Urteil des OLG Köln vom 15.12.2003
OLG Köln: rechtshilfe in strafsachen, strafbare handlung, auto, anklageschrift, rechtshilfeersuchen, öffentlich, beleidigung, fahrzeug, nichte, familie
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Schlagworte:
Normen:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Köln, Ausl 329/03
15.12.2003
Oberlandesgericht Köln
2. Strafsenat
Beschluss
Ausl 329/03
ausländische Strafvorschriften
EuRhÜbk Art. 14
Bei einem Antrag auf Gewährung von Rechtshilfe in Strafsachen ist die
Beifügung der ausländischen Strafvorschriften nicht erforderlich.
Die richterliche Vernehmung des Angeschuldigten D B, um die das
Landesstrafgericht in Kandira/Türkei im Wege der Rechtshilfe ersucht
hat, wird für zulässig erklärt.
G r ü n d e :
I.
Mit einem vom türkischen Generalkonsulat übermittelten Antrag vom 11.09.2002 ersucht
das Landstrafgericht in Kadira/Türkei um die Vernehmung eines in X wohnenden
türkischen Staatsangehörigen, der in einem beim ersuchenden Gericht anhängigen
Verfahren beschuldigt wird. In der dem Ersuchen in Übersetzung beigefügten
Anklageschrift vom 25.04.2001 heißt es zum Tatvorwurf:
"Es wird aus der Beschwerdeschrift in Akten, aus der Aussage der
Beschwerdeführer bei der rep. Staatsanwaltschaft, aus den Aussagen der Polizisten O U
und G D, aus dem Polizeischreiben und der Polizeiniederschrift des Zeugen N A und aus
dem Inhalt der gesamten Ermittlungsakten verstanden, dass die Beschwerdeführer an der
Straftatzeit in ihrer Sommerhaus in Siedlungsgebiet G des Dorfes B des Landkreises
Kandira in den Ferien ist und der Angeschuldigte ihre Sommerhausnachbarin ist, an der
Straftatzeit wegen des Erdbebensangst in ihrem Auto geschlafen hat, die Familie und
Verwandte O U des Beschwerdeführer wegen des Erdbebens in Sommerhaus der
Beschwerdeführer geblieben sind, F, die Tochter von G E, die die Schwester der
Beschwerdeführer ist, die Tür des Autos aufgemacht hat, dabei Alarmsystem des Autos
geklingelt hat, der Angeschuldigte dann der Beschwerdeführer so sagte, indem er Alarm
vorbringt: "Unerfahrene Dingsda, ungezogene ordinäre Menschen, Hure, stellen Sie das
Auto noch ein Mal hierher nicht ab! Sie werden sehen, was ich machen werde, wenn Alarm
noch einmal klingelt.", öffentlich vor der Abwesenheit Verwünschungen ausgestoßen hat
und bedingt gedroht hat."
Das Amtsgericht Brühl hält das Rechtshilfeersuchen für unzulässig, weil die Übersetzung
des Rechtshilfeersuchens derart unzulänglich sei, dass sich der Sinn des Textes nicht
mehr ohne weiteres erschließe. Auch seien die bezogenen Gesetzesartikel der
Anklageschrift (hier: 482/3356) nicht vollständig mitgeteilt. Es verstieße damit gegen den
Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Es hat deswegen das Ersuchen dem Senat zur
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Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Die Vorlage ist gemäß § 61 Abs. 1 IRG zulässig.
2. Der Antrag auf richterliche Vernehmung des in der Türkei angeschuldigten D B ist
gemäß § 59 IRG zulässig. Es ist dem Amtsgericht zwar einzuräumen, dass die
Übersetzung des Ersuchens von ausgesprochen schlechter Qualität ist. Dies führt jedoch
nicht zur Unzulässigkeit des Antrags. Nach Art. 1 Abs. 1 des im Verhältnis zur Türkei
maßgeblichen Europäischen Rechtshilfeübereinkommens vom 20.04.1959 (EuRhÜbk)
sind die Vertragsparteien verpflichtet, einander "soweit möglich" Rechtshilfe zu leisten. Bei
dem danach gebotenen Wohlwollen, das deutsche Gerichte und Behörden bei
ausgehenden Rechtshilfeersuchen umgekehrt auch erwarten, ist es trotz der massiven
Mängel in der Übersetzung möglich, aus dem Antrag den Vorwurf hinreichend deutlich zu
entnehmen, der von den türkischen Behörden gegen den Angeschuldigten erhoben wird:
Nachdem die Nichte der Beschwerdeführerin versehentlich den Alarm an deren
Fahrzeug ausgelöst hatte, soll der Angeschuldigte am 20.08.1999 in B-G zu der
Beschwerdeführerin in Anwesenheit dritter Personen, nachdem diese versehentlich den
Alarm eines Fahrzeugs ausgelöst hatte, geäußert haben:
"Hure, stellen Sie das Auto nicht noch einmal hier ab! Sie werden sonst
sehen, was ich machen werde, wenn der Alarm noch einmal eingeschaltet wird."
Außerdem werden die türkischen Bestimmungen bezeichnet, nach denen dieses Verhalten
strafbar sein soll. Mehr ist nicht erforderlich, um den Angeschuldigten mit dem gegen ihn
erhobenen Vorwurf vertraut zu machen und ihn dazu zu vernehmen. Die Bestimmung des
Art. 482 ist jedenfalls durch das Rechtshilfeersuchen hinreichend konkretisiert, denn es
heißt dort, daß bei dem Gericht Klage wegen "der öffentlichen Verwünschüng vor dem
Anwesenheit (482/3 des Türkischen Strafgesetzes)" erhoben sei. Art. 482 ist im Wortlaut
mit dem Grundtatbestand der Beleidigung und Absatz 3 (Beleidigung "in Gegenwart des
Angegriffenen und gleichzeitig öffentlich") wiedergegeben. Die - wohl irrtümliche -
Erwähnung weiterer Absätze der Norm in der Anklageschrift ist unschädlich und macht den
Rechtshilfeantrag nicht unzulässig. Dies gilt schon deshalb, weil die Beifügung der
verletzten ausländischen Normen nicht erforderlich ist. Nach Art. 14 Abs. 2 EuRhÜbk hat
das Ersuchen lediglich die strafbare Handlung zu bezeichnen (vgl. Schomburg/Lagodny,
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl., Art. 14 EuRhÜbk Rdnr. 4).