Urteil des OLG Köln vom 30.11.2000

OLG Köln: stundung, fälligkeit, bezahlung, honorarforderung, auflage, dienstleistung, sicherheitsleistung, vollstreckung, rückzahlung, sanierung

Oberlandesgericht Köln, 18 U 147/00
Datum:
30.11.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 147/00
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 1 O 38/99
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 04.04.2000 verkündete
Teilurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen (1 O 38/99) wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 DM abwenden, sofern
nicht der Beklagte zu 3) vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in
gleicher Höhe erbringt. Die Sicher-heitsleistung kann auch durch die
selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen
zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der P. P. F. feuerfester Produkte
GmbH. Mit der gegen den Beklagten zu 3) gerichteten Klage fordert er die Rückzahlung
eines von der Gemeinschuldnerin gezahlten Honorars in Höhe von 63.250,00 DM.
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Mit Honorarvereinbarung vom 01.10.1996 beauftrage die Gemeinschuldnerin den
Beklagten zu 3), ihr bei Sanierungsbemühungen behilflich zu sein. Das zugesagte
Honorar in Höhe von 55.000,00 DM sollte am 30.07.1997 fällig sein. Aufgrund dieses
Auftrags verhandelte der Beklagte zu 3) unter anderem mit Banken hinsichtlich der
Verlängerung bzw. der Erweiterung von Krediten, ferner mit der K. GmbH über deren
Beteiligung an der Gemeinschuldnerin. Wegen der Einzelheiten der Tätigkeit wird auf
den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigen des Beklagten zu 3) vom 14.01.1999 (Bl.
118 ff.) verwiesen. Die Sanierungsbemühungen führten nicht zum Erfolg. Am
22.09.1997 zahlte die Gemeinschuldnerin an den Beklagten zu 3) das Honorar in Höhe
von 63.250,00 DM einschließlich Mehrwertsteuer aus. Am folgenden Tag, dem
23.09.1997, stellte der Beklagte zu 2) als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin
Konkursantrag wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Gesellschaft.
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Der Kläger hat behauptet, die Gemeinschuldnerin habe sich bereits seit Oktober 1996 in
einer Krisensituation befunden. Seit diesem Zeitpunkt seien von ihr Kredite zu
marktüblichen Konditionen nicht mehr zu beschaffen gewesen. Der Beklagte zu 3) habe
der Gemeinschuldnerin seine Honoraransprüche gestundet. Ihm sei die
Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin am 22.09.1997 bekannt gewesen.
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Der Kläger hat in bezug auf den Beklagten zu 3) beantragt,
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den Beklagten zu 3) gesamtschuldnerisch neben dem Beklagten zu 2) zu verurteilen,
an ihn 63.250,00 DM nebst 4 % Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen.
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Der Beklagte zu 3) hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte zu 3) hat behauptet, er habe den Ausgleich seiner Honorarforderung im
August 1997 mehrmals angemahnt.
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Das Landgericht hat durch Teilurteil vom 04.04.2000 die Klage gegen den Beklagten zu
3) als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die
Honorarvereinbarung vom 01.10.1996 rechtfertige keine Konkursanfechtung nach § 30
Nr. 1 und Nr. 2 KO.
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Gegen dieses wegen seines gesamten Inhalts in Bezug genommene, dem Beklagten zu
3) am 19.04.2000 zugestellte Urteil hat dieser mit bei Gericht am 19.05.2000
eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese rechtzeitig begründet.
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Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags wendet er sich
dagegen, dass das Landgericht bei der Urteilsfindung den Schwerpunkt auf die
Honorarvereinbarung vom 01.10.1996 gelegt habe statt auf die für die
Konkursanfechtung relevante Honorarzahlung.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Teilurteils den Beklagten zu 3) zu verurteilen,
an den Kläger 63.250,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
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Der Beklagte zu 3) beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und hebt hervor, es fehle an einer
Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 30 KO. Die Honorarvereinbarung und die
Honorarzahlung fielen unter die Bargeschäftsausnahme.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die erstinstanzlich wie auch im
Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger steht
kein Anspruch auf Rückzahlung des an den Beklagten zu 3) gezahlten Honorars in
Höhe von 63.250,00 DM zu, weil die erfolgte Zahlung weder nach § 30 Nr. 1 KO noch
nach § 30 Nr. 2 KO anfechtbar ist.
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Hinsichtlich des Anfechtungstatbestands des § 30 Nr. 1, 2. Alternative KO (kongruente
Zahlung) sind die Tatbestandsmerkmale der Zahlungseinstellung sowie der Kenntnis
des Beklagten am 23.09.1997 von der Zahlungseinstellung nach Auffassung des
Senats kaum zweifelhaft. Dies kann jedoch dahinstehen, weil das entscheidende
Merkmal der Gläubigerbenachteiligung fehlt. Der Beklagte zu 3) hat sich darauf berufen,
es habe sich um ein sogenanntes "Bargeschäft" gehandelt , welches nicht der
Anfechtung unterliege. Bargeschäft sind Geschäfte, bei denen Leistung und
Gegenleistung Zug um Zug ausgetauscht werden (vgl. Kuhn/Uhlenbruck,
Konkursordnung, 11. Auflage, § 30 Rdn. 23), so dass eine gleichwertige Leistung in das
Vermögen der Gemeinschuldnerin geflossen ist. Ein Bargeschäft im eigentlichen Sinne
(vgl. § 142 InsO) kann nicht angenommen werden, weil der Beklagte zu 3) nicht zeitlich
gleich mit seiner Dienstleistung sein Honorar erhalten hat, sondern erst nach Erbringung
seiner Leistung. Da dies jedoch der grundsätzlichen Vorleistungspflicht des
Dienstverpflichteten entspricht (§ 614 BGB), wenn nicht Abweichendes hiervon
vereinbart wird, rechtfertigt es sich jedenfalls im Falle der Sanierungsbeauftragung
diese und die damit zusammenhängende Honorierung der Dienstleistung in gleicher
Weise wie Bargeschäfte zu privilegieren (vgl. RGZ 162, 292, 295; BGHZ 28, 344, 347 f.;
OLG Hamm NJW 1998, 1871; Kuhn/Uhlenbruck, a. a. O. § 30 Rdn. 26; Kübler/Prütting,
InsO, 1. Auflage, § 129 Rdn. 38, § 142 Rdn. 10). Ernsthafte und nicht von vornherein als
aussichtslos erscheinende Sanierungsbemühungen liegen im wohlverstandenen
Interesse der Gläubiger, so dass eine Privilegierung von Sanierern in Bezug auf ihr
Honorar geboten ist, weil sich andernfalls in der Praxis kaum geeignete Personen
finden lassen, die in der Lage sind, eine erfolgversprechende Sanierung zu
bewerkstelligen. Kann somit regelmäßig nur eine angemessene Honorierung überhaupt
die Möglichkeit zur erfolgreichen Sanierung eröffnen, liegt die mit der Beauftragung
verbundene Bezahlung damit zwangsläufig ebenfalls im Interesse der Gläubiger und
stellt sich gerade nicht als deren Benachteiligung dar. Dieses Bild ändert sich nicht im
Nachhinein, weil der Sanierungsversuch gescheitert ist. Entscheidend ist allein, ob die
Leistungen des Dienstleistenden bzw. Geschäftsbesorgers im Rahmen einer
zweckmäßigen Sacherledigung zu erbringen waren und deshalb von Wert gewesen
sind (vgl. Jaeger/Henckel, Konkursordnung, 9.Aufl., 1997 und den dortigen
Rechtsprechungsnachweis). Dass dies nicht der Fall gewesen sein könnte oder das
gezahlte Honorar der Leistung nicht angemessen, wird von dem Kläger nicht behauptet.
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Eine Anfechtbarkeit ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Inkongruenz (§
30 Nr. 2 KO). Entgegen der Auffassung des Klägers war die Honorarforderung des
Beklagten zu 3) gegen die Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt der Zahlung am
22.09.1997 fällig. In der Honorarvereinbarung war die Fälligkeit für den 30.07.1997
festgelegt. Aus dem Umstand, dass die Zahlung erst am 22.09.1997 erfolgt ist, lässt sich
nicht der Schluss ziehen, der Beklagte zu 3) habe mit der Gemeinschuldnerin eine
entsprechende Stundungsvereinbarung getroffen mit der Folge, dass die Fälligkeit der
Forderung entgegen der Honorarvereinbarung beseitigt war. Das bloße Nichteinfordern
einer Forderung lässt diesen Schluss nach Auffassung des Senats nicht zu, so dass es
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keiner Klärung durch Zeugenvernehmung bedarf, ob die Zahlung im August 1997 - wie
der Beklagte zu 3) behauptet - mehrfach angemahnt worden ist. Insoweit ist auch zu
berücksichtigen, dass der Beklagte zu 3) über den 30.7.2000 hinaus für die
Gemeinschuldnerin tätig war.
Wollte man allein aus dem Umstand, dass über den Zeitraum mehrerer Wochen die
Zahlung des vereinbarten und fälligen Honorars nicht erfolgte, auf eine stillschweigend
vereinbarte Stundung schließen, so drängt sich die Frage auf, welche weiteren
Vorstellungen die Parteien mit einer auf unbestimmte Zeit vereinbarten Stundung, die
von dem Beklagten zu 3) ohnehin jederzeit nach billigem Ermessen hätte widerrufen
werden können (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59.Aufl., § 271, Rdn. 14), verbunden
haben. Unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch der Interessen
beider Beteiligter, dürfte die Annahme unwahrscheinlich sein, diese seien davon
ausgegangen, die unbefristete Stundung könne dazu führen, dass der Beklagte zu 3)
seine Honorarforderung lediglich als Konkursforderung geltend machen könne.
Vielmehr erscheint es naheliegender, dass sie von vornherein eine vollständige
Bezahlung des Beklagten zu 3) außerhalb eines Konkursverfahrens gewollt haben und
damit jedenfalls vor Stellung eines Konkursantrags. Gerade die erfolgte Zahlung vor
Stellung des Konkursantrags belegt diese Annahme. Daraus lässt sich der Schluss
ziehen, dass eine etwaige nach dem 30.7.1997 auf unbestimmte Zeit geschlossene
Stundungsvereinbarung allenfalls unter der Bedingung zustande gekommen ist, dass
die Stundung bei Erforderlichwerden eines Konkursantrags rechtzeitig vorher enden
sollte, um eine vollständige Bezahlung zu ermöglichen. Diese Annahme erscheint
jedenfalls nicht fernliegender als die, die Gemeinschuldnerin habe in Kenntnis einer
fortdauernden Stundung am 22.9.1997 gezahlt. Will man also aus dem Umstand der
nicht sofortigen Zahlung bei Fälligkeit zu Lasten des Beklagten zu 3) eine
Stundungsvereinbarung unterstellen (was nach Auffassung des Senats verfehlt wäre),
wäre zumindest die vorstehende Auslegung der Vereinbarung geboten, was zur Folge
hätte, dass im Zeitpunkt der Zahlung am 22.9.1997 die Forderung fällig war.
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Auch der Umstand, dass der Beklagte keine Rechnung erstellt hat, führt entgegen § 18
Abs. 1 BRAGO nicht zu einer fehlenden Fälligkeit. Es gab angesichts der Vereinbarung
des Pauschalhonorars nichts zu berechnen im Sinne dieser Bestimmung. Außerhalb
der Geltung der BRAGO ist grundsätzlich die Erteilung einer Rechnung auch dann
keine Fälligkeitsvoraussetzung, wenn der Schuldner gemäß § 14 UStG einen Anspruch
auf eine spezifizierte Rechnung mit Umsatzsteuerberechnung hat (vgl.
Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Auflage, 2000, § 271 Rdn. 7). Bei der Honorarvereinbarung
zwischen einem kaufmännischen Unternehmen und einem Rechtsanwalt dürfte es sich
von selber verstehen, dass das genannten Honorar ein Nettobetrag ist, so dass der
hinzukommende Steuerbetrag nicht zweifelhaft sein konnte.
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Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §
708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer für den Kläger: 63.250,00 DM
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