Urteil des OLG Köln vom 06.08.2007

OLG Köln: familie, einkünfte, elektriker, vermögensbildung, geburt, haushalt, kinderbetreuung, belastung, ehepartner, beitrag

Oberlandesgericht Köln, 4 UF 99/07
Datum:
06.08.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 UF 99/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 45 F 316/05
Tenor:
1.Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Urteilsausspruch zu
Ziff. 2. des Urteils des Amtsgerichts – Familiengericht – Bonn vom
24.04.2007 – 45 F 316/05 – zum Versorgungsausgleich wird auf Kosten
der Antragstellerin zurückgewiesen.
2.Der Antrag der Antragstellerin, ihr zur Durchführung des
Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e :
1
1.
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Die gem. § 621 e ZPO zulässige – insbesondere frist- und formgerecht eingelegte –
befristete Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat
das Familiengericht den Versorgungsausgleich zwischen den Parteien dergestalt
durchgeführt, dass zu Lasten der Versorgung der Antragstellerin bei der Bundesstadt C
(Personalnummer xxx) auf dem Versicherungskonto Nr. ####1 des Antragsgegners bei
der Deutschen Rentenversicherung Rheinland Rentenanwartschaften von monatlich
162,37 € bezogen auf den 30.11.2005, begründet werden und der Monatsbetrag der
Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte umzurechnen ist.
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Die hiergegen gerichteten Angriffe der Antragstellerin greifen im Ergebnis nicht durch.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der Anspruch des Antragsgegners auf
Durchführung des Versorgungsausgleiches nicht gem. § 1587 c Nr. 3 BGB verwirkt.
Nach Auffassung des Senates kann dem Antragsgegner nämlich nicht vorgeworfen
werden, dass er während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum
Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat.
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Die Antragstellerin wirft dem Antragsgegner im Wesentlichen vor, dass er während des
Zusammenlebens einer selbstständigen Tätigkeit als Elektriker nachgegangen ist, ohne
hieraus genügend Einkünfte erzielt zu haben, um den Familienunterhalt sicher zu
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stellen. Der Senat verkennt nicht, dass ein solcher Vorwurf durchaus zur Verwirkung
eines Anspruchs auf Durchführung des Versorgungsausgleiches führen kann. Indes
sind vorliegend die Voraussetzungen nicht gegeben.
Die Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, verletzt gröblich, wer als Selbständiger
in rücksichtsloser Weise seine selbstständige Tätigkeit beibehält, ohne sich um eine
besser bezahlte Arbeitsstelle zu bemühen, so dass als Folge seines Verhaltens die
Familie in äußerst beengten wirtschaftlichen Verhältnissen zu leben hatte und die
Ehefrau gehalten war, eine Berufstätigkeit aufzunehmen. Nach der Rechtssprechung
des Bundesgerichtshofes (vgl. hierzu BGH FamRZ 1987, 49 – 52) gilt dies für eine über
längere Zeit begangene Unterhaltspflichtverletzung dann, wenn über die Nichterfüllung
der geschuldeten Unterhaltsleistung hinaus weitere objektive Merkmale vorliegen, die
dem pflichtwidrigen Verhalten ein besonderes Gewicht verleihen, zum Beispiel wenn –
wie oben erwähnt – ein Unterhaltsberechtigter dadurch in ernsthafte Schwierigkeiten bei
der Beschaffung seines Lebensbedarfes geraten ist. Bei einer neuaufgenommenen
selbstständigen Tätigkeit darf der Unterhaltspflichtige dabei grundsätzlich abwarten, ob
bei gehörigem Arbeitseinsatz nach einer Anlaufzeit ein entsprechender wirtschaftlicher
Erfolg eintritt.
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Nach Auffassung des Senates liegen auch unter Zugrundelegung des Vortrages der
Antragstellerin die oben genannten Voraussetzungen nicht vor. Von einem groben
Verstoß gegen die ihm obliegenden Unterhaltspflichten kann aufgrund des Verhaltens
des Antragsgegners nicht ausgegangen werden.
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Dabei ist anzumerken, dass die Antragstellerin selbst bei Einleitung des
Scheidungsverfahrens zunächst nicht von einer solchen groben Pflichtwidrigkeit des
Verhaltens des Antragsgegners ausgegangen ist. Denn gemäß der Antragsschrift vom
02.11.2005 im Scheidungsverfahren (Bl. 1 – 3 GA) ist ausdrücklich auf Seite 3 der
Antragsschrift vermerkt, dass "der Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen
Vorschriften durchgeführt werden soll". Dies ist aber ein deutliches Indiz dafür, dass die
Antragstellerin das berufliche Verhalten des Antragsgegners während der Ehe nicht als
aus unterhaltsrechtlicher Sicht grob pflichtwidrig angesehen hat. Andernfalls hätte sie
bereits in der Antragsschrift bei Einleitung des Scheidungsverfahrens hierauf
hingewiesen und einen entsprechenden Antrag zum Ausschluss des
Versorgungsausgleichs gestellt. Erst nachdem die Auskünfte der Versicherungsträger
eingeholt worden waren, hat die Antragstellerin erstmals mit Schriftsatz vom 14.11.2006
(Bl. 39 – 41 VA-Heft) beantragt, den Versorgungsausgleich gem. § 1587 c Nr. 3 BGB
auszuschließen.
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Auch wenn dieses Verhalten nicht zwingend gegen eine grobe Pflichtverletzung des
Antragsgegners spricht, ergeben die weiteren von der Antragstellerin vorgebrachten
Gründe nicht den Verwirkungstatbestand nach § 1587 c Nr. 3 BGB.
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Dabei kann zunächst dahinstehen, ob die Antragstellerin – was der Antragsgegner
bestreitet – diesen tatsächlich während der Ehe nach Aufnahme seiner selbstständigen
Tätigkeit aufgefordert hat, seine selbstständige Tätigkeit aufzugeben, um eine besser
entlohnte abhängige Tätigkeit in seinem erlernten Beruf als Elektriker aufzunehmen. Es
kann nämlich – wovon das Familiengericht im Ergebnis zutreffend ausgeht – nicht
festgestellt werden, dass der Antragsgegner nicht in ausreichendem Maße zum
Familienunterhalt beigetragen hat. Über die konkreten Betriebsergebnisse des vom
Antragsgegner selbstständig betriebenen Handwerks des Elektrikers liegen konkrete
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Erkenntnisse nicht vor. So bestreitet die Antragstellerin nicht, dass der Antragsgegner
ihr während der Ehe wohl durchgängig 400,00 € Haushaltsgeld zur Verfügung stellte.
Noch in ihrem Schriftsatz vom 14.02.2007 trägt die Antragstellerin auf Seite 2 (Bl. 53 VA-
Heft) vor, dass sie nicht mehr nachzuhalten vermag, ob nach Abzug der vom
Antragsgegner freiwillig gezahlten Beiträge zur Alterssicherung von den Einnahmen aus
dem Handwerksbetrieb noch nennenswerte Beträge für den Familienunterhalt übrig
geblieben sind. Schon insoweit ist es schwer nachvollziehbar, wenn die Antragstellerin
dem Antragsgegner – ohne die konkrete Vermögenssituation schildern zu können –
eine grobe Unterhaltspflichtverletzung vorwirft. Vielmehr lässt der Vortrag der
Antragstellerin eher den Schluss zu, dass die Parteien gemeinsam gewirtschaftet und
ihre Einkünfte einvernehmlich zum Familienunterhalt und zur Finanzierung des
Hausbaues verwendet haben.
Dass der Beitrag des Antragsgegners zum Familienunterhalt nicht völlig untergeordnet
war, ergibt sich auch aus der Tatsache, dass die Antragstellerin nach der Geburt des
gemeinsamen Sohnes der Parteien Fabian am 30.12.1997 über den eigentlichen
Mutterschutz hinaus zunächst nicht erwerbstätig war, sondern Erziehungsurlaub nahm.
Diese Zeit dauerte vom 01.03.1998 bis zum 28.02.1999. Während dieses Jahres
versorgte damit der Antragsgegner die Familie mit den Einkünften aus seinem
Gewerbebetrieb weitgehend alleine. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch erhebliche
Lasten für den Hausbau anfielen. Insoweit kann dem Antragsgegner nicht vorgeworfen
werden, dass er nur soviel verdiente, dass die Familie zusätzlich Wohngeld beziehen
musste. Jedenfalls reichte das Einkommen des Antragsgegners gemeinsam mit dem
Erziehungsgeld aus, um die Familie zu unterhalten und die finanziellen Lasten für den
Hausbau zu tragen.
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Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin, als sie im
März 1999 ihre Arbeitstätigkeit wieder aufnahm, weitgehend die Familie alleine
unterhielt. So ergibt sich aus den Auskünften der Bundesstadt C (vgl. Bl. 59 – 64 GA),
dass die Antragstellerin vom 01.03.1999 bis zum 01.01.2000 lediglich 19
Wochenstunden (Halbtagstätigkeit), vom 01.01.2000 bis zum 31.07.2001 25 Stunden,
vom 01.08.2001 bis 30.04.2003 30 Stunden und erst danach im Wesentlichen
vollschichtig arbeitete. Jedenfalls in der Zeit, als die Antragstellerin nur
teilzeitbeschäftigt war, konnte sie jedenfalls mit ihrem Verdienst allein nicht die
Hauslasten tragen und zusätzlich die Familie unterhalten. Notwendigerweise muss der
Antragsgegner – wie er auch selbst vorträgt – zum Unterhalt der Familie mit beigetragen
haben. So trägt die Antragstellerin selbst Hauslasten einschließlich Versicherungen von
rund 1.600,00 € im Monat vor und legt dar, dass sie während ihrer Tätigkeit mit 30
Wochenstunden circa 1.600,00 € netto verdient hat. Damit liegt aber auf der Hand, dass
der gesamte Verdienst der Antragstellerin in diese Belastungen geflossen sein muss.
Notwendigerweise muss dann aber der Antragsgegner für den übrigen
Familienunterhalt gesorgt haben. Daher kann der Senat schon nicht den Schluss
ziehen, dass die Tätigkeit des Antragsgegners völlig unrentabel war und unter keinen
Umständen geeignet war, entscheidend mit zum Familienunterhalt beizutragen. Dies gilt
erst Recht für die Zeit, in der die Antragstellerin nur 19 bzw. 25 Stunden gearbeitet hat.
Zu dieser Zeit muss deren Einkommen noch deutlich unter den von ihr vorgetragenen
1.600,00 € monatlich netto gelegen haben.
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Hinzu kommt weiter, dass der Antragsgegner durch seine handwerkliche Arbeit am
Haus zum Unterhalt der Familie beigetragen hat. Seine handwerklichen Arbeiten an
dem Familienheim im Elektrobereich werden nicht bestritten. Dass diese Arbeiten
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letztendlich nicht zu einem Abschluss gekommen sind, lag insbesondere daran, dass
sich die Parteien getrennt haben. Jedenfalls tragen die Arbeiten zur Vermögensbildung
der Familie bei und entlasteten deren Haushalt.
Schließlich wirft die Antragstellerin dem Antragsgegner nicht einmal vor, dass er nicht
genügend gearbeitet hat. Vielmehr geht der Vorwurf in erster Linie dahin, dass er nicht
in der Lage gewesen sei, die von ihm abgewickelten Aufträge ordnungsgemäß
abzurechnen und somit über erhebliche Fehleinnahmen verfügte. Auch hier wird der
Vortrag der Antragstellerin nicht im Einzelnen belegt. Es ist insbesondere auch dem
Senat bekannt, dass gerade im Bauhandwerk die Betriebe erheblich darunter leiden,
dass Rechnungen nur verzögerlich oder gar nicht bezahlt werden. Diese schleppende
Zahlungsmoral der Kunden kann tatsächlich existenzbedrohend sein. Jedenfalls konnte
die Antragstellerin nicht im Einzelnen belegen, dass der Antragsgegner vorwerfbar
Forderungen nicht durchsetzen konnte. So trägt die Antragstellerin selbst vor, dass sie
teilweise dem Antragsgegner die Buchführung gemacht und Schriftsätze aufgesetzt
habe, um Forderungen einzutreiben. Von daher müsste die Antragstellerin in der Lage
sein, zumindest etwas konkreter zu dem Vorwurf des kaufmännischen Unvermögens
des Antragsgegners vorzutragen.
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Insgesamt kann festgehalten werden, dass der Antragsgegner, der zuletzt neben seiner
selbstständigen Tätigkeit eine Hausmeistertätigkeit angenommen hat, so viel mit
hinzuverdient hat, dass es den Parteien möglich war, neben dem Unterhalt der Familie
auch die Finanzierung eines Hauses sicher zu stellen.
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Dabei kann bei dieser Sachlage unter keinen Gesichtspunkten davon die Rede sein,
dass die Parteien in wirtschaftlich sehr beengten Verhältnissen gelebt haben. Auch ist
darauf zu verweisen, dass der Antragsgegner sehr wohl selbstständige Altersvorsorge
betrieben hat, sodass der von der Antragstellerin auszugleichende Betrag mit 162,37 €
verhältnismäßig gering ist. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass es der heute
41jährigen Antragstellerin als Beamtin durchaus möglich ist, noch eine ordentliche
Altersversorgung aufzubauen.
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Daher kommt es schließlich nicht entscheidend darauf an, ob und in welchem Umfang
der Antragsgegner bei der Haushaltsführung und Kinderbetreuung mitgeholfen hat.
Entscheidend ist, dass er vollschichtig gearbeitet hat und nach der Vermögenssituation
der Parteien notwendigerweise aus dem Betrieb seines Handwerks so viel
erwirtschaftet haben muss, dass er entscheidend mit zum Familienunterhalt beigetragen
hat.
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Von daher braucht letztlich auch nicht entschieden zu werden, wie lange man dem
Antragsgegner eine gewisse Orientierungsphase zubilligen durfte. Auch ist nicht
ersichtlich, da die Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit nicht feststehen, ob der
Antragsgegner überhaupt als Elektriker in abhängiger Beschäftigung wesentlich mehr
hätte verdienen können und eine bessere Altersvorsorge hätte aufbauen können.
Insgesamt ergibt sich damit eine familiäre Situation, in der beide Ehepartner gehalten
waren, gerade auch wegen der hohen Belastung im Hinblick auf den Hausbau
hinzuzuverdienen. Eine völlig einseitige Lastenverteilung zu Ungunsten der
Antragstellerin kann nicht festgestellt werden. Der Versorgungsausgleich ist daher zu
Recht erfolgt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Beschwerdewert: 1.000,00 €.
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2.
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Da der befristeten Beschwerde der Antragstellerin die notwendige Erfolgsaussicht fehlt,
wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, war auch gem. § 114 ZPO der Antrag auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens
zurückzuweisen.
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