Urteil des OLG Köln vom 27.12.1998
OLG Köln (angemessene frist, zpo, uwg, einstweilige verfügung, frist, hauptsache, erklärung, unternehmen, verfügungsverfahren, wettbewerbshandlung)
Oberlandesgericht Köln, 6 W 113/97
Datum:
27.12.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 113/97
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 541/97
Schlagworte:
Konzernsalve; Parallelangriff; Abmahnung
Normen:
ZPO §§ 91, 93, 99; UWG § 13 ABS. 5
Leitsätze:
1. Zur Frage des Rechtsmißbrauchs bei getrenntem Vorgehen
konzernmäßig verbundener selbständiger Unternehmen gegen ein und
dieselbe Wettbewerbshandlung eines bundesweit tätigen
Unternehmens (Bestätigung der Rechtsprechung des Senats WRP
1998, 636; MD 1997, 1236). 2. Paralleles Vorgehen im Hauptsache- und
Verfügungsverfahren ist verfahrensrechtlich grundsätzlich nicht zu
beanstanden (Bestätigung der Rechtsprechung des Senats WRP 1996,
1214). 3. Eine zu kurz bemessene Frist zur Abgabe einer
Abschlusserklärung setzt eine angemessene Frist in Lauf. Bei einem
klaren Wettbewerbsverstoß ist eine solche jedenfalls nach drei Wochen
abgelaufen.
Rechtskraft:
unanfechtbar
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der am 30. September
1997 verkündete Beschluß der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln -
31 O 541/97 - abgeändert. Die Kosten des erstinstanzlichen
Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt, die auch die Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.
G r ü n d e :
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Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet.
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Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der ersten Instanz übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben, war nur noch gem. § 91 a Abs. 1 ZPO über die
Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Es entspricht aber billigem Ermessen im
Sinne dieser Vorschrift, die Kosten abweichend von der Entscheidung des Landgerichts
der Beklagten aufzuerlegen, denn diese wäre ohne die Abschlußerklärung, die Anlaß
für die Erledigung des Rechtsstreits durch die Parteien war, unterlegen und kann sich
auch nicht mit Erfolg auf die Kostenvergünstigung des § 93 ZPO berufen.
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Zulässigkeitsbedenken gegenüber dem Klagebegehren bestehen nicht. Insbesondere
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war die Geltendmachung des von der Klägerin mit ihrer Klage verfolgten
Unterlassungsanspruchs nicht mißbräuchlich gem. § 13 Abs. 5 UWG. Zwar ist die mit
der Klage beanstandete konkrete Werbung der Beklagten auch Gegenstand anderer
Rechtsstreitigkeiten, die mit der Klägerin konzernmäßig verbundene
Schwestergesellschaften - u.a. im Verfahren (43 O 111/97 LG Aachen = 6 W 93/97 OLG
Köln) - gegen die Beklagten angestrengt haben, wobei die diesen Verfahren
vorangegangenen Abmahnungen der Beklagten jeweils durch die selben anwaltlichen
Vertreter der Klägerin ausgesprochen worden sind. Diese Umstände erfüllen jedoch
nicht den Tatbestand des § 13 Abs. 5 UWG. Unstreitig handelt es sich bei jeder dieser
Schwestergesellschaften der Klägerin um ein rechtlich selbständiges Unternehmen, mit
der Folge, daß der von dem einzelnen Unternehmen erwirkte Unterlassungstitel aus den
vom Senat bereits im Beschluß vom 29. August 1997 im Verfahren 6 U 114/96 (MD
1997/ 1236 f) angeführten Erwägungen die Verfolgung von etwaigen Verstößen der
Beklagten gegen den Unterlassungstitel nur in dem sachlichen und insbesondere auch
örtlichen Wirtschaftsbereich ermöglicht, in dem dieses Unternehmen - sei es gem. § 13
Abs. 2 Nr. 1 UWG oder als unmittelbar durch den Verstoß Verletzter - klagebefugt und
aktivlegitimiert ist. Davon ausgehend begründet es aber aus den Erwägungen des
Senats im Urteil vom 13. März 1998 im Verfahren 6 U 191/97 ( abgedruckt in WRP 1998/
636 f. ) nicht den Vorwurf des Rechtsmißbrauchs im Sinne von § 13 Abs. 5 UWG, wenn
jede dieser Schwestergesellschaften der Klägerin wegen der streitgegenständlichen
Werbemaßnahme im Wege der Abmahnung und sodann in einem gerichtlichen
Verfahren gegen die Beklagte vorgeht, um sich gegen derartige Wettbewerbsverstöße
der Beklagten für die Zukunft abzusichern. Daß wiederum die Abmahnungen der
Beklagten durch die Klägerin des vorliegenden Verfahrens sowie deren ebenfalls gegen
die Beklagte vorgehenden Schwestergesellschaften jeweils von dem selben
Anwaltsbüro ausgesprochen wurden, erklärt sich durch die zentrale Bearbeitung dieser
Abmahnungen durch die ersichtlich von der Holding-Gesellschaft ausgewählten
Rechtsanwälte, der die Klägerin und deren Schwestergesellschaften angehören.
Dennoch handelt es sich - wie ebenfalls bereits im erwähnten Senatsurteil vom 13.März
1998 erörtert - bei den Abmahnungen jeweils um die Geltendmachung eigener -
gesonderter - Unterlassungsansprüche der einzelnen Schwestergesellschaften gegen
die Beklagte. Nur diese Schwestergesellschaften sind auch Kläger der von ihnen gegen
die Beklagte angestrengten Gerichtsverfahren und können darüber entscheiden, ob und
wie prozessiert wird, wobei diese Gerichtsverfahren nicht zuletzt aus diesem Grund
auch durchaus einen unterschiedlichen Ausgang haben können. Es könnten daher
allenfalls zusätzliche Gesichtspunkte dazu führen, bei einem parallelen Vorgehen
mehrerer selbständiger, aber durch eine Holding-Gesellschaft verbundener
Gesellschaften und bzw. oder bei einer zentralen Bearbeitung der dabei
ausgesprochenen Abmahnungen vom Tatbestand des § 13 Abs. 5 UWG auszugehen.
Solche Gesichtspunkte sind aber von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit nicht
vorgetragen worden.
Zweifel gegenüber dem Rechtsschutzinteresse der Klägerin und damit gegenüber der
Zulässigkeit der Klage ergeben sich auch nicht daraus, daß die Klägerin die Beklagte
zeitgleich mit der Klage des vorliegenden Hauptsacheverfahrens ebenfalls im Wege der
einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der beanstandeten Wettbewerbshandlung in
Anspruch genommen hat. Der Senat verweist insoweit auf seine Ausführungen in dem
Beschluß vom 25.Juli 1996 - 6 W 36/96 - (abgedruckt in WRP 1996/ 1214), wonach das
einstweilige Verfügungsverfahren und das Hauptsacheverfahren wegen ihrer
unterschiedlichen Rechtsschutzziele in jeder Lage des Verfahrens und unabhängig von
ihrer Reihenfolge nebeneinander zulässig sind.
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Das parallele Vorgehen der Klägerin im Hauptsache- und im einstweiligen
Verfügungsverfahren vermag aber auch nicht dazu zu führen, daß die Klägerin die
Kosten des von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärten
Hauptsacheverfahrens zumindest in Anwendung der Grundsätze des § 93 ZPO zu
tragen hat. Die Klägerin hat die Beklagte wegen des in Rede stehenden Verstoßes
gegen § 3 UWG mit Schreiben (Telefax) vom 24. Juni 1997 abgemahnt und in diesem
Schreiben die zeitgleiche Einleitung eines Hauptsache- und Verfügungsverfahrens bei
Nichtabgabe der geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung angekündigt. Die
Beklagte hatte es nunmehr in der Hand, durch geeignete Maßnahmen diese Verfahren
gegen sich abzuwenden. Unstreitig hat die Beklagte jedoch auf die Abmahnung der
Klägerin nicht reagiert, sondern hat erst mit Schreiben vom 16. Juli 1997 die von der
Klägerin am 2. Juli 1997 erwirkte Beschlußverfügung des LG Köln (31 O 542/97) als
endgültige Regelung des Wettbewerbsstreits der Parteien anerkannt. Diese
Abschlußerklärung kam aber zu spät, um der Beklagten noch mit Erfolg die Berufung auf
die Vergünstigung des § 93 ZPO zu ermöglichen. Zwar war die in dem
Abmahnschreiben der Klägerin der Beklagten bis zum 26.Juni 1997 gesetzte Frist zu
kurz. Dies führte nach ständiger Rechtsprechung - auch des Senats (vgl. dazu den
Senatsbeschluß in WRP 1996/1214, 1215 mit weit. Nachw.) - lediglich dazu, daß eine
angemessene Frist in Gang gesetzt wurde. Diese Frist war aber jedenfalls am 16. Juli
1997 bei Abgabe der Abschlußerklärung der Beklagten, also ca. 3 Wochen nach
Zugang des Abmahnschreibens der Klägerin, bereits verstrichen, denn es ging bei der
beanstandeten Wettbewerbshandlung der Beklagten um einen klaren Verstoß gegen §
3 UWG, dessen rechtliche Wertung keinerlei Probleme bot und bei dem auch die
Behauptung der Klägerin im Abmahnschreiben vom 24.Juni 1997 von der Unrichtigkeit
der Bewerbung einer Sony Mini-Anlage MHC RX 50 mit dem herausgestellten Hinweis
"3fach CD-Wechsler" für die Beklagte leicht und insbesondere auch schnell zu
überprüfen war. Sollten dennoch Schwierigkeiten bei dieser Überprüfung bei der
Beklagten bestanden haben, wäre es Sache der Beklagten gewesen, die Klägerin
hierauf rechtzeitig hinzuweisen. Dies ist jedoch nicht geschehen, wie auch die Beklagte
im vorliegenden Rechtsstreit keine Umstände vorgetragen hat, die dazu führen könnten,
die der Beklagten zuzubilligende Frist zur Beantwortung des Abmahnschreibens nicht
schon am 16. Juli 1997als eindeutig verstrichen anzusehen.
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Ein Eingreifen des § 93 ZPO zugunsten der Beklagten kann schließlich nicht wegen der
von der Beklagten behaupteten angeblichen ständigen Übung, bei einem klarem
Sachverhalt eine einstweilige Verfügung mit einer entsprechenden Abschlußerklärung
als endgültige Regelung anzuerkennen, bejaht werden. Die Klägerin hat insoweit
ausführlich unter Anführung entsprechender Rechtsstreitigkeiten dargelegt, daß diese
angebliche Übung - wie auch dem Senat aus mehreren Verfahren bekannt ist - wegen
des Streits der Beklagten mit der Klägerin und bzw. oder deren
Schwestergesellschaften über die örtliche Reichweite der von diesen geltend
gemachten Unterlassungsansprüchen jedenfalls nicht mehr besteht. Dabei ergibt sich
aus den von der Klägerin genannten zahlreichen Verfahren, daß die in Rede stehende
Übung der Beklagten schon bei Einleitung des vorliegenden Rechtsstreits nicht mehr
bestanden hat. Eine fehlende Veranlassung des Hauptsacheverfahrens im Sinne des §
93 ZPO durch die Beklagte kann somit aus der von ihr geltend gemachten Übung nicht
hergeleitet werden.
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Auf das danach erfolgreiche Rechtsmittel der Klägerin war deshalb die angefochtene
Entscheidung des Landgerichts abzuändern und die Beklagte mit den Kosten der ersten
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Instanz zu belasten.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 ZPO.
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Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht der Summe der in erster Instanz
angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten.
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