Urteil des OLG Köln vom 29.12.1997
OLG Köln (verfügung, abgabe, verpackung, arzneimittel, werbung, zpo, wettbewerbshandlung, weisung, höhe, gegenstand)
Oberlandesgericht Köln, 6 W 95/97
Datum:
29.12.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 95/97
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 147/97
Schlagworte:
ORDNUNGSMITTEL;
Normen:
HWG § 4; ZPO § 890
Leitsätze:
1. Ist einem Schuldner durch gerichtlichen Titel untersagt, zum Zwecke
der Werbung für ein Arzneimittel Ärzten einen Liter (alkoholfreien)
Punsch in einer konkreten, dem Arzneimittel entsprechenden
Ausstattung (Faltschachtel), auf der die Pflichtangaben gem. § 4 HWG
fehlen, zu überreichen, stellt es einen Verstoß im Sinne von § 890 I ZPO
dar, wenn nach Zustellung des Titels die in der Faltschachtel befindliche
Flasche durch ein anderes Genußmittel (hier: Duplo-Stangen) ersetzt
wird und die Umverpackung (Faltschachtel) im wesentlichen
unverändert bleibt.
2. Zur Auslegung eines Unterlassungstitels und zur sogenannten
Kerntheorie.
Rechtskraft:
nicht anfechtbar
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluß der 31.
Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26. 08.1997 (A.Z.: 31 O 147/97)
wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden
der Schuldnerin auferlegt.
G r ü n d e :
1
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist zulässig, aber unbegründet.
2
Das Landgericht hat die Schuldnerin zu Recht gem. § 890 ZPO wegen
Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot der Ziff. 1 c) der einstweiligen
Verfügung (Beschlußverfügung) des Landgerichts vom 21.02.1997 (A.Z.: 31 0 147/97)
zu einem Ordnungsgeld in Höhe von 25.000,--DM verurteilt.
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Auch nach dem Beschwerdevorbringen der Schuldnerin ist mit der Gläubigerin und dem
Landgericht davon auszugehen, daß die mit dem Ordnungsmittelantrag beanstandete
Werbemaßnahme der Schuldnerin einen Verstoß gegen das angeführte
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Unterlassungsgebot darstellt. Zwar geht es dabei um eine Wettbewerbshandlung, die
mit der in Ziff. 1 c) der Beschlußverfügung vom 21.02.1997 beschriebenen nicht
identisch ist. Diese Handlung entspricht aber im Kern der der Schuldnerin mit dem
Unterlassungsgebot untersagten Werbeform und war damit bereits implizit Gegenstand
der Prüfung des Erkenntnisver
fahrens, das zu dem Unterlassungsgebot geführt hat (vgl. zur sog. Kerntheorie Beschluß
des Senats, abgedruckt in WRP 1989/334, sowie Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche
Ansprüche, 7. Auflage, Kap. 57 Rd. 13 ff, jeweils mit weit. Nachw.). Gegenstand der Ziff.
1 c) der Beschlußverfügung vom 21.02.1997 ist die dort abgebildete Faltschachtel, die
nach ihrer äußeren Gestaltung in der Art einer Originalverpackung für das Arzneimittel
"Tilidin-r. plus" aufgemacht war, an Stelle der auf der Verpackung angekündigten
"Tilidin-r. plus"-Tropfen jedoch eine Flasche mit einem Liter Punsch enthielt, wobei auf
diesen tatsächlichen Inhalt der Umhüllung nur eine sehr unauffällig gestaltete Angabe
auf dem Deckel der Faltschachtel hinwies. In dieser Aufmachung der Punsch-
Verpackung in der Art einer Originalverpackung für das Arzneimittel sollte gerade der
"Gag" der damaligen Werbemaßnahme der Schuldnerin liegen, wie auch die
Ausführungen der Schuldnerin im Berufungstermin des einstweiligen
Verfügungsverfahrens 6 U 96/97 (= 31 O 147/97 LG Köln) bestätigten. Dabei gibt der
Wortlaut der Ziff. 1 c) der Beschlußverfügung im gebotenen Kontext mit den anderen in
der Beschlußverfügung ausgesprochenen, jeweils selbständigen
Unterlassungsgeboten unmißverständlich zu erkennen, daß Gegenstand des
Unterlassungsgebots der Ziff 1 c) allein die Abgabe des dort beschriebenen
Werbemittels ohne die von § 4 Abs. 1 HWG geforderten Pflichtangaben ist, daß es im
Rahmen der Ziff. 1 c) jedoch nicht auf die auf der Verpackung angebrachten
Werbeankündigungen ankommt, die bereits von den Unterlassungsgeboten der Ziffern 1
a) und 1 d) der Beschlußverfügung erfaßt werden.
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Gehören aber diese Werbeangaben nicht zu den Merkmalen, die die in Ziff. 1 c)
verbotene Wettbewerbshandlung charakterisieren, umfaßt dieses Verbot der Ziff. 1 c)
ebenfalls die mit dem Ordnungsmittelantrag beanstandete Werbemaßnahme der
Schuldnerin. Auch bei dieser Werbung geht es wie im Rahmen von Ziff. 1 c) der
Beschlußverfügung um die Abgabe eines Werbegeschenks in einer Umhüllung, die den
Anschein einer Originalverpackung für das Arzneimittel "Tilidin-r. plus" erweckt (nach
dem Vortrag der Schuldnerin sogar eine Originalverpackung darstellt). Unerheblich ist,
daß die fragliche Umhüllung eine andere Größe und eine anders verlaufende
Beschriftung als die Faltschachtel aufweist, die in Ziff. 1 c) der Beschlußverfügung
wiedergegeben ist. Solche Abweichungen sind unbedeutend und berühren nicht den
Kern des Unterlassungsgebots der Ziff. 1 c). In diesem Sinne unerheblich ist entgegen
dem Beschwerdevorbringen der Schuldnerin ebenfalls der Umstand, daß sich in der mit
dem Ordnungsmittelantrag beanstandeten Verpackung nicht - wie im
Erkenntnisverfahren - eine Flasche Punsch befindet, sondern diese Faltschachtel
nunmehr mit einem anderen Genußmittel, nämlich mit Duplo-Stangen, gefüllt ist. Die Art
des Werbegeschenks spielt im Rahmen des § 4 HWG keine Rolle. Wie schon der
Wortlaut der Ziff. 1 c) der Beschlußverfügung nahelegt und insbesondere Ziff. 1 b) der
Beschlußverfügung deutlich macht, ist aber auch das Unterlassungsgebot der Ziff. 1 c)
nicht ausschließlich auf solche Verpackungen der streitgegenständlichen Art
beschränkt, die eine Flasche Punsch als Werbegabe enthalten. Bei den Ziffern 1 b) und
1 c) handelt es sich angesichts der "und/oder"-Verknüpfung zwischen beiden Ziffern
jeweils um selbständige Unterlassungsgebote. In der Ziff. 1 b) geht es jedoch - unter
dem Aspekt des § 7 HWG - gerade und ausschließlich um die Abgabe von Punsch als
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Werbegeschenk in der dort abgebildeten Verpackung. Wenn daher die Ziff. 1 c) der
Beschlußverfügung auf das "unter Ziffer 1 b) wiedergegebene Werbemittel" Bezug
nimmt und dessen Abgabe ohne Beifügung der Pflichtangaben verbietet, kann dies nur
dahin verstanden werden, daß die im Mittelpunkt der Ziff. 1 b) stehende Modalität des
Werbemittels (Punsch als Verpackungsinhalt) zwar die konkrete Wettbewerbshandlung
der Schuldnerin näher beschreibt, die zu dem auf § 4 HWG gestützten Verbot der Ziff. 1
c) geführt hat, jedoch nicht zum Kernbereich dieses Verbots gehört. Dann aber spielt es
für die Frage des Anwendungsbereichs dieses Unterlassungsgebots der Ziff. 1 c) keine
Rolle, ob sich in der Verpackung eine Flasche Punsch als Werbegeschenk befindet
oder ein anderes Genußmittel, nämlich wie im Streitfall Duplo-Stangen.
Die Schuldnerin macht mit ihrem Rechtsmittel darüber hinaus ohne Erfolg geltend, die
Abgabe der mit Duplo gefüllten Faltschachtel falle jedenfalls deshalb nicht in den
Kernbereich des Verbots der 1 c), weil sich Ziff. 1 c) gegen die Abgabe einer
Verpackung ohne Pflichtangaben richte, während die nunmehr streitgegenständliche
Verpackung entsprechend ihrer - der Schuldnerin - Weisung an den Außendienst
jeweils nur zusammen mit einer sog. Aktionskarte abgegeben worden sei, die auf ihrer
Rückseite die Pflichtangaben zu "Tilidin-r. plus" enthalten habe. Bereits das Landgericht
hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die von der Schuldnerin angeführte Weisung
nicht ausreicht, um aus der mit Duplo gefüllten Faltschachtel und der "Aktionskarte"
wegen ihrer gemeinsamen Abgabe eine einheitliche, neue Werbeform zu machen. Nur
bei Vorliegen einer solchen neuen Werbeform könnte aber die mit dem
Ordnungsmittelantrag beanstandete Werbemaßnahme der Schuldnerin als eine von der
in Ziff. 1 c) der Beschlußverfügung untersagten Wettbewerbshandlung nicht nur
unbedeutend abweichende Werbeform verstanden werden, die aus diesem Grund
ungeachtet ihrer rechtlichen Zulässigkeit nach § 4 HWG nicht mehr von dem Verbot der
Ziff. 1 c) der Beschlußverfügung erfaßt würde. Die Weisung der Schuldnerin betrifft
jedoch lediglich die Art und Weise der Übergabe der Faltschachtel und der
"Aktionskarte" an den Arzt und verändert nicht das Erscheinungsbild dieser beiden
Werbemittel als jeweils eigenständige Werbeformen, die ebenso gut einzeln oder
zusammen mit einem völlig anderen Werbemittel an den Arzt abgegeben werden
können. So enthält die "Aktionskarte" auf ihrer "Schauseite" mehrere
Werbeankündigungen in Wort und Bild, die mit den Ankündigungen auf der
Faltschachtel nicht identisch sind und die "Aktionskarte" als ein selbständiges
Werbemittel gegenüber der mit Duplo gefüllten Faltschachtel darstellen. Auch sonst
bestehen keine Verbindungen zwischen beiden Werbemitteln, abgesehen davon, daß
sie sich beide auf dasselbe Arzneimittel beziehen: Die "Aktionskarte" ist weder in
irgendeiner Weise mit der Faltschachtel körperlich verbunden noch wird auf der
"Aktionskarte" oder auf der Faltschachtel durch entsprechende Hinweise kenntlich
gemacht, daß die beiden Werbemittel eine Einheit bilden bzw. sich gegenseitig
ergänzen sollen. Als eigenständige Werbung für das Präparat "Tilidin-r. plus" muß aber
die mit Duplo gefüllte Faltschachtel unabhängig davon im Einklang mit § 4 HWG stehen,
ob andere gleichzeitig damit abgegebene, ebenfalls als eigenständige Werbungen zu
wertende Werbemittel wie z.B. im Streitfall die "Aktionskarte" ihrerseits den
Anforderungen dieser Vorschrift genügen. Gem. § 4 Abs. 1 HWG hat nämlich jede
Werbung die Pflichtangaben zu enthalten, wie ebenfalls § 4 Abs. 4 HWG und die
umfangreiche Kasuistik zu dieser Regelung bestätigen (vgl. dazu Kleist/Hess/
Hoffmann, Heilmittelwerbegesetz, 2. Auflage, 1995, § 4 HWG Rd. 68, 69 mit
weit.Nachw.). Für dieses Verständnis des § 4 Abs. 1 HWG spricht im übrigen auch die
naheliegende Gefahr, daß solche selbständigen Werbemittel spätestens beim
Empfänger unterschiedliche Wege gehen und von einer Ergänzung des einen
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Werbemittels durch das andere trotz ihrer gemeinsamen Übergabe an den Beworbenen
keine Rede sein kann. Tatsächlich wies jedoch die streitgegenständliche Faltschachtel
mit den Duplo-Stangen keine Pflichtangaben auf. Nur die "Aktionskarte" enthielt
entsprechende Angaben, die sich aber aus den dargelegten Gründen nur auf dieses
Werbemittel bezogen. Der sich daraus ergebende Verstoß gegen § 4 HWG stellt
zugleich einen Verstoß gegen Ziff. 1 c) der Beschlußverfügung dar. Wenn dort die
Abgabe des fraglichen Werbemittels "ohne Beifügung der Pflichtangaben" untersagt
wird, ist damit ersichtlich nicht gemeint, daß entgegen § 4 HWG auch die Abgabe dieses
Werbemittels unter Beifügung eines anderen (selbständigen) Werbemittels mit den
Pflichtangaben ausreichen soll, um den Bereich des Unterlassungsgebots zu verlassen.
Schließlich handelte die Schuldnerin bei diesem Verstoß gegen Ziff. 1 c) der
Beschlußverfügung auch schuldhaft. An dem oben dargelegten Inhalt dieses
Unterlassungsgebots konnte kein Zweifel bestehen. Gerade für die Schuldnerin als ein
seit vielen Jahren erfahrenes Unternehmen, was die Werbung für Arzneimittel angeht,
war dabei insbesondere bei entsprechender Beachtung ihrer Sorgfaltspflicht auch ohne
weiteres erkennbar, daß die nur mit Hilfe einer Weisung an den Außendienst
hergestellte Verbindung zwischen der streitgegenständlichen Faltschachtel und der
"Aktionskarte" nicht geeignet war, um den Kernbereich des Unterlassungsgebot zu Ziff.
1 c) der Beschlußverfügung zu verlassen bzw. um diesem Unterlassungsgebot zu
entsprechen. Das Landgericht hat deshalb das beanstandete Verhalten der Schuldnerin
zu Recht als zumindest grob fahrlässige Zuwiderhandlung gegen das
Unterlassungsgebot gewertet und unter zutreffender Würdigung aller sonstigen
Umstände des Falls ein Ordnungsgeld in Höhe von 25.000,00 DM als
schuldangemessen erachtet. Insoweit wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO auf die Erwägungen
der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Das Beschwerdevorbringen der
Schuldnerin gibt - auch im Hinblick auf die vom Landgericht festgesetzte Höhe des
Ordnungsgeldes - keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung. Da die von dem
Landgericht ersatzweise verhängte Ordnungshaft ebenfalls keinen Bedenken begegnet,
war somit die sofortige Beschwerde der Schuldnerin insgesamt als unbegründet
zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Der Beschwerdewert wird auf 25.000,00 DM festgesetzt.
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