Urteil des OLG Köln vom 15.01.1992
OLG Köln (treu und glauben, einwilligung des patienten, offenbarung des geheimnisses, abtretung, stgb, einverständnis, einwilligung, verhalten, zustimmung, zahnarzt)
Oberlandesgericht Köln, 27 U 98/91
Datum:
15.01.1992
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 U 98/91
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 141/89
Schlagworte:
Nichtigkeit Arzt Inkassounternehmen Factoring
Normen:
BGB §§ 134, 138, 826; STGB §§ 26, 203 Abs. 1 Nr. 1, 6
Leitsätze:
1. Ein Factoring-Vertrag, durch den ein Zahnarzt Ansprüche gegen seine
Patienten ohne deren Einwilligung an ein Inkassounternehmen verkauft,
das als gewerbliches Unternehmen in der Rechtsform der GmbH
betrieben wird, ist sittenwidrig und nichtig, weil durch diesen Vertrag die
ärztliche Schweigepflicht verletzt wird. (Vgl. OLG Köln VersR 1991, ...;
NJW 1991, 753; BGH VersR 1991, ....; NJW 1991, 2955). 2. Als
rechtfertigende Einwilligung des Patienten mit dieser Art der
Forderungseinziehung kommt nur eine unmißverständliche Kundgabe
des Patienten in Betracht, mit der er auf den Schutz des Geheimnisses
verzichtet. 3. Ein stillschweigendes nachträgliches Einverständnis des
Patienten mit der Abrechnung des Honoraranspruchs des Zahnarztes
über eine GmbH und damit eine Entbindung des Zahnarztes von seiner
ärztlichen Schweigepflicht ist nicht ohne weiteres in einem im Prozeß
der Zessionarin vom beklagten Patienten abgegebene Teilanerkenntnis
zu sehen; für die Entschließung, einen Teil der Klageforderung
anzuerkennen, kommen unterschiedliche Gründe in Betracht, ohne daß
allein daraus auf eine Zustimmung zur Weitergabe der
Behandlungsunterlagen zu schließen wäre. Ein nachträgliches
Einverständnis wäre zudem nichtig, weil sich die Einwilligung
notwendigerweise auf ein bevorstehendes, in der Zukunft liegendes
Verhalten eines anderen beziehen muß; denn im Strafrecht ist jede
nachträgliche Genehmigung für eine bereits begangene Tat
bedeutungslos.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 26. März 1991 verkündete
Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 141/89 - wird auf
ihre Kosten zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist statthaft sowie form- und fristge-recht eingelegt und begründet
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worden und damit zu-lässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
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Der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.
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Die Abtretung der streitgegenständlichen Hono-rarforderung ist wegen Verstoßes
gegen ein ge-setzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig. Mit dem Abschluß des der
Abtretung zugrundeliegenden Forderungskaufvertrags vom 28.11. und 01.12.1988
haben der Zahnarzt Dr. Dr. A. als Täter und die Klägerin als Teilnehmerin objektiv
gegen das an den Zahnarzt gerichtete gesetzliche Verbot des § 203 Abs. 1 Nr. 1
StGB verstoßen, ein ihm anvertrautes fremdes Geheimnis unbefugt zu offenbaren.
Die Strafvorschrift des § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB dient in erster Linie dem Schutz der
Individualsphäre des Patienten und ist deshalb ein Verbotsgesetz im Sinne des §
134 BGB. Wenngleich sich das Verbot des § 203 StGB nur an den zur Wahrung des
fremden Geheimnisses Verpflichteten, in Fällen der vorlie-genden Art mithin allein an
den Arzt richtet, führt es zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, weil es mit dem Zweck
des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene
rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen. Die Nichtigkeitsfolge des
§ 134 BGB beschränkt sich auch nicht auf den Forderungskauf als Grundge-schäft,
sondern erfaßt zugleich das Erfüllungsge-schäft der Abtretung. Die in Nr. 1 des
Rahmenver-trags vom 28.11. und 01.12.1988 gewählte, von der Klägerin für eine
Vielzahl von Verträgen verwen-dete Formulierung läßt keinen Zweifel daran, daß
Abschluß des einzelnen Forderungskaufvertrags, Ab-tretung der Forderung und
Übergabe der Abrechnungs-unterlagen nach dem Willen der Vertragsparteien ein
einheitliches, untrennbares Ganzes bilden sollen. Das im Einzelfall verbotswidrige
Offenbaren des Patientengeheimnisses ist daher nicht nur Voraus-setzung des
Kaufvertrags, sondern ebenso und unmit-telbar auch des Erfüllungsgeschäfts der
Abtretung. Diese Erwägungen enthält bereits das Urteil des Senats vom 29.08.1990
(27 U 76/90, veröffentlicht in NJW 1991, 753), dem ein inhaltlich gleicher Vertrag
zwischen der Klägerin und einem Zahnarzt zugrunde liegt. Der Bundesgerichtshof
hat in seiner Revisionsentscheidung vom 10.07.1991 (abgedruckt in NJW 1991,
2955) die Rechtsauffassung des Senats be-stätigt.
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Durch die Aushändigung der Abrechnungsunterlagen an die Klägerin hat Dr. Dr. A.
ein Berufsgeheimnis im Sinne von § 203 Abs. 1 StGB unbefugt offenbart, da es an
einer Zustimmung der Beklagten fehlt.
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Unstreitig ist, daß die Beklagten der Weitergabe ihrer Behandlungsunterlagen an die
Klägerin nicht vorher ausdrücklich zugestimmt haben. Die Annahme einer
mutmaßlichen Einwilligung scheidet aus, weil diese voraussetzt, daß der
Geheimnisträger zwei-felsfrei und erkennbar kein Interesse an der Wah-rung des
Geheimnisses hat oder daß er nicht recht-zeitig befragt werden kann (vgl. BGH
a.a.O.). Keine der beiden Möglichkeiten kommt hier in Betracht.
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Die Beklagten haben ein Einverständnis mit der Abrechnung des Honoraranspruchs
über die Klägerin auch nicht stillschweigend erklärt. Weder die vorgerichtliche
Korrespondenz zwischen den Parteien noch das Verhalten der Beklagten im Prozeß
recht-fertigen die Annahme, die Beklagten seien mit der Weitergabe der
Behandlungsunterlagen an die Kläge-rin einverstanden. Das gilt sowohl für das
Fehlen von Einwänden gegen die Forderungsberechtigung der Klägerin bis zum
Abschluß der ersten Instanz als auch für das abgegebene Teilanerkenntnis und die
Entbindung des Zahnarztes von seiner ärztlichen Schweigepflicht. Für den Entschluß
der Beklagten, einen Teil der Klageforderung anzuerkennen, kom-men
unterschiedliche, insbesondere prozeßtaktische Gründe in Betracht, ohne daß allein
daraus auf eine Zustimmung in die Weitergabe der Behandlungsunter-lagen zu
schließen wäre. Die Entbindung des behan-delnden Zahnarztes von seiner
ärztlichen Schweige-pflicht für den vorliegenden Rechtsstreit dient der Verteidigung
der Beklagten gegen die Zahlungsklage und erlaubt gleichfalls keine Rückschlüsse
auf ein Einverständnis in die Weitergabe der Behand-lungsunterlagen an die
Klägerin zu dem Zweck, das Zahnarzthonorar abzurechnen. Vor allem aber setzt die
Annahme eines stillschweigenden Einverständnis-ses mindestens voraus, daß dem
Patienten die Inan-spruchnahme der Abrechnungsstelle durch den Arzt bekannt
gewesen ist. Eine Verkehrssitte etwa dahin, daß ärztliche Leistungen durch
gewerbliche Verrech-nungsstellen abgerechnet werden, gibt es nicht (BGH a.a.O.).
Die Klägerin hat auch nichts dafür vorge-tragen, daß den Beklagten die Absicht des
Zahnarz-tes, seine Ansprüche durch die Klägerin abrechnen zu lassen, bekannt
gewesen sei. Auch die Erteilung eines entsprechenden Hinweises, etwa durch einen
Aushang im Wartezimmer der Zahnarztpraxis, behaup-tet sie nicht; deshalb kann hier
offen bleiben, ob ein solcher Anhang genügen würde (vgl. dazu BGH a.a.O.).
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Die Abtretung der Honorarforderung wäre selbst dann nichtig, wenn in dem
vorgerichtlichen Schriftwechsel zwischen den Parteien oder in dem Prozeßverhalten
der Beklagten ein stillschweigendes nachträgliches Einverständnis mit der
Weitergabe der Behandlungsunterlagen an die Klägerin gesehen werden könnte. Die
Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB tritt bereits mit der unbefugten Offenbarung eines
Privatgeheimnisses durch den Arzt im Sinne von § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB ein. Eine
nachträgliche Zustimmung der durch § 203 StGB geschützten Person in die
Offenbarung des Geheimnisses nimmt der Tat nicht den Unrechtscharakter. Als
rechtfertigende Einwilligung kommt nur ein Verhalten in Betracht, durch welches der
Träger eines Rechtsguts unmißver-ständlich kund tut, er wolle das Rechtsgut der Ein-
wirkung eines bestimmten anderen preisgeben und in-soweit auf Strafschutz
verzichten. Die Einwilligung muß sich deshalb notwendig auf ein bevorstehendes, in
der Zukunft liegendes Verhalten eines anderen beziehen; eine nachträglich erteilte
Genehmigung ist für die vorher begangene Tat dagegen ohne Bedeutung (BGHSt 7,
294; 17, 359). Nichts anderes gilt, wenn die Einwilligung des Verfügungsberech-
tigten nicht erst als Rechtfertigungsgrund, sondern bereits als den Tatbestand
ausschließendes Einver-ständnis betrachtet wird (so Dreher-Tröndle, StGB, 45. Aufl.,
§ 203 Rn. 27); denn im Strafrecht ist jede nachträgliche Genehmigung für eine bereits
be-gangene Tat bedeutungslos (BGHSt 7, 295).
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Auch das von der Nichtigkeit des ihm zugrundelie-genden Forderungskaufs erfaßte
Erfüllungsgeschäft der Abtretung ist nicht durch ein nachträgliches Einverständnis
der Beklagten wirksam geworden. Die Abtretung ist ein Vertrag zwischen dem
Zessionar und dem Zedenten (§ 398 BGB), an dem der Schuldner nicht beteiligt ist.
Eine von diesem nachträglich erklärte Zustimmung läßt deshalb die Nichtigkeit des
Abtretungsvertrages nach § 134 BGB nicht ent-fallen.
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Indem sie sich auf die Unwirksamkeit der Abtretung berufen, verhalten sich die
Beklagten auch nicht etwa treuwidrig. Zwar gilt der das gesamte Rechts-leben
beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben auch für nichtige Rechtsgeschäfte.
Die Berufung auf die Nichtigkeit eines Vertrags wegen eines Ver-stoßes gegen ein
gesetzliches Verbot kann deshalb in besonders gelagerten Ausnahmefällen als
unzuläs-sige Rechtsausübung gewertet werden (BGH NJW 1981, 1439; WM 1982,
1251). Ein solcher Fall ist etwa dann anzunehmen, wenn sich eine Partei des gegen
ein gesetzliches Verbot verstoßenden Vertrags auf die Nichtigkeitsfolge beruft,
obwohl der Vertrag von beiden Seiten fast vollständig oder zumindest weit
überwiegend erfüllt worden ist und beide Vertragspartner gesetzeswidrig gehandelt
haben (BGH NJW 1981, 1439; WM 1982, 1251). Um eine solche Fallgestaltung
handelt es sich hier jedoch nicht. Es ist auch kein anderer Grund ersichtlich, der den
Beklagten den Einwand der Unwirksamkeit eines zwi-schen der Klägerin und einem
Dritten, nämlich ihrem Zahnarzt, abgeschlossenen Rechtsgeschäfts verwehren
könnte.
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Nach alledem ist die Klägerin nicht Inhaberin der eingeklagten Forderung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
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Berufungsstreitwert: 5.775,27 DM
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Beschwer für die Klägerin: unter 60.000,00 DM
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