Urteil des OLG Köln vom 16.04.1996

OLG Köln (schutzraum, stpo, halten, unterbringung, 1995, sache, begründung, zugang, verhandlung, verfügung)

Oberlandesgericht Köln, Ss 175/96
Datum:
16.04.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Ss 175/96
Tenor:
I.)
Der Beschluß vom 12. Januar 1996, durch den das Amtsgericht die
Rechtsbeschwerde des Betroffenen als mangels fristgerechter
Begründung unzulässig verworfen hat, wird aufgehoben.
II.)
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.
III.)
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Aachen
zurückverwiesen.
G r ü n d e :
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A.)
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Die als Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 79 Abs. 3 Satz 1
OWiG i.V.m. § 346 Abs. 2 StPO) zu wertende Eingabe der Verteidigung vom 26. Januar
1996 ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden und hat in der Sache Erfolg. Das
Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses vom 12. Januar 1996.
Dieser Beschluß ist zu Unrecht ergangen. Das Tatgericht darf ihn nur erlassen, wenn
die Rechtsbeschwerdebegründung nicht rechtzeitig oder nicht in der vorgeschriebenen
Form angebracht worden ist (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. §§ 345, 346 Abs. 1 StPO).
Wird das Urteil - wie hier - erst nach Ablauf der Wochenfrist zur Einlegung der
Rechtsbeschwerde (§ 341 Abs. 1 StPO) zugestellt, beginnt die Begründungsfrist von
einem Monat mit der Zustellung (§ 345 Abs. 1 StPO). Das Urteil vom 15. November
1995 ist der Verteidigung am 11. Dezember 1995 zugestellt worden. Die
Begründungsfrist endete daher mit Ablauf des 11. Januar 1996. Die formgerechte
Rechtsbeschwerdebegründung vom 5. Januar 1996 ist ausweislich des
Eingangsstempels bereits am 9. Januar 1996 - und damit rechtzeitig - beim Amtsgericht
eingegangen. Daß die form- und fristgerechte Begründung verspätet zu den Akten und
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eingegangen. Daß die form- und fristgerechte Begründung verspätet zu den Akten und
zur Kenntnis des Tatrichters gelangt sein mag, ist dabei ohne Bedeutung.
B. )
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Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 2 Abs. 1,
6 Satz 1, 9 Nr. 1 der Verordnung über das Halten von Hunden im Freien i.V.m. § 18 Abs.
1 Nr. 3 a) TierSchG zu einer Geldbuße von 500,-- DM verurteilt. Es hat folgende
Feststellungen getroffen:
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"Der Betroffene, der sich insbesondere mit dem An- und Verkauf von Pferden
beschäftigt, ist auch Halter von Hunden. Die Hunde haben in der Regel auf dem
gesamten Anwesen freien Auslauf und halten sich häufig in den Stallungen des
Betroffenen auf, in denen die Pferde untergestellt sind. Die Stallungen befinden sich auf
beiden Seiten einer offenen Hofdurchfahrt, die von zwei Toren begrenzt wird.
Unmittelbar vor einem Tor befindet sich ein Stellplatz für Pferde nebst angrenzendem
Strohvorrat. Von diesem Stellplatz hat der Betroffene durch zwei seitliche Holzwände
einen ca. 4 x 5 Meter großen Hundepferch abgeteilt. Anläßlich einer örtlichen
Überprüfung durch das Veterinäramt des Kreises A am 03.04.1995 wurde festgestellt,
daß der Betroffene vier Collies in diesem Pferch hält. Der: Untergrund des Pferches, der
aus Steinen besteht, war mit Sägespänen bestreut. Neben den genannten seitlichen
Holzwänden bildete eine nicht isolierte Steinmauer die Begrenzung des Pferches. Mit
Ausnahme der aufgestreuten Sägespäne stand den Hunden weiterer Schutz gegen
Witterungseinflüsse und Feuchtigkeit nicht zur Verfügung. Der Betroffene wußte, daß
diese Art der Hundehaltung nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht."
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An anderer Stelle heißt es im Urteil:
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"Die Unterbringung der Hunde entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen. Selbst
wenn die Hunde sich - wie der Betroffene unwidersprochen vorgetragen hat - in der
Regel auf dem gesamten Anwesen aufhalten und nur zeitweise, insbesondere während
des Ausmistens der Stallungen, in den Pferch verbracht werden, muß ihnen ein
Schutzraum bereitstehen. Die Stallungen als solche sind indes kein geeigneter
Schutzraum, weil sie nicht den Anforderungen des § 2 (erg.: der VO) entsprechen. Es
fehlt sowohl an der Herrichtung des Pferches aus wärmedämmenden Material als auch
an der notwendigen Abschirmung gegen Feuchtigkeit und Bodenkälte."
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Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Sachrüge.
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Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg.
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Nach § 9 Nr. 1 der VO über das Halten von Hunden im Freien (nachfolgend: VO)
handelt ordnungswidrig im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 a) TierSchG, wer vorsätzlich
oder fahrlässig entgegen § 2 Abs. 1 der VO einen Hund ohne Schutzraum hält. § 6 Satz
1 der VO bestimmt, daß Hunden, die auf Freianlagen oder in Schuppen, Scheunen,
nicht benutzten Stallungen, Lagerhallen oder ähnlichen Räumen gehalten werden, ein
den Anforderungen des § 2 der VO genügender Schutzraum zur Verfügung stehen muß.
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Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, der Betroffene habe in dem oben näher
beschriebenen, den Anforderungen des § 2 der VO für einen Schutzraum nicht
entsprechenden Hundepferch vier Collie-Hunde "gehalten". Diese Feststellung steht
nicht in Einklang mit anderen Urteilsausführungen, wonach der Betroffene
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unwidersprochen vorgetragen habe, daß die Hunde nur zeitweise, namentlich während
des Ausmistens der Stallungen, in den Pferch gebracht würden. § 1 Abs. 2 der VO
versteht unter "Haltung im Freien" die Anbindehaltung, die Zwingerhaltung, die Haltung
auf Freianlagen und die Haltung in Schuppen, Scheunen, nicht benutzten Stallungen,
Lagerhallen oder ähnlichen Einrichtungen. Von einer "Haltung" in diesem Sinne kann
nur gesprochen werden, wenn die regelmäßige und gewöhnliche Unterbringung der
Hunde ganz oder überwiegend einer der vier genannten Haltungstypen zuzuordnen ist.
Der einem Hund nur gelegentlich, vorübergehend und kurzfristig zugewiesene
Aufenthaltsort ist für die Frage, um welche Art der Haltung es sich handelt, nicht von
entscheidender Bedeutung. Maßgebend und prägend ist vielmehr das Gesamtbild der
Unterbringung. Demgegenüber treten Einzelaspekte zurück. Sie können lediglich im
Rahmen einer Gesamtwürdigung berücksichtigt werden. Der Tatrichter hat im
vorliegenden Fall die Darstellung des Betroffenen, die Hunde würden nur bei
bestimmten Gelegenheiten (Ausmisten der Ställe) kurzzeitig in den Pferch gesperrt,
ersichtlich für unwiderlegbar erachtet und zu dessen Gunsten als wahr unterstellt.
Damit ist die gleichzeitige Annahme, die Hunde würden in diesem Pferch "gehalten",
nicht zu vereinbaren. Schon wegen dieses Widerspruchs kann das Urteil materiell-
rechtlich keinen Bestand haben.
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Das Amtsgericht hat weiterhin ausgeführt, die Hunde hätten in der Regel auf dem
gesamten Anwesen freien Auslauf und hielten sich häufig in den Stallungen auf, in
denen die Pferde des Betroffenen untergebracht seien. Ob damit zum Ausdruck
gebracht werden soll, daß die auf dem Gelände regelmäßig frei umherlaufenden Hunde
abgesehen von den Zeiten des Stallausmistens jederzeit und nach eigenem Belieben
Zugang zu den Pferdeställen haben und sich dort aufhhalten können, lässt sich dem
Urteil nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen. Sollte das richtig sein, hätte das
Amtsgericht darlegen müssen, weshalb ein zusätzlicher Schutzraum im Sinne von § 2
der VO überhaupt erforderlich war. Zwar wird ohne nähere Begründung mitgeteilt, daß
die Stallungen als solche nicht den Anforderungen des § 2 der V0 entsprächen. § 6 Satz
1 der VO sieht jedoch den Schutzraum nur dann als notwendig an, wenn die
Hundehaltung in
nicht benutzten
ersichtlich der Auffassung, bei
benutzten
Tiere ohne weiteres davon ausgehen zu können, daß die Räume ausreichend trocken,
zugfrei und gegen Boden- bzw. Wandkälte geschützt seien und zudem durch die
Körperwärme der dort untergebrachten Tiere genügend erwärmt würden, um Hunden
den notwendigen Schutz gegen nachteilige Witterungseinflüsse, Feuchtigkeit oder Kälte
zu bieten. Danach bedarf es für die Hundehaltung in
benutzten
keines besonderen Schutzraums gemäß § 2 der VO.
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Da die bisher getroffenen Feststellungen nach allem die Verurteilung nicht tragen, ist die
angefochtene Entscheidung aufzuheben. Die Sache muß daher zu neuer Verhandlung
und Entscheidung unter Beachtung der oben dargelegten Grundsätze an die Vorinstanz
zurückverwiesen werden (§ 79 Ab3. 6 OWiG). Für eine eigene Entscheidung des
Senats fehlt es an einer vollständigen Tatsachengrundlage.
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Ergänzend wird bemerkt:
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Zunächst wird das Amtsgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden
Umstände darüber zu befinden haben, welche der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 der VO
genannten Haltungsformen auf dem Anwesen des Betroffenen praktiziert wird. Sollte
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genannten Haltungsformen auf dem Anwesen des Betroffenen praktiziert wird. Sollte
den wesentlichen Merkmalen nach eine Haltung auf Freianlagen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 der
VO) vorliegen, wird zu prüfen sein, ob nicht die
benutzten
eines Schutzraumes erfüllen können. Das wird allerdings nur in Betracht kommen, wenn
den Hunden - außer während des Ausmistens - jederzeit und nach eigenem Belieben
der Zugang möglich ist. Sollte dagegen das Hauptgewicht der Haltung darin liegen, daß
die Hunde mit in den – benutzten - Pferdeställen des Betroffenen untergebracht sind, ist
die Bereitstellung eines zusätzlichen Schutzraums nicht erforderlich, es sei denn, die
benutzten Stallungen seien im konkreten Fall mit selchen Mängeln behaftet, daß sie im
Hinblick auf ihre Schutzfunktion unbenutzten, leerstehenden Stallungen gleichzuachten
wären.