Urteil des OLG Köln vom 01.06.2001

OLG Köln: schmerzensgeld, rechtshängigkeit, zustellung, auflage, berufungskläger, beifahrer, vollmacht, geschwindigkeit, verjährung, hochschulstudium

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 19 U 158/00
01.06.2001
Oberlandesgericht Köln
19. Zivilsenat
Urteil
19 U 158/00
Landgericht Köln, 21 0 135/96
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.06.2000 verkündete Urteil
des Landgerichts Köln - 21 0 135/96 - wird zurückgewiesen. Die Kosten
des Berufungsverfahrens werden den Beklagten als Gesamtschuldner
auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die
Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von
117.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Den Parteien wird nachgelassen, die jeweils zu
leistende Sicherheit durch Bürgschaft einer deutschen Großbank,
Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
T a t b e s t a n d
Am 6. August 1994 steuerte der Beklagte zu 1) das bei der Beklagten zu 2)
haftpflichtversicherte Fahrzeug Opel Vectra in Griechenland auf der Straße zwischen S.
und I.. Halter des Fahrzeugs war sein Vater E. R.. Auf Grund überhöhter Geschwindigkeit in
einer Rechtskurve verlor der Beklagte zu 1) die Kontrolle über das Fahrzeug und prallte auf
der Gegenfahrbahn gegen einen dort fahrenden Traktor. Der Kläger saß auf dem rechten
Rücksitz, auf dem vorderen Beifahrersitz saß eine weitere Person, die an den Folgen des
Unfalls starb. Der Beklagte zu 1) wurde nur leicht verletzt. Der Unfall wurde polizeilich
aufgenommen. Auf die Übersetzung der Unfallakte der griechischen Polizei (Blatt 9 ff. d. A.)
wird Bezug genommen.
Der Kläger wurde bei dem Unfall schwer verletzt. Er verlor durch den Unfall sein linkes
Auge, erlitt eine Mittelgesichtsfraktur, ein Schädelhirntrauma 1. Grades, eine
Felsenbeinfraktur rechts, eine periphere Fazialisparese, eine Surditas rechts, eine
Oberarmschaftsfraktur sowie eine Oberschenkelfraktur. Bei der Mittelgesichtsfraktur
handelte es sich um eine solche vom Typ Le Fort III, d. h. es lag eine vollständige
Abtrennung der Mittelgesichtsknochen von der Schädelbasis vor.
Die Beklagte zu 2) hat vorprozessual 40.000,00 DM als Schmerzensgeld und am 2. April
1996 weitere 30.754,31 DM - davon 754,31 DM auf den materiellen Schaden - an den
Kläger gezahlt. Die Klage ist der Beklagten zu 2) und dem in der Klageschrift mit E. R.
bezeichneten Beklagten zu 1) am 10.04.1996 zugestellt worden, wobei nach dem Inhalt der
Klageschrift der Fahrer und die Haftpflichtversicherung verklagt werden sollten. Mit
Schriftsatz vom 24.07.1996 hat sich die erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte für die
Beklagten zu 1) und 2) bestellt und im Schriftsatz vom 15.08.1996 darauf hingewiesen,
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dass Fahrer des Unfallsfahrzeuges I. R. gewesen sei und nicht der im Rubrum der
Klageschrift bezeichnete E. R.. Im Termin vom 18.04.1997 hat sie Abweisung der Klage für
beide Beklagten beantragt.
Der Kläger hat ursprünglich mit dem Klageantrag zu 1) beantragt, die Beklagten als
Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 6.332,62 DM zu zahlen. Insoweit hat er den
Rechtsstreit in Höhe von 754,31 DM für erledigt erklärt und hat sodann beantragt:
1.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 5.578,31 DM nebst 4 % Zinsen
seit Klagezustellung zu zahlen,
2.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn unter Anrechnung der bereits
geleisteten 70.000,00 DM (40.000,00 DM vorgerichtlich und 30.000,00 DM zwischen
Anhängigkeit und Rechtshängigkeit) ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld nebst 4
% Zinsen aus dem den Zahlungsbetrag von 70.000,00 DM übersteigenden Betrag seit
Klagezustellung zu zahlen,
3.
festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm ab Rechtshängigkeit sämtliche
materiellen und immateriellen Schäden, letztere soweit sie nach Rechtskraft des Urteils
entstehen, aus dem Unfall vom 6. August 1994 auf der Straße von S. nach I. (Griechenland)
zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte
übergegangen sind bzw. übergehen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, dem Beklagten zu 1) sei vor dem Unfall ein Jeep auf seiner Fahrbahn
entgegen gekommen. Des weiteren haben sie die Ansicht vertreten, dass der Kläger sich
ein Mitverschulden anrechnen lassen müsse, da er im Unfallzeitpunkt nicht angeschnallt
gewesen sei.
Das Landgericht hat Beweis erhoben aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 20. Juni 1997
(Bl. 114, 115 d.A.), vom 16. November 1998 (Bl. 219 und 220 d. A.) und vom 8. Januar 1999
(Bl. 247, 248 d. A.) durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten der Sachverständigen Ri. (Bl.
147 ff. d.A.), K. (Bl. 156 ff. d.A.), L. (Bl. 169 ff. d.A.), W. (Bl. 193 ff. d.A. und Bl. 128 d. A.)
sowie Sch., B. und D.C. (Bl. 285 ff. d. A.) Bezug genommen.
Mit Urteil vom 16.06.2000, auf dessen Inhalt wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug
genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte zu 2) gesamtschuldnerisch mit I. R. als
Beklagten zu 1) zur Zahlung des materiellen Schadensersatzes des Klägers in Höhe von
4.659,81 DM und zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 110.000,00 DM abzüglich am
2.04.1996 gezahlter 30.000,00 DM verurteilt sowie dem Feststellungsantrag des Klägers
stattgegeben.
Die Verurteilung des I. R. als Beklagten zu 1) hat es damit begründet, dass die
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Falschbezeichnung hinsichtlich des Vornamens in der Klageschrift unschädlich sei, da aus
der Klageschrift eindeutig zu erkennen gewesen sei, dass die Klage gegen den Fahrer des
Unfallfahrzeugs gerichtet gewesen sei.
Abgesehen von einigen Kürzungen bezüglich des materiellen Schadens hat es die Klage
in vollem Umfang für begründet angesehen, da die Beklagten ihre Behauptung, der Kläger
sei bei dem Unfall nicht angeschnallt gewesen, nicht bewiesen hätten, so dass eine
Kürzung der Ansprüche gemäß § 254 BGB nicht in Betracht komme.
Gegen dieses am 07.07.2000 an die erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte zugestellte
Urteil haben die Beklagten mit am 31.07.2000 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz
Berufung eingelegt, die sie nach dreimaliger Fristverlängerung bis letztlich zum 11.12.2000
mit am 24.11.2000 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet haben.
Der Beklagte zu 1) ist der Ansicht, die Klage gegen ihn sei im vollem Umfang abzuweisen,
da er nicht Prozesspartei gewesen sei. Der Kläger habe gegen ihn nie wirksam Klage
erhoben. Im Hinblick auf die ihm gegenüber unterbliebene Zustellung der Klage beruft er
sich auf Verjährung.
Die Beklagte zu 2) wendet sich gegen die Ablehnung des Mitverschuldens des Klägers mit
der Begründung, das Landgericht habe verkannt, dass zu ihren Gunsten ein
Anscheinsbeweis eingreife. Das Mitverschulden sei mit 50 % zu berücksichtigen. Das
Landgericht, das ihrer Ansicht nach ein Schmerzensgeld von insgesamt 110.000,00 DM für
angemessen erachtet habe, habe bei der Tenorierung die vorprozessual gezahlten
40.000,00 DM nicht berücksichtigt und der Tatsache, dass weitere 30.000,00 DM zwischen
Anhängigkeit und Rechtshängigkeit der Klage gezahlt worden seien, fehlerhaft nicht durch
entsprechende Teilabweisung der Klage Rechnung getragen.
Sie ist der Ansicht, mit 70.000,00 DM Schmerzensgeld sei der Kläger ausreichend
abgefunden, da bei dem Fahrer nur ein leicht fahrlässiges Augenblicksversagen
vorgelegen habe, der Kläger nicht angeschnallt gewesen sei und zudem bei ihm
Verschlimmerungstendenzen feststellbar seien. Insbesondere sei der Kläger durch den
Unfall nicht in seiner beruflichen Entwicklung beeinträchtigt worden.
Für einen immateriellen Vorbehalt gebe es ebenfalls keine Grundlage.
Die Beklagten beantragen,
I.
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und
1.
die Klage gegen den Beklagten zu 1,
2.
die gegen die Beklagten zu 2) gerichtete Zahlungsklage bezüglich des noch geltend
gemachten Schmerzensgeldes ganz und bezüglich des materiellen Schadens insoweit
abzuweisen, als der Beklagte zu 2) verurteilt worden ist, an den Kläger mehr als DM
2.329,91 nebst 4 % Zinsen seit dem 10.04.1996 zu zahlen,
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3.
die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Feststellungsklage insoweit abzuweisen, als der
Kläger die Feststellung der Ersatzpflicht von künftigen immateriellen Schäden überhaupt
und die Feststellung der Ersatzpflicht zukünftiger materieller Schäden zu mehr als 50 %
begehrt,
Fehler! Textmarke nicht definiert.
II.
den Beklagten zu gestatten, eine Sicherheit auch durch
Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschafts-
bank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Der Kläger beantragt,
die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines
erstinstanzlichen Vorbringens. Er ist insbesondere der Ansicht, dass gegen I. R. ein
wirksames Prozessrechtsverhältnis begründet worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen
Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen
ergänzend Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen
Erfolg.
I.
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht I. R. als Beklagten zu 1) verurteilt. Wer Partei ist,
bestimmt sich aus der Klage. Als prozessuale Willenserklärung ist dieselbe dabei
gegebenenfalls auszulegen (allgemeine Meinung: BGH NJW 1952, 545; NJW-RR 1995,
764; Münchener Kommentar/Lindacher, ZPO, 2. Auflage, vor § 50 Rn. 12). Maßgebend ist,
wer aus Adressatensicht objektiv als Träger der jeweiligen Parteirolle gewollt erscheint.
Auszugehen ist von der äußeren Bezeichnung nach Name, Beruf und Anschrift. Ergänzend
ist darüber hinaus berücksichtigungsfähig das in der Klageschrift enthaltene rechtliche und
tatsächliche Vorbringen zur Begründung des Klageantrags (OLG Dresden, OLGR 1996, 70;
OLG Hamm NJW-RR 1999, 217; Münchener Kommentar/Lindacher, aaO, Rn. 13 mwN).
Soweit der Gegenseite bekannt oder für diese objektiv erkennbar ist, wer vom Kläger
tatsächlich als Partei gewollt ist, ist dieser Wille auch dann entscheidend, wenn er in der
Parteibenennung, im "Klagerubrum", nur einen unzureichenden oder gar völlig falschen
Ausdruck gefunden hat (BGH NJW 1987, 1947; NJW-RR aaO; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22.
Auflage, vor § 50 Rn. 6 f. mwN).
Hier war zwar der Beklagte zu 1) mit E. R. bezeichnet. Aus der Klageschrift ging aber
unzweifelhaft hervor, wer Beklagter zu 1) sein sollte: der Fahrer des Unfallfahrzeugs, also I.
R.. Diesem sollte aus objektiver Sicht und für die Beklagten erkennbar die Parteirolle des
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Beklagten zu 1) zukommen.
Beklagter wird jemand allerdings nur durch die objektiv zutreffende Bezeichnung in der
Klage und die Zustellung der Klageschrift. Wird - wie hier - die Klage einer anderen Person
zugestellt als derjenigen, die in der Klageschrift als Beklagter (objektiv) benannt ist, wird -
zunächst - niemand Partei: Der in der Klageschrift Bestimmte (hier: I. R.) nicht, weil es an
der gebotenen Zustellung ihm gegenüber fehlt, der Zustellungsempfänger (hier: E. R.)
nicht, weil er objektiv erkennbar (insbesondere ausweislich der Klageschrift) gar nicht
Partei sein soll (BGH NJW 1994, 2232; OLG Dresden aaO; Münchener
Kommentar/Lindacher aaO Rn. 17). Denn die Zustellung hat nicht die Aufgabe, die Person
des Beklagten zu bestimmen, sondern diesen zu finden. Der Zustellungsempfänger ist
dann eine sogenannte Scheinpartei.
Die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses gegenüber dem in der Klageschrift
Bestimmten ( = Sollpartei) ist nach erfolgter Zustellung an die Scheinpartei nur durch
Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 187 ZPO oder § 295 Abs. 1 ZPO möglich.
Der Senat ist der Ansicht, dass hier schon viel dafür spricht, dass der Zustellungsmangel
gegenüber I. R. gemäß § 187 ZPO geheilt worden ist. Ausweislich der Zustellungsurkunde
Bl. 62 d. A. spricht alles dafür, dass es I. R. war, der am 10.04.1996 die Zustellung für
seinen Vater entgegengenommen hat. Angesichts des einschneidenden Erlebnisses, dass
der Unfall mit seinen schweren Folgen darstellte, hält es der Senat für lebensfremd, dass
der Vater, selbst wenn der Sohn ihm die zugestellte Klageschrift ungeöffnet übergeben
haben sollte, mit diesem nicht über den Inhalt der Klageschrift, die vom Ereignis her
schließlich ganz vorrangig den Sohn I. betraf, nicht gesprochen haben soll. Dies hätte dann
aber zur Folge, dass tatsächliche Kenntnis des Inhalts des zuzustellenden Schriftstücks
gemäß § 187 ZPO bei I. R. eingetreten wäre.
Selbst wenn angesichts des, wenn auch recht halbherzigen, Bestreitens des
Berufungsklägers zu 1) (Bl. 508 d.A.), eine Heilung gemäß § 187 ZPO nicht angenommen
werden kann, so ist gegenüber dem Berufungskläger zu 1) nach Ansicht des Senats
jedenfalls durch das rügelose Verhandeln der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten
in der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht das erforderliche
Prozessrechtsverhältnis begründet worden ist.
Denn für die Beklagte zu 2) und die erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Parteien
war objektiv erkennbar, dass Beklagter zu 1) I. R. war. Dies ergab sich aus der Klageschrift
und folgte auch daraus, dass der Vater des Beklagten zu 1) als Fahrzeughalter für die
Verletzung des Klägers als Insasse des Unfallfahrzeuges gar nicht haftete. Auf die
Kenntnis der Prozessbevollmächtigten, aber auch gerade der Beklagen zu 2) kommt es in
diesem Zusammenhang entscheidend an: Gemäß § 7 Abs. 2 Ziffer 5 AKB wird (im
Innenverhältnis) die Prozessführungsmacht in vollem Umfang dem Versicherer, mithin der
Beklagten zu 2) übertragen. Im Außenverhältnis ist die Beklagte zu 2) als
Haftpflichtversicherer sowohl für den Versicherungsnehmer, den Vater des Fahrers und
Halter des Unfallfahrzeugs, als auch gemäß § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 2 c)
AKB für den Fahrer als mitversicherte Person für die Befriedigung begründeter und die
Abwehr unbegründeter Schadensersatzansprüche zuständig. Dabei umfasst die
Abwehrpflicht u. a. auch die Führung erforderlicher Prozesse (Stiefel/Hofmann AKB, 17.
Auflage, § 10 AKB Rn. 18). Zudem ist die Beklagte zu 2) aufgrund des § 10 Abs. 5 AKB
unwiderruflich zur Schadensregulierung bevollmächtigt, wobei die Vollmacht auch für den
Fahrer als mitversicherte Person gilt, da sie auf einer vom Vertragswillen unabhängigen
gesetzlichen Grundlage beruht (Stiefel/Hofmann aaO Rn. 95 mwN). Aus § 10 Abs. 5 AKB
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folgt nach alledem auch das Recht des Haftpflichtversicherers, im Außenverhältnis dem
Anwalt namens der versicherten Personen Prozessvollmacht zu erteilen (Stiefel/Hofmann
aaO Rn. 106; § 7 AKB Rn. 195; Baur NJW 1973, 1030).
Vorliegend konnte die - nach Niederlegung des Mandats durch den von dem
scheinbeklagten Vater beauftragten Anwalt - erfolgte Bevollmächtigung der
erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten durch die Beklagte zu 2) und die Erklärung der
Bevollmächtigten, sie bestelle sich für die Beklagten zu 1) und 2) objektiv vor dem
Hintergrund des § 10 Abs. 5 AKB nur so verstanden werden, dass diese sich für den
"richtigen" Beklagten und die Haftpflichtversicherung bestellte. Denn abgesehen davon,
dass sowohl für die Anwältin als auch für die Beklagte zu 2) objektiv erkennbar war, dass I.
R. als Fahrer der "richtige" oder Sollbeklagte zu 1) war, gab es ersichtlich keine Haftung
des Halters des Fahrzeugs, E. R., die die Beklagte zu 2) hätte abwehren können und
müssen. Denn gegen den Halter des Fahrzeugs bestanden weder aus § 823 BGB noch
aus dem StVG Ansprüche des Klägers, da der Halterhaftung aus dem StVG die Vorschrift
des § 8 a StVG entgegenstand, was für die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer ohne
weiteres erkennbar war. Abzuwehren wären für den Halter allenfalls Kosten gewesen, die
zur Geltendmachung seiner Scheinparteistellung erforderlich waren, auf die sich aber die
aus § 10 Abs. 5 AKB folgende Vollmacht des Haftpflichtversicherers nicht erstrecken dürfte.
Jedenfalls hat aber ersichtlich die Beklagte zu 2) der Prozessbevollmächtigten hierfür keine
Vollmacht erteilt, da diese in der Klageerwiderung die Stellung eines
Klageabweisungsantrags angekündigt und auch gestellt hat, und zwar zu einem Zeitpunkt,
als der Kläger schon klargestellt hatte, dass sich die Klage nicht gegen den
Zustellungsempfänger E. R., sondern gegen I. R. als Fahrer des Unfallfahrzeugs richtete.
Hätte sie demgegenüber den scheinbeklagten Vater als Halter des Fahrzeugs vertreten
wollen, so hätte sie nicht nur auf den fehlenden Haftungsgrund hingewiesen, sondern auf
dessen Entlassung aus dem Prozess gegen Erstattung seiner bisherigen Kosten
hingewirkt. Allein die Tatsache, dass der Vater des Beklagten zu 1) im Widerrufsvergleich
vom 18.04.1997 (Bl. 93f. d.A.) ausdrücklich bezeichnet ist, macht ihn nicht zum "richtigen"
Beklagten.
Hat sich somit die erstinstanzliche Bevollmächtigte objektiv für den richtigen Beklagten
bestellt und zudem in der ersten mündlichen Verhandlung die mangelnde Zustellung an I.
R. nicht gerügt, so ist damit der (ursprüngliche) Zustellungsmangel gegenüber dem
Berufungskläger zu 1) geheilt worden und ihm gegenüber zugleich ein wirksames
Prozessrechtsverhältnis begründet worden. Nach diesem Zeitpunkt war die vom
Landgericht im Urteil vorgenommene Parteiberichtigung zulässig (siehe hierzu Jauernig,
ZZP 86, 460 f.; OLG Stuttgart NJW - RR 1999, 216; Münchener-Kommentar/Lindacher aaO,
Rn. 22).
Wollte man dies anders sehen und davon ausgehen, dass in erster Instanz eine Nichtpartei
den Prozess geführt hat, wäre der Berufungskläger zu 1) zwar an sich nur bei
Genehmigung der Prozessführung der Nichtpartei an die bisherigen Verfahrensergebnisse
gebunden. Diese Genehmigung hat der Berufungskläger zu 1) verweigert. Seine
Verweigerung ist aber angesichts der hier vorliegenden besonderen Konstellation des
Haftpflichtprozesses, den der Versicherer in Vollmacht des Fahrers geführt hat und in dem
wegen der Gleichlagerung seiner Interessen mit denen des Haftpflichtversicherers die
Prozessführung der Nichtpartei erkennbar die Interessen des Fahrers gewahrt hat,
rechtsmissbräuchlich. Zwar soll ein Urteil, das in Verkennung der Fehlzustellung der Klage
gegen den als Beklagten Benannten (aber nicht am Verfahren Beteiligten) stattgibt, nach
einer Ansicht wirkungslos (Münchener Kommentar-Lindacher, aaO, Rn. 19), nach anderer
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Ansicht wirksam, aber anfechtbar seien (Stein-Jonas-Bork, ZPO, 21. Auflage, vor § 50 Rn.
10). Dem vermag sich der Senat für die hier vorliegende besondere Konstellation des
Haftpflichtprozesses jedoch nicht anzuschließen.
Lediglich klarstellend sei darauf hingewiesen, dass die vom Berufungskläger zu 1)
erhobene Verjährungseinrede, selbst wenn er bislang nicht Partei geworden wäre, nicht
durchgreifen würde. Die durch die Klageerhebung gegenüber der Beklagten zu 2) bewirkte
Verjährungsunterbrechung hat auch die Verjährung der Ansprüche gegen den Fahrer des
Unfallfahrzeugs als mitversicherte Person unterbrochen (§ 3 Nr. 3 Satz 4 PfVersG). Denn
dort, wo das VVG oder das PfVersG dem Wortlaut nach nur den Versicherungsnehmer
erwähnen, meinen sie auch stets den mitversicherten Fahrer (BGH VersR 1971, 239 VersR
1972, 271; VersR 1975, 297; Stiefel/Hofmann, aaO, § 30 PfVersG Nr. 1, 2 Rn. 1).
II.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zwecks Vermeidung von
Wiederholungen Bezug nimmt, hat das Landgericht die Beklagten in dem in der
Berufungsinstanz noch im Streit befindlichen Umfang zu 100 % für haftbar gehalten. Die
hiergegen in der Berufungsinstanz vorgebrachten Einwände rechtfertigen keine
abweichende Entscheidung.
Die Beklagten haben nicht bewiesen, dass der Kläger bei dem Unfall nicht angeschnallt
war. Bei dem auf den Verstoß gegen § 21 a StVO gestützten Mitverschuldenseinwand
muss der für den Unfall Verantwortliche nicht nur beweisen, dass der Verletzte nicht
angeschnallt war, sondern er hat auch zu beweisen, dass dieses Versäumnis die
Verletzungen - ganz oder doch zum Teil - verursacht hat (BGH NJW 1980, 2125; NJW
1979, 1363). Insoweit verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Haftpflichtigen. Zwar ist in
der Rechtsprechung anerkannt, dass mittels eines Anscheinsbeweises nicht nur von einem
feststehenden Verhalten auf den Zusammenhang mit einem eingetretenen Erfolg, sondern
auch umgekehrt von einem eingetretenen Erfolg auf ein bestimmtes Verhalten als Ursache
geschlossen werden kann (BGH NJW 1991, 230, mwN). Dies gilt auch für den Beweis,
dass ein Fahrzeuginsasse nicht angeschnallt war. Entgegen der Ansicht des Beklagten hat
das Landgericht aber zutreffend entschieden, dass zugunsten der Beklagten bei dem
vorliegenden Unfallereignis kein Anscheinsbeweis streitet.
Fraglich ist schon, ob trotz der nach den Bekundungen der Sachverständigen Prof. Dr. B.
und Dr. D.C. für fehlende Gurtsicherung typischen Verletzungen des Klägers sich nicht
bereits angesichts der Schwere des Frontalzusammenstoßes (hohe
Kollisionsgeschwindigkeit und Aufprall auf einen Traktor) die Annahme eines
Anscheinsbeweises verbietet (siehe hierzu OLG Karlsruhe MDR 1979, 845;
Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Auflage, § 254 Rn. 22; Grunwald, ZAP 2001, Fach 9, Seite
645 f.). Jedenfalls käme dem Beklagten ein Anscheinsbeweis nur zu Gute, wenn sich bei
der hier zu beurteilenden Unfallsituation aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze der Schluss
aufdrängen würde, dass die vom Kläger erlittenen Verletzungen bei der Art und Weise des
Zusammenstosses nur darauf zurückgeführt werden können, dass der Kläger nicht
angeschnallt war. Diese Voraussetzungen sind, wie schon das Landgericht zutreffend
erkannt hat, nicht erfüllt.
Zwar trifft es zu, dass die Sachverständigen im medizinischen Teil des interdisziplinären
Gutachtens zu dem Ergebnis gekommen sind, dass sich das Verletzungsbild des Klägers
zwanglos dann erklären lässt, wenn er nicht angegurtet war. Das allein reicht jedoch nicht
aus vor dem Hintergrund, dass nach dem Ergebnis des technischen Teils des
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interdisziplinären Gutachtens des Sachverständigen Sch. keinesfalls auszuschließen ist,
dass hier Belastungen durch eindringende Bauteile des Traktors oder des Opel Vectra
selbst vorgelegen haben. Auch ist nicht auszuschließen, dass es zu Interaktionen zwischen
dem getöteten Beifahrer und dem Kläger gekommen ist, da der Beifahrer den
Verformungen des Opel Vectra zufolge direkt durch eindringende Bauteile des Traktors
belastet worden ist (Bl. 277 d.A.). Hinzukommt nach den Feststellungen des
Sachverständigen, dass nicht zwingend von einer normalen Sitzposition des Klägers im
Zeitpunkt des Aufpralls ausgegangen werden kann.
Diese Feststellungen des Sachverständigen führen dazu, dass hier das
Schadensgeschehen Umstände aufweist, die es ernsthaft als möglich erscheinen lassen,
dass der Unfall anders abgelaufen ist, als nach dem "Muster" der der Anscheinsregel
zugrundeliegenden Erfahrungstypik. Bei den Feststellungen des Sachverständigen handelt
es sich nicht lediglich um Vermutungen und deshalb reine Denkmöglichkeiten, die allein
nicht ausreichen würden, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Vielmehr handelt es sich
um besondere Umstände der Unfallsituation, die wegen dieser Abweichung von den
typischen Sachverhalten einen anderen Geschehensablauf des Unfalls als ernsthafte,
ebenfalls in Betracht kommende Möglichkeit nahe legen (BGH NJW 1991, 230).
Den danach notwendigen Vollbeweis für eine fehlende Gurtsicherung des Klägers haben
die Beklagten nicht zur Überzeugung des Senats geführt. Hiergegen spricht zunächst
schon, dass ausweislich der Feststellungen der griechischen Polizei der Kläger ebenso
wie der verstorbene Beifahrer angeschnallt waren. Zwar äußern die Beklagten insoweit die
Vermutung, es handele sich um eine falsche Übersetzung. Für ihre Behauptung, "es müsse
sich um einen Übersetzungsfehler handeln", haben sie aber sowohl in erster als auch in
zweiter Instanz jede Erklärung bzw. das Aufzeigen von Anhaltspunkten, wieso sie zu dieser
Annahme kommen, vermissen lassen. Es wäre ihnen aber unbenommen gewesen, vor Ort
einen Bevollmächtigten mit der Einsicht in die Unfallakte zu beauftragen und ihrerseits eine
Übersetzung anfertigen zu lassen. Die Tatsache allein, dass die Angaben des Beklagten
zu 1) in seiner Unfallanzeige in Widerspruch
zu den Feststellungen der übersetzten Unfallakte stehen, reicht zur Begründung
erheblicher Zweifel für einen Übersetzungsfehler nicht aus. Die insoweit beantragte
Parteivernehmung "des Beklagten" kam daher nicht in Betracht (§§ 447, 448 ZPO).
Auch der Umstand, dass der Beklagte zu 1) seinerseits angeschnallt war und nur sehr viel
geringfügigere Verletzungen erlitten hat, spricht, wie das Landgericht zutreffend erkannt
hat, nicht ausreichend für eine mangelnde Gurtsicherung. Denn nach dem Unfallverlauf,
wie er in dem interdisziplinären Gutachten rekonstruiert worden ist, war die Fahrerseite des
Unfallfahrzeuges in ganz erheblich geringerem Umfang von dem Zusammenstoß und
dessen Auswirkungen betroffen. Dies ist zudem unschwer auf den Lichtbildern (Bl. 336,
337 d.A.) erkennbar. Hinzu kommt, dass der Fahrer nicht nur durch das Lenkrad geschützt
werden kann, sondern anders als die Beifahrer den Unfall "kommen" sieht und sich hierauf
einrichten kann.
Es bestehen vor allem aufgrund des vom Landgericht eingeholten interdisziplinären
Gutachtens nicht unerhebliche Zweifel, ob der Kläger angeschnallt war oder nicht. Zwar ist
- wie bereits ausgeführt - nicht zu verkennen, dass die Sachverständigen Prof. Dr. B. und
D.C. zu dem Ergebnis gelangt sind, dass das Verletzungsbild des Klägers sich zwanglos
dann erklären lasse, wenn er nicht angegurtet gewesen ist. Auch die Sachverständigen
machen aber bereits die Einschränkung, dass dies nur unter der Voraussetzung gilt, dass
der Kläger sich im Kollisionszeitpunkt in Normalposition auf der hinteren Sitzbank
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befunden hat (Bl. 312, 314 d.A.). Das lässt sich aber nicht mit hinreichender Sicherheit
feststellen. Denn das Unfallfahrzeug ist unstreitig vor dem Zusammenstoß auf einer Strecke
von ca. 50 m mit hoher Geschwindigkeit geschleudert, so dass nach den für den Senat
einleuchtenden Angaben des Sachverständigen Sch. auch deshalb ein
Herausgelenktwerden des Klägers aus der normalen Sitzposition nicht ausgeschlossen ist.
Im übrigen kommen auch die medizinischen Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass die
Verletzungen des Klägers auch bei angelegter Gurtsicherung jedenfalls dann plausibel
sind, wenn besondere Umstände (extreme Intrusionstiefe, vorspringende Teile des
Traktors) bei dem Unfallereignis vorgelegen haben. Gerade diese besonderen Umstände
hält der technische Sachverständige Sch. für nicht ausgeschlossen, und hat dies
nachvollziehbar unter Hinweis darauf zur Überzeugung des Senats dargelegt, dass die
dynamische Verformung in der Kollisionsphase noch ein weitaus höheres Ausmaß
angenommen habe, als auf den Lichtbildern ersichtlich. Die nach alledem verbleibende
Unsicherheit, ob und inwieweit die Verletzungen des Klägers auf ein fehlendes
Angeschnalltsein zurückzuführen sind, geht zu Lasten der Beklagten.
III.
Auch zur Höhe der Ansprüche hat das Landgericht zutreffend entschieden. Die
Feststellungen zum Ersatz der materiellen Schäden gemäß §$ 7, 18 StVG, § 823 BGB, §§
1, 3 PfVersG greifen die Beklagten nicht an. Entgegen ihrer Ansicht ist aber auch das
zuerkannte Schmerzensgeld, für das die Beklagten gemäß §§ 823, 847 BGB,§§ 1, 3
PfVersG haften, gerechtfertigt.
Die Beklagten irren, wenn sie annehmen, das Landgericht habe dem Kläger über die
bereits gezahlten 70.000,00 DM hinaus lediglich ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von
40.000,00 DM, mithin insgesamt 110.000,00 DM zuerkannt. Vielmehr hat das Landgericht
dem Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 110.000,00 DM zuerkannt, von dem
es sodann folgerichtig bei der Tenorierung die zwischen Anhängigkeit und
Rechtshängigkeit gezahlten 30.000,00 DM abgezogen hat, mithin wurden insgesamt
weitere 80.000,00 DM zugesprochen. Das Landgericht hat ersichtlich dem Klageantrag des
Klägers, der auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von insgesamt
150.000,00 DM gerichtet war und den der Kläger in der Klageschrift unter Berücksichtigung
bereits gezahlter 40.000,00 DM mit 110.000,00 DM bewertet hat, entsprochen. Eine
Gesamthöhe des Schmerzensgeldes von 150.000,00 DM hält der Senat ebenso wie das
Landgericht als Ausgleich für die vom Kläger erlittenen Verletzungen für angemessen, aber
auch erforderlich. Zur Begründung bezieht sich der Senat insoweit zunächst zwecks
Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich auf die ausführliche, zutreffende
Begründung in der angefochtenen Entscheidung. Die hiergegen gerichteten Angriffe der
Beklagten rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Dies gilt selbst dann, wenn man
zugunsten der Beklagten unterstellt, dass dem Beklagten zu 1) vor dem Unfall ein Jeep
entgegengekommen ist. Denn jedenfalls war seine Geschwindigkeit zu diesem Zeitpunkt
so hoch, dass er - möglicherweise auch infolge fahrerischer Unerfahrenheit, das Fahrzeug
nach dem Ausweichmanöver nicht mehr unter Kontrolle bekam. Dies ist nicht als
leichtfahrlässiges Augenblicksversagen zu werten.
Betrachtet man im übrigen die unmittelbaren Verletzungsfolgen des Klägers und vor allem
die bleibenden Schäden, die für einen aus dem griechischen Kulturkreis stammenden
Mann von noch größerer Bedeutung als hierzulande sein dürften, und nimmt man hinzu,
dass der Kläger in einem noch sehr jungen Alter durch den Unfall in seiner gesamten
nachfolgenden persönlichen und beruflichen Entwicklung schwerste, seine Lebensplanung
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und -führung unabänderlich beeinträchtigende Auswirkungen hinnehmen muss, so ist ein
Schmerzensgeld in Höhe von 150.000,00 DM als Ausgleich dieser Folgen alles andere als
unangemessen hoch. Der Senat folgt dem Beklagten auch nicht darin, dass ausgehend
von dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Ri. die berufliche Entwicklung des Klägers
nicht so eingeschränkt sei, wie er es darstelle, ihm ein Hochschulstudium vielmehr möglich
sei, und die festgestellten Störungen des Selbstwertgefühls und Selbstwerterlebens
Ausdruck einer neurotischen Störung seien, die "durch zumutbare Anspannung der
Willenskräfte" überwunden werden könnte. Auch wenn dem Kläger ein Hochschulstudium
aufgrund seiner Intelligenz vielleicht nach wie vor möglich wäre, so ist der Senat
ausgehend von dem Gutachten des Sachverständigen L. davon überzeugt, dass der Kläger
aufgrund der psychischen Folgen, die das Unfallerleben sowie die bleibenden
Entstellungen und Sinnesbeeinträchtigungen bei ihm ausgelöst haben, zur Durchführung
eines solchen Studiums jedenfalls nur unter ganz erschwerten Bedingungen in der Lage
ist. Die psychisch vermittelten Unfallfolgen, d. h. eine Störung des Selbstwertgefühls und
des Selbstwerterlebens, die sich nach den Feststellungen des Sachverständigen L. in
Herabgestimmtheit mit Gefühlen von Niedergedrücktsein, Lustlosigkeit und allgemeinem
Insuffizienzerleben ausdrücken, sind unschwer nachvollziehbar; sie stellen daher
keinesfalls eine unangemessene Reaktion des Klägers auf das Unfallgeschehen dar,
sondern beruhen in ihrer Gesamtheit auf dem Schadensereignis, für dessen Auswirkungen
die Beklagten haften. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat der Schlussfolgerung des
Sachverständigen Dr. Ri., all dies sei durch "zumutbare Anspannung der Willenskräfte" zu
überwinden, nicht zu folgen. Für das Vorliegen einer Begehrungsneurose reichen die
Feststellungen unter keinen Umständen aus. Für psychisch vermittelte Unfallfolgen haben
die Beklagten aber einzustehen (BGH NJW 1996, 24 mwN).
IV.
Der Feststellungsantrag ist sowohl hinsichtlich zukünftiger materieller als auch zukünftiger
immaterieller Schäden mit einer Ersatzpflicht in 100%iger Höhe gerechtfertigt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlt es hinsichtlich des immateriellen Vorbehalts nicht
an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Wird die Feststellung der Pflicht zum Ersatz
künftigen Schadens aus einer bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzung beantragt, so
reicht für das Feststellungsinteresse die Möglichkeit eines Schadenseintritts aus, die nur
verneint werden darf, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein
Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH BGHR 2001,
234 mwN). Dies ist nach Angaben von Prof. Dr. Ric. (Bl. 44 d.A.) schon deshalb der Fall,
weil die Gefahr besteht, dass es infolge der Facialparese zu Hornhautschäden im Bereich
des gesunden Auges kommen kann.
V.
Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landgericht auch zutreffend die Klage nicht im
Hinblick auf die zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit geleistete Zahlung auf das
Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,00 DM mit der entsprechenden Kostenfolge
abgewiesen. Im Unterschied zu den zu anderen Leistungsklagen vertretenen Ansicht, dass
im Falle des (teil-)erledigenden Ereignisses zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit
der Kläger einer (Teil-) Klageabweisung nur durch (Teil-)Rücknahme mit der
entsprechenden Kostenfolge entgehen könne, handelt es sich bei dem Klageantrag zu 2)
um einen einheitlichen, unteilbaren Schmerzensgeldantrag. Ebenso wie wegen der
Unteilbarkeit des Schmerzensgeldantrags der Erlass eines Teilurteils unzulässig ist, kommt
wegen dieser Unteilbarkeit auch keine Teilklagerücknahme bzw. Teilklageabweisung in
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Betracht.
VI.
Ebenso wie die Beklagte zu 2) schuldet der Beklagte zu 1) Verzugszinsen seit dem
10.04.1996. Zwar ist Rechtshängigkeit ihm gegenüber - wie ausgeführt (siehe oben I.) -
möglicherweise erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten. Im Hinblick auf die Regelung
des § 10 Abs. 5 AKB treten die Verzugsfolgen jedoch auch für den mitversicherten Fahrer
bereits durch die Erhebung der Klage gegenüber dem Versicherer ein (OLG Nürnberg,
NJW 1974, 1950 - Mahnbescheid -; Stiefel/Hofmann aaO, § 10 AKB Rn. 107;
Palandt/Heinrichs, aaO, § 425 Rn. 3).
VII.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 97, 100, 108 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der Beschwer für die Beklagten:
117.329,90 DM (siehe Senatsbeschluss vom 20.12.2000, Bl. 483 d. A.).