Urteil des OLG Köln vom 02.09.2005
OLG Köln: form der ware, wurst, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, verkehr, gestaltung, wortmarke, verbraucher, gesamteindruck, markt
Oberlandesgericht Köln, 6 U 23/05
Datum:
02.09.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 23/05
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 33 O 218/04
Normen:
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2; UWG §§ 3, 4 Nr. 9 a
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.12.2004 verkündete Urteil
der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 218/04 - wird auf ihre
Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
oder Hinterlegung in Höhe von 120% der zu vollstreckenden Summe
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
Die Parteien können die Sicherheiten durch eine schriftliche,
unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland
zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
B e g r ü n d u n g
1
I.
2
Die Klägerin ist ein seit 1958 bestehendes Unternehmen auf dem Gebiet der
Rohwurstherstellung. Sie produziert und vertreibt Dauerwurstwaren, insbesondere
Geflügel- und Pfeffersalami. Die Klägerin ist Inhaberin der nachfolgend
wiedergegebenen 3D-Marke für Fleisch- und Wurstwaren.
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pp.
4
Zudem ist die Klägerin Inhaberin der Wortmarke "Glücksblatt".
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Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, stellt her und vertreibt
Geflügelfleischerzeugnisse. Die Beklagte bringt unter der Dachmarke "X" und den
Bezeichnungen "X1" und "X2" verschiedene Geflügelwurst in der nachstehend
wiedergegebenen Form auf den Markt.
6
pp.
7
Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dabei hat es Zweifel an der markenrechtlichen
Benutzung des Zeichens geäußert, dies aber letztlich offen gelassen, weil es jedenfalls
an der Verwechslungsgefahr fehle.
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Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin sämtliche erstinstanzlich gestellten Anträge
weiter. Sie ist der Ansicht, die Beklagte benutze das angegriffene Zeichen, die Form der
Salami, markenmäßig. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts sei eine
kleeblattartige Wurstform völlig neu und daher aus Sicht der angesprochenen
Verbraucher herkunftshinweisend. Darüber hinaus werde die herkunftshinweisende
Funktion der Wurstform von der Beklagten in deren Werbung den Verbrauchern
gegenüber besonders kommuniziert. Zu Unrecht habe das Landgericht außerdem
angenommen, die Kennzeichnungskraft der klägerischen Marke sei ebenso wie die
Ähnlichkeit der Zeichen gering, mit der Folge, dass eine Verwechslungsgefahr nicht
gegeben sei. Die starke Kennzeichnungskraft der klägerischen Markenform folge aus
ihrer Einzigartigkeit, die Ähnlichkeit der in Rede stehenden Zeichen daraus, dass beide
ein Kleeblatt darstellten.
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Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die sämtlich
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
12
II.
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Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht ist zu
Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs
der Klägerin gegen die Beklagte nach § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG nicht vorliegen.
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1. Soweit die Klägerin aus ihrer Bildmarke Nr. ###1 vorgeht, scheitert ein
Unterlassungsanspruch - allerdings anders als es das Landgericht gesehen hat - nicht
an einer fehlenden kennzeichenmäßig Benutzung durch die Beklagte (a). Es besteht
jedoch keine Verwechslungsgefahr zwischen den zwischen der klägerischen Marke und
dem Zeichen der Beklagten (b).
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a) Eine Verletzung des Rechts der Klägerin an ihrer Bildmarke Nr. ###1 durch die
Warengestaltung der Beklagten kommt nur in Betracht, wenn die Beklagte die
angegriffene Warenform kennzeichenmäßig benutzt (vgl. zu Art. 5 I MarkenRL: EuGH,
Slg. 2002, I -10273 Rn. 51 ff. = GRUR 2003, 55 = WRP 2002, 1415 - Arsenal Football
Club; vgl. zu § 14 MarkenG BGH GRUR 2005, 419 - Räucherkate; BGHZ 156, 126, 136
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= GRUR 2004, 151 - Farbmarkenverletzung I; BGH GRUR 2003, 963, 964 = WRP 2003,
1353 - AntiVir/AntiVirus; BGHZ 153, 131, 138 = GRUR 2003, 232
Ingerl/Rohnke, 2. Aufl. 2003, § 14 Rn. 71 ff; Fezer, MarkenR, 3. Aufl., § 14 Rn. 39a;
Hacker, in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 14 Rn. 61).
Eine kennzeichenmäßige Benutzung ist gegeben, wenn das Zeichen im Rahmen des
Produktabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Ware eines Unternehmens
von denen anderer Unternehmen dient. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach der
Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise. Maßgebend ist das Verständnis eines
durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen
Durchschnittsverbrauchers (BGH GRUR 2005, 419, 421 - Räucherkate; BGHZ 153, 131,
139 = GRUR 2003, 332 - Abschlussstück; BGH GRUR 2002, 812, 813 = WRP 2002,
985 - FRÜHSTÜCKS-DRINK II). Dieser muss zu der Vorstellung gelangen, die Form
diene als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware oder zur Unterscheidung
verschiedener Vertriebsstätten.
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Geht es um die Frage, ob die Form einer Ware kennzeichenmäßig benutzt wird, so
entspricht es der Lebenserfahrung, dass der Verkehr diese nicht in gleicher Weise als
Herkunftshinweis auffasst wie Wort- und Bildmarken. In einer Form sieht der
Verbraucher eher eine funktionelle oder ästhetische Ausgestaltung der Ware als einen
Herkunftshinweis.
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Während also die Kriterien einer kennzeichenmäßigen Benutzung bei allen
Markenformen gleich sind, ist die Wahrnehmung im Verkehr unterschiedlich. Der Form
eines Produktes hat der Bundesgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung nur
dann eine Kennzeichnungsfunktion beigemessen, wenn sie sich entweder aus den
Gestaltungsgewohnheiten auf dem einschlägigen Warengebiet ergibt (aa) oder daraus,
dass die Gestaltung der Klagemarke als Herkunftshinweis auf die Klägerin bekannt
geworden ist (bb). Keine dieser Alternativen kann hier bejaht werden. Dennoch ist eine
kennzeichenmäßige Benutzung durch die Beklagte gegeben, weil sie selbst die
angegriffene Produktform so verwendet, dass der Verbraucher sie als Herkunftshinweis
versteht (cc).
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aa) Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist auszugehen, wenn der Verkehr
aufgrund der Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem einschlägigen Warengebiet
geneigt ist, in der Form oder in einzelnen Formelementen der Gesamtaufmachung eine
eigene Kennzeichnungsfunktion zu erkennen (BGH GRUR 2005, 414 - Russisches
Schaumgebäck; BGHZ 153, 131, 140 = GRUR 2003, 232 - Abschlussstück).
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Entgegen der Ansicht der Klägerin kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine
entsprechende Gewöhnung des Verkehrs dahingehend besteht, bei Waren der in Rede
stehenden Art in der Produktgestaltung einen Herkunftshinweis zu sehen. Der
maßgebliche Verkehrskreis setzt sich aus Personen zusammen, die Aufschnitt an der
Wursttheke kaufen. Die Mitglieder des Senats gehören zu dem maßgeblichen
Verkehrskreis. Sie können die Gestaltungsgewohnheiten daher aus eigener Kenntnis
beurteilen. Wurstaufschnitt an der Theke wird ganz überwiegend in kreisrunder Form
angeboten. Auch wenn gelegentlich Wurst in mehr oder weniger phantasievollen
anderen Formen angeboten wird (z.B. in einer Trapez- oder Dreiecksform), so handelt
es sich hierbei um Einzelfälle. Hinzu kommt, dass selbst in diesen Fällen die
abweichende Form nicht als Herkunftshinweis, sondern als schlichtes
Gestaltungselement wahrgenommen wird.
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bb) Eine kennzeichenmäßige Verwendung der angegriffenen Produktform ist des
Weiteren dann gegeben, wenn die Gestaltung der Klagemarke als Herkunftshinweis auf
die Klägerin auf dem Markt bekannt geworden ist. Auch das kann hier nicht
angenommen werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin auf dem Markt für
Aufschnitt und Salami mit ihrer Marke bekannt geworden ist, sind nicht ersichtlich.
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cc) Mit den bisher durch den Bundesgerichtshof formulierten Fallgruppen werden die
Fälle der kennzeichenmäßigen Benutzung jedoch nicht abschließend erfasst. Eine
kennzeichenmäßige Benutzung ist auch und gerade dann anzunehmen, wenn die
Beklagte selbst - entgegen den bisher bestehenden Gestaltungsgewohnheiten - die
Form der Ware als Herkunftshinweis, wenn auch als Hinweis auf die eigenen Produkte,
einsetzt und die angesprochenen Verkehrskreise dies auch erkennen.
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Zwar ist auch im konkreten Fall von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr
in der Form der Ware eher ein funktionelles oder dekoratives Element als einen
Herkunftshinweis sieht. Doch kann bei Lebensmitteln, die dem Verkehr in einer
willkürlich gewählten Form begegnen, ein Herkunftshinweis eher angenommen werden,
weil der Verkehr bei solchen Waren keine um ihrer selbst Willen geschaffene
Phantasiegestaltung erwartet (BGH GRUR 2004, 329, 330 = BGH WRP 2004, 492 -
Käse in Blütenform). Damit ist nicht gesagt, dass jeder eigentümlichen Form im
Lebensmittelbereich herkunftshinweisende Funktion zukommt. Eine eigentümliche Form
erhöht die Erinnerbarkeit des Zeichens bei den angesprochenen Verkehrskreisen, sagt
aber an sich noch nichts über den Inhalt der erinnerten Information. Nur wenn die über
die Form vermittelte Information (auch) die eines Hinweises auf die Herkunft enthält,
kann von einer kennzeichenmäßigen Benutzung gesprochen werden. Im konkreten Fall
sind diese Voraussetzungen erfüllt. Die Beklagte hat auf die - wenn auch nur entfernt -
kleeblattartige Form ihres Produktes in der Werbung so massiv aufmerksam gemacht,
dass die angesprochenen Verbraucherkreise die Form der Ware als
Kennzeichnungsmittel verstehen. So hat die Beklagte in ihren TV-Werbespots immer
wieder ein Kleeblatt eingeblendet, um anschließend unmittelbar auf die
(aufgeschnittene) Wurst überzuleiten. Damit hat sie die Übereinstimmungen beider
Gestaltungen hervorgehoben. Auch in der Plakatwerbung mit dem Slogan: "Erfolg ist
keine Glückssache" (GA I 57) und "Die Frische in Bestform" (GA I 58) wird sowohl durch
den Inhalt der Slogans ("Glück" und "form") als auch durch das abgebildete Kleeblatt
(aus Wasser) immer wieder die Aufmerksamkeit auf die Form der beworbenen Ware
gelenkt, so dass der Verbraucher diese als Herkunftshinweis wahrnimmt. In der
Fernsehwerbung heißt es außerdem "X-Salami von X. Die mit der Kleeblattform". Wie
die Beklagte selbst vorträgt, ist die Darstellung eines Kleeblattes ein gestalterisches
Element der Marketingstory. Genau damit wird erreicht, dass der Verkehr die Ware
mittels der Form erkennt. Die Beklagte verwendet die Form der Wurst daher
herkunftshinweisend. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass es sich dabei um
einen Hinweis auf eigene Produkte und nicht auf die der Klägerin handelt.
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b) Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG scheitert
jedoch an der fehlenden Verwechslungsgefahr zwischen der klägerischen Marke und
dem Zeichen der Beklagten. Der Schutzbereich der klägerischen Marke ist so eng, dass
die von der Beklagten benutzte Form aufgrund ihrer Unterschiede die klägerische Marke
nicht verletzt.
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Die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung
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aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei kommt es auf die Nähe der in
Betracht zu ziehenden Waren, auf die Kennzeichnungskraft der Klagemarke sowie auf
das Maß der Ähnlichkeit der zu vergleichenden Kennzeichnungen an, wobei zwischen
diesen die Verwechslungsgefahr bestimmenden Faktoren eine Wechselbeziehung
dergestalt besteht, dass der Ähnlichkeitsgrad um so geringer sein kann, je größer die
Kennzeichnungskraft und/oder die Warennähe ist, während umgekehrt ein höherer
Ähnlichkeitsgrad erforderlich ist, wenn die Kennzeichnungskraft der Klagemarke nur
schwach und/oder der Warenabstand größer ist. Deshalb kann ein geringer Grad der
Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder
durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft ausgeglichen werden und umgekehrt (BGH
GRUR 2002, 542, 543 = WRP 2002, 534 - BIG; BGH GRUR 2002, 544, 545 = WRP
2002, 537 - Bank 24; BGH GRUR 2001, 158, 159 = WRP 2001, 41 - Drei-Streifen-
Kennzeichnung; BGH GRUR 2001, 507 = WRP 2001, 694, 695 - EVIAN/REVIAN; BGH
GRUR 2000, 506, 508 = WRP 2000, 535 - Attaché/Tisserand, jeweils m.w.N.). Diese
Grundsätze gelten auch bei einer dreidimensionalen Klagemarke (BGH GRUR 2003,
712, 713 - Goldbarren; BGHZ 153, 131, 141 = GRUR 2003, 232 - Abschlussstück; BGH
GRUR 2000, 888, 889 - MAG-LITE).
aa) Zwischen den Waren der Klägerin und den Waren der Beklagten besteht Identität.
Die Parteien vertreiben beide Wurstwaren.
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bb) Die Kennzeichnungskraft der klägerischen Marke ist an der unteren Grenze der
Durchschnittlichkeit anzusiedeln. Eine von Haus aus hohe Kennzeichnungskraft kann
entgegen der Ansicht der Klägerin nicht angenommen werden. Es ist nicht davon
auszugehen, dass die angemeldete Abbildung einer Salami gegenüber den schon am
Markt vorhandenen Formen durch eine "besonders komplizierte und in ihrem Sinngehalt
durch symbolhafte Assoziationen angereicherte Form" - so der Vortag der Klägerin -
merklich hervortritt. Vielmehr handelt es sich bei einem Kreis mit acht (vier tieferen und
vier flacheren) Einbuchtungen aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise um
eine eher einfache Gestaltung, der keine besonders hohe Originalität zukommt. Hinzu
kommt, dass schon vor der Anmeldung der klägerischen Marke eine ähnliche
Gestaltung als Geschmacksmuster für identische Waren eingetragen war und vertrieben
wurde (Wurst mit acht Wölbungen, GA I 123).
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Eine Stärkung der Kennzeichnungskraft der Marke bis zum Kollisionszeitpunkt im
Februar 2004 durch eine umfangreiche Benutzung hat die Klägerin zwar behauptet,
aber nicht substantiiert vorgetragen. Im Gegenteil, nach eigenen Angaben der Klägerin
wurde ihr Produkt erst Ende 2003/Anfang 2004 in ihren Katalog aufgenommen und erst
im Februar 2004 in dem Hotel "N" in C einigen ausgewählten "Key-Kunden" vorgestellt.
Die oben als herkunftshinweisend angesehene Benutzung der angegriffenen Form
durch die Beklagte kann die Kennzeichnungskraft der Klagemarke nicht stärken.
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cc) Die Ähnlichkeit zwischen den in Rede stehenden Zeichen ist als gering einzustufen.
Zu Recht macht die Beklagte insoweit geltend, dass ein Vergleich der Zeichen nicht nur
anhand der jeweiligen Querschnitte der Wurst vorgenommen werden darf. Da die
klägerische Marke aus der Abbildung einer zwar aufgeschnittenen aber ganzen Wurst
besteht, ist das Bild der ganzen Wurst bei der Feststellung der Zeichenähnlichkeit zu
berücksichtigen. Maßgeblich ist insoweit der Gesamteindruck des Zeichens. Dieser
kann jedoch durch einzelne Merkmale geprägt werden. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass einzelne Merkmale, denen keine originäre Kennzeichnungskraft zukommt, in der
Regel keinen prägenden Einfluss auf den Gesamteindruck haben. Dies trifft hier auf die
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gewöhnliche Form einer länglichen Wurst zu. Prägend bei der klägerischen Marke ist
daher nicht die längliche Wurstform, sondern die Ansicht des Querschnitts.
Die Querschnitte der beiden Würste unterscheiden sich deutlich. Das gilt selbst dann,
wenn man - wie erforderlich - davon ausgeht, dass der Verkehr die Warenformen nicht
gleichzeitig, sondern nacheinander wahrnimmt, so dass ihm die übereinstimmenden
Merkmale im maßgeblichen Gesamteindruck stärker im Erinnerungsbild haften als die
Unterschiede (BGH GRUR 1998, 924, 925 - salvent/Salventerol; Ingerl/Rohnke, § 14
Rn. 532). Gemeinsam ist beiden Formen, dass sie, abweichend von der üblichen
Kreisform, acht Einkerbungen aufweisen. Gegenüber dieser Gemeinsamkeit treten die
Unterschiede jedoch erkennbar hervor. So sind die Einkerbungen in der Bildmarke der
Klägerin deutlich tiefer ausgeprägt als bei der Ware der Beklagten. Hinzu kommt, dass
bei der klägerischen Marke die Ausbuchtungen als Rundungen erkennbar sind,
während die Ausbuchtungen bei der Ware der Beklagten langgezogen wirken. Das führt
zu einem anderen Gesamteindruck, nämlich - wie schon das Landgericht treffend
ausgeführt hat - dazu, dass die Wurst der Beklagten eher den Eindruck einer Variation
einer quadratischen als einer runden Wurstscheibe erweckt.
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Bei der Bewertung der Zeichenähnlichkeit ist schließlich zu berücksichtigen, dass der
Schutzumfang der klägerischen Marke weiter dadurch verengt wird, dass die
Spielräume für die Formgestaltung einer Wurst, die zum Aufschneiden bestimmt ist,
gering sind. So muss die Wurst zunächst eine längliche Form haben, um die
Anschnittfläche gering zu halten. Die Schnittfläche selbst muss so gestaltet sein, dass
man mit der Wurstscheibe ein Brot oder Brötchen belegen kann. Folglich scheiden
zahlreiche Formgestaltungen der Schnittfläche (z.B. längliche oder asymmetrische
Formen) von vornherein aus. Nur solche Gestaltungen, die mehr oder weniger runden
oder eckigen Grundformen entsprechen, kommen als Formgestaltungen in Betracht. Der
sich daraus ergebende enge Schutzumfang führt dazu, dass der Verwechslungsschutz
auf weitgehend identische und hochgradig ähnliche Zeichen beschränkt ist. Die hier
festgestellten Unterschiede zwischen den Zeichen führen daher - trotz der
Warenidentität - aus dem Schutzbereich der klägerischen Marke heraus und führen zur
Verneinung der Verwechslungsgefahr.
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2. Da somit schon zwischen der Marke der Klägerin und dem Produkt der Beklagten
ohne Aufschrift (linkes Bild des Klageantrages) keine Verwechslungsgefahr besteht, gilt
dies erst recht für den Fall, dass auf dem Produkt der Beklagten die Wortmarke "X1"
aufgedruckt ist (rechtes Bild des Klageantrages).
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3. Auch aus ihrer Wortmarke "GLÜCKSBLATT" kann die Klägerin keinen
Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte herleiten. Selbst wenn es grundsätzlich
möglich sein sollte, eine Wortmarke mit einer dreidimensionalen Form wegen einer
Übereinstimmung im Sinngehalt zu verletzen, fehlt es hier an der Verwechslungsgefahr.
Zwar versucht die Beklagte durch ihre Werbung beim Verbraucher eine Assoziation
zwischen der Gestaltung ihrer Wurst, die zunächst nur entfernt an ein Kleeblatt erinnert,
und einem solchen Kleeblatt herbeizuführen. Eine für die Verwechslungsgefahr
ausreichende Zeichenähnlichkeit mit der Wortmarke "Glücksblatt" wird dadurch jedoch
nicht hergestellt.
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4. Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf wettbewerbsrechtliche
Ansprüche berufen. Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit das UWG wegen der
Begrenzungsfunktion des Markenrechts noch Anwendung findet, liegen die
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Voraussetzungen für einen Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a UWG nicht vor.
Es fehlt an der nach neuerer Rechtsprechung für die Fälle der Herkunftstäuschung
erforderlichen Voraussetzung, dass das nachgeahmte Erzeugnis bei den maßgeblichen
Verkehrskreisen eine gewisse Bekanntheit erlangt haben muss (vgl. BGH GRUR 2005,
167 - Puppenausstattungen; GRUR 2002, 275, 277 - Noppenbahnen; GRUR 2004, 941,
943 - Metallbett). Das war im Kollisionszeitpunkt, wie sich aus den Ausführungen oben
unter Ziff. 1 b) bb) ergibt, nicht der Fall.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
ZPO liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu
noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof. Streitentscheidend
ist vielmehr eine über den entschiedenen Fall nicht hinausweisende Subsumtion eines
individuellen, auch tatrichterlich zu beurteilenden Sachverhalts unter Normen und
Rechtsgrundsätze, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere durch
die oben genannten Entscheidungen bereits eine Klärung erfahren haben.
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Der Wert der mit diesem Urteil verbundenen Beschwer der Klägerin übersteigt den
Betrag von 20.000,00 EUR.
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