Urteil des OLG Köln vom 26.05.2003

OLG Köln: rechtlich geschütztes interesse, auflage, anfechtbare verfügung, gemeinschaftliches testament, original, schriftstück, rechtsschutzinteresse, testamentseröffnung, rechtspflege, besitz

Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 16/03
Datum:
26.05.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Wx 16/03
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 11 T 59/03
Schlagworte:
Missbräuchliche Rechtsmitteleinlegung
Normen:
BGB § 2260; FGG §§ 19, 25, 27
Leitsätze:
Gegen eine bereits erfolgte Eröffnung eines Testaments ist kein
Rechtsmittel statthaft.
Im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit fehlt für ein Rechtsmittel
das notwendige Rechtsschutzinteresse, wenn das Betreiben des
Verfahrens eindeutig rechtswidrig ist und sich als Missbrauch der
Rechtspflege darstellt. Das Vorliegen des Rechtsschutzinteresses hat
das Gericht - auch das Rechtsbeschwerdegericht - in jeder Lage des
Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.
Tenor:
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3) vom 14./25. April 2003
gegen den Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 9.
April 2003 - 11 T 59/03 - wird zurückgewiesen, soweit sich der
Beschwerdeführer gegen die bereits erfolgte Testamentseröffnung
wendet. Die weitergehende weitere Beschwerde wird als unzulässig
verworfen.
Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde einschließlich der
in diesem Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen der
Beteiligten zu 1) und 2) hat der Beteiligte zu 3) zu tragen.
G r ü n d e
1
1.
2
Die Beteiligte zu 1) ist die Ehefrau, die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Kinder des am
18. August 2002 verstorbenen Erblassers. Am 12. September 2002 hat die Beteiligte zu
1) dem Nachlaßgericht zum Zwecke der Testamentseröffnung eine Mappe mit
Schriftstücken des Erblassers übergeben. Aus der Mappe hat das Nachlaßgericht
verschiedene letztwillige Verfügungen des Erblassers entnommen und diese am 22.
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Oktober 2002 eröffnet, darunter auch ein mit Datum "7. Januar 1999" errichtetes
maschinengeschriebenes gemeinschaftliches Testament der Eheleute. Die übrigen
eingereichten Unterlagen hat es an die Beteiligte zu 1) zurückgegeben.
Gegen die Eröffnung der maschinengeschriebenen letztwilligen Verfügung hat der
Beteiligte zu 3) am 9. Dezember 2002 Beschwerde (Bl. 39 d.GA.) eingelegt. Zugleich
hat er mit der Beschwerde geltend gemacht, das Amtsgericht habe nicht alle
eingereichten letztwilligen Verfügungen eröffnet, ein weiteres, durchgestrichenes
Testament vom 6. Februar 2001 sei mit den übrigen Unterlagen an die Beteiligte zu 1)
zurückgegeben worden. Der Aufforderung des Nachlaßgerichts, dieses Schriftstück zu
den Akten zu reichen, ist der Beteiligte zu 3) nicht nachgekommen. Bei einer
Vorsprache beim Rechtspfleger des Nachlaßgerichts hat er sich geweigert, das Original
aus den Händen zu geben.
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Durch Beschluß vom 9. April 2003 hat das Landgericht die Beschwerde als unzulässig
verworfen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, die bereits erfolgte Eröffnung
sei unanfechtbar. Das weitergehende Rechtsmittel sei mutwillig eingelegt worden und
wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ebenfalls unzulässig, da der
Beschwerdeführer das im Original in seinen Händen befindliche Schriftstück nicht
gemäß § 2259 Abs. 1 BGB abliefere.
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Gegen diesen Beschluß wendet sich der Beteiligte zu 3) mit der ohne Mitwirkung eines
Rechtsanwalts eingelegten weiteren Beschwerde vom 14. April 2003, die er nach
Hinweis durch den Vorsitzenden des Senats, am 25. April 2003 erneut zu Protokoll des
Rechtspflegers beim Oberlandesgericht eingelegt hat.
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2.
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a)
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Die an keine Frist gebundene, am 25. April 2003 in rechter Form (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs.
1 FGG) zu Protokoll des Rechtspflegers (vgl. Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler,
FGG, 15. Auflage 2003, § 29 Rn 29) eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig, soweit
sich der Beschwerdeführer gegen die Verwerfung der Erstbeschwerde gegen die
Eröffnung der letztwilligen Verfügungen des Erblassers wehrt. Die Berechtigung des
Beteiligten zu 3) zur Erhebung der weiteren Beschwerde ergibt sich gemäß §§ 29 Abs.
4, 20 Abs. 1 FGG bereits daraus, daß das Landgericht seiner Erstbeschwerde - aus
welchem Grund auch immer - nicht stattgegeben hat (vgl. allgemein: Meyer-Holz in
Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 27 Rn 10 mit weiteren Nachweisen aus der ständigen
Rechtsprechung).
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Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des
Rechts, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO. Das Landgericht hat der Erstbeschwerde des
Beteiligten zu 3) zu Recht und aufgrund rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen den
Erfolg versagt. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, daß das von dem Beteiligten
zu 3) erhobene Rechtsmittel gegen die am 20. Oktober 2002 erfolgte Eröffnung des
maschinengeschriebenen Testaments vom 7. Januar 1999 unzulässig ist. Gemäß § 19
Abs. 1 FGG findet eine Beschwerde nur gegen Verfügungen erster Instanz mit
Außenwirkung statt, das heißt Verfügungen, die ein Verfahren oder einen Abschnitt
innerhalb eines anhängigen Verfahrens abschließen (Endentscheidungen). Daneben
sind im Einzelfall auch Zwischenverfügungen mit der Beschwerde anfechtbar (Kahl in
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Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 19 Rn 2). Voraussetzung für eine Anfechtbarkeit ist
indes eine sachliche Entschließung des Gerichts, nämlich die Kundgabe einer
verfahrensrechtlichen Erklärung des Gerichts in der Absicht, dadurch einen
behördlichen Akt mit denjenigen Eigenschaften und Wirkungen zu schaffen, die von den
Verfahrensvorschriften für eine Verfügung gefordert werden (BayObLGZ 1986, 118
[124]; Jansen, FGG, 2. Auflage 1969, § 19 Rn 12):
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zwar die Ablehnung des Nachlaßgerichts, ein
Schriftstück als Testament zu eröffnen, sowie die Ankündigung des Rechtspflegers ein
bestimmtes Schriftstück als Testament zu eröffnen, mit einem Rechtsmittel anfechtbar
(OLG Hamm, Rpfleger 1983, 252 [253]; Litzenburger in Bamberger/Roth, a.a.O., § 2260
Rn 12; MüKo/Burkart, a.a.O., § 2260 Rn 6, 8, 14; Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2260 Rn
2; Soergel/Harder, a.a.O., § 2260 Rn 15; Staudinger/Baumann, a.a.O., § 2260 Rn 41).
Demgegenüber stellt die bereits erfolgte Testamentseröffnung keine solche anfechtbare
Verfügung im Sinne von § 19 Abs. 1 FGG dar (vgl. allgemein: BayObLGZ 1986, 118
[124]; BayObLG, NJW-RR 1994, 1162; Jansen, a.a.O., § 19 Rn 16; Kahl in
Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 19 Rn 5; Litzenburger in Bamberger/Roth, BGB, 2003, §
2260 Rn 12; MüKo/Burkart, BGB, 3. Auflage 1997, § 2260 Rn 14; Palandt/Edenhofer,
BGB, 62. Auflage 2003, § 2260 Rn 2; Soergel/Harder, BGB, 12. Auflage 1992, § 2260
Rn 15; Staudinger/Baumann, BGB, 13. Auflage 1996, § 2260 Rn 41). Sie setzt sich aus
verschiedenen Teilakten zusammen (siehe Firsching/Graf, Nachlaßrecht, 8. Auflage
2000, Rn 4.59 ff.; Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2260 Rn 6 ff.): nämlich der
Terminsbestimmung (§ 2260 Abs. 1 Satz 1 BGB); der Ladung der Erben des Erblassers
und der sonstigen Beteiligten (§ 2260 Abs. 1 Satz 2 BGB); dem Öffnen des Testaments
(§ 2260 Abs. 2 Satz 1 BGB); der Feststellung der Unversehrtheit des Verschlusses (§
2260 Abs. 3 Satz 2 BGB); der Verkündung (§ 2260 Abs. 2 Satz 3 BGB); der Aufnahme
einer Niederschrift (§ 2260 Abs. 3 Satz 1 BGB); das Setzen des Eröffnungsvermerks auf
das Testament sowie die Verfügung der Übersendung mit Ausführung.
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Bei diesen Teilakten handelt es sich weder um eine Endentscheidung noch um eine
Zwischenverfügung im Sinne der vorstehenden Ausführungen. Das Herausnehmen des
Testaments aus der gerichtlichen Verwahrung, das Öffnen, das Verkünden des Inhalts
sowie der Augenschein sind gerichtliche Verrichtungen, die den tatsächlichen und
rechtlichen Erfolg unmittelbar herbeiführen (BayObLGZ 1986, 118 [124]; Jansen, a.a.O.,
§ 19 Rn 16; Staudinger/Baumann, a.a.O., § 2260 Rn 41). Die Übersendungsverfügung
und deren Ausführung stellt ebenfalls eine interne, ausschließlich verfahrensleitende
Verfügung dar (BayObLGZ 1986, 118 [124]). Bei der Anfertigung einer Niederschrift über
die Eröffnung des Testaments sowie dem Setzen des Eröffnungsvermerkes auf das
Testament handelt es sich in der Regel um eine reine beurkundende Tätigkeit des
Gerichts, die keine Entscheidung beinhaltet (Bumiller/Winkler, FGG, 7. Auflage 1999, §
19 Rn 41).
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b)
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Soweit das Landgericht die Erstbeschwerde gegen die Ablehnung der Eröffnung eines
im Original im Besitz des Beschwerdeführers befindlichen Schriftstückes als unzulässig
verworfen hat, ist die weitere Beschwerde ebenfalls in rechter Form eingelegt worden.
Sie richtet sich auch gegen eine Entscheidung, die an sich der weiteren Beschwerde
unterliegt. Gleichwohl ist das Rechtsmittel hier nicht zulässig, weil der Beteiligte zu 3)
insoweit - wie auch bereits hinsichtlich der Erstbeschwerde - kein
Rechtsschutzinteresse an der Einlegung des weiteren Rechtsmittels hat. Das Vorliegen
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des Rechtsschutzinteresses hat das Gericht - auch das Rechtsbeschwerdegericht - in
jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler,
a.a.O., § 25 Rn 6). Ein solches Interesse muß auch im Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit - jedenfalls im eigentlichen Antragsverfahren - für das Begehren des
Antragstellers und im Rechtsmittelverfahren für die mit dem Rechtsmittel verfolgten
Interessen gegeben sein (OLG Hamm, JMBl. 1963, 203; Jansen, FGG, 2. Auflage 1969,
Vorbem. §§ 8-18 Rn 16 a.E.). Das notwendige Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn das
Betreiben des Verfahrens eindeutig zweckwidrig ist und sich als Mißbrauch der
Rechtspflege darstellt (OLG Frankfurt, FamRZ 1977, 482 [482 f.]). Dies ist hier der Fall.
Der Beteiligte zu 3) hat kein rechtlich geschütztes Interesse daran, sein Begehren im
Wege der weiteren Beschwerde zu verfolgen. Er kann, falls es ihm tatsächlich um die
Eröffnung des durchgestrichenen, handschriftlichen Testaments seines Vaters vom 7.
Januar 1999 geht, das Original zu den Akten reichen und dadurch dem Nachlaßgericht
die Möglichkeit der Eröffnung dieser Verfügung zu geben. Der Rechtspfleger hat bereits
mit Verfügung vom 31. März 2003 um Übersendung des möglicherweise mit den
übrigen Unterlagen versehentlich zurückgesandten Schriftstücks gebeten. Ohne
Vorlage des Originals kann das Nachlaßgericht dieses - widerrufene - Testament nicht
eröffnen. Bisher ist der Beteiligte der sich aus § 2259 Abs. 1 BGB ergebenden
Ablieferungspflicht nicht nachgekommen. Er hat sich vielmehr bei einer Vorsprache
beim Nachlaßgericht geweigert, das in seinem Besitz befindliche Schriftstück im
Original zu den Akten zu reichen. Auch in dem Beschwerde- und dem weiteren
Beschwerdeverfahren hat er das Testament nicht im Original vorgelegt. Da der
Beschwerdeführer sein Ziel auch ohne Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
erreichen kann, hat der Beschwerdeführer kein Rechtsschutzinteresse daran, daß der
Senat sich mit der Angelegenheit befaßt. Das Betreiben des Rechtsmittelverfahrens ist
insoweit eindeutig zweckwidrig und stellt sich als Mißbrauch der Rechtspflege dar.
3.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.
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Geschäftswert der Verfahren der weiteren Beschwerde:
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300,00 EUR (wie Vorinstanz)
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