Urteil des OLG Köln vom 09.10.1998
OLG Köln (stand der technik, kläger, technik, mangel, sanierung, zeitpunkt, ergebnis, objekt, ausführung, gefahr)
Oberlandesgericht Köln, 20 U 13/98
Datum:
09.10.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Grundurteil
Aktenzeichen:
20 U 13/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 4 O 112/96
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln
vom 26.11.1997 -4 O 112/96- aufgehoben. Der Beklagte ist dem Grunde
nach verpflichtet, dem Kläger die Schäden zu ersetzen, die auf der
vorgenommenen Hartlötung an den Kaltwasserleitungen im Lager-raum,
in der Heizzentrale und dem Fettabscheideraum im Objekt N. 210, x. K.,
sowie auf der Anbringung der auf Bl. 9 f des Gutachtens des
Sachverständigen Dipl. Ing. K. vom 26.09.1995 -13 H 5/95 AG
Mühlheim/Ruhr- aufgeführten und als mangelhaft bezeichneten
Messing-Ventile beruhen. 2. Die Kostenentscheidung bleibt dem
Schlußurteil vorbehalten. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die zulässige Berufung des Beklagten gegen das im Tenor näher bezeichnete Urteil
des Landgerichts Köln ist zulässig. Das Rechtsmittel hat derzeit insoweit Erfolg, als dem
Grunde nach eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten ausgesprochen wird.
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1. Es liegt ein Planungsmangel des Beklagten vor. Jedenfalls nach Erlaß der
Neufassung der DIN 50930 Teil 5 im Februar 1993 und damit vor Beginn der
Ausführungsarbeiten ist ein Hartlöten von wasserführenden Kupferrohren im
linksrheinischen Gebiet von Köln als ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der
Technik anzusehen, so daß die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung des
Vorliegens eines Mangels abzustellen ist (vergl. Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 8. Aufl.,
Rdnr. 1467; BGH, MDR 1998, 1026), vorliegend nicht abschließend beantwortet werden
muß. Soweit in der Rechtslehre die Meinung vertreten wird, für die Frage der
Mangelhaftigkeit sei auf den Stand der Technik zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses
(hier: 23.03.1992) abzustellen, kann dies nicht richtig sein, da der Auftraggeber
selbstredend erwarten kann, daß der Auftragnehmer bei der Ausführung des Auftrags
einen ggf. geänderten Stand der Technik berücksichtigt.
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Zu der Planungsaufgabe des Beklagten gehörte es, dem ausführenden Unternehmen,
der Fa. H., genau vorzugeben, in welchem Lötverfahren die Arbeiten auszuführen sind,
da sich unstreitig die Wahl des Lötverfahrens -auch aus damaliger Sicht- auf die
Korrosionsbeständigkeit auswirken konnte, aber auch weitere, auf Bl. 5 der
Berufungserwiderung (Bl. 227 GA) von dem Beklagten selbst aufgeführte
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Gesichtspunkte, die für oder gegen ein Hart- oder Weichlöten sprechen können, zu
berücksichtigen waren. Dieser Frage kam auch ausweislich der vom Beklagten
erstellten technischen Anlagenbeschreibung (Bl. 99 AH) sowie Nr. 5.1. des von ihm
erstellten Leistungsverzeichnisses (Bl. 53 der Akte 13 H 5/95 AG Mühlheim/Ruhr)
besondere Bedeutung zu ("Sollte es aufgrund der Wasserqualität erforderlich sein, so
müssen alle Rohre bis 28 mm weichgelötet werden.").
Ein Planungsmangel liegt vor, weil zumindest im linksrheinischen Gebiet von Köln die
Wasserqualität bereits 1992/1993 so beschaffen war, daß diese eine erhebliche
Lochfraßgefahr jedenfalls für Rohre mit einem Durchmesser, wie sie vorliegend im
Objekt des Klägers verlegt worden sind, im Falle eines Hartlötens mit sich brachte. Dies
haben sowohl der Sachverständige Dipl.-Ing. K. im selbständigen Beweisverfahren wie
auch der Sachverständige Dipl. Chem. Dr. Kr. im Hauptverfahren übereinstimmend
festgestellt. Dementsprechend gibt die Streitgehilfin jedenfalls ab Oktober 1994 die
Empfehlung ab, nicht im Hartlötverfahren vorzugehen.
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2. Das für § 635 BGB erforderliche Verschulden ist gegeben, da der Beklagte als
Sonderfachmann die in Fachkreisen zumindest seit 1988 erfolgte Diskussion um die
Gefahren des Hartlötens hätte nachverfolgen müssen. Diese Diskussionen waren ihm
auch ausweislich seiner persönlichen Eingaben im selbständigen Beweisverfahren -s.
Bl. 34, 38 der o.g. Beweissicherungsakte- bekannt. Er kann sich deshalb nicht mit Erfolg
darauf berufen, daß die Neufassung der DIN 1988, die die besonderen
Korrosionsgefahren berücksichtigt, erst 1995 in Kraft getreten ist
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( vergl. insoweit auch OLG Köln, OLG-Report 1997, 76 f; der 11. Zivilsenat beschäftigt
sich in dieser Entscheidung zutreffend mit der Frage der anerkannten Regeln der
Technik im Zusammenhang mit dem Lochfraß; s. auch BGH, MDR 1998, 1026 f, wonach
DIN-Normen die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, aber auch dahinter
zurückbleiben können).
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Ob als bewiesen angesehen werden kann, daß Mitarbeiter der Streitgehilfin dem
Beklagten oder der Fa. H. gegenüber geäußert hätten, gegen ein Hartlöten keine
Bedenken zu haben, ist unerheblich. Denn der Beklagte trägt nicht vor, sich nach der
Wasserzusammensetzung erkundigt zu haben, um alsdann eigenverantwortlich das
Korrosionsrisko zu überprüfen. Er hat allenfalls nach dem Ergebnis der Einschätzung
irgendwelcher Außendienstmitarbeiter der Streitgehilfin gefragt, die -wie aus dem
Schreiben der I. an die Streitgehilfin vom 06.10.1992 (Bl. 52 der Beweissicherungsakte)
ersichtlich und in der
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erstinstanzlichen Beweisaufnahme bestätigt- in erster Linie deshalb am 06.10.1992 auf
der zukünftigen Baustelle erschienen sind, damit der Rückbau der Gas- und
Wasserzähler in dem abzureißenden Altbau abgestimmt werden konnte. Nach der DIN
1988, Teil 7 unter 3.2. (s. 57 der Beweissicherungsakte) soll gerade nicht nur das
Ergebnis der Einschätzung des zuständigen Wasserversorgungsunternehmens über die
Vertretbarkeit des Hartlötens abgefragt werden. Der Beklagte kann sich daher nicht mit
Erfolg darauf berufen, die (angebliche) Auskunft von Mitarbeitern der Streitgehilfin sei
wie die Auskunft eines Sonderfachmanns im baurechtlichen Sinne zu behandeln und
könne ihn deshalb entlasten. Inwieweit Mitarbeiter der G. zutreffende oder unzutreffende
Angaben über die Korrosionsgefahr gemacht haben, kann daher im vorliegenden
Verfahren dahinstehen.
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3. Ob dem Kläger der geltend gemachte Zahlungsanspruch allerdings nach Maßgabe
der Sanierungskosten auf Gutachtenbasis zusteht, ist noch offen. Der Kläger kann zwar
nach
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§ 635 BGB grundsätzlich verlangen, so gestellt zu werden, als sei die Planung des
Beklagten mangelfrei G.esen. Demnach kann er grundsätzlich die Kosten geltend
machen, die für eine Erneuerung des Rohrystems im Weichlötverfahren anfallen.
Durchgreifende Gründe, die im konkreten Fall gegen ein Weichlöten sprechen, hat der
Beklagte nicht hinreichend dargetan. Nach den Ausführungen der Sachverständigen ist
auch davon auszugehen, daß ein zukünftiger Wasserrohrbruch infolge der durch das
Hartlöten begünstigten Korrosionsgefahr jedenfalls nicht gänzlich unwahrscheinlich ist.
Insoweit schließt sich der Senat insbesondere den überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen Dipl.Chem. Dr. Kr. an, die dieser anläßlich seiner Anhörung vor der
Kammer gemacht hat (Bl. 155 GA). Grundsätzlich ist es dem Kläger nicht zuzumuten,
die Schadensgeneigtheit der Rohranlage hinzunehmen und auf einen Schadenseintritt
zu warten, der ggf. zu hohen Folgekosten führen kann. Andererseits ist jedoch zu
überprüfen, ob eine jetzige Sanierung angesichts der damit verbundenen Kosten als
wirtschaftlich sinnvoll angesehen werden kann (Rechtsgedanke aus § 633 II S. 3 BGB).
Die Wahrscheinlichkeit, daß in näherer oder fernerer Zukunft ein Rohrbruch eintritt, ist
nach den im Kern übereinstimmenden Ausführungen der Sachverständigen als eher
gering einzustufen. Ob die konkreten Verhältnisse in einem Nachbarhaus, in dem noch
zehn Jahre nach Fertigstellung der Anlage Lochfraß in erheblichem Umfang aufgetreten
sein soll, mit den Verhältnissen im Objekt des Klägers vergleichbar sind, ist nicht
ersichtlich, zumal nach den Ausführungen der Sachverständigen gerade die
besonderen Verhältnisse im Leitungssystem in den ersten Stunden nach der Befüllung
mitentscheidend dafür sind, ob die Voraussetzungen für eine spätere Korrosion
begünstigt werden. Da sich die Sanierungskosten allein für die Rohrleitungen im Keller
des Objektes Neusser Str. 210 nach den Ermittlungen des Sachverständigen K. auf über
25.000,- DM belaufen und die Kosten für die Sanierung der Leitungen im Erdgeschoß
hinzukommen -eine Teilsanierung brächte eher die Gefahr mit, daß Stellen, die die
Disposition zum Lochfraß haben, tatsächlich korrodieren-, erscheint es fraglich, ob dem
Kläger ein Zahlungsanspruch nach Maßgabe der von ihm angenommenen
Sanierungskosten zugesprochen werden kann.
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Dies gilt ebenso für die Sanierung der auf Bl. 9 des o.g. Gutachtens des
Sachverständigem Dipl. Ing K. erwähnten mangelhaft erstellten Ventile (s. Bl. 85 f der
Beweissicherungsakte), die laut Sachverständigengutachten mit einem Nettobetrag von
405,- DM zu bewerkstelligen ist. Der Beklagte hat für diesen Mangel zwar wegen
schuldhafter Verletzung der ihm unstreitig ebenfalls übertragenen Überwachung der
Ausführung der Sanitärarbeiten einzustehen. Für die Zweckmäßigkeit der Teilsanierung
der Ventile ist jedoch nichts dargetan.
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Der Kläger hat jedoch -bereits erstinstanzlich- substantiiert dargetan, daß sich der
Mangel im Leitungssytem auch auf einen etwaigen Verkaufspreis erheblich mindernd
auswirke; hiermit hat er seinen bezifferten Zahlungsanspruch hilfsweise begründet.
Insoweit hat er Sachverständigenbeweis angeboten, der zu erheben ist. Erst nach dem
Ergebnis dieser Beweisaufnahme läßt sich abschließend beantworten, ob eine
Sanierung zum jetzigen Zeitpunkt wirtschaftlich vertretbar ist oder nicht.
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4. Da über den geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht
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abschließend befunden werden kann, ist auch eine Entscheidung über die hilfsweise
gestaffelten Feststellungsanträge, deren Streitgegenstand sich nach dem Umfang des
berechtigten Zahlungsbegehrens richtet, derzeit nicht möglich. Eine Abweisung der
Feststellungsanträge als unzulässig kommt angesichts des Umstandes nicht in Betracht,
daß eine G.isse Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Schadens infolge eines
korrosionsbedingten Rohrbruchs besteht (-bereits die konkrete Möglichkeit eines
Schadenseintritts reicht für die Bejahung der Zulässigkeit einer Feststellungsklage,
vergl. BGH, NJW-RR 1991, 917, 918 f, NJW 1972, 198, NJW 1991, 2707, 2708), zumal
die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht (vergl. zum letztgenannten
Gesichtspunkt, der für ein Feststellungsinteresse spricht, BGH, NJW-RR 1991, 917,
918). Der vom Landgericht angezogenen Entscheidung BGH, BauR 1992, 115 f, in der
ein Feststellungsinteresse verneint wurde, liegt ein abweichender Sachverhalt
zugrunde: Der Bauherr hatte lediglch vorgetragen: Da ein Sachverständiger bereits
etliche Mängel festgestellt habe, würden wohl auch noch weitere, nicht näher
konkretisierte Mängel vorliegen. In Bezug auf letztere begehrte er die Feststellung, daß
der Beklagte zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet sei. Wenn jedoch nichtmals
klar ist, welcher Mangel konkret streitgegenständlich sein soll, so fehlt es nachgerade an
einem Rechtsschutzinteresse, für nur vermutete und nicht näher bezeichnete Mängel
gleichsam vorsorglich einen Feststellungstitel zu erwirken. Vorliegend jedoch ist der
Mangel konkret vorgetragen.
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5. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Mangels
vollstreckungsfähigen Inhalts und im Hinblick auf § 713 ZPO ist für den Ausspruch einer
Abwendungsbefugnis kein Raum.
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Streitwert für das Grundurteil: bis zu 20.000,- DM
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Die Beschwer des Beklagten übersteigt nicht 60.000,- DM.
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