Urteil des OLG Köln vom 04.06.2007
OLG Köln: eigentumsvorbehalt, getreide, kaufpreis, täuschung, weisung, gesellschafter, handelsbrauch, geschäftsführer, ermittlungsverfahren, bevollmächtigung
Oberlandesgericht Köln, 2 U 28/07
Datum:
04.06.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 U 28/07
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 16 O 551/05
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 12.
Januar 2007 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts
Köln - 16 O 551/05 - durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 1
ZPO zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 25. Juni 2007 Stellung zu
nehmen. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass mit einer
Verlängerung der Stellungnahmefrist nicht gerechnet werden kann.
G r ü n d e :
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1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das
Landgericht hat die Klage zu Recht (§ 513 Abs. 1 ZPO) abgewiesen. Das Urteil beruht
weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 ZPO dem
Berufungsverfahren zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung. Auch
nach Auffassung des Senats hat der Kläger Ende September 2003 sein (Mit)-Eigentum
an dem streitgegenständlichen Getreide gemäß § 929 Satz 2 BGB verloren und die
Übereignungserklärung auch nicht wirksam angefochten. Da der Beklagte deshalb über
das Getreide als Berechtigter verfügt hat, scheidet ein Massebereicherungsanspruch
des Klägers gemäß den §§ 816 Abs. 1 Satz 1 BGB, 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO aus. Die
Berufung des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
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a) Der Kläger hat bei dem Gespräch Ende September 2003 sowohl das bereits zuvor
angelieferte Getreide an die Schuldnerin verkauft als auch gem. § 929 Satz 2 BGB
übereignet. Dass bei der Übereignungserklärung im September 2003 mit der
Schuldnerin einen Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde, hat der insoweit
beweispflichtige Kläger nicht zu beweisen vermocht. Von dem von ihm behaupteten
Eigentumsvorbehalt kraft Handelsbrauchs kann auch unter Berücksichtigung der
ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. in seiner Anhörung vor dem
Landgericht nicht ausgegangen werden.
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aa) Der Senat teilt zunächst uneingeschränkt die Ausführungen des Landgerichts in
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dem angegriffenen Urteil. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es für die
Feststellung eines Handelsbrauchs nicht genügt, dass ein Teil der von dem
Sachverständigen befragten Händler der Auffassung ist, dass ein entsprechender
Handelsbrauch existiere. Wie der Senat in dem den Parteien bekannten Urteil vom 8.
März 2006 – 2 U 10/05 – ausgeführt hat, würde das Vorliegen einer entsprechende
Verkehrssitte mindestens voraussetzen, dass es überhaupt Fälle gibt, in denen sich die
Vertragspartner im Konfliktfall auch ohne entsprechende Vereinbarung an den in den
Einheitsbedingungen vorgesehenen Eigentumsvorbehalt gebunden gesehen haben.
Über konkrete Fälle hat der Sachverständige keine Angaben gemacht.
bb) Aus den von dem Kläger in der Berufungsbegründung zitierten Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs (BGHZ 14, 114) bzw. des Reichsgerichts (RGZ 138, 84 [88]) ergibt
sich nicht, dass in der hier streitgegenständlichen Zeit im Köln-Aachener Raum ein
Handelbrauch dergestalt existierte, dass bei Getreideverkäufen von Landwirten an
Agrarhändler stets ein Eigentumsvorbehalt als vereinbart galt. Aus der Entscheidung
BGHZ 14, 114 [117 f.] kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten, weil der
Bundesgerichtshof es "angesichts der besonderen tatsächlichen Feststellungen des
Berufungsgerichts" ausdrücklich offengelassen hat, "ob das Eigentum an dem Braumalz
der (erg.: dortigen) Klägerin als Vorbehaltseigentümerin der Gerste auch kraft
Handelsbrauchs zugestanden werden müsste". Das Reichsgericht hat in der
Entscheidung vom 21. Oktober 1932 (RGZ 138, 84 [87 f.]) lediglich Bezug genommen
auf tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts zu ".rheinisch-westfälischen
Handelsgebräuchen", wonach "das Eigentum sowohl an dem gelieferten Getreide als
auch an den daraus gelieferten Erzeugnissen dem Lieferer bis zur Zahlung zustehe".
Abgesehen davon, dass die Grundlagen für die vom Reichsgericht angesprochenen
tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht näher mitgeteilt werden –
denkbar ist beispielsweise auch, dass die Feststellungen auf prozessualen Gründen,
z.B. auf der Vorschrift des § 138 Abs. 3 ZPO beruhen - , kann hieraus nicht auf einen
entsprechenden Handelsbrauch in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum
geschlossen werden. Vielmehr war das Landgericht zu einer eigenständigen
Überprüfung anhand der hier konkret in Rede stehenden Umstände verpflichtet. Die von
dem Landgericht insoweit durchgeführte Beweisaufnahme hat jedoch aus den vom
Landgericht dargelegten Gründen die Annahme des von dem Kläger behaupteten
Handelsbrauchs nicht ergeben.
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b) Der Kläger hat seine Übereignungserklärung auch nicht wirksam gemäß § 123 Abs. 1
BGB angefochten.
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aa) Insoweit kann zunächst schon nicht von einer objektiven Täuschung ausgegangen
werden. Im Hinblick auf die zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits
unstreitigen Bilanzmanipulationen des persönlich haftenden Gesellschafters der
Schuldnerin würde dies eine Aufklärungspflicht der Schuldnerin voraussetzen. Eine
solche bestand jedoch nicht: Das berechtigte Interesse des Klägers reduzierte sich
darauf zu wissen, ob die Schuldnerin im Zeitpunkt der Übereignungserklärung willens
und in der Lage war, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. In Betracht kommt deshalb
allein eine Täuschung durch aktives Tun. Wer auf Kredit kauft, erklärt durch den
Vertragsschluss konkludent, dass er den Kaufpreis bei Fälligkeit zahlen wolle und
könne (vgl. OLG Köln NJW 1967, 740; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 123 Rdn. 4). Nur
wenn feststünde, dass die Schuldnerin bereits am 26. September 2003 nicht mehr in der
Lage war, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen, läge eine objektive Täuschung vor.
Dies hat der Kläger zwar behauptet, diese Behauptung kann jedoch nicht als bewiesen
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angesehen werden. Dass sich nach dem insoweit unstreitigen Vorbringen des Klägers
der persönlich haftende Gesellschafter der Schuldnerin Bilanzmanipulationen hat zu
Schulden kommen lassen, besagt als solches noch nichts dazu, wie die aktuelle
Liquiditätssituation im Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Übereignung war.
Immerhin ist der Insolvenzantrag erst am 2. Oktober 2003 gestellt worden. Bloß
wirtschaftliche Schwierigkeiten reichen insoweit ebenfalls nicht aus.
bb) Die Anfechtungsvoraussetzungen liegen aber auch in subjektiver Hinsicht nicht vor.
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(1) Im Ausgangspunkt ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es gem.
§ 166 Abs. 1 BGB entscheidend auf die Kenntnis des Zeugen L. ankommt. Ein Fall des
§ 166 Abs. 2 BGB, wonach ausnahmsweise auf die Kenntnis des Vertretenen
abzustellen ist, ist vorliegend entgegen der von dem Kläger in der
Berufungsbegründung vertretenen Auffassung nicht gegeben. Dass der Zeuge L. nach
bestimmten Weisungen gehandelt hat, wird weder von dem Kläger vorgetragen noch ist
dies aus den sonstigen Umständen ersichtlich. Seine - generelle - Bevollmächtigung
durch die Geschäftsführer begründet keine Weisung i.S.d. § 166 Abs. 2 BGB. Auch
wenn der Begriff der Weisung im Interesse des Geschäftspartners weit ausgelegt wird
(vgl. BGHZ 38, 65 [68]; BGHZ 50, 364 [368]; Schramm in MünchKomm zum BGB, 4.
Aufl. 2001, § 166 Rdn. 53; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl. 1998/1999, § 166 Rdn. 29;
Staudinger/Schilken, BGB, Neubearbeitung 2004, § 166 Rdn. 33), so dass es bereits
ausreicht, wenn Weisungen für einzelne Arten von Rechtsgeschäften erteilt worden sind
(vgl. Schilken a.a.O.) oder der Vertretene ein konkretes Geschäft lediglich veranlasst
hat, kann auf der anderen Seite aber auf das Erfordernis der Weisung nicht gänzlich
verzichtet werden. Dies wäre aber der Fall, würde man bei einem
Generalbevollmächtigten – eine vergleichbare Stellung kam dem Zeugen L. in seinem
Geschäftsbereich zu - oder einem Prokuristen aufgrund ihrer umfassenden
Vertretungsmacht fingieren, sie täten in deren Rahmen alles nach bestimmten
Weisungen ihres Geschäftsherrn (vgl. Leptien, a.a.O., § 166 Rdn. 29; Schilken, a.a.O. §
166 Rdn. 35; Schramm, a.a.O., § 166 Rdn. 53).
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(2) Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts kann jedoch
von einem arglistigen Verhalten des Zeugen L. nicht ausgegangen werden. Dass er im
Zeitpunkt der Übereignungserklärung im September 2003 positive Kenntnis davon
hatten, dass der vereinbarte Kaufpreis nicht gezahlt werden konnte, lässt sich nicht
feststellen. Insbesondere genügt es für die Annahme von Arglist nicht, dass der Zeuge
wusste, dass die "Kreditlinie der Firma ziemlich ausgenutzt war und das Kreditlimit
ständig schwankte" und zudem Ende August 2003 einige Schecks nicht eingelöst
worden waren.
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(3) Aber auch wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass ein Fall des § 166 Abs. 2
BGB vorliegt, ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dass der persönlich haftende
Gesellschafter der Schuldnerin bereits am 26. September 2003 wusste oder zumindest
billigend in Kauf genommen hat, zur Kaufpreiszahlung nicht in der Lage zu sein, hat der
Kläger nicht bewiesen. Auch ihre Hinweise auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren
sowie das Insolvenzverfahren lassen insoweit keinen eindeutigen Rückschluss auf die
Kenntnisse des persönlich haftenden Gesellschafters im hier streitgegenständlichen
Zeitpunkt zu.
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cc) Die hiernach bestehende Unaufklärbarkeit des Vorliegens der objektiven und
subjektiven Voraussetzungen einer Arglistanfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB geht zu
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Lasten des insoweit beweisbelasteten Klägers.
2. Die Annahme der Berufung ist auch nicht trotz fehlender Erfolgsaussicht aus den
Gründen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO veranlasst. Der vorliegende
Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats ist
auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung geboten. Vielmehr beruht die Beurteilung des Streitfalles nur auf einer
Würdigung des Vorbringens zu den konkreten Umständen des vorliegenden
Einzelfalles.
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3. Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gibt der Senat dem Kläger unter Hinweis auf die
beabsichtigte Zurückweisung und die hierfür maßgeblichen Gründe Gelegenheit zur
Stellungnahme innerhalb der in der Beschlussformel bezeichneten Frist.
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