Urteil des OLG Köln vom 13.08.2002
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Oberlandesgericht Köln, 9 U 21/02
Datum:
13.08.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 21/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 0 95/01
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 10.01.2001 verkündete Urteil
der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 95/01 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist unbegründet.
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch wegen des
Verkehrsunfalls vom 08.06. 2000 des bei der Beklagten kaskoversicherten Leasing-
Kraftfahrzeugs Chevrolet Camaro Z 28 (amtliches Kennzeichen: x - x xxxx) aus §§ 1, 49
VVG, § 12 Nr. 1 II e) AKB nicht zu. Der Ersatzanspruch des Klägers entfällt, weil die
Beklagte wegen schuldhafter Verletzung der dem Versicherungsnehmer nach § 7 I Nr. 2
Satz 3 AKB obliegenden Aufklärungspflicht gemäß § 7 V Nr. 4 AKB in Verbindung mit §
6 Abs. 3 VVG von ihrer etwaigen Leistungspflicht frei geworden ist.
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Der Versicherungsnehmer ist nach Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 7 I Nr. 2
Satz 3 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein
kann. Dazu gehört auch die Pflicht, den Versicherer wahrheitsgemäß und vollständig
über solche Umstände zu unterrichten, die für die Feststellung der Höhe des Schadens
von Bedeutung sind. Die Auskünfte des Versicherungsnehmers müssen es dem
Versicherer insbesondere ermöglichen, sachgemäße Feststellungen über den
Unfallschaden zu treffen, um den Schaden regulieren zu können. Die Verpflichtung des
Versicherungsnehmers besteht auch im Hinblick auf die Frage, ob das Fahrzeug zum
Unfallzeitpunkt Vorschäden aufwies (vgl. Senat, r+s 1999, 364; r+s 2001, 57; 2002,147;
OLG Hamm, r+s 1998, 364, OLG Düsseldorf, r+s 2001, 499). Diese Obliegenheit nach
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Eintritt des Versicherungsfalls hat der Kläger verletzt.
In der Schadenanzeige vom 09.06.2000 (Bl.73, 74 GA) sind nämlich falsche Angaben
enthalten. In dem Formular ist auf die Frage nach reparierten Vorschäden "ja"
angekreuzt und nach der vorgedruckten Angabe "mit DM" handschriftlich eingetragen
worden "10.300,-". Die Fragestellung ist eindeutig. Sie zielt nicht auf Angaben zur (etwa
von einem Gutachter ermittelten) Höhe eines Vorschadens, vielmehr ist danach gefragt,
mit welcher Summe der Vorschaden tatsächlich repariert worden ist. Die Angaben
sollen es dem Versicherer ermöglichen, nähere Feststellungen zu den tatsächlich
entstandenen Reparaturkosten zu treffen.
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Die Antwort des Klägers ist so zu verstehen, dass eine Reparatur des Vorschadens mit
einem Aufwand von 10.300,00 DM durchgeführt worden ist. Dies ist aber nicht der Fall
gewesen. In Wahrheit hatte der Kläger eine Rechnung der G. P. GmbH über 2.202,84
DM einschließlich Mehrwertsteuer bezahlt. Damit ist von einer
Aufklärungspflichtverletzung auszugehen.
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Aus den objektiv unvollständigen und unzutreffenden Angaben des Klägers folgt
Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 7 I Nr. 2 Satz 3, V Nr. 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3
VVG. Die gegen ihn sprechende Vorsatzvermutung (§ 6 Abs. 3 S. 1 VVG) hat der Kläger
nicht widerlegt.
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Soweit der Kläger neu vorbringt, der Diebstahlschaden sei zu den von ihm in der
Schadenanzeige angegebenen Kosten repariert worden, ist dies nicht nachvollziehbar.
Ausweislich der Rechnung der Firma G., die das Datum 09.06.2000 trägt, sind
Seitenscheibe und Targadach rechts erneuert worden. Wenn der Kläger nunmehr
behauptet, die übrigen Reparaturen und Ersatzteile habe die Firma G. erledigt, ohne
dem Kläger Kosten in Rechnung zu stellen, so ist damit die Falschangabe nicht erklärt.
Fest steht, dass zu den Kosten von 10.300,-- DM eine Reparatur nicht durchgeführt
wurde. Außerdem hat der Sachverständige im Gutachten vom 16.06.2000 als
Altschäden Kratzer an der Tür rechts festgestellt. Dass diese nicht mehr erkennbar
gewesen sein sollen, wird von den vom Kläger selbst vorgelegten Farbfotos (Bl. 202
GA) widerlegt.
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Die Frage, ob im Hinblick auf die Angaben des Klägers in der Schadenanzeige zum
Kaufpreis ("65.000"), die der Kläger auch nicht zu erklären vermochte, und zur
Vorsteuerabzugsberechtigung ebenfalls von einer Obliegenheitsverletzung auszugehen
war, konnte offen bleiben.
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Nach den Grundsätzen der sog. Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofes
(BGH, VersR 1984, 228), tritt bei vorsätzlichen, aber für den Versicherer folgenlos
gebliebenen Verletzungen der Aufklärungspflicht Leistungsfreiheit allerdings nur ein,
wenn die Verletzung generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu
gefährden und wenn dem Versicherungsnehmer ein schweres Verschulden zur Last
fällt. Ferner muss er über den Eintritt der Leistungsfreiheit des Versicherers bei
derartigen Obliegenheitsverletzungen zutreffend belehrt worden sein. Diese
Voraussetzungen sind gegeben. Die Obliegenheitsverletzung war geeignet, die
Interessen der Beklagten als Versicherer ernsthaft zu gefährden. Es liegt auf der Hand,
dass der Kaskoversicherer für seine Regulierungsentscheidung darüber informiert sein
muss, ob und welche Vorschäden vorhanden waren und mit welchem Aufwand sie
gegebenenfalls repariert wurden.
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Die Belehrung in dem Formular der Schadenanzeige ist inhaltlich zutreffend und
entspricht den Anforderungen der Rechtsprechung (vgl. BGH VersR 1998, 447; r+s
1993, 321 ). Dem Versicherungsnehmer ist klar und deutlich gesagt, dass vorsätzlich
unrichtige oder unvollständige Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen,
auch wenn dem Versicherer hierdurch kein Schaden entsteht.
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Von einem nur geringen Verschulden des in der Schadenanzeige drucktechnisch
hervorgehoben und unmittelbar über der Unterschriftzeile über die mögliche Folge einer
Obliegenheitsverletzung belehrten Klägers kann nicht ausgegangen werden. Es liegen
keine Umstände vor, die sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen
könnten. Es handelt sich insgesamt betrachtet nicht um ein Fehlverhalten, das auch
einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb
ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag.
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Der Inhalt des nicht nachgelassenen Schriftsatzes des Klägers vom 15.07.2002 gibt
keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung.
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Soweit der Kläger vorträgt, die Seite 2 der Schadenanzeige sei nicht zu den Akten
gelangt, ist dies unzutreffend. Wie sich auch aus der Sitzungsniederschrift der
mündlichen Verhandlung vom 29.11.2001 vor dem Landgericht Köln (Bl. 75 GA) ergibt,
hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Schadenanzeige in Ablichtung zu
den Akten gereicht (vgl. Bl. 73, 74 GA).
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Auf die Frage der Höhe des Wiederbeschaffungswertes kam es nicht mehr an.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. waren nicht
gegeben.
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II. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren 15.860,63 EUR (31.020,70 DM)
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