Urteil des OLG Köln vom 16.03.1994
OLG Köln (gemischte schenkung, wert, kläger, verhältnis zwischen, berechtigte person, erblasser, tatsächliche vermutung, nahestehende person, schenkung, versorgung)
Oberlandesgericht Köln, 19 U 159/93
Datum:
16.03.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 U 159/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 17 O 220/89
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozeßkosten- hilfe für die
Durchführung der Berufung gegen das am 7. Mai 1993 verkündete Urteil
der 17. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 17 O 22o/89 - wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e
1
Die Berufung des Klägers gegen das angefochtene Urteil des Landgerichts bietet keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sin-ne des § 114 Satz 1 ZPO.
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Dem Kläger steht als vertragsmäßig bedachter Schlußerbe nach der am 24. 11. 1987
verstorbenen Frau M. F. wegen der von dieser mit notariellem Vertrag vom 8. 2. 1974
vorgenommenen Übertragung der Grundstücke E. Straße 246 in B./B. auf die Beklagte
gegen diese kein Anspruch gemäß § 2287 Abs. 1 BGB auf die geltend gemachte
Übertragung eines 1/6 Miteigentumsanteils hinsichtlich der in Rede stehenden
Flurstücke zu.
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Auch unter Zugrundelegung seines Vorbringens hat der Kläger auf-grund der Vorschrift
des § 2287 Abs. 1 BGB keinen Anspruch auf den geltend gemachten
Miteigentumsanteil an den der Beklagten übereigneten Grundstücken. Denn auch der
Kläger geht in seiner Berufungsbegründung davon aus, daß sich (lediglich) eine
gemischte Schenkung feststellen läßt, die zwar auch für § 2287 Abs. 1 BGB relevant ist,
aber hinsichtlich des Schenkungsanteils nur zu einem Anspruch auf Zahlung des
Wertunterschieds in Geld führen kann. An-sprüche des Klägers auf der Grundlage des §
2287 Abs. 1 BGB hat das Landgericht zutreffend auch deswegen verneint, weil die Erb-
lasserin ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse an dem
Übertragungsvertrag hatte.
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1. Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beein-trächtigen, eine
Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft
angefallen ist, gemäß § 2287 BGB von dem Beschenkten die Herausgabe des
Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
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Bereicherung fordern. Gegenstand des Herausgabeanspruchs nach § 2287 BGB
ist mithin das Geschenk. Gegenstand des Klagebegehrens ist indes das
Grundstück. Auch nach dem eigenen Vorbringen des Klägers in der Berufung
handelt es sich im vorliegenden Fall um eine gemischte Schenkung, bei der zwar
eine Gegenleistung in der Form der vereinbarten Pflegeverpflichtung gewährt
wurde, die jedoch - wie der Kläger geltend macht - unter dem Wert der
hingegebenen Grundstücke liegt. In einem solchen Fall geht der Anspruch aus §
2287 BGB nur dann auf Herausgabe, wenn der unentgeltliche Charakter des
Geschäfts überwiegt, andernfalls geht er auf Zahlung des Wertunterschiedes in
Geld (vgl. BGH FamRZ 1964, 429, 43o; BGH NJW 1953, 5o1; Palandt-Edenhofer,
BGB, 53. Aufl., § 2287 Rdnr. 16). Ein Vergleich des Wertes der überlassenen
Grundstücke, wie er sich nach dem im ersten Rechtszug eingeholten Gutachten
des Sach-verständigen Dipl.-Ing. F. vom 12. 3. 1992 und seinen ergänzenden
schriftlichen Ausführungen vom 5. 11. 1992 darstellt, mit dem Wert der von der
Beklagten übernommenen Gegenleistung in Form der Pfle-geverpflichtung ergibt
nicht ein Überwiegen des unentgeltlichen Charakter
des Übertragungsvertrages. Vielmehr reicht im Gegenteil der Wert der
Pflegeverpflichtung sogar nahe an den Wert des Grundstücke heran.
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Der Sachverständige hat in überzeugender und nachvollziehbarer Weise den Wert der
Grundstücke unter Einschluß der aufstehenden Gebäude für den maßgeblichen
Bewertungsstichtag zum 4. 2. 1974 auf 125.ooo.- DM ermittelt. Hiervon in Abzug zu
bringen ist der ver-traglich eingeräumte Anspruch auf die Erbringung von Pflegelei-
stungen durch die Beklagte. Die Vertragsparteien selbst haben den monatlichen Wert
der im Vertrag beschriebenen Pflegeleistungen mit 3oo.- DM angegeben, wobei zu
berücksichtigen ist, daß dieser nied-rige Wert im Notarvertrag aus Kostengründen
genannt ist. Diesen Wert erachtet auch der Senat entsprechend den Ausführungen des
Sachverständigen Dipl.-Ing. F. in seinem Gutachten vom 12. 3. 1992 für eine
Grundpflege im Jahre 1974 als angemessen, die eine norma-le Aufwartung bezüglich
der Wohnung und der Person eines Pflegeberechtigten umfaßt, der sich noch in
verhältnismäßig guter gesundheitlicher Verfassung befindet. Ein Ansatz von 6o Stunden
monatlich zu je 5.- DM für das Jahr 1974 ist in Anwendung des § 287 ZPO für eine
Grundpflege nicht zu beanstanden, so daß sich für die Grundpflege unter
Berücksichtigung des bei dem Alter der Erb-lasserin von 61 Jahren
zugrundezulegenden Barwertfaktors von 12,992 Jashren ein Wert in Höhe von
46.771,2o DM (3.6oo.- DM x 12,992) ergibt. Es ist hier indes weiter zu berücksichtigen,
daß die Erblasserin bereits im Jahre 1974 ein Pflegefall war. Dieser liegt vor, wenn die
berechtigte Person auch bei den gewöhnlichen und täglich wiederkehrenden
Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang die Hilfe einer
anderen Person benö-tigt. Der Grad der Pflegebedürftigkeit ist hierbei danach zu
bemessen, ob die betreffende Person einige oder gar sämtliche der täglichen
Verrichtungen, wie Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Waschen,
Haarpflege, Einnehmen von Mahlzeiten und Getränken sowie Stuhlgang und
Wasserlasssen selbst nicht mehr ausführen kann. Die Erblasserin litt seit 1969 an einer
schweren Parkinson'schen Erkrankung mit Gliederzittern, die schon damals so
ausgeprägt war, daß sie der Hilfe beim Waschen und Ankleiden sowie bei der
Essenszubereitung bedurfte und ein Toilettenstuhl angeschafft werden mußte, wie sich
aus den ärztlichen Bescheini-gungen des behandelnden Arztes Dr. S. vom 6. 5. 1975
und 27. 7. 1989 (Blatt 37 und 6o d.A.) ergibt. Im Jahre 1973 verschlimmerte sich der
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Gesundheitsszustand und die Hilflosigkeit der Erblasse-rin, ohne daß ihre geistigen
Funktionen beeinträchtigt waren; im Jahre 1974 verstarb ihr Ehemann. Vor diesem
Hintergrund war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übertragungsvertrag am 8. 2. 1974
die Wahrscheinlichkeit, daß die Erblasserin zunehmend (schwerst-) pflegebedürftig
werden würde, weit höher als die insoweit vom Sachverständigen lediglich auf der
Grundlage des Alters der Erb-lasserin von 61 Jahren angenommene Wahrscheinlichkeit
von 2,79 Prozent, die nach seinen weiteren gutachterlichen Ermittlungen bezogen auf
das Jahr 1974 lediglich zu einen weiteren Barwert von 4.6oo.- DM führt (Seite 34 des
Gutachtens vom 12. 3. 1992, Blatt 226 d.A.). Der Senat schätzt mit Rücksicht auf den
dargelegten Krankheitszustand der Erblasserin bezogen auf das Jahr 1974 die
Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer Schwerstpflegebedürf-tigkeit in Anwendung
des § 287 Abs. 1 und 2 ZPO auf 3o Prozent, so daß sich insoweit ein zusätzlich zu
berücksichtigender Barwert von 49.462,36 DM ergibt. Der Wert der Pflegeverpflichtung
bemißt sich mithin auf insgesamt 96.233,56 DM (46.771,2o DM und 49.462,36 DM); dies
bedeutet einen Jahreswert von 7.4o7,13 DM (96.233,56 DM : 12,992) und einen
Monatswert von 617,26 DM, der mit Rücksicht auf den bereits im Jahre 1974
bestehenden Krankheitszustand der Erb-lasserin noch im unteren Bereich liegt.
Nach alledem kann von einem Überwiegen des unentgeltlichen Charakters des
Rechtsgeschäftes keine Rede sein, ohne daß es einer Entscheidung der Frage bedarf,
ob von dem dargelegten Wert der Grundstücke noch die Belastung mit dem
Nießbrauchsrecht in Abzug zu bringen ist, das der Sachverständige mit 22.ooo.- DM
bewertet hat. Vor dem Hintergrund dieser Wertverhältnisse kann sogar - wei-tergehend -
angenommen werden, daß es auch an dem für die Annahme einer gemischten
Schenkung erforderlichen Schenkungswillen der Erblasserin gefehlt hat. Es ist nämlich
zu berücksichtigen, daß der objektive Wert eines Grundstückes, das bebaut ist, eine nur
schwer faßbare Größe ist, deren Ermittlung häufig von untereinan-der stark
abweichenden Sachverständigengutachten abhängt, so daß aus einem Zurückbleiben
der Gegenleistung gegenüber dem so ermittelten objektiven Wert nicht ohne weiteres
auf das Bewußtsein der Vertragsparteien von dieser Ungleichwertigkeit und deshalb auf
den beiderseitigen Willen zur (teilweisen) Unentgeltlichkeit ge-schlossen werden kann.
Deshalb hat die Rechtsprechung die von ihr angenommene tatsächliche Vermutung für
eine Schenkung nur dann eingreifen lassen, wenn ein auffallendes grobes
Mißverhältnis zwi-schen Leistung und Gegenleistung festzustellen ist (vgl. BGHZ 82,
274, 281 f.). Von einem solchen auffallenden groben Mißverhältnis zwischen den
Leistungen kann hier angesichts der dargelegten Wert-verhältnisse keine Rede sein.
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Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung geltend macht, die Grundstücke nebst
Aufbauten hätten zum maßgeblichen Zeitpunkt ei-nen Wert von mindestens 18o.ooo.-
DM gehabt, und hierfür Beweis durch Einholung eines Obergutachtens antritt, liegen die
Voraussetzungen hierzu gemäß § 412 Abs. 1 ZPO nicht vor. Das Land-gericht hat den
Sachverhalt insoweit bereits genügend aufgeklärt und den Sachverständigen zu einer
ergänzenden Stellungnahme zu den vom Kläger gegen das Gutachten erhobenen
Einwendungen veranlaßt. Eine verfahrensrechtliche Pflicht zur Einholung eines
weiteren (Ober-)Gutachtens besteht nur ausnahmsweise, nämlich wenn das er-ste
Gutachten mangelhaft und unvollständig ist, von falschen tat-sächlichen
Voraussetzungen ausgeht, der Sachverständige erkennbar oder erklärtermaßen nicht
die notwendige Sachkunde hat, und dann, wenn ein anderer Sachverständiger über
überlegene Forschungsmittel verfügt (vgl. BGH BB 198o, 863; BGHZ 53, 254, 258).
Diese Voraussetzungen sind weder hinsichtlich der Person des gerichtli-chen
Sachverständigen noch bezüglich der von ihm erstellten Gut-achten gegeben, da die
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vorhandenen Gutachten zur Überzeugungsbil-dung auch des Senates voll ausreichen.
Der Sachverständige F. hat die entscheidenden Fragen eingehend und überzeugend
beantwortet; an seiner Sachkunde bestehen kein Zweifel.
1. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen scheitert ein Anspruch des
Klägers aus § 2287 Abs. 1 BGB auch an deren weiteren Voraussetzungen. Die
Vorschrift setzt außer dem subjektiven Merk-mal der Beeinträchtigungsabsicht
zusätzlich voraus, daß der Erb-lasser das Recht zu lebzeitigen Verfügungen (§
2286 BGB) mißbraucht. Die Grenze zwischen den Fallgestaltungen des
Mißbrauchs und Fällen, in denen der Vertragserbe schutzlos bleibt, wird mit Hilfe
der Frage nach dem lebzeitigen Eigeninteresse der Erblassers gezogen (vgl. BGH
NJW 1992, 263o, 2631; NJW 1992, 564, 566; BGHZ 59, 343, 348 f.). Hierfür
kommt es darauf an, ob die Gründe, die den Erblasser zu der Verfügung bestimmt
haben, ihre Art nach so sind, daß der Vertragserbe sie anerkennen und die Be-
einträchtigung hinnehmen muß (vgl. BGHZ 83, 44, 45; BGHZ 1o8, 73, 77). So liegt
der Fall hier. Die Erblasserin war im Zeitpunkt der Verfügung 61 Jahre alt und ihre
Absicht, mittels der Übertragung der Grundstücke ihre Versorgung und Pflege im
Alter sichern zu wollen, stellt auch gerade mit Rücksicht auf ihren Krankheitszu-
stand ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse dar.
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Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist dann anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines
objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch
unter Berücksichtigung der erbvertrag-lichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt
erscheint (so BGH NJW 198o, 23o7, 23o8), so daß ein durch Erbvertrag Bedachter sie
anerkennen und deswegen die sich aus der Verfügung für ihn er-gebende
Benachteiligung hinnehmen muß. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn der
Erblasser allein wegen eines auf die Korrektur des Vertrages gerichteten
Sinneswandels anstelle der bedachten Partei einer anderen wesentliche
Vermögenswerte ohne entsprechende Gegenleistung zugewendet werden, nur weil sie
dem Erblasser geneh-mer sind (vgl. BGH WM 1977, 876, 877). Auch reicht es nicht aus,
daß der Erblasser aufgrund eines Sinneswandels nach Abschluß des Erbvertrages
engere personale Bindungen zum Beschenkten entwickelt hat und dieser Zuneigung
durch die Schenkung Ausdruck verleihen möchte (OLG Köln OLGR 1991, 65 = NJW-RR
1992, 2oo). Dagegen ist ein anzuerkennendes lebzeitiges Eigeninteresse zu bejahen,
wenn der Erblasser die Verfügung getroffen hat, um die Versorgung für sein Alter sicher
zu stellen oder zu verbessern. In diesem Fall kommt es aus Gründen der
Rechtssicherheit auch nicht darauf an, ob die Verfügung hierzu auch wirtschaftlich
notwendig war oder ob es bei dem alten Zustand hätte bleiben können und ob der
Erblasser die ihm versprochene Leistung billiger auch von dem anderen Ver-tragserben
hätte bekommen können, wenn er diesem den Vermögensge-genstand übereignet hätte
(vgl. BGH WM 1977, 876, 877; WM 1979, 442, 445; BGH NJW 198o, 23o7). Das
Bedürfnis alleinstehender Erb-lasser, im Alter versorgt und gegebenenfalls auch
gepflegt zu wer-den, wird erfahrungsgemäß mit den Jahren immer dringender und ge-
wichtiger (vgl. BGHZ 83, 44, 46). In BGHZ 82, 274 = NJW 1982, 43 hat der BGH darauf
hingewiesen, daß das Motiv der eigenen Alterssicherung von der Rechtsprechung des
BGH bereits seit langem als lebzeitiges Eigeninteresse anerkannt ist. Von dieser
Rechtsprechung abzugehen besteht kein Anlaß. Eine weitere vom BGH anerkannte
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Rechtfertigung ist die Schenkung als Dank für geleistete oder noch zu leistende
Dienste, Pflege oder Hilfe (vgl. BGHZ 66, 8, 16; BGH NJW 1978, 423, 424; BGH NJW
1984, 121). Das Bedürfnis eines alleinstehenden Erblassers nach einer seinen per-
sönlichen Vorstellungen entsprechenden Versorgung und Pflege im Alter ist schließlich
auch dann ein vom Vertragserben anzuerken-nendes lebzeitigers Eigeninteresse, wenn
der Erblasser es dadurch zu verwirklichen sucht, daß er eine ihm nahestehende Person
durch Schenkungen an sich bindet (vgl. BGH NJW 1992, 263o, 2631; BGHZ 88, 269,
27o f.).
Unter Berücksichtigung dieser nunmehr ständigen Rechtsprechung des BGH kommt der
Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht zu dem Ergebnis, daß die Erblasserin
ein lebzeitiges Eigeninteresse hat-te. Dem Kläger obliegt die volle Darlegung und der
volle Beweis dafür, daß die Erblasserin kein anerkennenswertes lebzeitiges Ei-
geninteresse hatte. Dieser Darlegungs- und Beweispflicht hat er nicht genügt. Die
Beklagte hat in Erfüllung ihrer Obliegenheit, dem Kläger die Beweisführung zu
erleichtern, eingehend dargelegt und durch die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen
hinsichtlich des Krankheitszustandes der Erblasserin auch unterlegt, daß die
Erblasserin ein lebzeitiges Interesse hinsichtlich ihrer Altersversorgung hatte. Der für
den Mißbrauch beweispflichtige Kläger (BGH NJW 1992, 263o, 2631; BGHZ 77, 264,
267) hat demgegenüber weder dargetan, daß der Erblasserin ein lebzeitiges Interesse
gefehlt habe, noch dies gar bewiesen. Daß die Erblasserin mit Hilfe der Grundstücke
auch auf andere Weise für ihr Alter hätte vorsorgen können, ist nicht entscheidend (vgl.
BGH WM 1977, 876, 877 unter II am Ende). Es erscheint nur verständ-lich, daß die
Erblasserin, die damals 61 Jahre alt war, nach dem Tode ihres Ehemannes nunmehr
ihrer Altersversorgung hohe Bedeutung beimaß, nachdem sie auf sich allein gestellt
war. Dieses Interesse ist ist insbesondere auch deswegen anzuerkennen, weil sie mit
Rücksicht auf die seit dem Jahre 1969 bestehende schwere Parkinson'sche Erkrankung
und die im Jahre 1973 eingetretene Verschlimmerung mit einer zunehmenden
Pflegebedürftigkeit rechnen mußte und sich daher eine Regelung ihrer zukünftigen
Versorgung und Pflege geradezu als erforderlich aufdrängte. Unerheblich ist insoweit,
ob und in welchem Umfang die Erblasserin damals Versorgungsleistungen von der
Mutter des Klägers oder der Beklagten bereits erhalten oder noch zu erwarten hatte,
denn nur mit dem Übertragungsvertrag erhielt sie einen besonders gesicher-ten und
einklagbaren Anspruch auf Versorgung, der ihr in dieser Form sonst weder gegen die
Mutter des Klägers noch gegen die Be-klagte zugestanden hätte und auf den sie wegen
ihrer Erkrankung geradezu angewiesen war. Das Interesse der Erblasserin, ihre Al-
tersversorgung und auch ihre Versorgung im Pflegefall nicht in die Hände fremde
Personen zu legen, sondern der Beklagten, ihrer Toch-ter, anzuvertrauen, muß nach
alledem auch aus objektiver Sicht an-erkannt werden. Sicherlich hätte die Erblasserin
mit einem etwaigen Verkauf eines Teils ihrer Grundstücke auch eine ordentliche
Versorgung in einem mehr oder weniger in der Nähe ge-legenen allgemein
zugänglichen Altersheim mit einer Pflegestation erreichen können. Doch hätte sie dazu
ihr Anwesen, auf dem sie bislang gewohnt hatte, endgültig verlassen müssen. Ein
lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin an einer gesicherten Altersversor-gung und
Pflege kann nach alledem nicht in Zweifel gezogen werden.
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1. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Übertragungsvertrages vom 8. 2. 1974
gemäß § 138 BGB wegen "Bewucherung" der Erblasse-rin, wie der Kläger weiter
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geltend macht, fehlen mit Rücksicht auf die vom Sachverständigen F. ermittelten
Vermögenswerte. Schließ-lich fehlen auch für die vom Kläger geltend gemachte
Nichtigkeit gemäß § 1o5 Abs. 1 in Verbindung mit § 1o4 Nummer 2 BGB wegen
Ge-schäftsunfähigkeit in jeder Richtung hinreichende Anhaltspunkte, aus denen
sich ergeben könnte, daß die Erblasserin sich zum Zeit-punkt des Abschlusses
des notariellen Übertragungsvertrages vom 8. 2. 1974 in einem die freie
Willensbestimmung ausschließenden Zu-stande krankhafter Störung der
Geisestätigkeit befunden hat.
Eine Kostenentscheidung ergeht im Prozeßkostenhilfeverfahren nicht.
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