Urteil des OLG Köln vom 08.12.1992

OLG Köln (firma, vernehmung von zeugen, fortführung, bezeichnung, haftung, höhe, geschäft, handelsregister, sparkasse, sicherheit)

Oberlandesgericht Köln, 3 U 118/92
Datum:
08.12.1992
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 U 118/92
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 89 O 184/91
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 21. Februar 1992
verkündete Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts K.
- 89 O 184/91 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des
Rechtsstreits trägt die Klägerin. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der
Klägerin bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistungen in Höhe von 15.000,00 DM abzuwenden, wenn
nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit
leistet. Die Sicherheiten können auch durch die selbstschuldnerische
Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich rechtlichen
Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin nimmt den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Firmenübernahme (§
25 HGB) in Anspruch.
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Sie gewährte dem Zeugen F. H. Kredit. H. betrieb ab Frühjahr 1989 ein Transport- und
Kurierdienst- unternehmen unter der Bezeichnung "C. "; er verwendete zusätzlich ein
Firmenlogo "C.". Durch Beschluß des Amtsgerichts K. vom 12. April 1991 wurde die
Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des F. H. mangels Masse
abgelehnt. Die Klägerin kündigte die Geschäftsbeziehung zu H. unter dem 14. Mai
1991.
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Die Klägerin hat behauptet, H. habe bei ihr jetzt noch Verbindlichkeiten in Höhe von
115.524,87 DM. Diese stammten aus drei Darlehensgewährungen sowie dem
Schuldsaldo des laufenden Kontos des H. und weiteren Verbindlichkeiten, unter
anderem wegen der Rechtsverfolgung der Klägerin bezüglich des ihr von H.
eingeräumten Sicherungseigentums.
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Sie hat weiter behauptet, der Beklagte habe mit dem Zeugen H. Ende April 1991 eine
Übernahme des Unternehmens vereinbart und sich selbst später in einem Verfahren der
einstweiligen Verfügung zwischen den Parteien als neuen Inhaber, Besitzer und
Eigentümer der Firma C. und der damals zu beschlagnahmenden Gegenstände
bezeichnet. Auch die seitens des Beklagten übernommenen drei Fahrzeuge des H.
trügen die Bezeichnung "C.". - Zur Übernahme des Unternehmens hat die Klägerin
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weitere Einzelheiten vorgetragen. -
Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 115.524,87 DM nebst 11,3 % Zinsen seit dem 2.
Oktober 1991 zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat bestritten, mit H. eine Vereinbarung über eine Übernahme und Fortführung des
Handelsgeschäftes geschlossen zu haben. Das Geschäft des H. sei durch
konkursabweisenden Beschluß beendet worden. Er -der Beklagte - habe ein neues
Geschäft begonnen. Die Beschriftung "C." auf dem von H. übernom- menen Fahrzeugen
sei wegen einer gewissen Mißorga- nisation bei der Neugründung des Unternehmens
stehengelassen worden. Formulare des H. seien von ihm - dem Beklagten - stets mit
dem Zusatz "R." benutzt worden.
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Nach Vernehmung von Zeugen hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß
verurteilt. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, daß aufgrund der
durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt sei, daß der Beklagte das von H.
erworbene Handelsgeschäft fortgeführt habe und die Verbindlichkeiten des H. bei ihr -
der Klägerin - in der geltend gemachten Höhe bestünden. Der Beklagte hafte für diese
Verbindlichkeiten und für die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten gemäß § 25
HGB, weil er auch die Firma des H. fortgeführt habe, denn die Bezeichnungen "C." bzw.
"C. " seien die prägenden Teile der Firmenbezeichnung des H.. - Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf Blatt 167 ff. verwiesen. -.
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Gegen dieses ihm am 24. März 1992 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 24. April
1992 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerungsfrist am 1. Juli
1992 begründet.
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Der Beklagte wendet sich dagegen, daß das Land- gericht eine Fortführung der
bisherigen Firma H. angenommen habe. Er behauptet, H. habe die Firma "C., F. H. "
geführt. So sei er - dies ist unstreitig - im Handelsregister eingetragen gewesen. Der
Firmenbestandteil "C." sei lediglich die Angabe einer Branche, und "K." gebe nur den
Sitz des Unternehmens an. Das Kürzel "C." sei nicht Bestandteil der eingetragenen
Firma gewesen; auch dies ist unstreitig.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des landgerichtlichen Ur- teils die Klage abzuweisen, hilfsweise, bei
einem Vollstreckungsschutz- ausspruch ihm, dem Beklagten, zu gestatten, Sicherheit
durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffent- lichen
Sparkasse zu erbringen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise ihr, der Klägerin, nachzulas- sen, die
Zwangsvollstreckung auch durch Si- cherheitsleistung abzuwenden mit der Maß- gabe,
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daß die Sicherheit auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-
rechtlichen Sparkasse erbracht werden können.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt ihren erstinstanzlichen
Sachvortrag zur Unternehmensfortführung, insbesonderer aber zur Fortführung der
Firma. Hierzu behauptet sie erneut, daß der Beklagte sich mehrfach und deutlich durch
eine Vielzahl von Maßnahmen nicht nur an die alte Firma "angehängt", sondern diese
auch nach der Auffassung des Verkehrs fortgesetzt habe. Diese Maßnahmen seien die
Fortführung der bisherigen Briefbögen, Auftragscheine und Formulare, die
Weiterbenutzung der mit der Firmenbezeichnung versehen Fahrzeuge, die Übernahme
der Telefon- und Telefaxnummern, die Fortführung der Kundennummer bei der K. die
nahtlose Übernahme der wesentlichen Mitarbeiter.
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Die Klägerin äußert unter Berufung auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die
Auffassung, daß es auf die Fortführung der prägenden Teile der Firma ankomme; daß
sei vorliegend der Fall.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden
Instanzen gewechselten Schriftsätze und auf die überreichten Unterlagen Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung des Beklagten ist zulässig und auch begründet. Die Klägerin kann vom
Beklagten nicht die Begleichung der Verbindlichkeiten des F. H. fordern. Voraussetzung
der Haftungsnorm des § 25 Abs. 1 HGB sind nicht sämtlich gegeben. Das Landgericht
hat zwar zutreffend die Unternehmens- fortführung durch den Beklagten sowie die Höhe
der Verbindlichkeiten des H. festgestellt, und der Beklagte zieht dies in zweiter Instanz
auch nicht in Zweifel. Es fehlt hier jedoch an der nach § 25 Abs. 1 HGB notwendigen
Fortführung der Firma.
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Dem Beklagten ist darin zuzustimmen, daß die von ihm wie zuvor von H. verwendeten
Bezeichnungen "C." und "C." nicht eine "Firma" oder einen Firmenbestandteil von der
Art darstellen, wie sie für eine Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB gefordert werden.
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Für die Bezeichnung "C." gilt dies schon deshalb, weil die Bezeichnung lediglich als
Abkürzung diente und zudem weit überwiegend nur in der Form des Emblems ("C." auf
ovalem, gestricheltem - gegebenenfalls gelbem - Grund) Verwendung fand und findet,
so auf den Auftragsscheinen (Bl. 9 f. d.A.), auf den Briefbögen und Rechnungen H.s
sowie auf den Außenflächen der Fahrzeuge (vgl. die mit Schriftsatz vom 4. November
1992 von der Klägerin überreichten Unterlagen und Fotos). Es gilt aber auch für die
Bezeichnung "C.", deren Verwendung der Beklagte übernahm.
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Zwar ist es für die Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB nicht erforderlich, daß der Erwerber
des Unternehmens die Firma in der im Handelsregister eingetragenen Form fortführt; es
genügt, daß der "Kern", der "prägende" Bestandteil der Firma übernommen wird;
maßgeblich dafür ist die Sicht des Ver- kehrs (Baumbach-Duden-Hopt, HGB, 28. Aufl., §
25 Anm. 1 Db; zuletzt: BGH NJW 1992, 912).
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Der Firmenteil "C." war jedoch in diesem Sinne für die Firma H.s nicht prägend und
nicht ihr Kern.
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Beim Einzelkaufmann ist dies nämlich sein Familienname (mit einem Vornamen), § 18
Abs. 1 HGB. Dementsprechend hatte F. H. seinen Namen bei der Eintragung ins
Handelsregister der oben genannten Bezeichnung angefügt (vgl. Bl. 44 d.A.). Alles
andere in der Firma des Einzelkaufmanns ist lediglich Zusatz im Sinne des § 18 Abs. 2
Satz 2 HGB. Den Namen H. hat der Beklagte indes nicht fortbenutzt, wenn man von dem
Formular "Auftragsschein/Barfahrt" absieht (vgl. Kopie eines solchen Auftragsscheins
vom 29.5.1991, Bl. 9 d.A., auf dem sich der Zusatz "Inh. F. H." findet). Eine solche
einstweilige Weiterbenutzung von Formularen ist unschädlich (vgl. Großkommentar
HGB/Hüffer 1983, § 25 Rn. 45); der Beklagte hat dann eigene Formulare eingesetzt (Bl.
11 d.A.: "C. W. R.", dort vom 20.9.1991). Mit dem Zusatz "Inh. F. H." wie er im Prospekt
(Anlage BE 3) auf den Fahrzeugen H.s erscheint, sind die Fahrzeuge nicht gefahren (so
der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat).
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Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung kann der jüngsten Entscheidung
des Bundesgerichtshofs (am angegebenen Orte) nicht entnommen werden, daß dem
Gesichtspunkt der Firmenfortführung neben dem der Unternehmensfortführung keine
entscheidende Bedeutung mehr beizumessen wäre; der Bundesgerichtshof hat vielmehr
ausdrücklich hervorgehoben, daß für die Haftung aus § 25 HGB "nach dem
Gesetzeswortlaut zur Auslösung der Haftung ...notwendigerweise" die Fortführung der
Firma ge- höre; in dem dort zur Entscheidung stehenden Fall war dies auch nicht
problematisch, weil der eigentliche Name (K. R.) weiter benutzt wurde.
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Das Festhalten am Kriterium der Firmenfortführung in ihrem eigentlichen Kern zur
Auslösung der Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB ist auch sachgerecht. Gerade weil es
hinsichtlich der Firmenfortführung auf die Sicht des zu schützenden Verkehrs ankommt,
ist zu berücksichtigen, daß das entscheidende Element des Vertrauens, welches der
Verkehr einer Einzelhandelsfirma entgegenbringt, der Name des Inhabers und damit
letztlich dieser selbst ist. Nur wenn gerade der Name des ehemaligen Inhabers
fortgeführt wird, entsteht beim Verkehr der Eindruck, daß dieser noch immer für das
Wohl und Wehe des Unternehmens geradesteht, der neue Inhaber das Geschäft also in
völliger Kontinuität des alten betreibt, somit auch für dessen Verbindlichkeiten einsteht.
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Der Hinweis der Klägerin auf die allgemeine Mei- nung, daß es nicht darauf ankomme,
ob die weiterbenutzte Firma beim Veräußerer unzulässig war oder beim Erwerber
unzulässig wird (vgl. Baumbach-Duden-Hopt, HGB am angegebenen Orte a.E.), führt
hier nicht weiter. Es ist zwar zutreffend, daß un- ter firmenrechtlichen Kriterien weder H.
noch der Beklagte als Einzelkaufleute nur unter dem Namen "C." im Rechtsverkehr
auftreten durften; insofern kann man unscharf von einer unzulässigen Firma sprechen.
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Für die Anwendung des § 25 HGB muß jedoch hinzukommen, daß es sich bei dem
verwendeten Begriff um eine als Firma überhaupt irgendwo zulässige Bezeichnung
handelt, also eine mögliche Firma. Davon kann bei "C." nicht die Rede sein. Ein
Einzelkaufmann darf sich nach § 18 HGB so nicht bezeichnen; und eine Gesellschaft
muß die Gesellschaftsform hinzusetzen.
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Die Wortfolge "C." gibt - in modernistischer Weise verfremdet - zudem lediglich den
Geschäftszweig mit der Angabe des Sitzes wieder. Sie könnte auch "Botendienst K."
lauten und ist damit einer Etablissementsbezeichnung ähnlich, die selbst bei
individualisierendem Zusatz ("H.") haftungsunschädlich fortgeführt werden kann.
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Über den wettbewerblichen oder Namensschutz ist hier nicht zu befinden.
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Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits ergeht gemäß § 91, die über die
vorläufige Vollstreckbarkeit gemäß dem § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Streitwert für den 2. Rechtszug sowie Beschwer der Klägerin: 115.524,87 DM.
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