Urteil des OLG Köln vom 12.02.2010
OLG Köln (zpo, vertragsstrafe, verletzung, anlage, abschluss, uwg, gläubiger, zeitpunkt, abend, verwirkung)
Oberlandesgericht Köln, 6 U 169/09
Datum:
12.02.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 169/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 20/09
Normen:
BGB §§ 133, 157, 242, 278,313; MarkenG § 20; UWG § 11; ZPO § 287
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 04.09.2009 verkündete Urteil
der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 20/09 -
wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
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Am 28.11.2006 verpflichtete sich der Beklagte gegenüber der Klägerin bei Meidung
einer Vertragsstrafe von 5.001,00 €, das Anbieten von Bekleidungsstücken mit der
Kennzeichnung … zu unterlassen. Die Klägerin hat behauptet, entsprechende Werbung
sei noch am 30.11.2006 auf der Internetseite emax24.de abrufbar gewesen, die dem
Beklagten über die Plattform affili.net als Partnerseite vermittelt worden war. Am
06.01.2009 verlangte die Klägerin erstmals Zahlung der Vertragsstrafe. Das Landgericht
hat die am 12.02.2009 eingereichte Klage abgewiesen; der Anspruch sei verwirkt.
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II.
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Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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1. Nach der Berufungsverhandlung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14.01.2010
– I ZR 82/08 – entschieden, dass die Verwendung der Buchstabenfolge … auf
Kleidungsstücken keine Markenverletzung darstellt. Es kann offen bleiben, ob dem
Beklagten deshalb ein Festhalten an dem Unterlassungsvertrag vom 28.11.2006
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unzumutbar geworden ist (§ 313 BGB) und ob sich das auf die streitgegenständliche
Vertragsstrafe auswirken könnte. Denn unabhängig davon ist eine Zuwiderhandlung
des Beklagten gegen seine strafbewehrte vertragliche Unterlassungspflicht nicht
festzustellen, und zwar auch dann nicht, wenn der undatierte Bildschirmausdruck mit der
Seite emax24.de (Anlage K 6) tatsächlich – wie von der Klägerin unter Zeugenbeweis
gestellt – vom Abend des 30.11.2006 stammt und die im Internet zu diesem Zeitpunkt
abrufbare Seite wiedergibt. In Auslegung der Unterlassungserklärung kann das
Strafversprechen des Beklagten zwar grundsätzlich auch auf die Benutzung von T-Shirt-
Abbildungen mit dem ...-Zeichen auf Internetseiten seiner Werbepartner bezogen
werden; doch ist ihm in dieser Hinsicht kein schuldhafter Verstoß anzulasten.
2. Der Beklagte hat für die Inhalte von Partnerseiten wie emax24.de nicht wie für
eigenes Verhalten einzustehen. Die Betreiber solcher Seiten (in den affili.net-AGB
[Anlage B 2] als "Publisher", sonst auch als "Affiliate" bezeichnet) sind im Rahmen ihrer
Anmeldung zu dem (über Plattformen wie affili.net betriebenen) Partnerprogramm des
Anbieters ("Advertiser" oder "Merchant") zwar als dessen Beauftragte (§ 14 Abs. 7
MarkenG, § 8 Abs. 2 UWG) anzusehen (BGH, GRUR 2009, 1167 = WRP 2009, 1520
[Rn. 21] – Partnerprogramm). Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) in Bezug auf vom Anbieter
vertraglich übernommene Unterlassungspflichten sind sie aber nicht, soweit keine
Neuvornahme (vgl. BGH, GRUR 1998, 963 [964] = WRP 1998, 864 –
Verlagsverschulden II für einen nach dem Unterlassungsvertrag neu erteilten
Anzeigenauftrag), sondern nur die Beibehaltung der zu unterlassenden Werbung in
Rede steht (vgl. BGH, GRUR 2003, 545 f. = WRP 2003, 756 – Hotelfoto für in einem
bereits ausgelieferten Gastronomieführer verwendete Fotos; Senat, Urteil vom
11.03.2009 – 6 U 222/08, BeckRS 2009, 86082 = GRUR 2010, 85 Ls. für die Gestaltung
einer Seite bei Ebay). So liegt es hier: Dem Vortrag des Beklagten, dass seine
Werbepartner die Bilddatei mit dem inkriminierten Werbefoto vor dem 28.11.2006
heruntergeladen haben müssten, er sie nach Abschluss des Unterlassungsvertrages
also nicht mehr aktiv an sie weitergegeben habe, ist die Klägerin nicht im Einzelnen
entgegengetreten, so dass er als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO).
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3. Dies entband den Beklagten als vertraglichen Unterlassungsschuldner nicht von
seiner eigenen Pflicht, jeden auf Grund seines Vorverhaltens drohenden Verletzungsfall
nach Kräften abzuwenden und dabei in angemessenem und zumutbarem Umfang auch
auf außerhalb seiner Betriebsorganisation stehende Dritte einzuwirken (vgl. Senat,
GRUR-RR 2008, 365 f. m.w.N.). Im Streitfall war mit bereits heruntergeladenen
Werbefotos auf den Seiten der Werbepartner zu rechnen; auf eine Beseitigung bei den
für sein Partnerprogramm angemeldeten Partnern hinzuwirken, war dem Beklagten
(gemäß Nr. 4.3, 5.2, 12.2, 12.3 der affili.net-AGB) nicht prinzipiell unmöglich.
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Ein für den geltend gemachten Verletzungsfall ursächliches Versäumnis in diese
Richtung ist dem Beklagten indessen nicht vorzuwerfen. Nach dem eigenen Vorbringen
der Klägerin muss davon ausgegangen werden, dass nach Abschluss des
Unterlassungsvertrages nur ein einziges vom Vertrag erfasstes Werbefoto auf der Seite
eines Werbepartners des Beklagten bis zum Ablauf des 30.11.2006 verblieben war. Der
Betreuer seines Internetauftritts hat bestätigt (Anlage B 5), am 24.11.2006 in seinem
Auftrag alle seine affili.net-Partner per E-Mail aufgefordert zu haben, jede Verwendung
des T-Shirts mit dem ...-Zeichen zu unterlassen und alle damit zusammenhängenden
Daten zu löschen, weil das Motiv aus urheberrechtlichen Gründen nicht mehr verwendet
werden dürfe. Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem Beklagten weitergehende
Maßnahmen, insbesondere eigene Kontrollen seiner Partnerseiten und gegebenenfalls
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ein Nachfassen bei den Betreibern unter eindringlichem Hinweis auf die bestehenden
vertraglichen Verpflichtungen zuzumuten waren. Denn dass gehörige Anstrengungen
des Beklagten den in Rede stehenden Verbleib eines Werbefotos auf einer Partnerseite
bis zum 30.11.2006 hätten verhindern können, liegt fern. Zu berücksichtigen ist dabei,
dass das (nach §§ 133, 157 BGB) auszulegende Vertragsstrafeversprechen sich
mangels anderer Anhaltspunkte nur auf Handlungen des Beklagten nach
Zustandekommen der Vereinbarung im Laufe des 28.11.2006 bezog (vgl. BGH, GRUR
2006, 878 [Rn. 17 ff.] = WRP 2006, 1139 – Vertragsstrafevereinbarung), so dass er auch
erst ab diesem Zeitpunkt gehalten war, bei mit ihm lediglich kooperierenden Dritten auf
die Beseitigung vertragsverletzender Inhalte zu dringen. Selbst wenn die bereits am
24.11.2006 erfolgte Verständigung der Werbepartner in diese Richtung nicht
ausreichend gewesen wäre, so kann doch – im Sinne einer hypothetischen
Kausalitätsbetrachtung – nicht angenommen werden, dass gebotene Maßnahmen des
Beklagten in der Zeit nach Abschluss des Unterlassungsvertrages am 28.11.2006 den
vom Bevollmächtigten der Klägerin am Abend des 30.11.2006 entdeckten
vermeintlichen Verstoß hätten verhindern können; dagegen spricht schon, dass eine
nach Vertragsabschluss versandte briefliche Aufforderung die Werbepartner unter
Zugrundelegung normaler Postlaufzeiten nicht vor dem 30.11.2006 erreicht hätte und
ihre Umsetzung durch die Adressaten noch am selben Tag nicht erwartet werden
konnte.
Entgegen der von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 22.01.2008 dargelegten
Auffassung haben diese Erwägungen mit dem "Einwand des rechtsmäßigen
Alternativverhaltens" nichts zu tun. Es geht vielmehr um die Frage, ob der Beklagte allen
Handlungspflichten nachgekommen ist, die ihm durch den mit der Klägerin
geschlossenen Vertrag oblagen. Relevant ist aber nur eine Verletzung solcher
Handlungspflichten, die den schon vor Vertrags- schluß herbeigeführten
Rechtsverletzungstatbestand – die Fotos auf der Partnerseite – auch tatsächlich
beseitigt hätten. Diese Frage ist hier in entsprechender Anwendung der Grundsätze des
§ 287 ZPO zu verneinen. Die von der Klägerin vertretene Meinung, damit werde gegen
die Regel verstoßen, dass der Schuldner eines Unterlassungsvertrages beweisen
müsse, einen nachfolgenden Verstoß nicht schuldhaft begangen zu haben, geht fehl.
Sie berücksichtigt nicht, dass es im Streitfall um die Verletzung von Handlungspflichten
geht – die über den Wortlaut eines Unterlassungsvertrages hinaus bestehen können -,
deren Erfolgskausalität immer nur hypothetisch beurteilt werden kann.
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4. Fehlt es nach alledem an einem relevanten Verstoß des Beklagten gegen seine
vertragliche Unterlassungspflicht, so kann im Ergebnis offen bleiben, ob ein am
30.11.2006 entstandener Vertragsstrafenanspruch der Klägerin jetzt noch durchsetzbar
wäre. Soweit die Berufung die vom Landgericht angenommene Verwirkung des
eventuellen Anspruchs der Klägerin mit dem Argument angreift, dass es dafür am
sogenannten Umstandsmoment fehle, verkennt sie allerdings, dass die Forderung einer
Vertragsstrafe sich auch ohne Bildung eines schutzwürdigen Besitzstandes des
Unterlassungsschuldners als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstellen
kann: Ausgehend vom Zweck der Vertragsstrafe, eine Wiederholung des sanktionierten
Verhaltens zu verhindern, kann einerseits von dem Gläubiger ihre zeitnahe
Geltendmachung nach einem Verstoß erwartet werden; andererseits ist dem Schuldner
ein berechtigtes Interesse zuzubilligen, möglichst bald nach dem als Zuwiderhandlung
in Frage kommenden Verhalten vom Gläubiger zu erfahren, ob er zur Verantwortung
gezogen werde (BGH GRUR 1998, 471 [474] = WRP 1998, 164 – Modenschau im
Salvatorkeller; OLG Frankfurt / Main, GRUR 1996, 996 – Verwirkung des
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Vertragsstrafenanspruchs). Geschieht dies zunächst – hier über einen Zeitraum, der das
Vierfache der wettbewerbsrechtlichen (§ 11 UWG) und zwei Drittel der regelmäßigen (§
195 BGB, § 20 MarkenG) Verjährungsfrist umfasst – nicht, so kann sich die spätere
Inanspruchnahme des Schuldners zumal bei Unterlassungsverpflichtungen, deren Inhalt
auslegungsbedürftig und deren Verletzung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht
umstritten ist, als rechtsmissbräuchlich darstellen, ohne dass es noch auf zusätzliche
Umstände wie eine besondere "Vertrauensinvestition" des Schuldners ankommt.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Das Urteil betrifft Fragen tatrichterlicher Rechtsanwendung im Einzelfall; eine Zulassung
der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO war nicht veranlasst.
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