Urteil des OLG Köln vom 01.06.2001
OLG Köln: einstweilige verfügung, werbung, lebensmittel, krebs, gemüse, vorbeugung, salat, verhütung, form, nahrung
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 6 U 10/01
01.06.2001
Oberlandesgericht Köln
6. Zivilsenat
Urteil
6 U 10/01
Landgericht Köln, 33 O 346/00
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 07.12.2000
verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Köln - 84 O 79/00 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu
gefasst: Die einstweilige Verfügung der 33. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 05.07.2000 - 33 O 346/00 - wird hinsichtlich der
Punkte 1 b), c), e) und g) aufgehoben; insoweit wird der auf ihren Erlass
gerichtete Antrag zurückgewiesen. Im darüber hinausgehenden Umfang
wird die einstweilige Ver- einstweilige Verfügung bestätigt. Von den
Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz werden dem Antragsteller 5/7,
der Antragsgegnerin 2/7 auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahren
haben der Antragsteller mit 1/3, die Antragsgegnerin mit 2/3 zu tragen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die in formeller Hinsicht einwandfreie Berufung ist insgesamt zulässig. In der Sache
vermag die Antragsgegnerin mit ihrem Rechtsmittel jedoch nur teilweise, nämlich
hinsichtlich des zu Ziff. 1 g) des Unterlassungsantrags bestätigten Verbots, durchzudringen.
I.
Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, dass der mit dem angefochtenen Urteil
aufrechterhaltene Verbotsausspruch teilweise zu weit gefasst sei, hat das allerdings keinen
Erfolg.
Zwar trifft es zu, dass das Landgericht das mit dem Unter-
lassungsantrag unter 1 a) begehrte Verbot lediglich hinsichtlich der Aussage "...Diese
Stoffe...sollen sogar vor Krebs schützen" aufrechterhalten hat. Im übrigen hat es die mit
dem Antrag gleichfalls angegriffenen Werbeaussagen ("Denn die Mittelmeerküche bietet
die besten Voraussetzungen für ein langes Leben: Sie rüstet das Immunsystem auf, stärkt
Herz und Kreislauf und entwaffnet freie Radikale....") für zulässig gehalten. Auch wenn
diese sachliche Beschränkung des Verbotes in der Formulierung des Tenors der
angefochtenen Entscheidung keinen Niederschlag findet, da in der bestätigten
einstweiligen Verfügung die gesamte Textpassage wiedergegeben ist, in der die mit dem
Unterlassungsantrag zu 1 a) beanstandeten Aussagen der Werbeanzeige enthalten sind,
geht jedoch der tatsächliche Umfang des aufrechterhaltenen Verbots zweifelsfrei aus den
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Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hervor. Vor diesem Hintergrund sind die
sachliche Reichweite des in der angefochtenen Entscheidung bestätigten Verbots sowie
dessen Vollstreckungsmöglichkeiten mit hinreichender Klarheit festgelegt und greift der
Einwand der Antragsgegnerin nicht, das Landgericht habe - soweit die einstweilige
Verfügung bestätigt wurde - das titulierte bzw. aufrechterhaltene Verbot zu weit belassen.
Auf die Kostenfolge, welche die mit der teilweisen Reduzierung des Verbotsausspruchs
vorgenommene Teilabweisung des unter Ziff. 1 a) verfolgten Unterlassungsanspruchs nach
sich zieht, wird im Rahmen der nachfolgenden Kostenentscheidung noch gesondert
einzugehen sein.
Hinsichtlich des Unterlassungsantrags unter Ziff. 1 d) gilt Entsprechendes. Der
Antragsteller hat das Verbot wegen der Aussage "Laut Studien kann Rotwein dazu
beitragen, den Cholesterinspiegel zu senken oder auch Herzkrankheiten vorzubeugen"
beantragt und auch erwirkt (vgl. Bl. 20). In dem angefochtenen Urteil wurde das Verbot
indessen allein wegen der ausgelobten vorbeugenden Wirkung gegen Herzkrankheiten
aufrechterhalten, was in der Sache ebenfalls eine teilweise Zurückweisung des Antrags
unter Ziff. 1 d) darstellt. Denn der Antragsteller hat nach der Antragsbegründung alternativ
Unterlassung sowohl der Aussage in bezug auf die Senkung des Cholesterinspiegels als
auch in bezug auf die Vorbeugung vor Herzkrankheiten begehrt. Obwohl die dargestellte
Beschränkung des Verbots im Tenor des landgerichtlichen Urteils nicht zum Ausdruck
gebracht ist, läßt sich dessen Entscheidungsgründen auch hier der tatsächliche Umfang
der Bestätigung des Unterlassungsausspruchs eindeutig entnehmen.
II.
Die von der Antragsgegnerin gegenüber ihrer Verurteilung in der Sache vorgebrachten
Einwände, mit denen sie in dem über die angefochtene Entscheidung hinausgehenden
Umfang insgesamt die Aufhebung der einstweiligen Verfügung sowie die Abweisung des
auf ihren Erlass gerichteten Antrags zu erreichen sucht, greifen nur hinsichtlich des mit dem
Antrag zu 1 g) vom Antragsteller verfolgten Unterlassungspetitums.
Im Einzelnen begründet sich dieses Ergebnis wie folgt:
1. Unterlassungsantrag gemäß Ziff. 1 a):
Zu Recht hat das Landgericht der Antragsgegnerin verboten, wie in der streitbefangenen
Werbeanzeige geschehen, zu behaupten, dass die in frischem Gemüse und Salat mit
Olivenöl enthaltenen Vitamine E, C und Beta-Carotin "..sogar vor Krebs schützen" sollen.
Die genannte Behauptung stellt sich als eine mit § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG unvereinbare
krankheitsbezogene Lebensmittelwerbung dar, deren Unterlassung der antragstellende
Verband nach Maßgabe von §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG verlangen kann.
Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 ist es verboten, im Verkehr oder in der Werbung mit Lebensmitteln
Aussagen zu verwenden, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von
Krankheiten beziehen. So liegt der Fall hier, soweit die Antragsgegnerin mit der
vorbezeichneten Werbeaussage für die darin erwähnten Lebensmittel behauptet, diese
"...sollen sogar vor Krebs schützen".
a) Soweit die Antragsgegnerin von vornherein in Abrede stellt, dass es sich bei der hier
fraglichen Aussage überhaupt um eine vom Tatbestand des § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG
erfasste Werbung für Lebensmittel handelt, vermag das nicht zu überzeugen. Das LMBG
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nimmt keine Definition des Begriffs der "Werbung" vor; diese wird vielmehr als ein Fall des
"Anbietens" verstanden, der gem. § 7 Abs. 1 LMBG wiederum unter den Begriff des
"Inverkehrbringens" zu subsumieren ist. Inverkehrbringen in der Form des Anbietens ist
danach jede Erklärung der Bereitschaft in irgendeiner (ausdrücklichen oder schlüssigen)
Form dritten Personen gegenüber, diesen bestimmte Waren zur freien Verfügung zu
übergeben, sei es entgeltlich oder unentgeltlich, gewerbsmäßig, allgemein oder im
Einzelfall sowie jede Form der Anregung zur Anschaffung von Ware. Hierunter fällt jede
Werbung in Wort, Bild oder Ton (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, § 7 LMBG Rdn. 10
m.w.N.). Nicht als "Anbieten" in diesem Sinne stellt sich die sog. Gruppen- oder
Gemeinschaftswerbung dar, die nur eine bestimmte Gattung von Lebensmitteln (z.B. Butter,
Margarine, Zigaretten) anpreist, ohne auf die Erzeugnisse eines bestimmten Herstellers
oder auf bestimmte Marken hinzuweisen (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O.). Schon nach diesen
Maßstäben handelt es sich bei der hier zu beurteilenden Aussage betreffend die
vorbezeichneten Wirkungen der Inhaltsstoffe von frischem Gemüse und Salat mit Olivenöl
indessen um das Angebot bzw. die Werbung für bestimmte Waren. Entgegen der Ansicht
der Antragsgegnerin wird nicht lediglich eine Gattung von Lebensmitteln ohne erkennbaren
Bezug zu den von ihr konkret unter ihren Hausmarken vertriebenen Erzeugnissen
angeboten. Die Antragsgegnerin führt vielmehr unmittelbar im Anschluss an die in Rede
stehende Aussage an, dass u.a. "...mit den Produkten aus ökologischer Landwirtschaft von
F. - den Leistungsmarken von R. - ...diese und noch weitere Nährstoffe ganz leicht ins Netz"
gingen, wobei in der weiteren Werbung auch diverse Gemüse- und Salatsorten, darunter
ein mit der Marke "F." gekennzeichnetes Netz Zwiebeln, abgebildet sind. In dieser Situation
kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass die Antragsgegnerin gerade die von ihr unter
ihrer Marke angebotenen frischen Gemüse und Salate mit Olivenöl und nicht lediglich die
Gattung "Gemüse" und "Salat mit Olivenöl" im allgemeinen anpreist. Es handelt sich daher
um das Angebot bestimmter, konkreter Lebensmittel, mithin um Werbung im aufgezeigten
Sinne. Ist aber die angegriffene Werbeaussage daher schon aus diesem Grund als eine
vom Tatbestand des § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG erfasste Werbung zu verstehen, bedarf es
nicht des Eingehens auf die Frage, ob sich § 18 LMB darüber hinaus auch auf die Fälle der
sog. "Gruppenwerbung" erstreckt, die sich gerade nicht auf ein bestimmtes, konkretes
Lebensmittel, sondern auf eine bestimmte Gattung von Lebensmitteln bezieht (vgl.
Zipfel/Rathke, a.a.O., § 7 LMBG Rdn. 30 und § 18 LMBG Rdn. 13 und 14), und sich die
streitbefangene Werbeaussage daher jedenfalls nach dem Verbot krankheitsbezogener
Werbung beurteilen lassen muss.
b) Die streitbefangene Werbeaussage weist auch den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG
geforderten "Krankheitsbezug" auf. Denn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen
Verkehrs, dem die Mitglieder des erkennenden Senats zugehörig sind, wird diese
Werbeaussage dahin verstehen, dass der ausreichende Genuss von frischem Gemüse
sowie Salat mit Olivenöl geeignet ist, der Entstehung von Krebs, mithin einer eindeutig als
Krankheit zu beurteilenden Störung der Beschaffenheit und/oder Funktionen des
menschlichen Körpers, vorzubeugen.
Daran ändert zum einen der Umstand nichts, dass die Antragsgegnerin die Eignung der in
frischem Gemüse und in Salat mit Olivenöl enthaltenen Vitamine E, C und Beta-Carotin
nicht unmittelbar als ihre eigene Erkenntnis darstellt, sondern diese mit der Formulierung
"...sollen (Hervorhebung durch den Senat) sogar vor Krebs schützen" als die von ihr zitierte
Meinung Dritter ausgibt. Denn eine Distanz dergestalt, dass die Antragsgegnerin selbst
diese Meinung für zweifelhaft hält und von ihr abrückt, wird dadurch nicht zum Ausdruck
gebracht. Indem die Antragsgegnerin eben diese Meinung gerade im Zusammenhang mit
den im übrigen beworbenen gesundheitsfördernden und lebensverlängernden
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Eigenschaften der "Mittelmeerküche" insbesondere für die als Bestandteile eben dieser
Ernährungsweise dargestellten Gemüse und Salat (mit Olivenöl) bzw. die darin enthaltenen
Vitamine zitiert, macht sie sich diese vielmehr zu eigen und lobt die danach behauptete
schützende Wirkung vor Krebs selbst für die beworbenen Lebensmittel aus.
Diese Aussage bezieht sich weiter auch auf die Verhütung einer Krankheit. Soweit die
Antragsgegnerin meint, damit werde keine Aussage betreffend die Verhütung einer
bestimmten Krankheit bezeichnet, weil die Bezeichnung "Krebs" nur die allgemeine
Umschreibung für "bösartige Neubildung" darstelle und es derart viele unterschiedliche
Arten von Krebserkrankungen gebe, dass kein Adressat der Werbung die Angabe "Krebs"
mit einer bestimmten Krebserkrankung in Verbindung bringe, vermag das nicht zu
überzeugen.
Allerdings es richtig, dass das in § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG formulierte Verbot
krankheitsbezogener Lebensmittelwerbung voraussetzt, dass der Bezug zu einer
bestimmten oder doch zumindest bestimmbaren Krankheit erkennbar ist (vgl. BGH WRP
1998, 505/506 - "Gelenk-Nahrung"-; Zipfel/Rathke, a.a.O., § 18 LMBG Rdn. 19). Nicht
erforderlich ist indessen, dass eine bestimmte konkrete Krankheit im medizinisch-
fachlichen Sinne ausdrücklich genannt wird. Es reicht vielmehr aus, dass nicht
unerhebliche Teile des von der Werbung angesprochenen Verkehrs aufgrund der dort
verwendeten Bezeichnung und/oder der angesprochenen Symptome auf das Vorliegen
einer bestimmten Krankheit schließen (vgl. BGH WRP 1998, 505/506 -"Gelenk-Nahrung";
Zipfel/Rathke, a.a.O., § 18 LMBG, Rdn. 16 und 17 a; vgl. auch Weidert in GRUR 1999,
955/958, rechte Spalte oben). Das ist hier der Fall. Denn auch wenn "Krebs" für sich
genommen in den verschiedensten Ausprägungen und Erscheinungsformen denkbar ist,
ändert das nichts daran, dass der Verkehr damit eine bestimmte Form der Erkrankung,
nämlich den Befall des Körpers mit malignen Tumoren, assoziiert. "Krebs" wird danach als
Oberbegriff einer bestimmten Erkrankung verstanden, die sich - je nach den befallenen
Organen - in verschiedenen medizinischen Erscheinungsbildern (z.B. "Lungenkrebs",
"Hautkrebs", "Darmkrebs") und Arten zum Ausdruck bringt. Selbst wenn daher in der hier
zu beurteilenden Werbeaussage keine spezifischen Krebsarten genannt sind, so versteht
der Verkehr den Hinweis "...sollen sogar vor Krebs schützen" als einen solchen auf die
Eignung der beworbenen Lebensmittel, die Entstehung einer bestimmten Krankheit zu
verhüten, so dass der erforderliche Krankheitsbezug der Lebensmittelwerbung zu bejahen
ist. Denn dass es sich bei Krebs überhaupt um eine Krankheit, nämlich um eine Störung
der normalen Beschaffenheit oder der normalen Funktion des Körpers handelt (vgl.
Zipfel/Rathke, a.a.O., § 18 LMBG Rdn. 16), kann keinem Zweifel unterliegen und wird auch
von der Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt.
1. Unterlassungsantrag gem. Ziff. 1 d):
Auch soweit das landgerichtliche Urteil die weitere Aussage "Laut Studien kann Rotwein
dazu beitragen....Herzkrankheiten vorzubeugen" wegen Verstoßes gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1
LMBG als krankheitsbezogene Lebensmittelwerbung untersagt hat, hält es den mit der
Berufung vorgebrachten Beanstandungen der Antragsgegnerin stand.
a) Nach den eingangs dargestellten Maßstäben handelt es sich bei dieser Aussage um
eine von § 18 Abs. 1 LMBG erfasste Lebensmittelwerbung. Denn auch hier wird gerade
unter Bezug auf die Hausmarken der Antragsgegnerin für Rotwein, mithin für ein
bestimmtes Lebensmittel geworben. Letztlich kann das aber dahinstehen, weil - wie sich
dies aus dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 LMBG "...oder in der Werbung für Lebensmittel
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allgemein..." ergibt - das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung auch die sog.
Gruppenwerbung erfasst, die sich nicht auf ein bestimmtes, konkretes Lebensmittel eines
Herstellers, sondern auf eine bestimmte Gattung von Lebensmitteln bezieht (vgl.
Zipfel/Rathke, a.a.O., § 7 LMBG Rdn. 30; § 18 Rdn. 14).
b) Die Werbeaussage bezieht sich weiter auch auf die Verhütung von Krankheiten.
aa) Soweit die Antragsgegnerin einwendet, mit der in Frage stehenden Aussage werde die
Eignung von Rotwein, zu einer Vorbeugung von Herzkrankheiten beizutragen, nicht
definitiv behauptet, sondern lediglich als möglich dargestellt, rechtfertigt das keine
abweichende Wertung. Denn mit dem Hinweis auf "Studien", nach denen Rotwein u.a.
dazu beitragen könne, auch Herzkrankheiten vorzubeugen, hat die Antragsgegnerin sich
diese bzw. deren dargestelltes Ergebnis zu eigen gemacht. Soweit die präventive Wirkung
von Rotwein vor Herzkrankheiten lediglich als möglich ("...kann ...dazu beitragen...")
dargestellt wird, schwächt das die behauptete krankheitsvorbeugende Wirkung von
Rotwein nicht etwa dahin ab, dass diese als nicht ernsthaft in Betracht zu ziehende
Außenseitermeinung oder als letztlich nicht belegbare Auffassung dargestellt wird. Gerade
der Hinweis auf "Studien" suggeriert, dass zur Frage der Wirksamkeit von Rotwein
betreffend u.a. die Vorbeugung vor Herzerkrankungen Untersuchungen vorliegen, die in
bezug auf die Methodik wissenschaftlichen Anforderungen genügenden. Der danach
gewonnenen Erkenntnis, wonach "...Rotwein dazu beitragen kann, den Cholesterinspiegel
zu senken oder auch Herzerkrankungen vorzubeugen", kommt folglich ein gewisses
Gewicht zu, wonach diese Wirkungen als wissenschaftlich belegt und belegbar in Betracht
zu ziehen sind. Daran, dass die angesprochene vorbeugende Wirkungen nicht als mit
Sicherheit oder Gewissheit eintretend versprochen sind, ist der Verbraucher bei
Vorgängen, die immerhin individuelle physische und physiologische Prozesse betreffen,
gewöhnt und versteht die Formulierung "...kann...dazu beitragen" vor dem dargestellten
Hintergrund daher nicht etwa als eine die Ernsthaftigkeit der Aussage, dass Rotwein u.a.
Herzerkrankungen verhüten helfen kann, in Frage stellende Einschränkung.
bb) Der werbliche Hinweis auf die Eignung von Rotwein, zur Vorbeugung von
Herzkrankheiten beizutragen, stellt auch den nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG geforderten
Bezug zu einer bestimmten Krankheit her. Dabei trifft es zwar zu, dass der Begriff der
"Herzerkrankungen" für sich genommen denkbar unspezifisch ist und die verschiedensten
Krankheitsbilder und -symptome zusammenfasst. Indessen kann im Streitfall nicht
übersehen werden, dass die Antragsgegnerin die vorbeugende Wirkung von Rotwein vor
Herzkrankheiten gerade im Zusammenhang mit der ebenfalls ausgelobten Wirkung, einen
Beitrag zur Senkung des Cholesterinspiegels leisten zu können, angeführt hat. Die Kreise
des von der Werbung angesprochenen Verkehrs, denen aus eigener Erfahrung oder aus
dem Bekannten- und/oder Verwandtenkreis oder aus sonstigen Informationsquellen
bekannt ist, dass es bei einem erhöhten Cholesterinspiegel beispielsweise zu
arteriosklerotischen Veränderungen und infolgedessen zu koronaren Herzerkrankungen
bis hin zum Herzinfarkt kommen kann, werden aber eben diese besondere Form der
Herzerkrankungen in der Werbeaussage konkret angesprochen sehen und daher den
Bezug zu einer "bestimmten" Krankheit erkennen, zu deren Vorbeugung der maßvolle
Genuss von Rotwein beitragen kann. Die genannten Verkehrskreise sind dabei auch als
erheblich anzusehen. Denn der Zusammenhang zwischen einem erhöhten
Cholesterinspiegel sowie Gefäßveränderungen und als deren Folge möglichen koronaren
Herzerkrankungen zählt - was die zu den angesprochenen Werbeadressaten zählenden
Mitglieder des Senats aus eigener Sachkunde und Lebenserfahrung beurteilen können - in
dieser Allgemeinheit zwischenzeitlich zum weit verbreiteten und populären
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Gesundheitswissen. Das rechtfertigt die Annahme, dass den von der Werbung
angesprochenen Adressaten zu einem großen Teil eben dieser Zusammenhang bekannt
ist und sie den Aussagewert der in Frage stehenden Werbebehauptung betreffend den
Beitrag, den Rotwein zur Senkung des Cholesterinspiegels oder zur Vorbeugung von
Herzerkrankungen leisten kann, vor dem Hintergrund dieses Wissens interpretieren und
daher i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG mit dem werblichen Hinweis, dass Rotwein dazu
beitragen kann, Herzkrankheiten vorzubeugen, eine bestimmte Krankheit in bezug
genommen sehen.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist diese Wertung auch mit Sinn und Zweck des
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG vereinbar. Das mit § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG verfolgte Verbot der
krankheitsbezogenen Lebensmittelwerbung soll eine "Selbstbehandlung" der
angesprochenen Verbraucher verhindern. Unabhängig davon, ob dem beworbenen
Lebensmittel die Wirkungen der Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten
tatsächlich zukommen, soll der angesprochene Verkehr vor Selbstbehandlungen und
Fehleinschätzungen über die Entbehrlichkeit ärztlicher Behandlungen geschützt werden.
Es soll verhindert werden, dass er das beworbene Lebensmittel als Arzneimittelersatz
betrachtet, mit dem eine wirksame und ausreichende Selbstbehandlung möglich sei, bzw.
dass bei ihm der Eindruck entsteht, er könne durch den Verzehr des angepriesenen
Lebensmittels als solches Krankheiten beseitigen, lindern oder verhüten (vgl. BGH WRP
1998, 505/506 -"Gelenk-Nahrung"; Weidert, a.a.O., S. 957 f; Zipfel/Rathke, a.a.O., § 18
LMBG Rdn. 8). Eben dieser Eindruck wird aber mit der fraglichen Werbeaussage
hervorgerufen. Auch wenn der Verkehr nicht ohne weiteres damit rechnet, bei im übrigen
ungesunder Lebensweise allein durch den regelmäßigen Konsum eines oder zweier
Gläser Rotwein Herzerkrankungen vorbeugen zu können, so besteht doch die Gefahr, dass
diejenigen Verbraucher, die sich einer maßvollen gesunden Lebensweise befleissigen,
erwarten, sich durch den in der Werbeaussage angesprochenen zusätzlichen Verzehr von
Rotwein vor - durch einen hohen Cholesterinspiegel bedingten - Herzerkrankungen
schützen zu können, und auf ärztliche Konsultationen verzichten und den eigentlich
erforderlichen Gang zum Arzt unterlassen, um dort ggf. ihren individuellen gesundheitlichen
Status betreffend die konkrete Disposition zu Herzerkrankungen feststellen zu lassen.
Dieser Teil des Verkehrs misst dann aber allein dem beworbenen Verzehr von Rotwein die
Eignung eines der Gefahr von Herzerkrankungen vorbeugenden Mittels zu, was nach der in
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG getroffenen Regelung gerade vermieden werden soll.
1. Unterlassungsantrag gemäß Ziff. 1 f):
Die Antragsgegnerin vermag mit ihrem Rechtsmittel ebenfalls nicht durchzudringen, soweit
das Landgericht die mit dem Unterlassungsantrag unter Ziff. 1 f) angegriffene Aussage
"...Diese können...den Blutdruck regulieren und sollen sogar eine krebsvorbeugende oder -
hemmende Wirkung haben" als nach Maßgabe von § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG i.V. mit § 1
UWG unzulässige Lebensmittelwerbung verboten hat.
Dass und warum sich die Werbeaussage hinsichtlich der angesprochenen
"krebsvorbeugenden oder -hemmenden Wirkung" von frischem Gemüse bzw. den darin
enthaltenen "Beta-Carotin und Ballaststoffen" sowie "wichtigen sekundären
Pflanzenstoffen" als vom Verbotstatbestand des § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG erfasste
krankheitsbezogene Lebensmittelwerbung darstellt, ergibt sich aus den obigen
Ausführungen unter Abschnitt II. 1., die auch hier Geltung beanspruchen und auf die daher
zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang Bezug genommen wird.
Ergänzend ist lediglich anzumerken, dass die bei der hier zu beurteilenden Aussage
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behauptete krebshemmende Wirkung sogar eine über die mögliche Vorbeugung vor dieser
Krankheit hinausgehende günstige Einflussnahme auf die Entwicklung von Krebs bei
bereits erkrankten Menschen auslobt, was die Werbung umso mehr in die Nähe einer
arzneiliche Wirkungen versprechende Lebensmittelwerbung rückt.
Aber auch hinsichtlich der seitens der Antragsgegnerin behaupteten Eignung frischen
Gemüses zur Blutdruckregulierung liegt eine krankheitsbezogene Werbung vor. Denn der
verwendete Begriff der "Regulierung" suggeriert, dass Abweichungen vorhanden sind, die
der Beeinflussung im Sinne eines Ausgleichs oder einer Normalisierung bzw.
"Begradigung" bedürfen. Dies würdigend assoziiert die von der Antragsgegnerin gewählte
Formulierung nicht etwa lediglich, dass der Verzehr von frischem Gemüse der Erhaltung
und Kräftigung eines normalen Blutdrucks, mithin der Gesunderhaltung dienlich sein kann,
so dass keine i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG "krankheitsbezogene", sondern vielmehr ein
ausschließlich "gesundheitsbezogene" Lebensmittelwerbung ohne Krankheitsbezug
vorläge. Die Antragsgegnerin stellt mit der Werbeaussage, dass die in frischem Gemüse
enthaltenen Beta-Carotin, Ballaststoffe und wichtigen sekundären Pflanzenstoffe, den
Blutdruck "regulieren" können, vielmehr den Bezug zu einer von normalen Blutdruckwerten
abweichenden, und daher "regulierungsbedürftigen" Störung der normalen Beschaffenheit
oder Funktion des Körpers, mithin zu einer Krankheit her. Denn dass es sich insbesondere
bei der Hypertonie, die sowohl sekundär, d.h. auf einer Grunderkrankung beruhend, als
auch primär, d.h. ohne nachweisbare Ursache sein kann, um ein eigenständiges
Krankheitsbild und nicht lediglich um einen Risikofaktor arteriosklerotischer
Gefäßerkrankungen handelt, hat der Antragsteller durch Vorlage des Anlagenkonvoluts 9
zum Schriftsatz vom 10.11.2000 (Bl. 133/135 f d.A.) glaubhaft gemacht.
4) Unterlassungsantrag gemäß Ziff. 1 g):
Soweit das Landgericht allerdings auch die Aussage "Denn dieser enthält die wichtigen
Omega-3-Fettsäuren, die u.a. das Herz schützen" als im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG
unzulässige krankheitsbezogene Lebensmittelwerbung untersagt hat, vermag der Senat
dem nicht beizutreten und hat die Berufung daher Erfolg.
Es ist bereits zweifelhaft, ob der dargestellten Aussage überhaupt ein Krankheitsbezug
entnommen werden kann.
Denn für sich allein genommen behauptet die Werbeaussage - anders als dies bei der
Aussage unter I.d) des Unterlassungsantrags der Fall ist - keine Eignung des Lebensmittels
zur Vorbeugung vor Herzkrankheiten, sondern lediglich eine das Herz schützende
Wirkung. Durch § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG sollen indessen allgemeine Hinweise auf die
Gesundheit oder Gesundheitsförderung ohne jeden Bezug auf eine Krankheit nicht
verboten werden. Allein gesundheitsbezogen ist eine Werbung, die lediglich den in der
Erhaltung oder Kräftigung der Gesundheit liegenden Wert eines Lebensmittels herausstellt
(vgl. Weidert, a.a.O., S. 958). Dabei spricht manches dafür, dem bloßen Hinweis auf die
Eignung eines Lebensmittels zum Schutz bestimmter Körperbereiche, -funktionen oder
Organe nicht bereits den Aussagewert des Versprechens einer vorbeugenden Wirkung vor
zumindest drohenden Krankheitszuständen beizumessen. Denn auch normale
Körperfunktionen können auf diesem Niveau gehalten werden, so dass der versprochene
"Schutz" lediglich der Erhaltung eines gesunden Status und nicht notwendig der
Vorbeugung vor Krankheiten dienen kann. Das gilt aber auch in der Situation, in der eine
Steigerung der Körperfunktionen bzw. des "Schutzes" bei Verzehr eines Lebensmittels als
möglich dargestellt wird. Denn dass deshalb dem aktuellen, ggf. verbesserungsfähigen
Status ein Krankheitswert zukommt, geht daraus nicht ohne weiteres hervor. Eine
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abweichende Würdigung, mithin die Annahme eines Krankheitsbezuges, lässt sich im
Streitfall auch nicht ohne weiteres aus dem konkreten textlichen Zusammenhang herleiten,
in den die streitbefangene Textpassage eingebettet ist. Auch wenn nicht übersehen werden
kann, dass der Leser bereits zuvor an anderer Stelle der Werbeanzeige - nämlich im
Zusammenhang mit dem als Bestandteil der "Mittelmeerküche" angepriesenen maßvollen
täglichen Konsum von Rotwein - auf die Eignung eines Lebensmittels hingewiesen worden
ist, Herzkrankheiten vorzubeugen, so wirkt dieser Eindruck doch nicht notwendigerweise
beim Lesen des hier betroffenen Textabschnittes noch nach. Denn es handelt sich dabei
um ein der Art nach ganz anderes Lebensmittel mit anderen eigens erwähnten
Inhaltsstoffen. Dass der Leser - wenn im Zusammenhang mit einem ganz anderen,
ebenfalls dem Menüplan der "Mittelmeerküche" zugehörigen Lebensmittel auf dessen
Eignung, das Herz schützen zu können, hingewiesen wird - noch einen gedanklichen
Bezug zu der in bezug auf Rotwein behaupteten Wirkung, einen Beitrag zur Vorbeugung
vor Herzkrankheiten leisten zu können, dergestalt herstellt, dass bei Genuss von Seefisch
bzw. den darin enthaltenen Omega-3-Fettsäuren auch ein Schutz vor zumindest drohenden
Krankheitszuständen des Herzens bewirkt werden kann, scheint fernliegend.
Spricht vor diesem Hintergrund daher bereits vieles dafür, die hier zu beurteilende
Werbeaussage als bloßen Hinweis auf die Erhaltung oder Förderung der Gesundheit zu
qualifizieren, so dass schon aus diesem Grund überhaupt kein Bezug zu einer Krankheit
hergestellt ist, so fehlt diesem jedenfalls aber die "Bestimmtheit". Eine Aussage bezieht
sich nur dann auf die Verhütung, Linderung oder Heilung einer Krankheit, wenn sie eine
bestimmte Krankheit oder ein bestimmtes Krankheitsbild direkt oder auch indirekt durch
Hinweise auf körperliche Zustände oder auf Wirkungen des Lebensmittels anspricht, die
der Verbraucher mit bestimmten Krankheiten in Verbindung bringen kann (vgl. BGH a.a.O. -
"Gelenk-Nahrung"-; Zipfel/Rathle, a.a.O., § 18 LMBG Rdn. 19 m.w.N.). So liegt der Fall hier
indessen nicht. Denn auch wenn insoweit nicht zu fordern ist, dass eine bestimmte
konkrete Krankheit benannt wird, muss es dem von der Werbung angesprochenen Verkehr
doch möglich sein, ein spezifisches Krankheitsbild zumindest in seiner allgemeinen
symptomatischen Erscheinungsform erkennen zu können. Irgendwelche Hinweise darauf,
welche Erkrankung des Herzens durch die erwähnten "Omega-3-Fettsäuren" verhütet
werden könnte, lässt sich der Werbeaussage indessen nicht entnehmen. Vielmehr wird
pauschal davon gesprochen, dass das Herz geschützt werden könne, ohne dass auch nur
indirekt Hinweise vorhanden sind, die der Verkehr mit einer bestimmten Krankheit oder mit
bestimmten Krankheitsbildern des Herzens in Verbindung bringen kann.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Soweit die Kostenentscheidung sich auf die erste Instanz bezieht, ist zu berücksichtigen,
dass das Landgericht das Teilunterliegen des Antragstellers hinsichtlich des Antrags unter
Ziff. 1 a) und d) unberücksichtigt gelassen hat. In der angefochtenen Entscheidung sind die
Kosten lediglich zu 3/7 dem antragstellenden Verband auferlegt worden, wobei das
Landgericht sich offenkundig von der Erwägung leiten ließ, dass - weil der Antragsteller mit
drei (= Ziff. 1 b), 1 c) und 1 e)) der insgesamt sieben Anträge unterlag - diese Kostenquote
der Angemessenheit entspricht. Einzubeziehen ist indessen ebenfalls das Teilunterliegen
des Antragstellers mit seinem unter Ziff. 1 a) geltend gemachten Unterlassungsbegehren.
Bezogen auf einen anteiligen Streitwert von jeweils 10.000,00 DM pro Unterlassungsantrag
ist hinsichtlich des Antrags unter Ziff. 1 a) ein mit 5.000,00 DM zu bewertendes hälftiges
Teilunterliegen in Ansatz zu bringen, so dass sich insoweit die erstinstanzliche
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Kostenquote zum Nachteil des Antragstellers verschiebt. Gleiches gilt hinsichtlich des
Unterlassungsantrags unter Ziff. 1 d), soweit dieser mit dem erstinstanzlichen Urteil
teilweise aberkannt worden ist.
Die sich auf die Berufungsinstanz beziehende Kostenentscheidung trägt dem neu
festgesetzten Berufungsstreitwert Rechnung.
Gemäß § 545 Abs. 2 ZPO ist das Urteil mit seiner Verkündung rechtskräftig.
In Abänderung des Senatsbeschlusses vom 15.02.2001 wird der Streitwert für die Berufung
auf 30.000,00 DM, nämlich jeweils 5000,00 DM für die Unterlassungsanträge gem. Ziff 1 a)
und d) sowie je 10.000,00 DM für die Unterlassungsanträge unter Ziff. 1 f) und g)
festgesetzt.