Urteil des OLG Köln vom 28.02.2000

OLG Köln: erstinstanzliches gericht, abänderungsklage, wahrscheinlichkeit, anzeichen, hauptsache, nettoeinkommen, gehalt, anknüpfung, selbstbehalt, angemessenheit

Oberlandesgericht Köln, 14 WF 11/2000
Datum:
28.02.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
14. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 WF 11/2000
Normen:
ZPO § 114;
Leitsätze:
Erfolgsaussicht einer Klage, gestützt auf die ständige Rechtsprechung
des BGH
ZPO § 114 Stützt sich eine um Prozeßkostenhilfe nachsuchende Partei
auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, kann der
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung die Erfolgsaussicht
grundsätzlich nicht mit dem Hinweis abgesprochen werden, das Gericht
vermöge sich der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs nicht
anzuschließen.
G r ü n d e
1
I.
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Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute, aus deren Ehe 3 bei der Beklagten
lebende Kinder (geboren 1987, 1989 und 1992) hervorgegangen sind. Der Kläger ist
außerdem Vater von 2 weiteren Kindern, von denen eines 6 Jahre alt und das andere
1995 geboren ist.
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Im Jahre 1994 schlossen die Parteien einen Vergleich, demzufolge sich der jetzige
Kläger zur Zahlung monatlichen Unterhalts von 264,00 DM für das älteste gemeinsame
Kind, je 217,00 DM für die beiden jüngeren gemeinsamen Kinder sowie 852,00 DM für
die Beklagte selbst verpflichtete. Grundlage dieses Vergleichs waren ein bereinigtes
Nettoeinkommen des Klägers von monatlich 3.077,00 DM und eine Unterhaltspflicht für
eine Ehefrau und (damals noch) 4 Kinder.
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Der Kläger begehrt Prozeßkostenhilfe für eine Abänderungsklage, mit der er erreichen
will, daß der titulierte Gesamtunterhalt von (264 + 217 + 217 + 852 =) 1.550,00 DM
monatlich ab November 1999 auf insgesamt 1.078,76 DM monatlich reduziert wird,
wobei der Kindesunterhalt erhöht (für das älteste Kind auf monatlich 311,10 DM, für die
beiden jüngeren Kinder auf monatlich je 262,91 DM), der Ehegattenunterhalt auf
monatlich 241,84 DM abgesenkt werden soll.
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Das derzeitige bereinigte Nettoeinkommen des Klägers ist gegenüber demjenigen bei
Abschluß des Vergleichs nahezu unverändert, es beträgt unstreitig monatlich 3.083,11
DM.
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Der Abänderungsklage liegt eine Mangelfallberechnung zugrunde, bei welcher der
Kläger von seinem Einkommen zunächst für alle (nunmehr) 5 Kinder die
Tabellenbeträge nach der 1. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle - insgesamt
2.158,00 DM - in Abzug gebracht hat. Von dem Restbetrag von 925,11 DM hat er
sodann 3/7 = 396,47 DM als Unterhaltsquote der Beklagten errechnet. Die
vorgenannten Tabellenunterhaltsbeträge und den Betrag von 396,47 DM hat er als
Einsatzbeträge in die Mangelfallberechnung eingestellt und ist damit zu einem
Gesamtunterhaltsbedarf von monatlich 2.554,47 DM gelangt. Diesen hat er dem für
Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Einkommen von (3.083,11 - 1.500 =)
1.583,11 DM gegenübergestellt und sodann die Einsatzbeträge auf die ermittelte
Mangelquote von rund 61 % gekürzt.
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Mit dem angefochten Beschluß hat das Amtsgericht das Prozeßkostenhilfegesuch
zurückgewiesen und zur Begründung unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der
Beklagten ausgeführt, der Ehegattenunterhalt sei im Rahmen der Mangelfallberechnung
mit einem Betrag von monatlich 1.300,00 DM als Einsatzbetrag zu berücksichtigen. Da
die Beklagte außergerichtlich ihre Bereitschaft erklärt habe, sich auf den danach
errechneten Gesamtunterhalt von monatlich 1.235,78 DM zu einigen, habe sie insoweit
keine Veranlassung zur Abänderungsklage gegeben, weswegen der Kläger, soweit die
Rechtsverfolgung Erfolg verspreche, gemäß § 93 ZPO die Kosten tragen müsse.
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Auf die hiergegen erhobene Beschwerde des Klägers hat das Amtsgericht in seiner
Nichtabhilfeverfügung vom 18. Januar 2000 sinngemäß weiter ausgeführt, der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf welche sich der Kläger berufe, könne
nicht gefolgt werden, vielmehr sei der Ehegattenunterhalt mit einem
Mindestbedarfsbetrag in die Mangelfallberechnung einzustellen.
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II.
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Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Beschwerde des Klägers führt in der
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Sache zu dem aus der Beschlußformel ersichtlichen vorläufigen Erfolg.
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1. Das Amtsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß die Abänderungsklage keine
Aussicht auf Erfolg biete. Stützt sich eine um Prozeßkostenhilfe nachsuchende Partei
auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, kann der Rechtsverfolgung
oder -verteidigung die Erfolgsaussicht grundsätzlich nicht mit dem Hinweis
abgesprochen werden, das Gericht vermöge sich der Rechtsauffassung des
Bundesgerichtshofs nicht anzuschließen. Dies stünde im Widerspruch zu den
Anforderungen, die nach allgemeiner Ansicht an die Erfolgsprüfung gemäß § 114 ZPO
zu stellen sind. Danach ist nämlich schon dann von hinreichender Erfolgsaussicht
auszugehen, wenn das Gericht nach vorläufiger summarischer Prüfung den
Rechtsstandpunkt der Prozeßkostenhilfe beantragenden Partei zumindest für vertretbar
hält und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Prozeßerfolg spricht, wobei es nicht
einmal der überwiegenden Wahrscheinlichkeit bedarf (vgl. dazu
Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl. 1999,
Rdn. 409; Wendl/Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4.
Auflage 1997, Rdn. 11 zu § 114, jeweils mit weiteren Nachweisen). Ferner entspricht es
allgemeiner Auffassung, daß die Instanzgerichte nicht von fehlender Erfolgsaussicht
ausgehen dürfen, wenn die Entscheidung von der Beantwortung einer schwierigen,
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bislang höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. dazu und zum
Folgenden Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rdn. 412; Wendl/Thalmann,
a.a.O.). Erst recht kann dann aber die Erfolgsaussicht nicht verneint werden, wenn - wie
hier - die Rechtsfrage im Sinne der Prozeßkostenhilfe begehrenden Partei
höchstrichterlich entschieden ist, mag auch das Instanzgericht die höchstrichterliche
Rechtsprechung für unzutreffend halten.
Für dieses Ergebnis spricht auch folgende Überlegung: Würde ein erstinstanzliches
Gericht aufgrund seiner von der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs
abweichenden Ansicht in der Hauptsache zuungunsten der Prozeßkostenhilfe
beantragenden Partei entscheiden, müßte ein mit einem hiergegen erhobenen
Rechtsmittel befasstes Oberlandesgericht, wollte es ebenfalls dem Bundesgerichtshof
nicht folgen, gemäß §§ 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 621d Abs. 1, 621e Abs. 2 Satz 1 ZPO
die Revision bzw. die weitere Beschwerde zulassen. Schon daraus ergibt sich die oben
dargestellte gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich letztlich die auf der
höchstrichterlichen Rechtsprechung beruhende Rechtsverfolgung oder - verteidigung
durchsetzen wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein Rechtsmittel in der
Hauptsache möglich und nicht zweifelsfrei ausgeschlossen ist (Wendl/Thalmann, a.a.O.,
Rdn. 12 zu § 114).
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Anders mag es im Einzelfall sein, wenn begründete Anzeichen dafür bestehen,
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daß der Bundesgerichtshof bei einer erneuten Befassung mit der betreffenden
Rechtsfrage nicht länger an seiner bisherigen Auffassung festhalten, sondern künftig im
Sinne der von dem Instanzgericht vertretenen Ansicht entscheiden wird. Solche
Anzeichen könnten sich beispielsweise aus einem obiter dictum in einer anderen
Entscheidung, in welcher es auf die Rechtsfrage letztlich nicht ankommt, ergeben. Im
vorliegenden Fall bestehen derartige Anhaltspunkte jedoch nicht. Vielmehr ist der
Bundesgerichtshof bisher ungeachtet aller kritischen Stellungnahmen aus dem
Schrifttum und gegen den Widerstand verschiedener Oberlandesgerichte bei seiner
Ansicht geblieben, daß als Unterhaltsbedarf des Ehegatten im Mangelfall kein
allgemeiner Mindestbedarf anzusetzen ist, sondern nur der sich nach §§ 1361, 1578
BGB - unter Vorwegabzug des Kindesunterhalts - ergebende Betrag (vgl. dazu u.a. die
Darstellung bei Hoppenz, Ehegattenbedarf im Mangelfall, FamRZ 1999, 1473 ff.).
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2. Soweit das Amtsgericht weiter gemeint hat, der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
stehe der Umstand entgegen, daß die Beklagte im Rahmen einer Absenkung des
Gesamtunterhalts auf monatlich 1.235,78 DM keine Veranlassung zur Klage gegeben
habe, erscheint es schon fraglich, ob mit dieser Begründung Prozeßkostenhilfe versagt
werden durfte oder nicht ein förmlicher Verzicht der Beklagten auf den in Rede
stehenden Teil des titulierten Anspruchs hätte vorliegen müssen (vgl. dazu allgemein
Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rdn. 470 mit Rechtsprechungsnachweisen).
Das kann indes dahinstehen, weil das Verhalten der Beklagten zeigt, daß sehr wohl
Klageveranlassung auch insoweit bestanden hat, als die Beklagte selbst eine
Absenkung des titulierten Gesamtbetrages für gerechtfertigt angesehen hat. Der Kläger
hat nämlich vorgetragen und dies auch durch seine Gehaltsabrechnung für Dezember
1999 belegt, daß die Beklagte nach wie vor in Höhe des titulierten Gesamtbetrages von
1.550,00 sein Gehalt pfänden läßt (Bl. 25, 26).
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3. Ein möglicher Einwand gegen die vom Kläger erstrebte Abänderung des
Unterhaltsvergleichs könnte daraus hergeleitet werden, daß im Bezug auf den
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Kindesunterhalt höhere als bisher festgesetzte Unterhaltsbeträge tituliert werden sollen.
Dem naheliegenden Argument des insoweit fehlenden Rechtsschutzinteresses wegen
der Möglichkeit der freiwilligen Mehrzahlung ist jedoch entgegenzuhalten, daß der
Kläger bei einer isolierten Herabsetzung des Ehegattenunterhalts auf den von ihm
errechneten Betrag mit Anträgen auf Erhöhung des Kindesunterhalts zu rechnen hätte.
Einer dahingehenden Abänderungsklage könnte er nur mit dem Hinweis begegnen, daß
er
freiwillig zu einer entsprechenden Titulierung des erhöhten Kindesunterhalts - auf seine
Kosten - bereit gewesen sei. Von daher ist der jetzt vom Kläger beschrittene Weg, den
gesamten Unterhalt neu titulieren zu lassen, prozeßökonomisch und unter
Kostengesichtspunkten vernünftig.
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4. Ob es letztlich bei den vom Kläger errechneten Unterhaltsbeträgen verbleibt oder
aber die Relation zwischen Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt eine Verschiebung
zugunsten des Letzteren gebietet, ist mit der grundsätzlichen Anknüpfung an die
Berechnungsweise des Bundesgerichtshofs zu den Einsatzbeträgen im Mangelfall noch
nicht entschieden. Vielmehr bedarf es insoweit noch einer abschließenden Prüfung des
Ergebnisses auf seine Angemessenheit (vgl. dazu BGH FamRZ 1997, 806 ff. [811 unter
4. e)] ), die dem Amtsgericht vorbehalten bleibt. Klar dürfte aber sein, daß es bei einem
nahezu unverändertem Einkommen des Klägers angesichts der hinzugekommenen
Unterhaltsverpflichtung für ein weiteres Kind und dem gestiegenen notwendigen
Selbstbehalt des Klägers (bei Vergleichsabschluß 1994 waren es 1.300,00 DM
monatlich, jetzt sind es 1.500,00 DM) zu einer Absenkung der
Gesamtunterhaltsverpflichtung kommen muß.
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Da das Amtsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - die subjektiven
Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe bisher nicht geprüft hat, war
ihm die erneute Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch des Klägers unter
Beachtung der vorstehenden Ausführungen gemäß § 575 ZPO zu überlassen.
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