Urteil des OLG Köln vom 04.01.2002

OLG Köln: beweisverfahren, eigentum, erfahrung, verfahrenseinleitung, gebäude, maurer, miteigentümer, folgekosten, datum, sanierung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 11 W 59/01
04.01.2002
Oberlandesgericht Köln
11. Zivilsenat
Beschluss
11 W 59/01
Landgericht Köln, 18 OH 85/99
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der 18. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 04.07.2000 - 18 OH 85/99 - abgeändert. Der
Streitwert für das selbständige Beweisverfahren wird auf 40.000,00 DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Senat versteht den Vortrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller dahin,
dass die Erhöhung des Streitwerts im eigenen Namen begehrt wird und dass dem gemäß
auch die Beschwerde im eigenen Namen der Verfahrensbevollmächtigten eingelegt ist; die
Antragsteller wären durch die Festsetzung des Streitwerts auf einen zu niedrigen Betrag
nicht beschwert. Mit dieser Maßgabe ist die Beschwerde zulässig (§ 9 Abs. 2 Satz 1
BRAGO, § 25 Abs. 3 GKG). Sie ist auch begründet.
Der Senat setzt den Streitwert auf 40.000,00 DM fest.
Das Landgericht hat den Streitwert für das selbständige Beweisverfahren auf 20.000,00 DM
bemessen und eine Erhöhung mit der Begründung abgelehnt, die Beschwerdeführer
müssten sich an ihren eigenen Angaben in der Antragsschrift festhalten lassen, weitere
Erkenntnisse hätten sich im Verlauf des Verfahrens nicht ergeben.
Das hält der Senat nicht für richtig.
Die 19 Antragsteller haben als Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage das gegen
die Antragsgegnerin als Bauträgerin gerichtete selbständige Beweisverfahren eingeleitet,
weil festgestellt werden sollte, ob die Rohrleitungen in der Wohnungseigentumsanlage hart
gelötet sind und es deshalb zu Lochfraß und zu regelmäßigen Rohrbrüchen kommt. Der
Sachverständige hat in seinem Gutachten festgestellt, dass die Rohre hart gelötet sind und
dass die Möglichkeit von Schäden besteht. Zu dem durch die Beseitigung der
Hartlotverbindungen entstehenden Kosten hat er sich zwar nicht konkret geäußert; er hat
jedoch ausgeführt, die Kosten seien unverhältnismäßig hoch, insbesondere wegen der
Folgekosten an anderen Gewerken, wie Stemmarbeiten, Maurer-, Putzer-, Fliesenleger-
und Malerarbeiten. Bei dieser Sachlage liegt es auf der Hand, dass der Betrag von
20.000,00 DM zu niedrig angesetzt ist. Die vom Sachverständigen beschriebene
Sanierung, die in dem Gesamtobjekt (4 Gebäude mit 30 Wohneinheiten, von denen nur
noch 6 im Eigentum der Antragsgegnerin stehen) durchgeführt werden müsste, wird nach
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aller Erfahrung voraussichtlich einen deutlich höheren Kostenaufwand erfordern. Dem
kommt der von den Beschwerdeführern genannte Betrag von 40.000,00 DM ersichtlich
näher als der vom Landgericht festgesetzte Betrag.
Unerheblich ist, dass der Streitwert in der Antragsschrift mit 20.000,00 DM angegeben ist.
Diese Angabe ist dort ausdrücklich als "vorläufig" bezeichnet. Nach der Rechtsprechung
des Senats (OLGR 2001, 60 und 160, jeweils mit weiteren Nachweisen) richtet sich der
Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens nach dem materiellen Interesse des
Antragstellers im Zeitpunkt der Einreichung des Beweissicherungsantrages, das gemäß §
3 ZPO zu schätzen ist. Ist - wie hier - ein Hauptsacheprozess noch nicht anhängig, ist das
Interesse des Antragstellers nach dem Umfang der von ihm behaupteten
Gewährleistungsansprüche zu bewerten. Dabei ist nicht auf die subjektive Einschätzung
des Antragstellers, sondern die objektive Bewertung der mitgeteilten Tatsachen
abzustellen. Auf die vorläufige Schätzung des Gegenstandswerts, die gemäß § 23 Abs. 1
GKG bei der Verfahrenseinleitung zu erfolgen hat, nach § 23 Abs. 2 GKG aber jederzeit
berichtigt werden kann, kommt es für die Streitwertfestsetzung deshalb jedenfalls dann
nicht an, wenn es sich - wie hier - ersichtlich um eine durch keine greifbaren Tatsachen
untermauerte Schätzung handelt und die Kosten der Mängelbeseitigung durch das
einzuholende Gutachten gerade erst festgestellt werden sollen. In diesem Fall sind die vom
Sachverständigen ermittelten tatsächlichen Mangelbeseitigungskosten ein brauchbarer
Ausgangspunkt für die Wertfestsetzung. Kann der Sachverständige - wie hier - den
Kostenaufwand nicht konkret angeben, muss das Gericht den Streitwert anhand der
vorgetragenen Tatsachen und der sonst vorliegenden Erkenntnisse, zu denen auch
Erfahrungswissen in Bausachen gehört, schätzen. Den Antragsteller bzw. seinen
Verfahrensbevollmächtigten an der vorläufigen Angabe in der Antragsschrift festzuhalten,
ist dem gemäß verfehlt (vgl. auch Egon Schneider, MDR 1998, 251, 256 mit weiteren
Nachweisen).
Eine Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst (§ 25 Abs. 4
GKG).