Urteil des OLG Köln vom 05.07.1996

OLG Köln (gutachten, gefährdung des lebens, 1995, stationäre behandlung, ärztliches gutachten, körperliche unversehrtheit, zpo, beschwerde, gläubiger, versicherung)

Oberlandesgericht Köln, 2 W 116/96
Datum:
05.07.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 W 116/96
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 6 T 280/96
Normen:
Art. 2 Abs. 2 GG; ZPO § 765 a
Leitsätze:
Stellt das Vollstreckungsgericht die Zwangsvollstreckung aus einem
Räumungstitel gemäß § 765 a ZPO für einen bestimmten Zeitraum ein,
weil aufgrund vorliegender Gutachten davon auszugehen sei, daß für
den Fall einer Zwangsräumung die konkrete Gefahr eines Suizids des
Schuldners bestehe, so darf das Landgericht auf die Beschwerde des
Gläubigers den Vollstreckungsschutzantrag nicht ohne weiteres mit der
Begründung zurückweisen, die Erstattung der Gutachten liege schon
einige Zeit zurück, eine Glaubhaftmachung der Suizidgefahr sei nur
durch die Vorlage weiterer zeitnäherer Gutachten möglich.
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin vom 12. Juni
1996 wird der Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom
30. Mai 1996 - 6 T 280/96 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten
Entscheidung - auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren
Beschwerde - an das Landgericht zurückverwiesen.
G r ü n d e
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I.
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Der Gläubiger ist der geschiedene Ehemann der Schuldnerin. Diese bewohnt mit ihren
1982 und 1983 geborenen ehelichen Kindern und einer Tochter aus erster Ehe das
ehemalige Familienheim, ein Einfamilienhaus, das im Eigentum des Gläubigers steht.
Die Schuldnerin ist durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - B. vom 28. Mai
1991 - - zur Räumung des Hauses binnen drei Monaten ab Rechtskraft verurteilt
worden. Die Zuweisung des Hauses an den Gläubiger ist damit begründet worden, ein
Umzug sei für die Schuldnerin keine unbillige Härte. Sie habe sich schon während der
zweieinhalb Jahre des Getrenntlebens auf einen geordneten Umzug vorbereiten
können. Demgegenüber sei der Gläubiger nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen
nicht in der Lage, die Finanzierung des Hauses und den Unterhalt zu tragen. Das Urteil
ist, nachdem das Oberlandesgericht Köln durch Urteil vom 28. April 1992 - - die
Berufung der Schuldnerin zurückgewiesen hat, seit Ende Juli 1992 rechtskräftig. In dem
Urteil des Oberlandesgerichts ist ausgeführt, eine Räumung des Hauses binnen kurzer
Frist und dessen Versteigerung sei dringend erforderlich, um ein weiteres Auflaufen der
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Belastungen des bereits überschuldeten Objekts zu vermeiden; für die Schuldnerin, die
Sozialhilfe beziehe, sei die Suche nach einer Ersatzwohnung binnen kurzer Frist
zumutbar.
Die Schuldnerin hat das Grundstück bisher nicht geräumt.
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Das Grundstück ist ausweislich der beigezogenen Zwangsversteigerungsakte mit einer
erstrangigen Grundschuld der Volksfürsorge Versicherung in Höhe von 250.000,00 DM
und einer zweitrangigen Hypothek eines weiteren Gläubigers in Höhe von 78.000,00
DM, ferner mit mehreren Zwangshypotheken des Finanzamtes belastet. Der Gläubiger,
der die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat und mit erheblichen
Unterhaltszahlungen im Rückstand ist, hat die Grundschulden nicht mehr bedient. Der
deshalb 1991 von der V. Versicherung gestellte Antrag auf Zwangsversteigerung ist im
Februar 1994 zurückgenommen worden. Im letzten Versteigerungstermin hatten die
genannten Gläubiger Forderungen in Höhe von 431.116,86 DM und 95.919,02 DM
angemeldet. Das Meistgebot betrug 235.000,00 DM. In dem vom Vollstreckungsgericht
eingeholten Wertgutachten ist unter anderem ausgeführt, das Haus sei in schlechtem
Zustand und ungepflegt, die Außenanlagen seien verwildert.
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Auf Antrag der V. Versicherung ist 1992 die Zwangsverwaltung für das Grundstück
angeordnet worden (). Aufgrund der Bemühungen des Zwangsverwalters zahlt der
Sozialhilfeträger, bei dem die Schuldnerin Sozialhilfe bezieht, eine regelmäßige
Nutzungsentschädigung von monatlich 1000,00 DM. Auf Veranlassung der
Volksfürsorge Versicherung betrieb der Zwangsverwalter erstmals im Oktober 1993 die
Räumungsvollstreckung. Seither hat die Schuldnerin in vorhergehenden Verfahren fünf
Anträge nach § 765 a ZPO gestellt (), die zum Teil Erfolg hatten und eine Räumung
bisher verhindert haben. Die Schuldnerin beruft sich seit 1994 darauf, bei einer
Zwangsräumung und der Einweisung in eine Obdachlosenunterkunft bestehe die
konkrete Gefahr eines Suizids. Dies wird in einem psychiatrischen Gutachten vom 11.
April 1994, das das Amtsgericht in der Sache .....eingeholt hat, und in von der
Schuldnerin vorgelegten Attesten vom 8. Februar 1994 und 4. Juli 1995 bestätigt.
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Am 20. Juli 1995 hat die Schuldnerin ihr Anliegen in der Sendung "Schreinemakers
Live" vorgetragen. Mit Schreiben vom 6. Juli 1995 hat der Ministerpräsident des Landes
Nordrhein-Westfalen der Schuldnerin auf deren Anschreiben vom 7. und 19. Mai 1995
geantwortet. Ferner ist zugunsten der Schuldnerin eine Unterschriftensammlung
veranstaltet worden, in der ein Beschluß des Amtsgerichts vom 3. Juli 1995 - - als
"unmenschlich" bezeichnet wird, mit dem das Amtsgericht einen Schutzantrag der
Schuldnerin zurückgewiesen hat, weil Auflagen des Gerichts nicht erfüllt worden waren.
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Mit Schriftsatz vom 8. Mai 1996 hat die Schuldnerin im vorliegenden Verfahren erneut
einen Räumungsschutzantrag gestellt und diesen mit der fortbestehenden Suizidgefahr
und damit begründet, daß sich ein Käufer für das Grundstück ge-
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funden habe, der bereit sei, mit ihr einen langfristigen Mietvertrag zu schließen. Der
Gläubiger ist dem Schutzantrag unter Berufung auf die behauptete Unrichtigkeit der
Angaben der Schuldnerin und die immer weiter auflaufenden Schulden bei
Weiternutzung des Grundstücks entgegengetreten. Das Amtsgericht hat dem Antrag im
Hinblick auf die fortbestehende Suizidgefahr durch Beschluß vom 10. Mai 1996
stattgegeben. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das
Landgericht durch die angefochtene Entscheidung den Beschluß des Amtsgerichts
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aufgehoben. Es hat ausgeführt, daß die vorgetragenen Gründe nicht glaubhaft gemacht
seien.
Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin.
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II.
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Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft (§ 793 Abs. 2 ZPO), sie ist auch form- und
fristgerecht (§§ 569, 577 ZPO) eingelegt worden. Die Schuldnerin ist neu und
selbständig beschwert (§ 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO), weil das Landgericht auf die
Erstbeschwerde des Gläubigers die dem Räumungsschutzantrag der Schuldnerin
stattgebende Entscheidung des Amtsgerichts vom 10. Mai 1996 aufgehoben hat. Daß
das Landgericht den Räumungsschutzantrag im Tenor der angefochtenen Entscheidung
nicht ausdrücklich zurückgewiesen hat, steht der Annahme, die Schuldnerin sei neu
beschwert, nicht entgegen, da jedenfalls der Begründung zu entnehmen ist, daß der
Antrag zurückgewiesen werden sollte.
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Die weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Die Entscheidung des Landgerichts
ist verfahrensfehlerhaft ergangen. Sie berücksichtigt nicht in ausreichendem Maße die
Aufklärungspflichten, die dem Gericht aufgrund des Verfassungsgebots des Rechts auf
Leben und körperliche Unversehrtheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und
dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit obliegen, wenn ein Räumungsschuldner geltend
macht, bei einer Zwangsräumung bestehe für ihn eine konkrete Suizidgefahr.
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Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstreckungsgerichte, bei
der Prüfung der Voraussetzungen des § 765 a ZPO auch die Wertentscheidungen des
Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten
Grundrechte zu berücksichtigen. Eine unter Beachtung dieser Grundsätze
vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen
dazu führen, daß die Vollstreckung auch für einen längeren Zeitraum einzustellen ist.
Ergibt die erforderliche Abwägung, daß die der Zwangsvollstreckung
entgegenstehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden
Interessen des Schuldners im konkreten Fall ersichtlich wesentlich schwerer wiegen als
die Belange, deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der
trotzdem erfolgende staatliche Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das
Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen. Es kann erforderlich
sein, Beweisangeboten des Schuldners hinsichtlich seines Vorbringens, ihm drohten
schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigungen, besonders sorgfältig nachzugehen
(BVerfGE 52, 214, 220; BVerfG NJW 1991, 3207; 1994, 1272; 1719 f). Gegebenenfalls
hat sich das Vollstreckungsgericht oder das Beschwerdegericht bei den gegebenen
konkreten Anhaltspunkten für eine auf psychischer Erkrankung beruhenden
Suizidgefahr bei einer Zwangsräumung durch Einholung ärztlicher - gegebenenfalls
amtsärztlicher Gutachten - sicheren Aufschluß über die Art der Erkrankung des
Schuldners und über die darauf beruhenden Folgen bei einer Zwangsräumung zu
verschaffen (KG NJW-RR 1995, 848). Dies hat auch der Senat in seiner bisherigen
Rechtsprechung (vgl. NJW 1993, 2248, 2249) nicht in Frage gestellt.
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Den genannten Grundsätzen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das
Landgericht begründet seine Entscheidung damit, daß die Schuldnerin die
weiterbestehende Suizidgefahr nicht glaubhaft gemacht habe, weil sie kein weiteres
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Attest aus neuerer Zeit vorgelegt habe. Das Gutachten der Ärztin des Gesundheitsamtes
......., Frau E.-W., stamme vom 11. April 1994, das des Nervenarztes Dr. P. vom 4. Juli
1995. Die jetzt abgegebene eidesstattliche Versicherung, daß die Suizidgefahr
fortbestehe, ersetze kein ärztliches Gutachten.
Mit dieser Begründung kann die Schuldnerin nicht als beweisfällig behandelt werden.
Diese Begründung des Landgerichts verkennt den Inhalt der vorliegenden Gutachten
bzw. Atteste und den Umfang seiner Aufklärungspflicht.
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Schon in dem Attest des Dr. G. vom 8. Februar 1994 wird die Schuldnerin als
hochgradig suizidgefährdet beurteilt.
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Die Ärztin für Psychiatrie E.-W. hat in ihrem Gutachten vom 11. April 1994 zur Person
der Schuldnerin unter anderem ausgeführt:
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"In ihrem psychischen Erleben lassen ihr die bestehenden Tatsachen und
Sachverhalte keine Möglichkeit, aus eigener Kraft und Initiative eine für sie akzeptable
Lösung zu erarbeiten. Ihre Zukunftsaussichten schätzt sie selber als durch die
Umstände bedingt hoffnungslos ein, ohne die Aussicht noch auf ein selbstbestimmtes
Leben.
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Die einzige ihr noch mögliche Bestätigung und Sinngebung für sich selbst erscheint ihr
die "gute" Erziehung der Kinder.
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Im Rahmen ihrer Persönlichkeitsentwicklung und den dabei erworbenen persönlichen
Wertmaßstäben ist der ihr durch die Ereignisse um die Scheidung und die damit
verbundenen finanziellen Probleme zugemutete "soziale Abstieg zur
Sozialhilfeempfängerin", schon eine ständige Bedrohung ihres Selbstwertgefühls und
ihrer psychischen Stabilität. Sie konnte sich in der Vergangenheit nur damit
arangieren, solange es ihr gelang nach außen hin und vor allem für ihre Kinder noch
die Fassade eines geordneten Heimes aufrecht zu erhalten.
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Dieser letzte Halt wird für sie durch das Eigenheim symbolisiert, das für sie den
Lebensmittelpunkt, das "Letzte was ihr geblieben ist", darstellt. Der drohende Verlust
gerade dieses Hauses bedeutet für sie die Konfrontation mit dem Scheitern ihres
Lebenskonzeptes, von ihr erlebt als völliges Versagen in der Gesellschaft und
insbesondere auch vor ihren Kindern, denen sie nicht länger Schutz und Hilfe und
wenigstens ein "geordnetes Heim" bieten könne. Ihr Leben verlöre in der Bilanz
jeglichen Sinn, alle Bemühungen um einen geordneten Lebensrahmen wären ad
absurdum geführt und hoffnungslos, der Freitod somit noch die einzig verbleibende
Möglichkeit. Auch die Kinder "wären vielleicht dann ohne sie und ihre unzureichende
Möglichkeiten sie vor der grausam erlebten Realität zu schützen sogar besser dran".
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Zusammenfassend ist zu sagen, daß wie obige Ausführungen darlegen, bei Frau H.
eine erheblich erhöhte Suizidgefahr besteht und ein Suizid nicht auszuschließen ist,
wenn die Räumung des Hauses wirklich durchgeführt wird.
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Einer Hilfe, im Sinne medizinischer Maßnahmen, sind enge Grenzen gesetzt. Eine
zwangsweise stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Fachklinik würde im
psychischen Erleben von Frau H. an den äußeren Umständen keinerlei Änderung zum
Positiven bewirken, sie noch zusätzlich sozial stigmatisieren im Sinne von "für verrückt
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erklärt". Es stünde zu befürchten, daß dies ihre Verzweiflung und bestehende
Suizidalität eher noch steigern würde.
Auch einer medikamentösen Behandlung scheint die vorliegende Problematik nicht
zugänglich, da bei Frau H. weder eine endogene Psychose noch eine hirnorganische
Veränderung vorliegt deren Symptomatik einer wahnhaften Verzerrung und
realitätsinadäquater Verarbeitung eine medikamentöse Beeinflußung ermöglichen
würde.
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Eine psychotherapeutische Einflußnahme auf ihre psychische Befindlichkeit wäre zu
erwägen, um auf lange Sicht hin Frau H. bei der Akzeptanz ihres Schicksals zu
unterstützen. Ein derartiger Prozeß erfordert aufgrund der vorliegenden Problematik
einen längeren Zeitraum, über dessen Dauer prospektiv keine verbindlichen Angaben
zu machen sind."
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Der Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. med. Dipl. Psych. P. hat in seinem
nervenärztlichen Attest vom 4. Juli 1995 eine chronische depressive Belastungsreaktion
mit latenter Suizidgefahr, die bei einer Zwangsräumung manifest werden kann,
festgestellt.
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Diesen Ausführungen der Ärzte ist zu entnehmen, daß der psychische Zustand, in dem
sich die Schuldnerin zur Untersuchngszeit befand, nicht vorübergehender Natur war und
daß auch keine alsbaldige Änderung zu erwarten ist. Die Schuldnerin hat zudem
dargelegt und glaubhaft gemacht, daß sie verschiedene Ärzte aufgesucht hat, die eine
Behandlung abgelehnt haben, und daß eine Behandlung bei der zur Behandlung
bereiten Dr. med. Z. 15.000,00 DM kosten werde, die sie, die Schuldnerin, von ihrer
Sozialhilfe nicht bezahlen könne und die auch nicht vom Sozialhilfeträger übernommen
würden (so bereits teilweise in dem Verfahren AG B.). Unter diesen Umständen
erschließt sich nicht ohne weiteres, daß die Schuldnerin in der Lage sein könnte, die
vom Landgericht geforderten aktuellen ärztlichen Gutachten beizubringen, und daß
diese von dem bereits mehrfach begutachteten Befund abweichen könnten. Jedenfalls
ist es - insbesondere unter den dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben - nicht
gerechtfertigt, nachdem das Amtsgericht die vorliegenden Gutachten für ausreichend
angesehen hatte, der Schuldnerin vorzuhalten, keine aktuellen Gutachten vorgelegt zu
haben, ohne vor der Entscheidung über die Erstbeschwerde auf die Notwendigkeit
solcher Gutachten hinzuweisen. Das Landgericht hätte der Schuldnerin entsprechende
Auflagen machen und notfalls eine Begutachtung anordnen müssen. Dies wird nun
nachzuholen sein. Erst wenn die weitere Begutachtung zu anderen Ergebnissen führt
als die bisherigen oder wenn die Schuldnerin ihre Mitwirkung - etwa bei einer vom
Gericht angeordneten Untersuchung - verweigert, ferner wenn sich aus sonstigen
Gründen eine Veränderung der bisherigen Beurteilungsgrundlage ergibt, können daraus
weitere Schlüsse gezogen werden.
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Verfahrensfehlerhaft ist auch die Feststellung des Landgerichts, die Schuldnerin habe
ihren Vortrag, es sei jetzt ein Kaufinteressent für das Haus vorhanden, der bereit sei, mit
ihr einen längerfristigen Mietvertrag zu schließen, nicht glaubhaft gemacht. Die vom
Landgericht vermißte Bestätigung des Kaufinteressenten ist bereits mit Schriftsatz vom
9. Mai 1996 an das Amtsgericht zur Akte gereicht worden (Bl. 22, 23 d.A.). Sofern dem
Landgericht diese nicht ausreichend erschien, hätte darauf hingewiesen werden
müssen.
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Für den Fall, daß die noch anzustellenden Ermittlungen eine konkrete Suizidgefahr oder
eine ausreichende Wahrscheinlichkeit der Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses mit
einem neuen Eigentümer nicht ergeben sollte, weist der Senat die Schuldnerin
vorsorglich auf folgendes hin:
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Unter den genannten Prämissen kann ihr Verhalten nicht länger hingenommen werden.
Nicht die auf einseitiger Sachdarstellung der Schuldnerin und Betroffenheit beruhenden
Sympathiekundgebungen von Fernsehmoderatoren, Ministerpräsidenten und einzelnen
Bürgern, sondern die Rechtsordnung und deren neutrale Befolgung durch die Justiz
bestimmen den Gang des Verfahrens. Das Schicksal jeden Räumungsschuldners ist
bedauerlich, muß aber bei strikter Befolgung der Rechtsordnung hingenommen werden.
Die Schuldnerin teilt ihr Schicksal mit vielen anderen, denen weniger Publicity zuteil
geworden ist, die ihre Situation aber schließlich haben meistern können. Das starre
Verhalten der Schuldnerin ist umso weniger zu billigen, als sie - worauf bereits die
Gerichte im Familienverfahren hingewiesen haben - dadurch dem Gläubiger, sich selbst
- nach ihrem Vortrag haftet sie für die Forderungen aus den Grundpfandrechten mit - und
eventuell auch noch ihren Kindern hunderttausende Deutsche Mark an auflaufenden
Grundschuld- und Hypothekenzinsen aufgebürdet hat und aufbürdet, für die schon jetzt
durch eine Zwangsversteigerung oder einen Verkauf des Grundstücks unmöglich
ausreichende Mittel erzielt werden können. Der bestehende Zustand muß daher, soweit
dies ohne die greifbare Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Schuldnerin als
möglich erscheint, so schnell wie möglich beendet werden.
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Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht vorzubehalten, da noch nicht feststeht, ob
die Erstbeschwerde des Gläubigers ohne Erfolg bleibt oder ob die Kosten des
Verfahrens der Schuldnerin aufzuerlegen sind (vgl. Senat NJW-RR 1995, 1163).
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Beschwerdewert: 2.500,00 DM
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