Urteil des OLG Köln vom 06.02.2007

OLG Köln: kollision, anhörung, kurs, besatzung, schiffsführer, beweiswert, vollstreckung, gutachter, sicherheit, vertagung

Oberlandesgericht Köln, 3 U 21/06 BSchRh
Datum:
06.02.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 U 21/06 BSchRh
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg-Ruhrort, 5 C 27/05
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des
Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 9. Januar 2006 (5 C
27/05 BSch) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung
durch die Beklagten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120%
des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Gründe:
1
I.
2
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz aufgrund einer
Schiffskollision auf dem Rhein, an der das zu Tal fahrende Schiff der Klägerin, TMS
"U.", und das vom Beklagten zu 2. geführte, zu Berg fahrende Schiff der Beklagten zu 1.,
TMS "F.", beteiligt waren. Der Hergang des Unfalls, der sich am 30.09.2003 bei
Rheinkilometer 813 ereignet hat, ist streitig. Die Klägerin behauptet, TMS "F." habe
unmittelbar vor der Kollision bereits zum Überholen des vorausfahrenden
Schubverbandes "S." angesetzt, während TMS "U." unverändert gestreckt im Strom
gelegen habe. Aufgrund der Kursänderung des TMS "F." sei es zu einer Kollision der
Schiffe gekommen, wobei der Kollisionswinkel bezogen auf die Schiffslängsachsen
weniger als 0° betragen habe. Die Beklagten behaupten demgegenüber, nicht TMS
"F.", sondern TMS "U." habe unmittelbar vor der Kollision den Kurs geändert und das
weiterhin hinter "S." befindliche TMS "F." in einem positiven Winkel angefahren. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
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Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat auf der Grundlage des
durchgeführten Verklarungsverfahrens 5 II 5/03, Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort,
eine schuldhafte Verursachung der Kollision durch den Schiffsführer der Klägerin, nicht
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aber durch den Beklagten zu 2. und die Besatzung des TMS "F." für erwiesen erachtet.
Dabei hat es sich maßgeblich auf die Angaben des unbeteiligten Zeugen O., des
Schiffsführers des "S.", gestützt, der eine Kursänderung des TMS "U." unmittelbar vor
der Kollision glaubhaft bekundet habe, während TMS "F." mit noch unverändertem Kurs
hinter ihm gefahren sei. Dies stehe in Einklang mit dem eingeholten Gutachten des
Sachverständigen Dr. G. zur Frage des Kollisionswinkels der Schiffe, durch das die
Einwendungen des von der Klägerin hinzugezogenen Privatsachverständigen Dipl.-Ing.
H. entkräftet worden seien. Den - jeweils die andere Seite belastenden - Angaben der
jeweiligen Schiffsbesatzungen hat das Rheinschifffahrtsgericht keinen wesentlichen
Beweiswert beigemessen.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin maßgeblich gegen die Beweiswürdigung
des Rheinschifffahrtsgerichts. Sie meint, das Gutachten des Sachverständigen Dr. G.
sei durch die Feststellungen des Dipl. Ing. H., die in der Berufungsbegründung im
Einzelnen wiedergegeben werden, widerlegt; zumindest habe das
Rheinschifffahrtsgericht ein Obergutachten einholen müssen. Dieses hätte ergeben,
dass TMS "F." hier doch schon zum Überholen des vorausfahrenden Schubverbandes
angesetzt und so gegen das Kursänderungsverbot verstoßen habe. Die Angaben des
Zeugen O. seien insoweit nicht als zuverlässig anzusehen, da die Situation für ihn
wegen der Kurvenfahrt unübersichtlich gewesen sei; die eigentliche Kollision habe er
auch nach eigenen Angaben nicht beobachtet.
5
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort – Rheinschifffahrtsgericht – vom
09.01.2006, Az. 5 C 27/05, aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, an sie
308.294,44 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz, und zwar von
301.548,44 Euro seit dem 22.05.2004 und von weiteren 6.794,00 Euro seit dem
11.09.2004 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil und wiederholen und vertiefen
ihren erstinstanzlichen Vortrag.
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Der Senat hat Beweis erhoben zum Hergang der Schiffskollision durch Einholung einer
ergänzenden mündlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. G.; wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 08.12.2006
Bezug genommen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die beigezogenen Akten
des Verklarungsverfahrens 5 II 5/03, Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, verwiesen.
10
II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Mit Recht hat das
Rheinschifffahrtsgericht die Klage abgewiesen, weil sich eine schuldhafte
Verursachung der Schiffskollision durch die Besatzung des TMS "F." nicht feststellen
lässt; ohne Verschulden haften die Beklagten für die Folgen der Schiffskollision jedoch
nicht (vgl. BGH, Urt. v. 05.07.1982, II ZR 193/81, VersR 1982, 1047 ff.; Vortisch/Bemm,
Binnenschifffahrtsrecht, 4.Aufl. 1991, § 3 BinSchG Rn2; § 92b BinSchG Rn24 f.).
12
1.
13
Mit Recht ist das Rheinschifffahrtsgericht auf der Grundlage der im
Verklarungsverfahren erhobenen Beweise zu dem Ergebnis gelangt, dass TMS "F." vor
der Kollision nicht den Kurs geändert und dadurch gegen § 6.03
Rheinschifffahrtspolizeiverordnung verstoßen hat.
14
a.
15
Aus den detailreichen, differenzierten und insgesamt glaubhaften Angaben des
unbeteiligten und am Ausgang des Rechtsstreits nicht interessierten Zeugen O. ergibt
sich eindeutig, dass TMS "U." unmittelbar vor der Kollision völlig überraschend eine
Kursänderung eingeleitet hat, während sich TMS "F." noch hinter seinem
Schubverband "S." befand, ohne den Kurs geändert und schon zum Überholen
angesetzt zu haben. Der Senat tritt den diesbezüglichen Ausführungen des
Schifffahrtsgerichts in vollem Umfang bei. Dass der Zeuge O. sodann die Kollision
selbst nach eigenen Angaben nicht beobachtet hat, wie die Klägerin in ihrer
Berufungsbegründung rügt, beeinträchtigt den Beweiswert seiner Angaben entgegen
der Ansicht der Klägerin nicht; denn die entscheidenden, zur Kollision der Schiffe
führenden Fahrmanöver waren zu diesem Zeitpunkt schon längst ausgeführt, wie sich
insbesondere aus der Angabe des Zeugen ergibt, es habe, als er sich – Sekunden
später - nach vorne umgedreht habe, auch schon "geknallt".
16
b.
17
Soweit die Zeugen T. und I. als Besatzungsmitglieder des TMS "U." hiervon
abweichende Angaben gemacht haben, kommt diesen Angaben nach Einschätzung
des Senats kein Beweiswert zu. Zwar gibt es keine allgemeine Beweisregel, wonach
die Aussagen von Besatzungsmitgliedern unfallbeteiligter Schiffe stets von der
Interessenlage beeinflusst sind (BGH, Urt. v. 30.09.1974, II ZR 17/73, VersR 1974, 1197
f.). Hier jedoch wären die Angaben des unbeteiligten Zeugen O. schlechthin
unverständlich, wenn man von der Richtigkeit der Angaben der Zeugen T. und I.
ausginge; dafür, dass der unbeteiligte Zeuge O., der nach eigenen Angaben den
ganzen Ablauf gut beobachten konnte, hier vorsätzlich falsche Angaben gemacht haben
könnte, sind Anhaltspunkte aber nicht ersichtlich. Zudem stehen die Angaben der
Zeugen T. und I. auch mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. nicht in
Einklang, der überzeugend dargelegt hat, dass die beteiligten Schiffe unter einem
positiven Winkel kollidiert sein müssen (dazu s.u. zu c.). Gerade dies steht aber in
Einklang mit der Aussage des Zeugen O., dessen Angaben – auch in Übereinstimmung
mit den Angaben des Beklagten zu 2. und des Zeugen L. als Besatzungsmitglieder der
TMS "F." - einen negativen Kollisionswinkel zwingend ausschließen.
18
c.
19
Schließlich werden die Angaben des Zeugen O. auch nicht durch die gutachterliche
Stellungnahme des für die Klägerin tätig gewordenen Privatsachverständigen Dipl.-Ing.
H. in Zweifel gezogen. Wie der Sachverständige Dr. G. bereits bei seiner Anhörung im
Verklarungsverfahren vor dem Schifffahrtsgericht am 03.01.2005 ausgeführt und bei
seiner Anhörung durch den Senat wiederholt und näher erläutert hat, bieten die
Ausführungen des Herrn Dipl.-Ing. H. keine geeignete Grundlage, um die
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Beobachtungen des Zeugen O. in Zweifel ziehen zu können.
Der Privatsachverständige Dipl.-Ing. H. gelangt in seinem Gutachten vom 09.08.2005 zu
dem Ergebnis, dass die an der Kollision beteiligten Schiffe mit einem -bezogen auf die
Schiffslängsachse - negativen Kollisionswinkel kollidiert sein müssen, und zwar in der
Form, dass zunächst das backbordseitige Schubhorn des TMS "U." mit sehr großem
Druck auf die Außenhaut des TMS "F." aufgetroffen sei. Dies folge aus den
entstandenen Schäden unter Berücksichtigung physikalischer und werkstoffmäßiger
Gesetzmäßigkeiten; ein positiver Kollisionswinkel hätte zwangsläufig zu
großflächigeren Verformungen führen müssen.
21
Diese Ausführungen des Privatsachverständigen Dipl.-Ing. H. sind nach dem Ergebnis
der mündlichen Anhörung des Sachverständigen Dr. G. durch den Senat widerlegt. Der
Sachverständige Dr. G. hat überzeugend ausgeführt, dass mehrere Umstände keinen
anderen Schluss zulassen, als dass die Kollision unter einem positiven Winkel –
bezogen auf die Schiffslängsachsen – erfolgt sein muss. Zum Einen hätte es bei
Annahme eines negativen Kollisionswinkels oder eines Kollisionswinkels von 0° nicht
zu einem so tiefen Eindringen des backbordseitigen Schubhorns des TMS "U." in die
Außenhaut des TMS "F." kommen können, wie es hier erfolgt ist; vielmehr wäre TMS
"U." in diesem Fall im Bugbereich nach steuerbord abgewiesen worden, so dass es nur
zu einer streifenden Berührung gekommen wäre. Auch wären bei Zugrundelegung
eines negativen Kollisionswinkels die am backbordseitigen Schubhorn des TMS "U.",
insbesondere an dessen Innenkante, eingetretenen Schäden nicht erklärbar; die hier
nach innen gerichtete Verdrehung des Schubhorns im Uhrzeigersinn kann nur Folge
eines Aufpralls des Schubhorns auf das Schott in einem entsprechenden, positiven
Winkel sein. Vor allem aber ist ein negativer Kollisionswinkel – auch unabhängig von
den vorgenannten Überlegungen - in keinem Fall damit in Einklang zu bringen, dass
TMS "U." nach den übereinstimmenden Angaben sowohl des Zeugen J. als
Schiffsführer des TMS "F." als auch des Beklagten zu 2 als Schiffsführer des TMS "U.",
sich unmittelbar nach der Kollision um 180° über Steuerbord gedreht hat, indem es
zunächst mit dem Heck nach rechtsrheinisch verfallen ist und sich dann weiter gedreht
hat, bis schließlich der Bug stromaufwärts zeigte. Eine derartige Drehbewegung lässt
sich mit einem Anstoß des TMS "U." in negativem Kollisionswinkel oder in einem
Winkel von 0° nicht in Einklang bringen. Denn die beim Anstoß wirkende Kraft würde in
diesem Fall angesichts des in der Schiffsmitte gelegenen Schwerpunktes zwangsläufig
zu einer Drehbewegung in entgegengesetzter Richtung führen. Soweit der
Privatsachverständige H. aus der Art der Beschädigung der TMS "F." zwingend auf
einen negativen Kollisionswinkel rückschließen will, hat der – auch für die Beurteilung
dieser Frage sachkundige - Sachverständige Dr. G. hierzu überzeugend ausgeführt,
dass das entstandene Schadensbild insoweit nicht gegen eine positiven
Kollisionswinkel spreche. Weder habe der Spant bei positivem Kollisionswinkel
vollständig abreißen müssen noch folge aus der an der Außenhaut erkennbaren
Rissbildung im Winkel von 45°, dass es einen Zusammenstoß nur mit negativem
Kollisionswinkel gegeben haben könne; anschaulich hat der Sachverständige insoweit
dargelegt, dass ein Einreißen zwangsläufige Folge einer entsprechenden Kollision bei
jedem Kollisionswinkel sei, weil ein Einrollen der Außenhaut oben zu einem Einreißen
der Außenhaut unten führen müsse.
22
2.
23
Für die Einholung des seitens der Klägerin noch beantragten Obergutachtens besteht
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keine Veranlassung. Der Einholung eines Obergutachtens bedarf es nur bei besonders
schwierigen Fragen, bei groben Mängeln der vorhandenen Gutachten und dann, wenn
ein neuer Gutachter über überlegene Forschungsmittel verfügt (BGH, Urt. v. 04.03.1980,
VI ZR 6/79, VersR 1980, 533 f. m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht
erfüllt.
a.
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Die Frage, in welchem Winkel die beteiligten Schiffe kollidiert sind, ist als solche nicht
als besonders schwierig anzusehen. Die Frage der Kompatibilität dokumentierter
Unfallschäden mit Zeugenbeobachtungen und behaupteten Geschehensabläufen ist im
schifffahrtsrechtlichen Kollisionsprozess weder ungewöhnlich noch im vorliegenden
Fall durch besondere, schwer zu fassende Umstände gekennzeichnet.
26
b.
27
Grobe Mängel des Gutachtens des Sachverständigen Dr. G. sind nicht erkennbar. Der
dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannte, bereits seit Jahrzehnten auf diesem
Gebiet tätige Sachverständige Dr. G. hat nachvollziehbar zu allen relevanten Fragen
Stellung genommen und sein Gutachten insgesamt überzeugend erläutert. Soweit er
ausdrücklich eingeräumt hat, zu dem mit Schriftsatz vom 07.12.2006 im
Parallelverfahren 3 U 21/06 BSchRh vorgelegten Untersuchungsbericht der E.-L.-GmbH
vom 04.12.2006 nicht näher Stellung nehmen zu können, stellt dies keinen Mangel
seines Gutachtens dar. Zum Einen ist der mit dem Untersuchungsbericht der E.-L.-
GmbH vom 04.12.2006 eingeführte neue Tatsachenvortrag im vorliegenden Verfahren
gem. §§ 530, 296 Abs.1 ZPO unbeachtlich. Der Untersuchungsbericht hätte als neues
Angriffsmittel gem. § 520 ZPO grundsätzlich schon innerhalb der Frist zur Begründung
der Berufung eingeholt und vorgelegt werden müssen. Seine Zulassung würde zu einer
Verzögerung des Rechtsstreits führen. Der Sachverständige Dr. G. hat im Rahmen
seiner Anhörung durch den Senat nachvollziehbar erklärt, zu den im
Untersuchungsbericht angesprochenen speziellen werkstoffmechanischen Fragen, die
ihm erst am 08.12.2006 in der Verhandlung zugänglich gemacht werden konnten, nicht
ohne weitere Vorbereitung Stellung nehmen zu können, so dass im Falle einer
Zulassung dieses Berichts eine Vertagung erforderlich geworden wäre. Eine
Entschuldigung dieser Verspätung ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Angesichts
des Umstandes, dass die selbst sachkundigen Parteien hier von Beginn des
Rechtsstreits an auch darüber gestritten haben, welche Folgerungen aus dem
Schadensbild zu ziehen sind, wäre es – unbeschadet der Tatsache, dass eine Partei
grundsätzlich nicht gehalten ist, ihre Einwendungen gegen das Gutachten eines
gerichtlich bestellten Sachverständigen durch Einholung eines Privatgutachtens zu
untermauern (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2005, VI ZR 270/04, NJW 2006, 152 ff.) -
erforderlich gewesen, hierzu frühzeitig detaillierter vorzutragen und ein solches
Gutachten nicht erst wenige Tage vor dem auch aus Sicht der Klägerin erkennbar nicht
als "Durchlauftermin" geplanten Termin zur Anhörung des bereits im
Verklarungsverfahren 2004 tätig gewesenen Sachverständigen Dr. G. einzuholen und
vorzulegen. Im Übrigen könnte aber auch eine Zulassung des Untersuchungsberichts
zur Überzeugung des Senats hier zu keinem anderen Ergebnis führen. Der
Untersuchungsbericht der E.-L.-GmbH vom 04.12.2006 basiert nämlich ersichtlich auf
ungenügender tatsächlicher Grundlage, wie sich insbesondere daraus ergibt, dass dort
eingeräumt wird, dass eine "bruchmechanische Betrachtung" des am TMS "F."
eingetretenen Schadens vorgenommen wird, ohne dass eine Materialprobe vorgelegen
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hat oder zumindest der insoweit verwendete Werkstoff bekannt wäre, so dass eine
fraktographische Bruchanalyse überhaupt nicht durchgeführt werden konnte.
Nachvollziehbar hat demgegenüber der Sachverständige Dr. G., der nach eigenen
Angaben auch im Bereich der Materialkunde sachkundig ist, bei seiner Anhörung
darauf hingewiesen, dass die Rissbildung als solche und der hier vorhandene Winkel
von 45° gerade keinen Rückschluss auf einen positiven oder negativen
Kollisionswinkel zulässt.
c.
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Schließlich ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ein neuer Gutachter hier
über Forschungsmittel verfügen würde, die denjenigen des gerichtlich bestellten
Sachverständigen überlegen sind.
30
3.
31
Auch einen schuldhaften, unfallursächlichen Verstoß der Besatzung des TMS "F."
gegen die gem. § 6.09 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung den Überholenden treffenden
besonderen Sorgfaltspflichten hat das Rheinschifffahrtsgericht auf der Grundlage der im
Verklarungsverfahren erhobenen Beweise zutreffend verneint. Es ist zwar nicht
auszuschließen, dass TMS "F." gegebenenfalls wegen der fortgeschrittenen
Annäherung an das vorausfahrende "S." im Rechtssinne schon zum Überholen
angesetzt hatte (dazu vgl. BGH, Urt. v. 03.02.1975, II ZR 126/73, VersR 1975, 639 f.). Es
ist jedoch, nachdem TMS "F." entsprechend dem oben Ausgeführten jedenfalls noch
nicht ausgeschert war, nichts dafür ersichtlich, dass dieses allein in der Annäherung
liegende, mögliche Ansetzen zum Überholen hier für die Kollision ursächlich geworden
wäre. Dieses Ergebnis geht aber zu Lasten der insoweit darlegungs- und
beweispflichtigen Klägerin (dazu vgl. BGH, Urt. v. 13.07.1970, II ZR 163/69, VersR
1970, 948 ff.).
32
3.
33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, ZPO.
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4.
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Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Alle im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsfragen sind bereits ausreichend
höchstrichterlich geklärt, so dass insoweit weder eine grundsätzliche Bedeutung der
Sache noch eine Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung die Zulassung der Revision erfordern (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO);
die Entscheidung beruht maßgeblich auf der tatrichterlichen Würdigung der
Zeugenaussagen und der im Verfahren erstatteten Sachverständigengutachten.
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Streitwert
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