Urteil des OLG Köln vom 08.08.2003

OLG Köln (Pfändung, Wahrung der Frist, Avg, Dringender Tatverdacht, Vorläufiger Rechtsschutz, Geschäftsführer, Verfall, Insolvenz, Vollziehung, Härte)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Schlagworte:
Tenor:
Aktenzeichen:
Normen:
Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 433/03
08.08.2003
Oberlandesgericht Köln
2. Strafsenat
Beschluss
2 Ws 433/03
Arrest; Sicherung des Verfalls des Wertersatzes; Insolvenz des Dritten
nach § 73 Abs. 3 StGB
StGB §§ 73 Abs. 1, Abs. 3; 73a; StPO §§ 111b Abs. 2, 111d
Der mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 27.2.2002 ( 503 Gs
843/02) erlassene Arrest, in der Fassung des Beschlusses vom
26.3.2002 (502 Gs 1160/02), wird insoweit aufrechterhalten, als der Arrest
durch folgende Vollstreckungsmaßnahmen vollzogen worden ist:
- Pfändung der Geschäftsanteile an der B. W. gemäß
Pfändungsverfügung vom 4.3.2002
- Pfändung der Geschäftsanteile an der B. E. gemäß
Pfändungsverfügung vom 4.3.2002
- Pfändung der Geschäftsanteile an der B. F. GmbH gemäß
Pfändungsverfügung vom 4.3.2002
- Pfändung der Schadensersatzforderung gegen Dr. N. gemäß
Pfändungsverfügung vom 6.3.2002
Die Beschwerde hat sich erledigt, soweit sie sich gegen die
Aufrechterhaltung des Arrestes bezüglich der Pfändungen der
Schadensersatzforderungen gegen die Mitangeschuldigten F., U. und X.
richtet.
Im Übrigen wird auf die Beschwerde des Antragstellers vom 27.5.2003
unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Landgerichts vom
9.5.2003 der Arrestbeschluss des Amtsgerichts Köln vom 27.2.2002 (503
Gs 843/02) in der Fassung des Beschlusses vom 26.3.2002 (503 Gs
1160/02) aufgehoben.
Die weitergehende Beschwerde wird verworfen.
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Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen 1/3 der Staatskasse,
2/3 dem Beschwerdeführer zur Last, dessen notwendige Auslagen die
Staatskasse zu 1/3 zu tragen hat.
G r ü n d e :
I.
Gegen den Angeschuldigten Dr. N., den früheren Geschäftsführer der Verfallsbeteiligten,
und vier weitere Mittäter hat die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Köln unter dem
20.03.2003 Anklage wegen Bestechung und Steuerhinterziehung erhoben. Die
Staatsanwaltschaft legt dem Angeschuldigten N. zur Last, dieser habe als für die
Restmüllverbrennungsanlage Köln zuständiger Geschäftsführer der Fa. N. & D. T. GmbH (
im folgenden: NDT ) mit drei anderen Mittätern im Herbst 1993 eine Unrechtsvereinbarung
dahin getroffen, dass die vom Rat der Stadt L. gegründete Abfallentsorgungs- und
Verwertungsgesellschaft L. ( AVG ) mbH unter allen Umständen die Fa. NDT mit der
Errichtung der Müllverbrennungsanlage beauftragen solle. An der AVG mbH, zu deren
Geschäftsführer der Angeschuldigte F. bestellt worden war, waren die Stadt L. mit 50,1 %,
die Stadtwerke L. mit 24,8 % und die U. Entsorgungs GmbH mit 25,1 % beteiligt. Als
Gegenleistung zur Auftragserteilung sollte sich die Fa. NDT verpflichten, an die übrigen
Angeschuldigten F., X. und U. ein Schmiergeld in Höhe von 3% der Auftragssumme zu
zahlen. Damit sollte dem Erhalt und der Bevorzugung der Interessen der Fa. NDT bei der
Abwicklung des Auftrags gedient werden. Nach verschiedenen Manipulationen an dem
Angebot der Fa. NDT noch im Angebotsverfahren, wegen dessen Einzelheiten auf die
Anklageschrift vom 20.3.2003 verwiesen wird, kam es am 28.1.1994 zum Abschluss des
Generalunternehmervertrages zwischen der AVG und der NDT, wobei sich die gesamte
Auftragssumme auf rd. 792 Mio. DM belief. In der Folgezeit sollen von der Fa. L. & C. T.,
vertreten durch den Angeschuldigten, über verschiedene in der Schweiz ansässige Firmen
insgesamt 21,6 Mio. DM Schmiergelder an F., U., X., S. sowie an den Angeschuldigten Dr.
N. ( in Höhe von 2,4 Mio. DM ) ausgezahlt worden sein.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 27.2.2002 ( 503 Gs 843/02 ) ist zur Sicherung
des Verfalls des Wertersatzes ein Arrest in das Vermögen der Fa. NDT zugunsten des
Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von zunächst 25 Mio. EUR angeordnet worden, der
auf Beschwerde der Verfallsbeteiligten mit Beschluss des Landgerichts Köln vom
25.4.2002 bestätigt worden ist ( 109 Qs 131/01). Durch Beschluss des Amtsgerichts vom
26.3.2002 ist die Arrestsumme auf 15 Mio. EUR reduziert worden ist ( 502 Gs 1160/02 ).
Nach einer späteren Erhöhung der Arrestsumme am 17.6.2002 hat auf Beschwerde der Fa.
NDT das Beschwerdegericht die Arrestsumme wieder reduziert und den Beschluss des
Amtsgerichts vom 26.3.2002 bestätigt (Beschluss des LG Köln vom 2.Juli 2002 - 109 Qs
293/02).
In Vollziehung des Arrestes wurden zu Gunsten des Landes Nordrhein-Westfalen die im
Tenor aufgeführten Forderungen sowie weitere Schadensersatzforderungen, auf die noch
einzugehen ist, gepfändet (vgl. Bl. 396 f des Sonderheftes L. & C. T. GmbH).
Über das Vermögen der Fa. L. & C. T. ist nach entsprechendem Antrag vom 11.7.2002 am
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01.09.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden und Rechtsanwalt Dr. T., O., als
Insolvenzverwalter bestellt worden.
Am 5.12. 2002 hat das Amtsgericht Köln (503 Gs 4676/02) den dinglichen Arrest in das
Vermögen des Angeschuldigten Dr. N. in Höhe von 1.840.651,- EUR zur
Rückgewinnungshilfe zugunsten der Fa. L & C T. GmbH und des Landes Nordrhein-
Westfalen angeordnet, der später in der Höhe reduziert wurde.
Mit Schriftsatz vom 30.9.2002 hat der Insolvenzverwalter durch seinen
Verfahrensbevollmächtigten beantragt, die "Vollziehung des Arrestes aufzuheben" sowie
gepfändete Vermögensgegenstände und Sicherheitsleistungen der Schuldnerin
freizugeben, und dies im wesentlichen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
begründet. Gegen den ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts vom 21.10.2002 (503 Gs
4059/02 -4060/02), der den Antrag vom 30.9.2002 als Einwendung gegen Maßnahmen der
Arrestvollziehung verstanden hat, hat der Verfahrensbeteiligte am 4.11.2002 "Beschwerde"
eingelegt und zugleich beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 27.2.2002
nach Maßgabe der weiteren Beschlüsse aufzuheben und die Vollstreckungsmaßnahmen
durch Pfändung verschiedener, genau bezeichneter Vermögenswerte aufzuheben oder
deren Unwirksamkeit in Anbetracht der Insolvenzeröffnung festzustellen; im einzelnen wird
hierzu auf den Schriftsatz vom 4.11.2002 Bezug genommen ( Bl. 463 ff des des
Sonderheftes L. & C. T. GmbH). Mit Beschluss vom 9.5.2003 (109 Qs 546/02 = 109-10/03)
hat das Landgericht die Beschwerde als erneuten Antrag auf Aufhebung der
amtsgerichtlichen Beschlüsse angesehen, da wegen der inzwischen erhobenen
öffentlichen Klage die Strafkammer als das mit der Sache befaßte Gericht auch für die
Arrestentscheidung zuständig sei. In der Sache hat es den Antrag zurückgewiesen. Der
dagegen gerichteten Beschwerde vom 27.5.2003 hat das Landgericht mit Beschluss vom
12.6.2003 (14-23/03) nicht abgeholfen. Der Verfahrensbeteiligte stützt seine Beschwerde
auf verschiedene Gesichtspunkte: Die von der Staatsanwaltschaft ausgebrachte
Pfändungen der Schadensersatzansprüche gegen F., U. und X. seien schon wegen § 88
InsO unwirksam; solange diese Pfändungen nicht aufgehoben worden seien, bestehe für
seinen Aufhebungsantrag ein Rechtsschutzbedürfnis. Im weiteren beruft er sich auf die
Nachrangigkeit des staatlichen Verfallsanspruchs im Insolvenzverfahren, wie sie in § 39
Abs. 1 Nr. 3 InsO zum Ausdruck komme. Außerdem stehe der Rechtsgedanke des § 73
Abs. 1 S. 2 StGB einem Verfall zugunsten des Staates entgegen. Es fehle auch an einem
Arrestgrund. Schließlich sei § 73c StGB zu berücksichtigen.
Mit Vermerk vom 25.6.2003 hat die Staatsanwaltschaft aktenkundig gemacht, dass sie die
Pfändungen der Schadensersatzansprüche der Fa. L. &C. T. GmbH gegen F., X. und U. an
diesem Tag aufgehoben habe ( Bl. 553 Sonderheft L. & C. T. GmbH).
Mit Beschluss vom 01.08.2003 - 11 Qs 23/03 - hat die 14. große Strafkammer nunmehr den
zunächst von der Staatsanwaltschaft vor Anklageerhebung ausgeschiedenen Vorwurf der
Untreue nach § 266 StGB wieder in das Verfahren einbezogen. Anlass hierfür ist eine
gegenüber der Anklageschrift abweichende rechtliche Beurteilung. Die Strafkammer
verneint die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 332, 334 StGB, da der
Angeschuldigte F. nicht als Amtsträger gehandelt habe, und sieht eine Strafbarkeit dieses
Tatkomplexes lediglich unter den Vorschriften der §§ 299, 300 StGB bzw. § 12 UWG a.F.
II.
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Die Beschwerde ist zulässig, § 304 Abs. 1 StPO, soweit sie sich nicht durch die Erklärung
der Staatsanwaltschaft vom 25.6.2003 erledigt hat.
a. Das Rechtsmittel ist statthaft, da auch dem nicht unmittelbar Verfahrensbeteiligten, durch
eine Arrestanordnung jedoch Betroffenen die Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung
gegeben sein muß. Nicht zu beanstanden ist auch die vom Landgericht vorgenommene
Auslegung der Beschwerde im Schriftsatz vom 4.11.2002 als ( neuen ) Antrag gegenüber
dem mit der Sache befaßten Gericht. Bei Übergang der Zuständigkeit auf das ursprüngliche
Beschwerdegericht ist eine Beschwerde in einen Antrag auf Überprüfung der Maßnahme
umzudeuten (Karlsruher Kommentar/Nack, StPO 5. Aufl., § 98 Rdn. 32), so dass der
jetzigen Beschwerde nicht § 310 Abs. 2 StPO entgegensteht.
b. Das Rechtsmittel hat sich erledigt, soweit die Staatsanwaltschaft nunmehr mit Wirkung
zum 25.6.2003 die Pfändungen der Ansprüche gegen F., X. und U. aufgehoben hat.
Entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft bestand bis dahin allerdings ein
Rechtsschutzbedürfnis für die - im Übrigen auch begründete - Beschwerde des
Verfallsbeteiligten.
Die mit der Pfändung bewirkte öffentlich-rechtliche Verstrickung fällt nämlich nicht ipso iure
weg, vielmehr ist die wegen § 88 InsO unwirksame Pfändung förmlich aufzuheben, ggfs.
durch einen Rechtsbehelf des Insolvenzverwalters ( Eickmann in HK-InsO, 2. Aufl., § 88
Rdnr. 12). Trotz Unwirksamkeit dieser Pfändung besteht deshalb ein Interesse des
Insolvenzverwalters an deren Aufhebung.
2.
In der Sache bleibt die Beschwerde erfolglos, soweit bereits vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens und unter Beachtung der Rückschlagsperre des § 88 InsO der Arrest
vollzogen worden ist. Soweit aufgrund des Arrestes noch nicht vollstreckt worden ist,
verliert dieser wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Wirkung und ist deshalb
aufzuheben. In diesem Umfang ist das Rechtsmittel erfolgreich.
Die Voraussetzungen eines Arrests zur Sicherung der Verfallanordnung bzw. des
Wertersatzes nach §§ 73 Abs. 1, Abs. 3, 73a StGB, §§ 111b Abs. 2, 111d StPO liegen -
zunächst ungeachtet des nachfolgenden Insolvenzverfahrens - vor.
a.
Der frühere Geschäftsführer der nun insolventen Fa. NDT ist nach dem bisherigen Ergebnis
der Ermittlungen dringend verdächtig, sich einer Bestechung im geschäftlichen Verkehr
sowie einer Untreue zulasten der Fa. L. & C. T. neben einer Steuerhinterziehung schuldig
gemacht zu haben, §§ 299 Abs. 2, 266 Abs. 1, 2. Alt. StGB, §§ 369, 370 Abs. 1 AO.
Aus der Bestechung im geschäftlichen Verkehr hat die Insolvenzschuldnerin bzw. ihre
Rechtsvorgängerin "etwas" iSd. § 73 Abs. 3 StGB erlangt, was dem Verfall unterliegt.
In Hinblick auf die Vorschrift des § 111b Abs. 3 StPO ist für diesen Tatvorwurf dringender
Tatverdacht erforderlich. Dieser ist hier gegeben.
Der Angeschuldigte N. soll nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und den
Feststellungen der 14. großen Strafkammer, die in den Beschlüssen vom 1.8.2003 und
4.8.2003 ihren Niederschlag gefunden haben, als Geschäftsführer der Fa. NDT mit drei
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anderen Mittätern im Herbst 1993 eine Unrechtsvereinbarung dahin getroffen haben, dass
die vom Rat der Stadt L. gegründete Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft L. (
AVG ) mbH unter allen Umständen die Fa. NDT mit der Errichtung der
Müllverbrennungsanlage beauftragt. Als Gegenleistung sollte sich die Fa. NDT
verpflichten, an die übrigen Angeschuldigten F., X. und U. ein Schmiergeld in Höhe von 3%
der Auftragssumme zu zahlen. Nach verschiedenen, den Angeschuldigten zur Last
gelegten Manipulationen an dem Angebot der Fa. NDT kam es am 28.1.1994 zum
Abschluss des Generalunternehmervertrages zwischen der AVG und der NDT, wobei sich
die gesamte Auftragssumme auf rd. 792 Mio. DM belief. In der Folgezeit soll der
Angeschuldigte die Auszahlung von Schmiergeldbeträgen in Höhe von insges. 21.6 Mio.
DM an die weiteren Mitangeschuldigten und auch an sich veranlaßt haben, indem er auf
Scheinrechnungen Schweizer Firmen willentlich und wissentlich zu lasten der Fa. NDT
gezahlt hat, wobei diese Gelder durch Boten an die Angeschuldigten zurückgeflossen sein
sollen.
Rechtlich stellt sich dieses dem Angeschuldigten N. vorgeworfene Verhalten jedenfalls als
Angestelltenbestechung und Untreue zulasten der Fa. NDT dar.
Der dringende Tatverdacht ergibt sich zum Teil bereits aus den eigenen Angaben des
Angeschuldigten N., im Übrigen insbesondere aus den Aussagen F. und C. sowie den
weiteren Ermittlungsergebnissen, wie sie in der Anklageschrift und in den Beschlüssen der
Strafkammer vom 4.8.2003 dargestellt sind.
b.
Mit der Strafkammer geht der Senat davon aus, dass die Insolvenzschuldnerin bzw. ihre
Rechtsvorgängerin als Dritte gemäß § 73 Abs. 3 StGB durch dieses rechtswidrige Handeln
ihres ehemaligen Geschäftsführers etwas erlangt hat, nämlich den Auftrag zum Bau der
Müllverbrennungsanlage und in Folge den an sie gezahlten Werklohn von insgesamt 792
Mio. DM.
Dass die damals unter der Firma L. & C. Steinfelder GmbH handelnde Gesellschaft eine
Tochterfirma der späteren Insolvenzschuldnerin war, ist unschädlich. Da nach Angaben
des Beschwerdeführers eine Umwandlung in Form der Verschmelzung stattgefunden hat,
hat eine Gesamtrechtsnachfolge von der Tochterfirma auf die spätere namensgleiche Fa.
N. & D. T. GmbH stattgefunden, § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Diese umfaßt auch öffentlich-
rechtliche Rechtsverhältnisse sowie die Stellung des übertragenden Rechtsträgers in
einem laufenden Verfahren ( vgl. Lutter, UmwG, § 20 Rdnr. 6, 51). Somit bleibt die
übernehmende Rechtsträgerin, die jetzige Fa. L. & C. T., aus der Verfallsanordnung
verpflichtet.
Die Voraussetzung, dass der Dritte durch das Handeln des Täters "für einen anderen"
etwas erlangt hat ( § 73 Abs. 3, 1. Halbs. StGB), ist erfüllt.
Handeln "für einen anderen" setzt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (eingehend
BGHSt 45,235, 244) entweder einen Vertretungs-, Verschiebungs- oder Erfüllungsfall
voraus. Hier liegt ein Vertretungsfall im engeren Sinne vor, da der Angeschuldigte Dr. N.
als Geschäftsführer der GmbH Organ der begünstigten Gesellschaft war.
Fließt in solchen Fällen dem Dritten der Vorteil zu, so hat der Täter für den Dritten
gehandelt und dieser dadurch den Vorteil erlangt. Der Bereicherungszusammenhang ist
bereits durch das betriebliche Zurechnungsverhältnis gegeben. Auf eine Unmittelbarkeit im
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Sinne "durch ein- und dieselbe Handlung" kommt es nach dieser Rechtsprechung, der sich
der Senat anschließt, nicht mehr an, weil bei Delikten dieser Art häufig ein komplexer
Geldkreislauf in Gang gesetzt wird (BGH a.a.O., S. 246 ). Der Angeschuldigte hat durch die
Auszahlung und die Inaussichtstellung weiterer Bestechungsgelder das Ergebnis erzielt,
dass die Fa. L. & C. T. den fraglichen Auftrag zum Bau der Müllverbrennungsanlage mit
einem Volumen von über 700 Mio. DM erlangt hat. Ihr Vorteil lag darin, einen Auftrag in
dieser Größenordnung erzielt zu haben, der einmal dem Fortbestand der Gesellschaft zu
gute kam, zum anderen die Möglichkeit einer Gewinnerzielung mit sich brachte.
Dem Verfall unterliegt damit der aufgrund dieses Auftrags zugeflossene Werklohn.
Darauf, ob und welchen Gewinn die frühere Verfallsbeteiligte mit diesem Auftrag erzielt hat,
kommt es wegen des in § 73 Abs. 1 S. 1 StGB seit 1992 verankerten Bruttoprinzips (vgl.
Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzes und anderer
Gesetze vom 28.2.1992 ) nicht an. Das Bruttoprinzip bedeutet in diesem Zusammenhang,
dass nicht nur der Gewinn, sondern alles, was der Täter oder Begünstigte aus der Tat
erlangt hat, für verfallen zu erklären ist. Bei der Berechnung des beispielsweise durch
einen Kauf Erlangten ist vom Verkaufserlös ohne Abzug vom Einkaufspreis und sonstigen
Aufwendungen auszugehen ( st. Rspr. des BGH, z.B. Urteil vom 21.8.2002, NJW 02, 3339,
3340). Anzusetzen ist damit der Auftragserlös abzüglich der an andere Firmen, die als
Drittfirmen tätig waren, gezahlten Beträge, wie sie in der Aufstellung der Staatsanwaltschaft
und des Amtsgerichts im Beschluss vom 17.6.2002 enthalten sind mithin 300 Mio. DM =
153.387,540 EUR (Bl. 241 Sonderheft Fa. L & C T.).
Insoweit hätte die Anordnung des Ersatzes nach § 73a StGB erfolgen können, da sich der
erlangte Betrag als solcher nicht mehr im Vermögen der Fa. L. & C. T. befindet.
c.
Nach derzeitigem Erkenntnisstand stellt die Arrestanordnung in Höhe von lediglich 15 Mio.
EUR keine unbillige Härte für die ehemalige Verfallsbeteiligte dar, § 73c Abs. 1 S. 1 StGB.
Wie oben gezeigt, käme nach dem Bruttoprinzip ein Arrest in Höhe der errechneten 300
Mio. DM bzw. 153 Mio EUR in Betracht. Die Staatsanwaltschaft hat indes erklärt, einen
angeordneten Arrest nicht über 25 Mio. EUR zu vollstrecken ( Erklärung vom 28.6.2002 ),
so dass der jetzt in Frage stehende Betrag lediglich rd. 1/6 des rechtlich zulässigen
Betrages bedeutet. Schon von daher vermag der Senat keine unbillige Härte zu erkennen.
Im Übrigen handelte es sich bei der ursprünglichen Verfallsbeteiligten um eine nicht mehr
im operativen Geschäft tätige Gesellschaft, vielmehr um eine reine
Verwaltungsgesellschaft. Angesichts der inzwischen eingetretenen Insolvenz, die nicht mit
der Arrestanordnung zusammenhängt, läßt sich erst recht keine unbillige Härte mehr
erkennen, da konkrete Anhaltspunkte dazu fehlen, dass der Arrest für diese inzwischen
insolvente Gesellschaft eine existenzgefährdende Wirkung haben könnte.
Dass der Arrest die Befriedigung der übrigen Insolvenzgläubiger gefährden kann, stellt
keine unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift dar, sondern ist als Interessenkonflikt in
dem noch zu erörternden Verhältnis zwischen Arrestanordnung und Insolvenzverfahren zu
lösen.
Für die Voraussetzungen der weiteren Alternative nach § 73c Abs. 1 S. 2 StGB sind
konkrete Umstände weder dargetan oder sonst aus den Akten ersichtlich.
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d.
Dem Arrest steht § 73 Abs. 1 S. 2 StGB, der die Nachrangigkeit des staatlichen
Verfallanspruchs vorsieht, nicht entgegen.
Entgegen der Meinung des Verfallsbeteiligten stehen aus der Tat, die Anlaß zur
Arrestanordnung ist, nämlich § 299 Abs. 2 StGB bzw. § 12 UWG a.F., dem möglichen
Geschädigten keine Ansprüche gegen die Fa. L. & C. T. zu, die den Verfall hindern
könnten.
Als Geschädigte könnte allenfalls die AVG in Betracht kommen. Da der eigentliche
Generalunternehmervertrag, den sie mit der früheren Verfallsbeteiligten geschlossen hat,
bereits abgewickelt ist, ohne dass es - soweit ersichtlich - zu Vertragsstörungen kam, die
ihre Ursache in den Bestechungsdelikten hatten, ist nicht erkennbar, was für ein Schaden
bei der AVG entstanden sein könnte.
Im übrigen müßte sich die AVG im Verhältnis zur Fa. L. & C. T. das Wissen und Handeln
ihres Geschäftsführers F. zurechnen lassen, da dessen Wissensstand als Organ der Fa.
AVG dem Wissen der Gesellschaft gleichgestellt wird, § 166 Abs. 1 BGB ( vgl.
Palandt/Heinrichs, 62. Aufl., § 166 Rdnr. 2). und gegen diesen der dringende Tatverdacht
der Bestechlichkeit im Geschäftsverkehr besteht. Die Wissenszurechnung gilt nicht nur im
rechtsgeschäftlichen Bereich, sondern auch bei vergleichbaren Interessenlagen, bei denen
einen rechtsgeschäftliche Stellvertretung nicht vorliegt ( a.a.O., Rdnr. 9:
MünchKomm/Schramm, BGB, 4.Aufl.,§ 166 Rdnr. 36). Möglichen Ansprüchen auf
Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses nach §§ 812 ff BGB aufgrund eines Verstosses
gegen §§ 134, 138 BGB steht demnach § 817 S. 2 BGB entgegen, da der Geschäftsführer
F. nicht nur von der Unrechtsvereinbarung gewußt, sondern ebenfalls daran mitgewirkt
haben soll. Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gegen die Fa. NDT - hier
kann offen bleiben, worin ein Schaden der AVG liegen könnte - scheiden aus den gleichen
Überlegungen aus, da die Fa. AVG bei Vertragsabschluss weder getäuscht worden noch
sittenwidrig zu ihren Lasten gehandelt worden sein soll .
Der Vorrang des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB hat in dieser Konstellation insoweit keine
Bedeutung, als die frühere Verfallsbeteiligte, die Fa. L. & C. T. selbst Geschädigte ist und
ihr daraus Schadensersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer und /oder die übrigen
Mitangeschuldigten zustehen können. Denn diese Ansprüche resultieren aus der
Vertragsverletzung des Geschäftsführers Dr. N., dem Untreuehandlungen zum Nachteil der
früheren Verfallsbeteiligten zur Last liegen. Diesen Ansprüchen wird in vollem Umfang
Rechnung getragen durch die Arrestanordnung in das Vermögen des Angeschuldigten Dr.
N., die Gegenstand des Parallelverfahrens 2 Ws 436/03 ist. Dass die Fa. L. & C. T.
Adressat einer Arrestanordnung wegen eines zukünftigen Verfalls ist und zugleich
Geschädigte, zu deren Gunsten ein Arrest zur Anspruchssicherung gegen den
Angeschuldigten verhängt worden ist, liegt an der besonderen Konstellation dieses
Sachverhalts, steht aber nicht dem gegen sie zur Verfallssicherung verhängten Arrest
entgegen.
Auch die von dem Verfallsbeteiligten erwähnte Entscheidung des Bundesgerichtshofes
vom 15.1.2003 - NStZ 03, 423 - führt zu keinem anderen Ergebnis. Es handelt sich um eine
abweichende Fallkonstellation, weil in dem dort zugrunde liegenden Fall dem
Bestechungserlös ein - spiegelbildlich - entsprechender Schaden bei dem Dienstherrn
gegenüberstand, der aus der Verletzung der Dienstpflicht entstand. Hier entstand der von
N. verursachte Schaden durch Zahlungen auf fingierte Rechnungen, um auf diese Weise
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Mittel für Bestechungsgelder zur Verfügung zu haben, indes schon bei der Fa. NDT - nicht
der AVG.
e.
Soweit der Arrest in das Vermögen der Fa. L. & C. T. bereits durch wirksame
Forderungspfändungen und unter Wahrung der Frist des § 88 InsO vollzogen worden ist,
haben diese Pfändungen und der insoweit zugrunde liegende Arrest auch im
Insolvenzverfahren Bestand.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners führt nämlich
nicht zur Aufhebung des Arrests, wenn der Gläubiger Sicherheiten erlangt hat, für die ihm
ein Absonderungsrecht zusteht. Anders beurteilt sich der Bestand des Arrests, wenn dieser
noch nicht vollzogen ist. Dann kommt wegen § 89 InsO eine Aufhebung in Betracht, da er
nicht mehr vollzogen werden kann ( vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 927 Rdnr. 7;
Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2.Aufl., § 927, Rdnr. 18 ).
Dieses Ergebnis, das für den nach den Vorschriften der ZPO erlassenen Arrest gilt, hat
auch für den nach §§ 111b, 111d StPO angeordneten Arrest gleichermaßen Gültigkeit. Auf
den strafprozessualen dinglichen Arrest finden im Wesentlichen die Vorschriften der ZPO
über § 111d Abs. 2 StPO Anwendung. Somit wird auch der aufgrund von § 111d StPO
erlassene Arrest nach den zivilprozessualen Regeln vollstreckt, §§ 930-932 ZPO. Die
Vollziehung in das bewegliche Vermögen wird durch Pfändung bewirkt, diese darf jedoch
wegen des Sicherungscharakters noch nicht zur Befriedigung des Gläubigers führen. Die
Vollziehung des Arrestes in Forderungen des Schuldners bestimmt sich nach §§ 829 ff
ZPO. Das durch wirksame Pfändung einer Forderung ( § 829 ZPO ) entstandene
Pfändungspfandrecht berechtigt in der Insolvenz des Schuldners zu einer abgesonderten
Befriedigung des Gläubigers, § 50 Abs. 1 InsO ( Kübler/Prütting, InsO, § 50, Rdnr. 15; § 80,
Rdnr. 77 ff; MünchKomm/Ott, InsO, § 80, Rdnr. 158).
Die im Tenor aufgeführten Forderungen sind durch die Staatsanwaltschaft wirksam am
4.3.2002 sowie am 8.3.2002 gepfändet worden, so dass zugunsten des Landes NRW
hinsichtlich dieser Forderungen ein Pfändungspfandrecht entstanden ist. Somit unterliegen
diese Forderungen in der Insolvenz der abgesonderten Befriedigung nach §§ 50 Abs. 1 i.
V. m. 80 Abs. 2 S. 2; 166 ff InsO.
Nach Meinung des Senats sind keine Gründe ersichtlich, warum diese über § 111d Abs. 2
StPO eröffnete zivilprozessuale Folge nicht auch für eine im Rahmen eines Arrestes zur
Sicherung des Wertersatzverfalls gepfändete Forderung Geltung finden soll. Weder findet
sich eine gesetzliche Vorschrift, die der dargestellten Lösung widerspricht, noch besteht
aus systematischen oder inhaltlichen Gründen Anlaß, von dieser gesetzlichen Lösung
abzuweichen ( so auch KMR/Mayer, SPO, § 111d, Rdnr. 18; Hellerbrand, wistra 03,201,
208).
Entgegen der Ansicht des Verfallsbeteiligten läßt sich den gesetzlichen Regelungen der
Insolvenzordnung keine gegenteilige Lösung entnehmen.
§ 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO bestimmt den Nachrang staatlicher Forderungen gegenüber den
Forderungen anderer Gläubiger; dazu mögen auch der Verfall und Verfall des Wertersatzes
gehören, was hier offen bleiben kann. Indes betrifft diese Regelungen nur die Fälle, in
denen nicht bereits vorher durch vollzogenen Arrest eine vorläufige Sicherung erzielt
wurde. Eine Erstreckung dieser Regelung auf grundsätzlich sämtliche staatlichen
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Ansprüche iSd. § 39 Abs. 1 Nr. InsO, wie es der Verfallsbeteiligte vorschlägt, führt dazu,
dass die zur Sicherung des Verfalls des Wertersatzes gebotenen Möglichkeiten vor
Urteilserlaß, nämlich gerade die Regelungen der §§ 111b, 111c, 111d StPO, leer laufen
würden, sofern der Schuldner nach Anordnung der Sicherung insolvent wird.
Auch § 80 Abs. 2 InsO vermag die Ansicht des Verfallsbeteiligten nicht zu stützen. Abs. 2 S.
2 dieser Vorschrift sieht ausdrücklich vor, dass die Wirkungen einer Pfändung im Wege der
Zwangsvollstreckung nicht von der Insolvenz berührt werden. Damit ist zugleich der
Vorrang des Satzes 2 gegenüber Satz 1 zum Ausdruck gebracht. Dasselbe Ergebnis folgt
aus in den Materialien zur InsO:
" Satz 2 stellt klar, daß die Regelung weder die Pfändung von beweglichen Sachen oder
Rechten noch die Beschlagnahme von unbeweglichem Vermögen im Wege der
Zwangsvollstreckung in Frage stellt. Diese Vollstreckungsmaßnahmen gewähren im
Insolvenzverfahren ein Recht auf abgesonderte Befriedigung..." ( so BT-Drucksache
12/2443, S. 135 zu dem damaligen § 91 - andere Numerierung ).
§ 91 Abs. 1 InsO widerspricht ebensowenig dieser Lösung, da es vorliegend nicht um den
Rechtserwerb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht, sondern um die Frage des
Bestandes einer bereits wirksamen Pfändung.
Der Senat sieht auch keine systematischen Gründe oder Interessenwidersprüche, die ein
anderes Ergebnis verlangen.
Der von dem Verfallsbeteiligten vorgebrachte Einwand, dass bei einer späteren
Verfallsanordnung durch Urteil der daraus folgende Anspruch des Staates im
Insolvenzverfahren wegen § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO zurücktreten müsse, so dass es nicht
einsichtig sei, wenn derzeit schon vor Erlaß des Urteils ein erst zukünftiger Anspruch aus
einer eventuellen zukünftigen Verfallsanordnung gesichert werde, überzeugt nicht.
Abgesehen von obigen Überlegungen ist ergänzend zu bemerken, dass auch ein Arrest im
Zivilverfahren, der in gleicher Weise vollzogen wird, der Sicherung eines erst zukünftigen
oder eines bedingten Anspruchs dienen kann ( vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 916
Rdnr. 4 f ). Voraussetzung ist jedoch in beiden Fällen, dass das Entstehen dieses
Anspruchs sehr wahrscheinlich ist: zivilrechtlich ist der Anspruch schlüssig darzulegen und
glaubhaft zu machen; für den strafrechtlichen Verfall des Wertersatzes müssen dringende
Gründe sprechen.
Schließlich kann nicht schon die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für sich der
entscheidende Grund sein, sämtliche staatlichen Ansprüche gegenüber dem Täter oder
dem aus der Tat Begünstigten zurückzustellen zugunsten der Befriedigung der übrigen
Gläubiger. Zwar ist regelmäßig Folge des Insolvenzverfahrens, dass etwaige
Vermögensvorteile der Tat nicht mehr dem Täter oder seinem Begünstigten unmittelbar
zufließen können. Mittelbar bringt das Insolvenzverfahren indes dem Täter durchaus
Vorteile, da er bei einer (Teil-) Befriedigung seiner Gläubiger von Schulden entlastet wird
und zwar, würde man sämtliche staatlichen Ansprüche zurückstellen, auf Kosten des
Staates.
Im Ergebnis sieht der Senat deshalb kein Bedürfnis, bei der Ausgestaltung der
strafrechtlichen Arrestanordnung von den zivilrechtlichen Regelungen abzuweichen.
Die Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften hat andererseits zur Folge, dass der
Arrest, soweit er nicht vollzogen wurde, sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
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erledigt hat. Denn ein Vollzug des Arrestes, der nur durch eine Einzelvollstreckung möglich
wäre, ist wegen § 89 Abs. 1 InsO unzulässig. Mithin ist der Arrest im Übrigen, soweit er
nicht bereits vollzogen ist, aufzuheben ( Zöller, a.a.O., § 927, Rdnr. 7 ).
f.
Es besteht auch, soweit der Arrest Bestand hat, ein Arrestgrund nach §§ 111d Abs. 2 StPO,
917 Abs. 1 ZPO, da zur Sicherung der gepfändeten Forderungen dieser nach wie vor
notwendig ist. Dazu tritt der Senat den Ausführungen des Landgerichts bei.
g.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.