Urteil des OLG Köln vom 30.09.2005

OLG Köln: wohnung, treu und glauben, aufteilungsplan, kellergeschoss, eigentümer, meinung, verwirkung, zukunft, bestimmtheit, beobachter

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 37/05
Datum:
30.09.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 37/05
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 8 T 251/03
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der
Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 08.02.2005 -
8 T 251/03 - abgeändert.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1. gegen den
Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 18.09.2003 - 28 II 156/00 WEG -
wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten erster Instanz haben die Antragstellerin zu 15 %, die
Antragsgegnerin zu 1. alleine zu 75 % und die Antragsgegner zu 1. bis
3. gemeinsam zu 10 % zu tragen.
Die in den beiden Rechtmittelinstanzen entstandenen Gerichtskosten
fallen der Antragsgegnerin zu 1. zur Last.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf
7.730,73 EUR festgesetzt.
I.
1
Die Beteiligten sind bzw. waren Mitglieder der im Rubrum bezeichneten
Wohnungseigentumsanlage mit 6 Wohnungseigentumseinheiten. Im Kellergeschoss
der Anlage befinden sich zum einen im Aufteilungsplan mit den Ziffern 1 bis 6
bezeichnete Räume, von denen jeweils einer dem Sondereigentum an einer
zifferngleichen Wohnung zugeordnet ist. Weitere unter der Wohnung Nr. 2 gelegene
Kellerräume sind in der Teilungserklärung mit den römischen Ziffern I bis IV bezeichnet.
Nach § 6 Nr. 1 der Teilungserklärung in ihrer ursprünglichen, nicht im Grundbuch
eingetragenen Fassung i. V. m. der Nutzungsregelung wurde die
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"alleinige und kostenlose Nutzung der ... mit den Ziffern I, II, III und IV links des
Treppenhauses gelegenen Kellerräume nebst dazugehöriger Flure und Gänge ...
ausschließlich der .... GmbH" (eine Bauunternehmerin und teilende Eigentümerin)
"zur bisherigen Nutzung zugeordnet (Sondernutzungsrecht)".
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In der letzten, im Grundbuch eingetragenen Fassung der Teilungserklärung vom
08.08.1994 wurden die Kellerräume der Wohnung Nr. 2 zugeordnet und zwar wie folgt:
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"Der Wohnung zugeordnet ist der Kellerraum 2 im Kellergeschoss. Weiterhin sind
der Wohnung zugeordnet die im Aufteilungsplan mit den römischen Ziffern I, II, III
und IV links des Treppenhauses unter der Wohnung gelegenen Kellerräume. Der
jeweilige Eigentümer der Wohnung Nr. 2 ist berechtigt, die vorstehend mit
römischen Ziffern I-IV näher bezeichneten Kellerräume wie bisher zu nutzen ohne
jede Einschränkung.
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Anlässlich einer Veräußerung der Wohnung Nr. 2 durch die Antragsgegnerin zu 1., einer
Schwiegertochter der Geschäftsführerin der teilenden Eigentümerin, wurde die
Zuordnung der Kellerräume dahingehend geändert, dass die Kellerräume der ihr
ebenfalls gehörenden Wohnung Nr. 3 zugeordnet wurden. Die Kelleräume Nr. I - IV
waren bereits im Jahre 1975 zu Wohnzwecken ausgebaut worden und wurden zu in
Einzelheiten strittigen Zeiten auch zu Wohnzwecken genutzt.
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Die Antragstellerin, seinerzeit Eigentümerin einer weiteren in der Anlage gehörenden
Wohnung hat in erster Instanz den Beschluss über den Wirtschaftsplan 2000 mit der
Begründung angefochten, dass hierin zu Unrecht nicht die Betriebskosten für die
Kelleräume Nr. I - IV mit umgelegt worden seien. Ferner hat sie von der Antragsgegnerin
die Unterlassung der Nutzung der Kelleräume Nr. I - IV zu Wohnzwecken begehrt.
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Das Amtsgericht hat dem Anfechtungsantrag weitgehend und dem Unterlassungsantrag
in vollem Umfang stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, die
auf den Unterlassungsantrag beschränkt worden war, hat das Landgericht nach
Beweiserhebung den Antrag zurückgewiesen. Mit der hiergegen eingelegten sofortigen
weiteren Beschwerde verfolgt die Antragstellerin den Unterlassungsantrag weiter.
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Die Antragstellerin ist nach Veräußerung ihrer Wohnung im Verlaufe des Rechtsstreits
aus der Eigentümergemeinschaft ausgeschieden. Auch die Antragsgegnerin zu 1. hat
die Wohnung Nr. 3 im Verlaufe des Verfahrens veräußert.
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II.
10
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Entscheidung des
Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern i. S. d. §§ 27 FGG, 546 ZPO.
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1.
12
Die Veräußerung des Wohnungseigentums auf Seiten der Antragstellerin nach
Einleitung des Verfahrens lässt die aktive Verfahrensführungsbefugnis nicht entfallen,
wobei dahinstehen kann, ob dies auf dem Fortbestehen der materiell-rechtlichen
Sachlegitimation oder aus der entsprechenden Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO
herzuleiten ist (vgl. BGHZ 148, 335, 337 ff.). Auf Seiten der Antragsgegnerin zu 1. ist
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eine Eigentumsumschreibung noch nicht erfolgt. Unabhängig davon bestände aus
denselben Erwägungen ihre passive Verfahrensführungsbefugnis fort.
2.
14
Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist begründet.
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Die Antragstellerin kann gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. §§ 15 Abs. 3, 13 Abs.
1 WEG verlangen, dass die Antragsgegnerin zu 1. die Nutzung der in der
Teilungserklärung als Kellerräume I-IV ausgewiesenen Räume im Kellergeschoss als
Wohnung unterlässt, da sie mit der in der Teilungserklärung festgelegten Nutzungsart
nicht vereinbar ist und mehr als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung als
Keller stört bzw. beeinträchtigt.
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Der Passage in der Teilungserklärung, wonach der jeweilige Eigentümer der Wohnung
Nr. 3 "wie bisher ohne jede Einschränkung" nutzen darf, lässt sich ein Recht zur
Nutzung der Räume für Wohnzwecke nicht entnehmen.
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Der Senat, der auch als Rechtsbeschwerdegericht die Teilungserklärung als Bestandteil
der Grundbucheintragung selbständig und ohne Bindung an diejenige der Vorinstanz
auslegen kann, vermag diejenige des Landgerichts nicht zu teilen.
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In der Teilungserklärung sind die fraglichen Räume als selbständiges, der Wohnung Nr.
3 zugeordnetes Sondereigentum ausgewiesen und als "Kellerräume" bezeichnet. In
einer derartigen Bezeichnung liegt in der Regel eine Zweckbestimmung mit
Vereinbarungscharakter (vgl. §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 1 WEG), an die die
Antragsgegnerin zu 1. gebunden ist. Die Räume dürfen grundsätzlich nur als Keller
genutzt werden, was eine Wohnnutzung ausschließt (allgemeine Meinung; vgl. nur
BayObLG ZWE 2000, 122, 123; WE 1998, 398 u. WE 1993, 348, 349).
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Auch die weiteren Zusätze der Bestimmung führen nicht zu einer Zweckbestimmung i.
S. einer Wohnnutzung. Die Auslegung der Teilungserklärung muss nach objektiven und
normativen Gesichtspunkten, d. h. im Wesentlichen vom Wortlaut her vorgenommen
werden. Die als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen
Bestimmungen der Teilungserklärung (§ 10 Abs. 2 WEG) sind wie
Grundbucheintragungen allgemein nach Wortlaut und Sinn auszulegen, wie er sich als
nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen oder in Bezug Genommenen für einen
unbefangenen Beobachter darstellt. Grundlage für die Auslegung der jeweiligen
Einzelregelung ist der gesamte Inhalt der Teilungserklärung einschließlich
Aufteilungsplan und sonstigen Anlagen (vgl. z. B. OLG Düsseldorf WE 1996, 425, 426).
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Soweit innerhalb der Kategorie "Kellerräume" zwischen den mit arabischen Ziffern 1-6
gekennzeichneten Kellerräumen und den mit römischen Ziffern I-IV gekennzeichneten
Kellerräumen differenziert wird, deutet dies allein nicht auf eine unterschiedliche
Nutzungsbefugnis hin, auch wenn die Kellerräume mit römischen Ziffern im Gegensatz
zu denen mit arabischen Ziffern erst nachträglich einer Wohnung zugeordnet wurden.
Denn der Aufteilungsplan des Kellergeschosses bezeichnet die fraglichen Räume
ebenfalls als "Keller" mit den Ziffern I, II, III und IV und enthält keinen Hinweis auf eine
geschlossene Wohneinheit. Insofern deutet die Formulierung in der Teilungserklärung
für einen unbefangenen Betrachter nicht nur auf eine nähere Bezeichnung des
Gegenstands der Nutzung i. S. der örtlichen Unterscheidbarkeit im Hinblick auf die Lage
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dar - wie beispielsweise eine Bezeichnung als "Wohnung im Kellergeschoss" -, was
dazu führt, dass grundsätzlich nicht auf eine inhaltliche Erweiterung der
Sondernutzungsmöglichkeit der Kellerräume geschlossen werden kann. Wie aus der
Teilungserklärung hervorgeht, gibt es in der Wohnanlage vielmehr keine siebte
Wohnung, was den unbefangenen Leser dieser Erklärung und des Aufteilungsplans
nicht zu dem Schluss führen muss, dass die Kellerräume I-IV selbst eine siebte
Wohnung darstellen.
Daran ändert auch der Zusatz, dass der jeweilige Eigentümer der Wohnung Nr. 2
berechtigt sein soll, die mit römischen Ziffern I-IV näher bezeichneten Kellerräume "wie
bisher zu nutzen ohne jede Einschränkung" nichts. Dieser Passus ähnelt § 6 Nr. 1 der
Teilungserklärung vom 28.6.1984, wonach der K. und K. K.-BAU Gesellschaft mbH die
Kellerräume I-IV im Wege eines Sondernutzungsrecht "zur bisherigen Nutzung"
zugeordnet wurden. Der Text der Teilungserklärung enthält mit dieser Formulierung die
Andeutung, dass die Nutzungsmöglichkeit wie in der Vergangenheit bestehen bleiben
soll und verweist damit auf den tatsächlichen Zustand vor Begründung des
Wohnungseigentums im Jahre 1984 und die damals praktizierte Art und Weise der
Nutzung, also auf eine Tatsache, die sich aus der Urkunde selbst nicht ergibt.
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Für die Auslegung können grundsätzlich zwar auch Umstände außerhalb derjenigen
Urkunden, die zum Grundbuchinhalt geworden sind, herangezogen werden, aber nur
solche objektiver Art, die für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGHZ 139, 239;
Senat WE 1995, 221). Subjektive Vorstellungen der Beteiligten können - wie bereits das
Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - bei der Auslegung einer Teilungserklärung keine
Berücksichtigung finden. Da es nicht darauf ankommt, welche Absichten die
Wohnungseigentümer verfolgt haben, ist hinsichtlich der Frage, wie die
Teilungserklärung gemeint war, auch eine Zeugenaussage regelmäßig zur Auslegung
ungeeignet (Weitnauer/Lüke, WEG, 9. Aufl. (2005), § 23 Rn. 21 für die gleich gelagerte
Problematik eines Eigentümerbeschlusses mit Dauerwirkung). Deshalb ist es auch
ohne Bedeutung, aus welchem Grund und auf wessen Vorschlag es zu der
entsprechenden Formulierung gekommen ist. Nutzungsregelungen in einer
Teilungserklärung gelten vorbehaltlich einer abändernden Vereinbarung auf Dauer.
Dagegen kann nach einiger Zeit niemand mehr aus eigener Anschauung etwas dazu
sagen, wie die Nutzung zur Zeit der Errichtung der Teilungserklärung war und was die
Gründe für die gewählte Formulierung waren.
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Angesichts des Verzichts der Teilungserklärung auf jegliche Beschreibung der Art der
bisherigen Nutzung ist diese nicht für jeden gegenwärtigen und zukünftigen Betrachter
mit hinreichender Sicherheit objektiv bestimmbar. Der bloßen Verweisung auf eine
vorangegangene tatsächliche Nutzung ohne Konkretisierung des Regelungsgehalts
mangelt es daher an einem Mindestmaß inhaltlicher Bestimmtheit (vgl. OLG Hamburg
ZMR 2001, 725 ff.).
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Auch der Zusatz "ohne jede Einschränkung" konkretisiert darüber hinaus den
Nutzungszweck nicht. Wird dies als Bezugnahme auf die Nutzung "wie bisher"
gesehen, die in Zukunft nicht eingeschränkt werden, sondern wie in der Vergangenheit
fortbestehen soll, kann mangels objektiver Bestimmtheit der bisherigen Nutzung auch
dem Zusatz kein weiterer Regelungsgehalt entnommen werden. Wird der Passus als
eigenständige Qualifizierung der Art und Weise der Nutzung verstanden, deutet eine
Nutzung der Kellerräume "ohne jede Einschränkung" zwar auf einen sehr weiten
Nutzungszweck hin. Letztlich wird damit aber gar keine spezifische Nutzungsregelung
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getroffen. Angesichts der Bezeichnung der fraglichen Räume als "Kellerräume", die in
Teilungserklärung und Aufteilungsplan übereinstimmend gewählt wurde, muss ein
objektiver Beobachter auf eine völlig unbegrenzte Nutzungsbestimmung gerade nicht
schließen. Vielmehr kann in einer Nutzung der Kellerräume ohne jede Einschränkung
allenfalls eine Zustimmung zu einer anderen, über die übliche Kellernutzung
hinausgehenden Nutzung gesehen werden, sofern sie nicht mehr stört oder
beeinträchtigt als eine Nutzung als Keller, wie beispielsweise die zeitlich begrenzte
Nutzung als Büro-, Hobby-, Arbeits- oder Lagerraum, die nicht zu vergleichen ist mit der
Nutzung als Wohnung (vgl. BayObLG, Beschl. v. 22.10.1992 - 2Z BR 66/92 - WE 1993,
348, 349). Ein unbefangener Betrachter muss dagegen nicht damit rechnen, dass bei
"Kellerräumen" eine alle denkbaren Formen umfassende Nutzungsmöglichkeit besteht.
Sonstige objektive Umstände, etwa baulicher Art, die für "jedermann ohne weiteres
erkennbar" den Schluss auf eine Wohnnutzung zulassen könnten, gibt es nicht. Die
Kellerfenster der hier fraglichen Räume sind nicht anders gestaltet als die der übrigen
Kellerräume. Das Vorhandensein einer 7. Klingel und eines weiteren Briefkastens
außerhalb der in die Eingangstür integrierten Anlage gibt hierfür ebenfalls nichts her;
denn dies erlaubt vielfache Deutungen, etwa die bloße Untervermietung des Teils einer
Wohnung.
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Dem "Universalbeschluß" vom 08.12.1993 schließlich kommt, auch wenn man die
hierin enthaltenen Regelungen als Vereinbarungen qualifiziert, mangels Eintragung im
Grundbuch im Verhältnis zur Antragstellerin, die ihr Wohnungseigentum erst am
16.05.2000 erworben hat, keine Bedeutung zu.
27
3.
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Die Antragstellerin ist ferner nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gehindert,
den Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu 1. geltend zu machen,
insbesondere ist der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin nicht verwirkt. Wird die
Unterlassung nicht in angemessener Zeit gefordert, kann einem späteren Verlangen der
Einwand der Verwirkung aus § 242 BGB entgegengehalten werden, wenn seit der
Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist und besondere
Umstände hinzutreten, die das Unterlassungsbegehren als gegen Treu und Glauben
verstoßend erscheinen lassen. Erforderlich ist dazu, dass sich der Verpflichtete
aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch
eingerichtet hat, dieser werde das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen (z.
B. BayObLG ZMR 2001, 987, 988). Gegenstand können auch einzelne Ansprüche aus
einem dinglichen Recht sein. Für die Unterlassungsansprüche gilt dies jedenfalls dann,
wenn die Rechtsverletzung - wie im vorliegenden Fall die Nutzung der Kellerräume als
Wohnung - auf einem bestimmten abgeschlossenen Eingriff beruht (BayObLG NJW-RR
1991, 1041). Haben Rechtsvorgänger Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche
verwirkt, so wirkt dies auch für und gegen den Sonderrechtsnachfolger.
Einzelrechtsnachfolger können diese Ansprüche dann nicht geltend machen, weil sie
nicht mehr Rechte als ihre Rechtsvorgänger erwerben können (Senat NJW-RR 1998,
1625; OLG Stuttgart ZMR 2001, 732, 733; OLG Zweibrücken ZMR 2001, 734, 736).
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Auch wenn nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts
davon auszugehen ist, dass die Kellerräume I-IV bereits ca. 1975 als Wohnräume
ausgebaut und seit dieser Zeit bis zum Jahre 2003 auch als solche genutzt worden,
lässt sich eine Verwirkung nicht feststellen. Wie bereits das Amtsgericht zutreffend
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ausgeführt hat, braucht die Antragstellerin sich nur das Verhalten ihrer Rechtsvorgänger
Frau G. zurechnen bzw. die Zeit anrechnen lassen, in der diese gegen die Nutzung
nichts unternommen haben. Der Anspruch aus § 1004 BGB i. V. m. § 15 Abs. 3 WEG ist
ein Individualanspruch jeden einzelnen Wohnungseigentümers und der
Anspruchsinhaber braucht sich entgegen der Meinung der Antragsgegnerin zu 1. nur
Verwirkungstatbestände, die in seiner Person oder seiner Sonderrechtsvorgänger
entstanden sind, zurechnen zu lassen. Rechtsvorgängerin war zwar auch die
Antragsgegnerin zu 1., die zuvor ebenfalls Eigentümerin der Wohnung Nr. 2 war. Da sie
aber zugleich Eigentümerin der fraglichen Kellerräume I-IV war (und ist), war sie damit
zugleich Verpflichtete und es konnte kein Vertrauenstatbestand geschaffen werden.
Wegen der Nutzungszeit durch Frau G. kann es mit dem Amtsgericht offen bleiben, ob
diese wusste, dass es im Keller eine weitere Wohnung gab und ob der Zeitraum von ca.
sechs Jahren ausreichend ist. Jedenfalls fehlt es an dem sog. Umstandsmoment. Ob
und inwieweit nach der mehrfach geänderten Teilungserklärung die Kellerräume zu
Wohnzecken genutzt werden können, ist eine diffizile Rechtsfrage, wie bereits die
unterschiedlichen Auffassungen der mit der Sache befassten Gerichte deutlich machen.
Ein etwaiger Verwirkungstatbestand hätte ebenso wie ein anspruchsbegrenzender
Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens das Bewusstsein vorausgesetzt, dass
Wohnraumnutzung unerlaubt ist und deren Unterlassung nach § 1004 BGB i. V. m. § 15
Abs. 3 WEG verlangt werden kann (vgl. OLG Frankfurt, WuM 1990, 316 ff.; BayObLG
NJW-RR 1988, 589). Dafür ist nichts dargetan.
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4.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Wertfestsetzung auf § 48 Abs. 3
WEG. Die vom Amtsgericht abweichende und für die Antragsgegnerin zu 1.
ungünstigere Kostenquote folgt aus der geänderten Wertfestsetzung für den
Unterlassungsantrag, den das Landgericht zutreffend nach dem Nutzungsinteresse für
die Wohnung bemessen hat. Das Verschlechterungsverbot gilt nicht im Rahmen der von
Amts wegen zu treffenden Kostenentscheidung (vgl. BayObLG WuM 1989, 470).
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