemäß §
337 Abs. 1 S. 1 AktG zwar dem Aufsichtsrat des Mutterunternehmens vorzulegen, aber
nicht feststellungsfähig sind (vgl. Hüffer, AktG, 3. A., § 256 Rn. 3 u. § 337 Rn. 5).
137
Auch eine analoge Anwendung des § 256 AktG auf Konzernabschlüsse scheidet aus.
Die Bestimmung des § 256 AktG bezweckt die Einschränkung der Nichtigkeitsgründe
und damit die Wahrung der Rechtssicherheit im Interesse der Gesellschaft, ihrer
Gläubiger und Aktionäre (Hüffer aaO § 256 Rn. 1). Eine ihren Anwendungsbereich
erweiternde Analogie widerspräche daher dem Gesetzeszweck und ist somit
unzulässig.
138
2.
139
Soweit die Klägerin hilfsweise beantragt, festzustellen, daß die Konzernabschlüsse
"unrichtig" seien, fehlt es bereits an dem für eine Feststellungsklage erforderlichen
Feststellungsinteresse. Die Klägerin verlangt insoweit nicht die Feststellung des
Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder einzelner Beziehungen
oder Folgen eines solchen Rechtsverhältnisses. Ihre Anträge sind vielmehr allein auf
die Feststellung einer Tatsache gerichtet, denn nach ihrem eigenen zutreffenden
Berufungsvorbringen hat der Konzernabschluß keinerlei Wirkung auf die Aktionäre.
Davon abgesehen fehlt es dem Hilfsanträgen der Klägerin auch schon an der für die
Zulässigkeit des Klageantrags erforderlichen hinreichenden Bestimmtheit des
Klagebegehrens. Sie lassen nicht erkennen, in welchen konkreten Punkten
Abweichungen zwischen den "tatsächlichen Verhältnissen" und den Angaben in den
Abschlüssen festgestellt werden sollen.
140
3.
141
Zu Recht hat das Landgericht auch den Antrag der Klägerin auf Feststellung der
Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 1994 und 1995 abgewiesen.
142
Auch wenn, wie die Klägerin insoweit zutreffend ausführt, nach § 256 Abs. 7 i.V.m. §
249 AktG ein besonderes Feststellungsinteresse an der Feststellung der Nichtigkeit des
Jahresabschlusses nicht erforderlich ist, so muß doch wie für jede andere Klage in
jedem Fall das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der Feststellung vorhanden sein.
Bietet aber die kostenaufwendige Wiederholung des Jahresabschlusses - als
Konsequenz aus einer Nichtigerklärung - keinerlei Vorteil für den Aktionär, besteht kein
rechtlich zu billigendes Interesse an der Nichtigkeitserklärung. Die gleichwohl hierauf
gerichtete Klage kann nur als rechtsmißbräuchlich angesehen werden (vgl. für den Fall,
daß trotz mangelfreier Wiederholung des nichtigen Beschlusses auf Feststellung der
Nichtigkeit geklagt wird, BGH NJW 1956, 1753).
143
In Übereinstimmung mit dem Landgericht ist davon auszugehen, daß eine
Neuaufstellung der Jahresabschlüsse 1994 und 1995 der Beklagten weder in
tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu Änderungen oder neuen relevanten
Erkenntnissen führen könnte, die den damit verbundenen Aufwand auch nur im Ansatz
zu rechtfertigen vermöchten. Wie die Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht in
Abrede stellt, hätte die Neuaufstellung der Jahresabschlüsse aus den im angefochtenen
Urteil ausgeführten Gründen keinerlei Auswirkungen auf Vermögensdispositionen der
Beklagten, denn unstreitig hat die Beklagte 1994 im Inland keine Ertragssteuern gezahlt,
ist seit 1986 keine Dividende mehr gezahlt worden und war die Höhe der Mitte 1995 an
den Vorstand gezahlten Tantieme abschlußunabhängig.
144
Eine Neuaufstellung ist darüber hinaus aber auch nicht aus Gründen der
Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse notwendig. Ist der vorgelagerte Jahresabschluß
nichtig, so tritt nach h.M., der auch der Senat folgt, nicht ohne weiteres die Nichtigkeit
der nachfolgenden Jahresabschlüsse ein, denn die Nichtigkeit des vorgelagerten
Jahresabschlusses ist in der abschließenden Regelung des § 256 AktG nicht als
eigenständiger Nichtigkeitsgrund genannt. Der Folgeabschluß ist vielmehr nur nichtig,
wenn er Fehler seines Vorgängers wiederholt (vgl. Hüffer aaO § 256 Rn. 34 m.N.).
Letzteres trifft auf den berichtigten Jahresabschluß 1995 der Beklagten jedoch nicht zu,
denn er beruht unstreitig auf dem erst im Anschluß an das Bekanntwerden der
Fälschungen bei der HW AG ermittelten neuen Zahlenwerk. Die für die in laufender
Rechnung vorgenommene Berichtigung des Jahresabschlusses 1995 maßgeblichen
145
Abweichungen gegenüber dem Zahlenwerk des Jahresabschlusses 1994 sind dabei im
Geschäftsbericht 1995 der Beklagten eingehend und nachvollziehbar dargestellt. Daß
die Erläuterungen im Geschäftsbericht in einem wesentlichen Punkt unzutreffend wären
oder der berichtigte Jahresabschluß 1995 wiederum falsche Bewertungszahlen
enthielte, läßt sich auch dem Sachvortrag der Klägerin nicht entnehmen. Die
Bilanzkontinuität im Verhältnis zum Jahresabschluß 1994 ist daher durch den
berichtigten Jahresabschluß 1995 gewahrt. Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar,
daß die Wiederholung der Jahresabschlüsse in irgendeinem Punkte zu relevanten
neuen Erkenntnissen führen könnte, denn auch für die Neuaufstellung könnte, wie die
Beklagte mit Recht geltend macht, wiederum nur auf die nachträglich bekannt
gewordenen Erkenntnisse abgestellt werden, die bereits in den berichtigten
Jahresabschluß 1995 Eingang gefunden haben.
Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer Neuaufstellung der Jahresabschlüsse
ergibt sich auch nicht deshalb, weil die Klägerin, wie sie vorträgt, erwägt, (ehemalige)
Mitglieder des Vorstands bzw. des Aufsichtsrates der Beklagten für die eingetretenen
Verluste in Anspruch zu nehmen und dabei im Hinblick auf eingetretene
Personalwechsel auf genaue zeitliche Feststellungen dazu angewiesen wäre, wann die
Verluste im einzelnen entstanden sind. Für eine solche zeitliche Eingrenzung der
Verantwortlichkeiten der handelnden Personen böten auch neue Jahresabschlüsse
schon deshalb keine geeignete Grundlage, weil sie in jedem Fall auf der Grundlage der
jetzt vorliegenden neuen Erkenntnisse zu erstellen wären.
146
II.
147
Soweit die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit von
Hauptversammlungsbeschlüssen begehrt, war das angefochtene Urteil auf die Berufung
hin teilweise abzuändern.
148
1.
149
Die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses zu 3 b) der Tagesordnung der
Hauptversammlung vom 10.9.1996 führt zur Feststellung der Nichtigkeit dieses
Beschlusses. Der Beschluß, mit dem die Hauptversammlung mehrheitlich den
Mitgliedern des Vorstandes mit Ausnahme des Herrn P.H. die Entlastung für das
Geschäftsjahr 1995 erteilt hat, ist nichtig, weil er unter Verletzung der
Informationspflichten der Beklagten zustande gekommen ist und davon auszugehen ist,
daß dieser Verstoß für das Zustandekommen des Entlastungsbeschlusses relevant war.
150
Gemäß § 131 Abs. 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung
vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur
sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Die
unberechtigte Verweigerung der Auskunft berechtigt zur Anfechtung des davon
betroffenen Beschlusses (§ 243 Abs. 43 AktG). Das gilt für Entlastungsbeschlüsse wie
für jeden anderen Hauptversammlungsbeschluß. Das Anfechtungsrecht steht dabei
nicht nur dem Aktionär zu, der die Auskunft begehrt hat, sondern jedem Aktionär, der
Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat (BGH ZIP 1992,1227, 1231). Der Vorstand der
Beklagten aber hat gegen die ihm obliegende Auskunftspflicht verstoßen, indem er die
in der Hauptversammlung mehrfach von Aktionärsseite geäußerte Bitte um
Bekanntgabe des Inhalts des Untersuchungssberichts der W.-E. Deutsche Industrie-
Treuhand vom 2.8.1996 zurückgewiesen hat.
151
a)
152
Die Klägerin hatte einen Anspruch auf Bekanntgabe des gesamten Inhalts des Berichts,
denn zur sachgemäßen Beurteilung des der Hauptversammlung von Aufsichtsrat und
Vorstand unterbreiteten Vorschlags, den Vorstand für das Geschäftsjahr 1995 zu
entlasten, war sie auf die Kenntnis seines Inhalts angewiesen.
153
Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage, in die das Unternehmen der
Beklagten durch die bei der HW AG eingetretenen Verluste geraten war, stand die
Frage nach den Ursachen für diese Entwicklung sowie danach, ob und ggf. inwieweit in
diesem Zusammenhang auch dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Beklagten
Versäumnisse anzulasten seien, ganz im Vordergrund der Erörterungen auf der
Hauptversammlung am 10.9.1996. Das Wortprotokoll der rd. 12stündigen Veranstaltung
belegt dies in anschaulicher Weise. Die Fragen der Versammlungsteilnehmer dienten
dabei naturgemäß auch der Meinungsbildung in bezug auf die von der
Hauptversammlung zu fassenden Beschlüsse über die Entlastung von Vorstand und
Aufsichtsrat. Für eine sachgemäße Beurteilung kam dabei dem Inhalt des Berichts über
das vom Aufsichtsrat in Auftrag gegebene Sondergutachten nach § 111 Abs. 2 S. 2 AktG
unter mehreren Gesichtspunkten entscheidende Bedeutung zu.
154
aa)
155
Zum einen waren zumindest die Minderheitsaktionäre der Beklagten schon wegen der
Komplexität des Sachverhalts und mangels Zugangs zu den beteiligten Personen und
erforderlichen Unterlagen außerstande, sich aus eigener Anschauung ein zutreffendes
Bild von den in Rede stehenden Vorgängen und insbesondere den Verantwortlichkeiten
des Vorstands der Beklagten zu verschaffen. Sie waren daher auf zuverlässige
Informationen von dritter Seite angewiesen. Der Vorstand selbst konnte dabei als
Betroffener von vorneherein nur als eine unter mehreren Informationsquellen in Betracht
kommen, denn die Aktionäre mußten nicht davon ausgehen, daß er sich gegebenenfalls
durch die Offenlegung etwaiger eigener Versäumnisse und Obliegenheitsverletzungen
selbst belasten würde. Das gilt zumal deshalb, weil sowohl wiederholt der
Aufsichtsratsvorsitzende als auch der Vorstandsvorsitzende Versäumnisse des
Vorstands unter ausdrücklicher Berufung auf den Inhalt des Prüfungsberichts mit
Nachdruck in Abrede gestellt hatten.
156
Aber auch vom Aufsichtsrat bzw. dessen Vorsitzendem konnten die Aktionäre eine
zuverlässige Unterrichtung allein auf der Grundlage eigener Sachverhaltsaufklärung
nicht erwarten. Sie mußten vielmehr davon ausgehen, daß der Aufsichtsrat eine eigene
abschließende Prüfung nicht vorgenommen hatte, da er zur Aufhellung der
Verantwortung des Vorstandes die Sonderuntersuchung nach § 111 Abs. 2 S. 2 AktG für
notwendig angesehen und veranlaßt hatte. Sah sich aber allem Anschein nach selbst
der Aufsichtsrat als das zuständige Kontrollorgan der Beklagten außerstande, das
Verhalten des Vorstands ohne die Sonderuntersuchung durch ein
Wirtschaftsprüfungsunternehmen zuverlässig zu beurteilen, so waren erst recht die
Minderheitsaktionäre der Beklagten auf die Kenntnis des Untersuchungsergebnisses
angewiesen.
157
bb)
158
Zum anderen war die Bekanntgabe des Inhalts des Untersuchungsberichts aber auch
aus dem Grunde geboten, weil im Verlaufe der Hauptversammlung sowohl wiederholt
der Aufsichtsratsvorsitzende als auch der Vorstandsvorsitzende der Beklagten unter
Berufung auf seinen Inhalt Versäumnisse des Vorstands der Beklagten im
Zusammenhang mit der Entwicklung der Verlustsituation in Abrede gestellt hatten.
Aufsichtsrat und Vorstand nahmen damit die Sachkompetenz und das Ansehen eines
neutralen Prüfers für sich in Anspruch, um der Hauptversammlung die Überzeugung zu
vermitteln, daß auch ihre eigene Beurteilung des Sachverhalts richtig sei. Wenn aber
zumal der Aufsichtsrat sich solchermaßen den Aktionären gegenüber auf den Inhalt des
Untersuchungsberichts und die von den Prüfern gezogene Schlußfolgerung berief, so
versteht es sich nach Auffassung des Senats von selbst, daß der volle Wortlaut dieses
Berichts den Aktionären hätte bekannt gemacht werden müssen. Nur so wären sie in die
Lage versetzt worden, sich ein zuverlässiges eigenes Urteil darüber zu bilden, ob die
Feststellungen der Gutachter deren Schlußfolgerungen stützen konnten, ob die vom
Aufsichtsratsvorsitzenden der Hauptversammlung mitgeteilte Einschätzung des
Untersuchungsergebnisses durch den Aufsichtsrat mit dem Inhalt des Gutachtens
vereinbar war und - nicht zuletzt - ob der der Hauptversammlung unterbreitete
gemeinsame Entlastungsvorschlag von Aufsichtsrat und Vorstand auf der Grundlage
des Inhalts des Prüfungsberichts gerechtfertigt war.
159
cc)
160
Der Inhalt des Untersuchungsberichts durfte den Aktionären auch nicht mit der
Begründung vorenthalten werden, daß zunächst der Fortgang der staatsanwaltlichen
Ermittlungen und der Abschluß der Verhandlungen mit den saudi-arabischen
Auftraggebern der HW AG abgewartet werden solle.
161
Der Vorstand darf im Rahmen der Hauptversammlung Auskünfte, die zur sachgemäßen
Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sind, nur in den in § 131
Abs. 3 AktG abschließend geregelten Ausnahmefällen verweigern. Ein solcher
Ausnahmetatbestand liegt jedoch nicht vor. Insbesondere war die
Auskunftsverweigerung nicht gemäß § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG gerechtfertigt. Nach dieser
Bestimmung darf die Auskunft verweigert werden, soweit sie nach vernünftiger
kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen
Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Voraussetzung für die
Inanspruchnahme dieser Ausnahmeregelung ist dabei, daß konkrete Umstände
angegeben werden, aus denen mit einiger Plausibilität die Schädlichkeit der begehrten
Auskunft entnommen werden kann (BGH ZIP 1992, 1227, 1232; OLG Düsseldorf WM
1991, 2148, 2152). Die bloße Absichtskundgebung, daß man den Prüfungsbericht nicht
vor Abschluß der Verhandlungen des Vorstandsvorsitzenden mit den saudi-arabischen
Auftraggebern bzw. erst wenn die Ermittlungen gegen die Schuldigen weiter gediehen
seien, herausgeben wolle, reichte daher für die Inanspruchnahme des
Auskunftsverweigerungsrechts ersichtlich nicht aus. Für die Aktionäre war daraus nicht
einmal im Ansatz erkennbar, ob und ggf. welche Nachteile der Beklagten aufgrund
welcher Umstände durch die Bekanntgabe des vollständigen Berichtsinhalts entstehen
könnten. Daß vor allem die drei saudi-arabischen Großaufträge zur Entstehung der
Verluste geführt hatten und daß diese Verluste durch Bilanzmanipulationen verschleiert
worden waren, war zum Zeitpunkt der Durchführung der Hauptversammlung aufgrund
von Zeitungsberichten einer breiten Öffentlichkeit bereits seit längerem bekannt. Auch
der in der Hauptversammlung vorgelegte Geschäftsbericht 1995 der Beklagten enthält
dazu nähere Angaben im Vorwort des Vorstandsvorsitzenden. Als bis dahin nicht
162
allgemein bekannte Informationen, die im Zusammenhang mit den Verhandlungen mit
den saudi-arabischen Auftraggebern von Interesse gewesen sein könnten, hätten daher
allenfalls die Angaben unter Punkt 3. ("Das Großanlagengeschäft in der Sparte
Zementtechnik") des Prüfungsberichts in Betracht kommen können. Dort finden sich
nähere Angaben zur ursprünglichen Kalkulation der Großaufträge durch die HW AG und
z.B. auch Hinweise auf Aufzeichnungen, aus denen nach Darstellung der Prüfer
hervorgeht, daß mit einem Lieferanten in Jeddah Vereinbarungen getroffen wurden,
wonach falsche Kosten dem falschen Auftrag in Rechnung gestellt und eine "schwarze
Kasse", gespeist aus Mitteln der K. AG in Saudi-Arabien aufgebaut worden seien.
Soweit hinsichtlich solcher Angaben damals ein Geheimhaltungsinteresse bestanden
haben sollte, hätte die Beklagte indessen die entsprechenden Passagen u.U. von einer
Bekanntgabe ausnehmen können. Für die in dem Untersuchungsbericht behandelte
Frage nach der Verantwortlichkeit des Vorstandes kam es auf diese Ausführungen nicht
an. Vielmehr hätte die Beklagte insoweit dem Informationsbedürfnis der Aktionäre ggf.
auch allein durch die Bekanntgabe des übrigen Inhalts des Untersuchungsberichts
entsprechen können. Letztlich kann dies aber auch auf sich beruhen, da die Beklagte
einen der Gesellschaft drohenden nicht unerheblichen Nachteil i.S.d. § 131 Abs. 1 Nr. 1
AktG selbst hinsichtlich einzelner Teile des Untersuchungsberichts weder in der
Hauptversammlung noch nachträglich auch nur ansatzweise dargelegt hat.
dd)
163
Dem Anspruch auf Bekanntgabe des Untersuchungsberichts stand auch nicht entgegen,
daß die Verlesung zuviel Zeit in Anspruch genommen hätte. Angesichts der
herausragenden Bedeutung seines Inhalts für die Meinungsbildung der Aktionäre in
bezug auf den die Hauptversammlung beherrschenden Verhandlungsgegenstand wäre
dieser Zeitaufwand keineswegs unvertretbar gewesen. Davon abgesehen wäre es im
übrigen ohne weiteres möglich gewesen, den Volltext auf dem Bildschirm zu zeigen, auf
dem den Aktionären schon zu Beginn der Hauptversammlung das Ergebnis des
Berichts zur Kenntnis gebracht worden war. Letztlich wäre auch eine Auskunftserteilung
durch Gewährung der Einsichtnahme in den Untersuchungsbericht in Betracht
gekommen, wenn auf diesem Wege das Informationsinteresse der Aktionäre schneller
und besser hätte befriedigt werden können (vgl. dazu BGH NJW 1987, 3186).
164
b)
165
Die Verweigerung der Bekanntgabe des vollständigen Inhalts des Prüfungsberichts ist
auch für das Ergebnis der Beschlußfassung über die Entlastung des Vorstands kausal
geworden, denn bei Kenntnis des Inhalts des Untersuchungsberichts würde ein objektiv
urteilender Aktionär dem Vorschlag, allen Mitgliedern des Vorstands außer Herrn P.H.
die Entlastung für 1995 zu erteilen, die Zustimmung verweigert haben.
166
Die Erklärung, daß dem Vorstand nach Auffassung der Prüfer keine Pflichtverletzungen
vorzuwerfen seien, war objektiv irreführend. Es trifft zwar zu, daß der
Untersuchungsbericht mit der Feststellung endet, insgesamt gelange man zu dem
Ergebnis, daß den Herren S. und E. nicht Mängel in der Organisation oder der
Durchführung der Konzernkontrolle zuzuordnen seien, die dazu geführt hätten, daß
ihnen die erheblichen Verluste der HW AG zum Zeitpunkt der Aufstellung des
ursprünglichen Jahres- und Konzernabschlusses 1995 der K. nicht bekannt waren.
Diese zusammenfassende Feststellung gibt aber eindeutig den wesentlichen Inhalt der
vorhergehenden Ausführungen der Prüfer nicht zutreffend wieder. Danach kommt sehr
167
wohl in Betracht, daß dem Vorstand Versäumnisse zuzuordnen sind, die zumindest zu
einer verspäteten Entdeckung der verlustreichen Geschäftsentwicklung und deren
Verschleierung bei der HW AG geführt haben. Dabei kann dahinstehen, ob diese
Versäumnisse ggf. auch dem Vorstandsvorsitzenden A. S. zuzurechnen wären, der erst
mit Wirkung zum 15.6.1995 bestellt worden war.
In diesem Zusammenhang ist im übrigen anzumerken, daß die in dem Bericht gezogene
Schlußfolgerung nach dem Inhalt des Schreibens, mit dem die Prüfungsgesellschaft den
Bericht unter dem Datum des 2.8.1996 dem Aufsichtsratsvorsitzenden zugeleitet hat,
bereits nicht als endgültige Äußerung der Prüfer angesehen werden konnte. Dort heißt
es, die Arbeiten zu dem erteilten Auftrag seien "weitgehend abgeschlossen", man habe
die Ergebnisse der Sonderuntersuchung "vorab zusammenfassend in dem
nachstehenden Bericht dargestellt" (Bl. 138 d.A.). Eine Neuberwertung des Ergebnisses
nach Abschluß der Arbeiten war damit nicht ausgeschlossen.
168
aa)
169
Die Schlußfolgerungen des Untersuchungsberichts sind für sich genommen schon
deshalb von nur beschränktem Erkenntniswert, weil sie naturgemäß über den Umfang
der Untersuchung und die dabei in Anspruch genommenen Erkenntnisquellen nichts
aussagen. Sieht man sie aber vor dem Hintergrund der diesbezüglichen Angaben im
Bericht, so erweist sich die Grundlage der Untersuchung als keineswegs so umfassend,
als daß sich darauf ein hinreichend abgesichertes Urteil gründen ließe.
170
Eine nicht unwesentliche Einschränkung des Aussagewerts des Berichts ergibt sich
zunächst bereits aus den Formulierungen, mit denen die Verfasser eingangs ihrer mit
der Überschrift "Zusammenfassung" überschriebenen Ausführungen den vom
Aufsichtsrat erteilten Prüfungsauftrag vorab näher definieren. Dort heißt es u.a., die
Frage nach Ziffer 2 verstehe man in der Weise, daß im Fall einer verneinenden Antwort
zu Ziffer 1 zu untersuchen und zu beurteilen sei, inwieweit das Nichtvorliegen dieser
Informationen sich ggf. als Folge von Mängeln in der Organisation oder der
Durchführung der Konzernkontrolle darstelle, die dem Vorstand der K. AG als
Verletzungen seiner ihm nach Gesetz, Satzung, Geschäftsordnung und
Anstellungsverträgen sowie ggf. Aufsichtsratstätigkeit obliegenden Sorgfaltspflichten
zuzurechnen seien. Etwaige Mängel in der Organisation und Durchführung der
Konzernkontrolle seien daher nur insoweit Gegenstand der Sonderuntersuchung, als sie
unter den obwaltenden Umständen die Ursachen für ein etwaiges Informationsdefizit
des K.-Vorstands gesetzt haben könnten. Vom Vorstand zu verantwortende
Organisations- und Kontrollmängel hingegen, "...deren Behebung (durch ein
hypothetisches pflichtgemäßes Alternativverhalten des Vorstandes) das
Informationsdefizit gleichwohl hätten bestehen lassen", seien nicht Gegenstand der
Untersuchung ( S. 3 des Berichts). Die Tragweite dieser Eingrenzung des
Untersuchungsumfangs läßt sich zwar nicht sicher bestimmen. Jedenfalls bleibt damit
aber offen, ob die Gutachterin möglicherweise auf Organisations- und Kontrollmängel
gestoßen ist, die in dem Bericht nicht erwähnt sind, weil sie nach ihrer eigenen
Einschätzung das Informationsdedizit hätten bestehen lassen. Ebenso bleibt offen, ob
ggf. einer solchen Bewertung gefolgt werden könnte. Die Teilnehmer der
Hauptversammlung durften hingegen bei unbefangener Betrachtung davon ausgehen,
daß die Gutachterin dem Auftragswortlaut entsprechend umfassend geprüft habe, ob
dem Vorstand "... soweit ihm die entsprechenden Informationen nicht vorlagen, Mängel
in der Organisation oder der Durchführung der Konzernkontrolle zuzurechnen" seien,
171
denn sie hatten keinen Anlaß, den ihnen nur mündlich mitgeteilten Prüfungsauftrag
zunächst einer subtilen Auslegung zu unterziehen.
Darüber hinaus waren aber auch die Grundlagen der gegenständlich eingeschränkten
Untersuchung so sehr begrenzt, daß auch aus dem Grunde den Schlußfolgerungen der
Berichtsverfasser nur begrenztes Gewicht beigemessen werden kann. Nach den
Angaben auf S. 3 f. des Berichts waren Grundlage der Sonderuntersuchung
ausschließlich Unterlagen, die den Prüfern von den Vorständen der K. AG und der HW
AG zur Verfügung gestellt worden waren, sowie mündliche Auskünfte. Zu Auskünften
hätten insbesondere vom Vorstand der K. AG die Herren S. und E. sowie Mitarbeiter aus
deren Konzern-Controlling, Innenrevision und Rechtsabteilung, vom Vorstand der HW
AG Herr Sch., Mitarbeiter des Controlling der HW AG und die kaufmännischen
Projektleiter der saudi-arabischen Großaufträge zur Verfügung gestanden. Herr H. und
die weiteren zur Zeit der Jahresabschlußerstellung amtierenden Vorstandsmitglieder
der HW AG, die Herrn G. (Leiter der Sparte Zementtechnik) und H. (Leiter der
kaufmännischen Verwaltung und des Controlling) seien ihrer Einladung zu einem
Gespräch nicht gefolgt; eine von Herrn H. angekündigte schriftliche Stellungnahme sei
ihnen bis zum Abschluß ihrer Untersuchung nicht zugegangen. Die Staatsanwaltschaft
Köln habe es ihr ermöglicht, die wegen der laufenden Ermittlungsverfahren dort
befindlichen Akten zu sichten; dieses Durchsicht habe im Vergleich zu den ihr
vorgelegten Unterlagen keine für die Feststellung und Beurteilung der der
Sonderuntersuchung unterliegenden Sachverhalte wesentlichen zusätzlichen
Erkenntnisse erbracht.
172
Die Angaben der Berichtsverfasser zu den Grundlagen ihrer Untersuchung schließen
sodann mit der Bemerkung, sie könnten allerdings nicht ausschließen, daß ihnen nicht
bekanntes Material, etwaige weitergehende Einlassungen der von ihnen Befragten oder
Aussagen derjenigen, die ihnen nicht zur Verfügung gestanden hätten, sowohl zu einer
Ergänzung oder Korrektur ihrer Sachverhaltsdarstellung als auch der daran
anschließenden Wertungen führen könnten. Diese Einschränkung war, wie aus den
vorhergehenden Angaben folgt, durchaus angezeigt. Die Prüfer hatten danach
ersichtlich keinen unbegrenzten Zugang zu den für ihre Untersuchung maßgeblichen
Quellen, denn sie haben "ausschließlich" Unterlagen verwendet, die ihnen von dem
Vorstand der Beklagten - also den Personen auf die sich die Untersuchung bezog - und
dem Vorstand der HW AG "zur Verfügung gestellt" worden waren. Auskünfte aus dem
Kreis derer, denen Aufsichtsrat und Vorstand Verschleierungen und
Täuschungsmanöver vorwerfen, hatten sie dagegen überhaupt nicht erhalten.
173
Wie weitgehend die Prüfer sich dabei offenbar auf Angaben des Vorstands gestützt
haben, zeigen beispielhaft die Ausführungen auf Seite 16 des Berichts. Während sie
sich an anderer Stelle auf den Inhalt der Protokolle von Review-Meetings stützen (s. S.
15 des Berichts), heißt es dort, zu dem für den 18.3.1996 vorgesehenen Review-
Meeting (dem letzten vor der Aufstellung des Jahresabschlussses 1995) auf der
Grundlage des Monatsberichts Januar 1996 liege kein Protokoll vor. Warum kein
Protokoll vorliegt und ob sie auf anderem Wege - vergeblich - nach dem Verlauf und
Inhalt dieses Review-Meetings geforscht haben, teilen sie nicht mit. Statt dessen heißt
es, Herr E. habe "allerdings" den Status der saudi-arabischen Großprojekte am 11., 13.
und 26. März 1996 mit Vertretern der HW AG erörtert. Die zu diesen Gesprächen
überreichten Unterlagen und die handschriftlichen Notizen von Herrn E. hätten
unverändert den Eindruck vermittelt, daß die bestehenden, im einzelnen benannten
Probleme begrenzt und grundsätzlich beherrschbar gewesen seien; die
174
Projektergebnisse seien nach diesem Erkenntnisstand mit -36,3 Mio DM für H., -9,1 Mio
DM R. und - 17,0 Mio DM für Y. angegeben worden, ohne daß diese Daten sich als
erkennbar unzutreffend oder unplausibel dargestellt hätten. Daß eine solche Darstellung
einem Dritten nicht als zuverlässige Grundlage für eine lückenlose
Sachverhaltsaufklärung erscheinen kann, versteht sich nach Auffassung des Senats von
selbst.
Anders als die Schlußbemerkung des Gutachtens läßt das von den Berichtsverfassern
auf S. 17 des Berichts mitgeteilte "Zwischergebnis" die Begrenztheit der
Untersuchungsgrundlage erkennen. Dort heißt es, man gelange zu dem
Zwischenergebnis, daß "... nach den uns vorgelegten Unterlagen und den uns erteilten
Auskünften aus den Informationen, die dem Gesamtvorstand der K. AG zur Verfügung
gestanden haben, das tatsächliche Ausmaß der Verluste der HW AG nicht zu
entnehmen war". Diese Formulierung, die im übrigen offen läßt, in welchem anderen
Ausmaß die Verluste denn zu welchem Zeitpunkt nach Einschätzung der Gutachter
erkennbar gewesen sein mögen, macht erneut hinreichend deutlich, daß die Gutachter
ausdrücklich eine Stellungnahme nur auf der Grundlage dessen abgeben wollen, was
ihnen an Unterlagen vorgelegt und an Auskünften erteilt worden ist.
175
b)
176
Vor allem anderen bietet aber auch die Sachverhaltsdarstellung im Prüfungsbericht
hinreichenden Anlaß, die Begründetheit der Schlußfolgerung der Gutachter ebenso wie
die daran anknüpfende Darstellung des Prüfungsergebnisses in der Hauptversammlung
der Beklagten in Zweifel zu ziehen.
177
aa)
178
Nach den Angaben im Prüfungsbericht trug das Vorstandsmitglied E. die
Ressortverantwortung für die Funktionen Finanzen, der die zentrale
Liquiditätsbeschaffung und -disposition für alle inländischen Konzernunternehmen
oblag, sowie Controlling und (seit 1996) Recht und interne Revision, die seither
innerhalb des Vorstandsressorts Finanzen und Controlling dem Leiter des
Konzernrechnungswesens unterstellt war. Zu den Funktionen der auf der Ebene der K.
AG installierten Konzern-Controlling gehörte nicht die Überwachung und Steuerung der
Aktivitäten der einzelnen Geschäftsbereiche, die vielmehr deren jeweiligen Controlling-
Einheiten vorbehalten war. Die Mitwirkung der Konzern-Controlling an der laufenden
Berichterstattung beschränkte sich nach Angaben der zuständigen Mitarbeiter
gegenüber den Prüfern auf die Zusammenstellung und Aggregation sowie analytische
Auswertung der von den Geschäftsbereichen gemeldeten Daten, "...ohne daß diese
vom Konzern-Controlling zu überprüfen oder hinterfragen gewesen wären" (Bl. 13 f. des
Berichts) . Für die Überwachung und Steuerung des Großanlagenbaus der HW AG war
deren Consulting verantwortlich. In dem von den Prüfern untersuchten Zeitraum von
September 1994 bis Juni 1995 wurde das Controlling der HW AG indessen
komissarisch vom damaligen Leiter des Konzern-Controllings der K. AG geführt. Der
Grund hierfür lag darin, daß der Vorgänger in der Funktion des Controlling-Leiters der
HW AG wegen seiner Mitwirkung an vorsätzlichen Überbewertungen in den
Jahresabschlüssen 1992 und 1993 der HW AG von dieser Funktion entbunden worden
war. Das Controlling der HW AG war bis Juni 1995 formal derem
Vorstandsvorsitzenden, Herrn H., unterstellt. Die faktische Führungsverantwortung lag in
der Zeit von September 1994 bis 1995 jedoch bei dem Konzern-Controller.
179
Vor diesem Hintergrund stellen sich zahlreiche Fragen, die sich auch aus dem Inhalt
des Gutachtens nicht befriedigend beantworten lassen. Zunächst fragt es sich, wieso
dem vom Vorstandsmitglied E. geführten Konzern-Controlling nicht etwa schon im
Rahmen der "analytischen Auswertung" der von der HW AG gemeldeten Daten
Ungereimtheiten aufgefallen sind. Mit welchem Zweck und Ziel die analytische
Auswertung vor sich ging, teilen die Prüfer nicht mit. Noch drängender stellt sich die
Frage, weshalb das Konzern-Controlling diese Daten nicht zu überprüfen oder
hinterfragen hatte. Selbst wenn unterstellt wird, daß dies noch nicht grundsätzlich als
Organisations- und Kontrollversäumnis anzusehen ist, so bestand doch jedenfalls
aufgrund der im Prüfungsbericht mitgeteilten besonderen Umstände dringender Anlaß
für eine sehr kritische Überprüfung anstelle der bloßen Herreinnahme plausibel
erscheinender Daten und optimistischer Berichte seitens der HW AG.
180
In diesem Zusammenhang scheint zunächst die Tatsache auf, daß der frühere
Controller wegen Überbewertungen in 1992 und 1993 hatte abgelöst werden müssen.
Desgleichen der Umstand, daß auch dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der HW
AG, Herrn H., im Zusammenhang mit den Überbewertungen in den Jahresabschlüssen
1992 und 1993 eine förmliche Abmahnung erteilt worden war. Ob die Abmahnung für
1993 etwa auch schon die saudi-arabischen Großaufträge tangierte, ergibt sich aus dem
Bericht nicht. Der Vorstand der Beklagten hatte aber unabhängig davon in jedem Fall
allen Anlaß, erneuten Überbewertungen mit Nachdruck und geeigneten Maßnahmen
entgegenzuwirken. Als eine solche geeignete Maßnahme erscheint es nicht, wenn dann
der Leiter des Konzern-Controlling kommissarisch und zusätzlich mit dem Controlling
der HW AG betraut wurde. Letztlich kann aber auch dies dahinstehen, denn nach dem
Inhalt des Prüfungsberichts muß davon ausgegangen werden, daß ein geradezu
massives Mißtrauen gegenüber den Verantwortlichen der HW AG und den von ihnen
gemeldeten Daten bestanden haben muß. Dieses Mißtrauen insbesondere in bezug auf
die Person des Vorstandsvorsitzenden der HW AG ist dabei erkennbar auch nicht etwa
erst im Laufe des Jahres1995 entstanden. Nach Darstellung der Prüfer ergibt sich
vielmehr die distanzierte Haltung des Vorstands der K. AG gegenüber Herrn H. bereits
aus Vorstandsprotokollen aus März 1994. Sie führen dazu aus, bereits seinerzeit sei
vorgesehen worden, dessen Tätigkeit intensiver zu betreuen und die
Großauftragsrisiken in den Review-Meetings laufend zu prüfen.
181
Nach Angaben der Prüfer stellten neben der laufenden Berichterstattung an den
Gesamtvorstand der K. AG die Review-Meetings das wichtigste Instrument zur
Überwachung der Geschäftsbereiche dar. Sie wurden mindestens im Quartalsrhythmus
abgehalten und an ihnen nahmen im Fall des Geschäftsbereichs HW AG neben
sämtlichen Vorstandsmitgliedern der K. AG und der HW AG der Konzern-Controller und
der Leiter des Controlling teil. Nach Darstellung des Berichts hat sich der Vorstand der
Beklagten ausweislich der Protokolle der Review-Meetings aus dem Zeitraum August
1993 bis Dezember 1995 kontinuierlich anhand der GB-Berichterstattung und der
weiteren Unterlagen über den Projektfortschritt u.a. der saudi-arabischen Großaufträge
berichten lassen. Dem Vorstand seien bereits frühzeitig die Zeitverzögerungen und
drohenden Kostenüberschreitungen begrenzten Umfangs beim Auftrag H., später auch
hinsichtlich des Auftrags Y. bekannt gewesen; Pönalrisiken hätten nach Aukunft des
HW-Managements durch Beschleunigungsprogramme und Gegenclaims ausgerämt
werden sollen. Ebenso sei der Vorstand über die Absicht der HW AG informiert
gewesen, nach der noch für 1995 erhofften Hereinnahme des Vietnam-Großauftrags
Ninh Binh dessen Deckungsbeiträge durch Aktivierung angefallener Kosten zu nutzen
182
und im Zuge von dessen Abwicklung weitere Ergebnisse zu realisieren. Ob der
Vorstand darüber gewacht hat, daß die Voraussagen des HW AG-Vorstands sich
realisierten, ist aus dem Prüfungsbericht nicht erkennbar. Auch ergibt sich nicht, welche
konkreten Maßnahmen er für erforderlich gehalten und ergriffen hat, nachdem der
wichtige Auftrag aus Vietnam ausgeblieben war. Wohl ergibt sich nach Darstellung der
Prüfer aus den Protokollen der Review-Meetings, daß der Vorstand der Beklagten den
Vorstand der HW AG "...mehrfach wegen der als verspätet oder unvollständig
angesehenen Berichterstattung und der mangelnden Prognosegenauigkeit,
insbesondere bezüglich des projektbezogenen Cashflows, kritisiert und konkrete, auf
die Eliminierung dieser Schwächen gerichtete Auflagen erteilt" habe. Welcher Art diese
Auflagen waren und ob sie überwacht und durchgesetzt wurden, teilen die
Berichtsverfasser nicht mit.
Weiter heißt es in dem Untersuchungsbericht, der Vorstand der Beklagten habe der
Kompetenz des Vorstands der HW AG erkennbar zunehmend distanzierter
gegenübergestanden und habe "...die immer wieder nicht eingetretenen Prognosen der
HW AG mit wachsender Skepsis" beurteilt. Die Berichtsverfasser vermerken dazu, daß
die Protokolle der Reviw-Meetings "gleichwohl" keine Informationen oder auch nur
konkrete Indizien für Verluste in der später bekanntgewordenen Größenordnung
enthielten. Ob die Protokolle insoweit den tatsächlichen Erkenntnisstand des Vorstands
möglicherweise nur unvollständig wiedergeben, mag dahinstehen, denn es kann
angesichts der Berichtsschilderung jedenfalls nicht ernstlich bezweifelt werden, daß die
Skepsis des Vorstands sich auf drohende Verluste in nicht nur unerheblicher Höhe
bezog und die Befürchtung bestanden haben muß, daß diese sich als noch weit höher
erweisen könnten, als vom Vorstand der Tochtergesellschaft dargestellt. Das reicht für
die Annahme, daß u.U. auch einschneidende Kontrollmaßnahmen hätten ergriffen
müssen, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Dies gilt zumal, wenn die
Vorstandsmitglieder S. und E., wie es im Untersuchungsbericht heißt, im Zeitablauf
immer geringeres Vertrauen in die Fähigkeit von Herrn H. setzten, die Geschäfte der HW
AG in einer der Risikolage angemessenen Weise zu führen (S. 19 des Berichts).
183
Der Prüfungsbericht vermerkt ferner, die Vorstandsmitgleider hätten sich Informationen
über die Großprojekte der HW AG auch in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des
Aufsichtsrats der HW AG verschaffen können. In den lediglich zwei
Aufsichtsratssitzungen im Jahr 1995 seien den Protokollen zufolge jedoch keine
diesbezüglichen Detailangaben gemacht worden (S. 17 des Berichts). Die
Berichtsverfasser kommentieren diese Feststellung nicht. Dem Außenstehenden muß
sich die Frage geradezu aufdrängen, wieso die offenkundig schon 1995 erkennbar
gewordenen Risiken und die diesbezüglichen Aufforderungen seitens des Vorstands
der Beklagten an den Vorstand der HW AG in Aufsichtsratsprotokollen keinen
überprüfbaren Niederschlag gefunden haben. Dies z. B. auch mit Blick darauf, daß es
an anderer Stelle des Berichts heißt, daß Herr E. seit der zweiten Jahreshälfte 1995
über die Liquiditätsentwicklung der HW AG zunehmend besorgt gewesen sei und in
teilweiser scharfer Form Erklärungen für die Planabweichungen verlangt sowie
Anstrengungen zur Erhöhung der Planungssicherheit angemahnt habe (S. 21 des
Berichts).
184
Im weiteren heißt es dann im Prüfungbericht (S. 18 f.), da die von Herrn H. wiederholt für
die nahe Zukunft in Aussicht gestellte bzw. fest zugesagte Schließung der Cash flow-
Lücke der HW AG nicht eingetreten sei, habe der Vorstand der Beklagten den Vorstand
der HW AG im Oktober 1995, im Januar 1996 und letztmalig am 26. März 1996 zu einer
185
intensiven Kontrolle der Großaufträge, einer detailgenaueren einzelprojektbezogenen
Planung, insbsondere hinsichtlich der Liquidität, und einer aussagefähigeren
Berichterstattung über den Status der Großprojekte aufgefordert. In der letztgenannten
Vorstandssitzung seien der HW AG Defizite in bezug auf zu optimistische
Kalkulationsprämissen, nicht eingeplante höhere Adaptionsaufwendungen, die Qualität
und Performance der Auftragsabwicklung, die Auswahl von Sublieferanten und das
Währungsmanagement vorgehalten worden. Diese Vorhaltungen deckten sich mit dem
Inhalt eines "angabegemäß" mit Herrn S. abgestimmten Schreibens von Herrn E. an
Herrn H. vom 24.3.1996, in dem in massiver Form konkrete Maßnahmen zur
Beseitigung der bei der HW AG vermuteten organisatorischen Mängel gefordert worden
seien und aus dem erhebliche Zweifel an der Kompetenz des Mangements der HW AG
und eine Besorgnis über die damit einhergehenden Risiken deutlich erkennbar seien.
Auf die nach dem Urteil der Prüfer unbefriedigende Antwort des Vorstands der HW AG
vom 15.4.1996 habe der Vorstand der Beklagten dann am 30.4.1996 ein monatliches
Monitoring-Meeting zur Umsetzung des Maßnahmenplans der HW AG und am
14.5.1996 die regelmäßige Teilnahme von Herrn E. an den Vorstandssitzungen der HW
AG beschlossen.
bb)
186
Vor dem Hintergrund der vorstehend auszugsweise dargestellten
Sachverhaltsschilderung des Untersuchungsberichts vermögen die Schlußfolgerungen
der Prüfer nicht zu überzeugen. Die These, die Herren S. und E. hätten von den ihnen
zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumenten hinsichtlich der HW AG auch unter dem
Gesichtspunkt, daß die angespannte Lage des K.-Konzerns eine erhöhte Sorgfalt und
Wachsamkeit des Vorstands der K. AG erfordert habe (S. 25 des Berichts), in dem
erforderlichen und angemessenen Umfang Gebrauch gemacht, läßt sich danach mit den
festgestellten Tatsachen nicht in Einklang bringen. Wenn dem Vorstandsmitglied E., wie
es an gleicher Stelle heißt, das mit den von der HW AG angenommenen
Zementanlagen-Großaufträgen einhergehende geschäftliche Risiko bereits 1994
bewußt war, wenn es ganz offenbar sich ständig mehrende Anzeichen für eine immer
gefährlicher werdende Schieflage bei der HW AG gab, wenn zugleich zahlreiche
Aufforderungen an die HW AG ganz offenbar zu keiner als befriedigend empfundenen
Reaktion führten, dann erscheint es nicht nachvollziehbar, daß es als angemessene
Reaktion anzusehen sein soll, wenn der Vorstand sich in dieser Lage auf Berichte und
Daten der HW AG verließ oder sich verlassen haben soll, statt ihnen im Höchstmaße zu
mißtrauen und sie einer intensiven Überprüfzung zu unterziehen.
187
Es vermag daher auch nicht zu überzeugen, daß der Vorstand, wie die Prüfer meinen,
keinen Anlaß gehabt hätte, das Management der HW AG ausschaltende eigene
Prüfungshandlungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, wie etwa durch Einsatz
der internen Revision der K.-AG. Die Prüfer begründen ihre gegenteilige Stellungnahme
mit der Erwägung, daß derartige - nicht zuletzt gegen Herrn H. als Vorstandskollegen in
der K. AG gerichtete - Mittel nur geboten gewesen wären, wenn Vorstandsmitglieder der
K. AG den Eindruck hätten haben müssen, daß entweder bei der HW AG Mißstände
herrschten oder Risiken in einem solchen Ausmaß bestünden, daß vom Vorstand der
HW AG eine Beseitigung bzw. Beherrschung nicht mehr hätte erwartet werden können,
oder daß der Vorstand der HW AG bewußt wahrheitswidrig berichtet habe. Für die
letztgenannte Annahme hätten jedoch keinerlei Anhaltspunkte bestanden. Letzteres
steht im völligen Widerspruch zu den zahlreichen Feststellungen im Gutachten, wonach
der Vorstand nicht nur mehr und mehr Anlaß zu Mißtrauen hatte, sondern nach
188
Darstellung der Prüfer auch tatsächlich - gerade auch dem Vorstandskollegen H. -
mißtraute. So heißt es an einer Stelle ausdrücklich, daß die eingesehenen Unterlagen
in Übereinstimmung mit den Aussagen der Beteiligten "ein seit längerem bestehendes
generelles Unbehagen mit der Tätigkeit des Vorstands der HW AG und ein
schwindendes Vertrauen in Herrn H. im besonderen zeigen" (S. 27 des Berichts). Unter
diesen Umständen aber konnte die angemessene Reaktion nicht darin bestehen, weiter
zuzuwarten, um irgendwann festzustellen, ob das Mißtrauen gerechtfertigt war oder
nicht. Die Gutachter räumen an gleicher Stelle im übrigen ausdrücklich ein, daß "...vor
diesem Hintergrund die Auffassung vertreten werden (könne), die Herren S. und E.
hätten die Beseitigung der seit 1994 immer wieder kritisierten Mängel in der
Projektabwicklung und im Berichtswesen der HW AG energischer vorantreiben und dem
Vorstand der HW AG weniger lange Reaktionszeiten einräumen müssen".
Die Berichtsverfasser meinen allerdings, daß "... den Argumenten, die den Verzicht auf
die Einleitung von Überwachungsmaßnahmen außerhalb der etablierten
Kontrollroutinen als noch im Rahmen pflichtgemäßen Vorstandshandelns liegend
erscheinen" ließen, das größere Gewicht zukomme. Eine überzeugende Begründung
für diese Einschätzung geben sie jedoch nicht. Kaum nachvollziehbar erscheint in
diesem Zusammenhang die Auffassung der Gutachter, eine Eskalation der Kontrollen
hätte kaum zur Behebung der Schwächen der HW AG, wie sich aus der Sicht der
Herren S. und E. dargestellt hätten, beitragen können. Es ist insbesondere
unverständlich, wenn gegen diese Maßnahmen eingewendet wird, sie wären
"...lediglich geeignet gewesen, eine etwa unvollständige oder unzutreffende
Berichterstattung des Vorstandes der HW zu korrigieren (Bl. 28)". Gerade dies wäre
doch ihr eigentlicher Zweck gewesen. Wenig überzeugend erscheint auch das
Argument, die Herren S. und E. hätten, auch wenn sie Herrn H. nicht mehr
uneingeschränkt vertrauten, sich doch nach wie vor auf Herrn H. und den Leiter des
Controlling der HW AG verlassen dürfen. Für die Berechtigung einer solchen
Differenzierung läßt sich angesichts der Berichtsschilderung im übrigen, wonach das
Vorhandensein von Mißständen für den Vorstand auf der Hand gelegen haben muß,
keine tragfähige Begründung finden.
189
Da aber nach alledem der Inhalt des Untersuchungsberichts ungeeignet ist, die den
Aktionären auf der Hauptversammlung mitgeteilten Schlußfolgerungen der
Berichtsverfasser zu stützen, er vielmehr hinreichende Anhaltspunkte für mögliche
Versäumnisse seitens des Vorstands bietet, kann es nach Auffassung des Senats nicht
zweifelhaft sein, daß ein objektiver Aktionär in Kenntnis des vorenthaltenen Inhalts des
Gutachtens die Zustimmung zur Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 1995
verweiger hättet oder zumindest für die Vertagung der Entscheidung über die Entlastung
eingetreten wäre.
190
Daß der Mehrheitsaktionär D. Bank AG, der den Aufsichtsratsvorsitzenden stellte und
daher über den vollen Inhalt des Untersuchungsberichts unterrichtet war, dem
Entlastungsvorschlag zugestimmt hat, ist für die Entscheidung ohne Belang. Gemäß §
243 Abs. 4 AktG ist es für eine Anfechtung, die auf die Verweigerung einer Auskunft
gestützt wird, unerheblich, daß die Hauptversammlung oder Aktionäre erklärt haben
oder erklären, die Verweigerung der Auskunft habe die Beschlußfassung nicht
beeinflußt.
191
Da die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses schon aus den vorgenannten Gründen
durchgreift, kann es an dieser Stelle dahinstehen, ob auch die Beantwortung der Frage
192
der Klägerin zum Abrechnungsstand der saudi-arabischen Großbaustellen das
Abstimmungsergebnis bezüglich des Vorstands beeinflußt hat.
2.
193
Die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses bezüglich des Aufsichtsrats der Beklagten
- Punkt 4 der Tagesordnung der Hauptversammlung - hat demgegenüber keinen Erfolg.
Insoweit ist eine Auskunftsverweigerung, die das Ergebnis der Abstimmung hätte
beeinflussen können, weder dargetan noch sonst ersichtlich.
194
Die Verweigerung der Herausgabe des Untersuchungsberichts bzw. der Bekanntgabe
seines Wortlauts kölnnte nur dann eine Anfechtung auch des den Aufsichtsrat
betreffenden Entlastungsbeschlusses rechtfertigen, wenn das Gutachten konkrete
Feststellungen oder Bewertungen hinsichtlich etwaiger Pflichtverletzungen des
Aufsichtsrates enthielte. Das ist jedoch nicht der Fall. Das vom Aufsichtsrat in Auftrag
gegebene Gutachten betrifft nur das Verhalten des Vorstandes der Beklagten im
Zusammenhang mit den bei der Tochtergesellschaft HW AG entstandenen Verlusten.
Feststellungen oder Bewertungen zu etwaigen Versäumnissen des Aufsichtsrates oder
des Aufsichtsratsvorsitzenden in diesem Zusammenhang waren nicht Gegenstand des
Untersuchungsauftrags.
195
Soweit die Klägerin beanstandet hat, daß der Vorstand ihre Frage nach dem Zeitpunkt
der Kenntnisnahme des Aufsichtsrats vom Inhalt des Prüfungsberichts vom 17.4.1996
nicht beantwortet habe, kann dies hier schon deshalb auf sich beruhen, weil nicht
erkennbar ist, daß der Beantwortung dieser Frage im Zusammenhang mit der
Entlastung für das Geschäftsjahr 1995 eine entscheidende Bedeutung zukommen
konnte.
196
3.
197
Hinsichtlich des Haupversammlungsbeschlusses zu Punkt 3a der Tagesordnung, mit
welchem dem Vorstandsmitglied P.H. die Entlastung verweigert worden ist, fehlt es
offenkundig bereits am Rechtsschutzinteresse der Klägerin für eine Anfechtungsklage.
Die Klägerin erklärt ausdrücklich, daß die Nichtentlastung an sich richtig sei, und sie
strebt mit der Anfechtungsklage insoweit auch letztlich kein anderes Ziel an als die
erneute Verweigerung der Entlastung auf einer späteren Hauptversammlung.
198
III.
199
Auch soweit die Klägerin erneut geltend macht, daß die D. Bank AG wegen der
Verletzung von Mitteilungspflichten gem. den §§ 21 ff WpHG bzw. § 20 AktG auf der
Hauptversammlung nicht habe mitstimmen dürfen, hat ihr Rechtsmittel keinen Erfolg.
Die Klägerin hat auch im Berufungsverfahren die Angaben der Beklagten zur Erfüllung
der Mitteilungspflichten durch die Mehrheitsaktionärin nicht substantiiert bestritten. Auch
der Geschäftsbericht der Beklagten für 1995 enthält im übrigen bereits den Hinweis, die
D. Bank AG habe nach § 20 Abs. 1 und 3 AktG mitgeteilt , daß sie nunmehr direkt mit
mehr als einem Viertel am Grundkapital der Gesellschaft beteiligt sei (vgl. S. 39 des
Geschäftsberichts).
200
IV.
201
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711
ZPO.
202
Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.000,-- DM
203
Wert der Beschwer für die Klägerin: 70.000,-- DM
204
Wert der Beschwer für die Beklagte: 30.000,-- DM
205