Urteil des OLG Köln vom 08.04.2004
OLG Köln: hilfskraft, kostenvorschuss, vertrauensschutz, entschädigung, bach, kostendeckung, datum, aufwendung, aufwand, kopie
Oberlandesgericht Köln, 4 WF 104/03
Datum:
08.04.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 WF 104/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Rheinbach, 6 F 429/00
Tenor:
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Rheinbach vom 1. August 2003 - 6 F
429/00 - wird als unzulässig verworfen.
2. Die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Bonn als
Vertreter der Landeskasse gegen den vorgenannten Beschluss wird,
soweit ihr nicht gem. Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht -
Rheinbach vom 25.09.2003 - 6 F 429/00 - abgeholfen worden ist,
insoweit zurückgewiesen, als sich diese gegen die festgesetzte
Stundenzahl wendet.
3. Im Übrigen wird auf die Beschwerde des Bezirksrevisors der
vorgenannte Beschluss aufgehoben und die Sache zur weiteren
Sachbehandlung an das Amtsgericht Rheinbach nach Maßgabe der
folgenden Gründe zurückverwiesen.
G R Ü N D E:
1
1.
2
Die Beschwerde der Antragstellerin war als unzulässig zu verwerfen, da die
Antragstellerin nicht beschwerdeberechtigt ist. Beschwerdeberechtigt in einer
Festsetzungssache nach § 16 ZSEG sind gem. § 16 Abs. 2 S. 2 ZSEG nur der Zeuge
oder Sachverständige und die Staatskasse. Nicht beschwerdeberechtigt sind dagegen
die Parteien. Die Partei kann sich gegen den Ansatz der Entschädigung nur durch die
Einlegung der Erinnerung gegen die Gerichtskostenrechnung wenden (vgl. Hartmann,
Kostengesetze, 31. Aufl. 2002, § 16 ZSEG Rdnr. 23 m.w.N.).
3
2.
4
Über die Beschwerde der Landeskasse kann nur teilweise abschließend entschieden
werden, nämlich soweit sie sich gegen die festgesetzte Stundenzahl wendet.
Diesbezüglich ist sie unbegründet. Soweit ihr nicht durch Beschluss vom 25.09.2003
abgeholfen worden ist, kann es daher insoweit bei der amtsgerichtlichen Entscheidung
verbleiben.
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Nicht entscheidungsreif, da verfrüht, ist die betragsmäßige Festsetzung der
Sachverständigenentschädigung. Dass dem Sachverständigen C gegen die
Landeskasse ein Entschädigungsanspruch gem. §§ 3 Abs. 1, 7; 11 Abs. 2 ZSEG in
Höhe der gem. Festsetzungsbeschluss vom 01.08.2003 in Verbindung mit dem
Abhilfebeschluss vom 25.09.2003 festgesetzten 6.881,29 Euro zusteht, kann erst
entschieden werden, wenn eine Deckung der Landeskasse bezüglich der geforderten
Entschädigung gewährleistet ist oder nicht. Vorher kann eine Festsetzung nach § 16
ZSEG der Höhe nach nicht erfolgen.
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a. Zutreffend hat das Familiengericht auf die Beschwerde des Bezirksrevisors gem.
dem Abhilfebeschluss vom 25.09.2003 - 6 F 429/00 - von der Kostenrechnung des
Sachverständigen C vom 09.07.2003 (Bl. 195 GA GÜ) die für den Ersatz von
Aufwendungen gem. § 8 Abs. 2 ZSEG in Ansatz gebrachten 877,50 Euro netto (15
% von 5.850,00 Euro) abgesetzt. Entgegen der Auffassung des Sachverständigen
C sind die tatsächlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung solcher
Aufwendungen nicht schlüssig dargetan. Gem. § 8 Abs. 2 ZSEG kann ein auf
Hilfskräfte (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG) entfallender Teil der Gemeinkosten des
Sachverständigen durch einen Zuschlag bis zu 15 vom Hundert auf den Betrag
abgegolten werden, der als notwendige Aufwendung für die Hilfskräfte zu ersetzen
ist. Der Sachverständige hat schon nicht dargetan, in wie weit der Einsatz einer
Hilfskraft und gegebenenfalls welcher Hilfskraft notwendig gewesen sein soll.
Darüber hinaus fehlen Angaben darüber, welche Gemeinkosten der Hilfskraft zu
dem Vom-Hundert-Satz ersetzt werden sollen. Unter solche Gemeinkosten fallen
z. B. der Lohn, das Gehalt, der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung u.s.w., die
ein Sachverständiger für einen festen Angestellten oder einen sonstigen ständigen
Mitarbeiter aufwendet, der Hilfskraft im Sinne von § 8 Abs. 1 Ziff. 1 ZSEG ist, nicht
aber für einen solchen Mitarbeiter, den man nicht als Hilfskraft ansehen kann. In
letzterem Fall erfolgt gar keine Abwälzung. Fallen solche Gemeinkosten für eine
Hilfskraft an, so kann ein anteiliger Ersatz hiervon gefordert werden. Der
Höchstbetrag liegt bei 15 % desjenigen Betrages, der als notwendige Aufwendung
für die Hilfskraft zu ersetzen wäre. Zu all diesen Voraussetzungen hat der
Sachverständige nichts dargetan. Soweit er in seinem Schriftsatz vom 26.01.2004
auf S. 2 (Bl. 219, 220 GA GÜ) vorbringt, dass die Beschwerde hinsichtlich des von
ihm berechneten Gemeinkostenzuschlages gem. § 8 Abs. 2 ZSEG von ihm nicht
nachzuvollziehen sei; er betreibe seine Praxis in gemieteten Räumen; insoweit
entstünden natürlich Aufwendungen für Miete, Strom, Heizung etc., rechtfertigt dies
keine andere Beurteilung. Solche Kosten werden gerade nicht durch § 8 Abs. 2
ZSEG abgedeckt, wie die vorgenannten Ausführungen zeigen (vgl. Hartmann,
a.a.O., § 8 ZSEG Rdnr. 19, 20). Im übrigen hat der Sachverständige auch kein
Rechtsmittel gegen den Abhilfebeschluss eingelegt, so dass eine Abänderung
auch deswegen nicht in Betracht käme.
b. Nicht abschließend entschieden werden kann dagegen, ob dem
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Sachverständigen C der Stundensatz von 130,00 Euro zuzubilligen ist. Zwar ist
der Senat der Auffassung, dass der Sachverständige infolge der richterlichen
Hinweise grundsätzlich darauf vertrauen durfte, dass die Parteien dem von ihm
genannten Stundensatz zugestimmt hatten. Nur im Hinblick auf diese Zusage hat
er den Sachverständigenauftrag übernommen. Es ist für den Senat kein Verhalten
des Sachverständigen C erkennbar, das es rechtfertigen würde, ihm keinen
Vertrauensschutz zuzubilligen.
Zwar ist es auch nach Auffassung des Senates zutreffend, dass grundsätzlich derjenige
keinen Vertrauensschutz verdient, der zu einem vereinbarten erhöhten Stundensatz tätig
wird, wenn noch kein ausreichender Betrag als Kostenvorschuss an die Staatskasse
gezahlt ist. In diesem Fall ist nämlich der Sachverständige verpflichtet, das Gericht
unverzüglich auf die Kosten hinzuweisen, wenn diese den Vorschuss deutlich
überschreiten. Eine solche Verpflichtung trifft den Sachverständigen auch ohne
ausdrücklichen Hinweis des Gerichts auf den eingezahlten Vorschuss.
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Der Senat vermag allerdings nicht zu erkennen, dass der Sachverständige C gegen die
ihm obliegenden, aus § 7 Abs. 1 ZSEG folgenden Hinweispflichten schuldhaft
verstoßen hätte.
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Gemäß Beweisbeschluss des Familiengerichts vom 27.11.2001 (Bl. 42 HA) sollte ein
Wertgutachten betreffend den Gewerbebetrieb des Antragsgegners "Frischdienst N Q"
erstellt werden. Die Einholung des Sachverständigengutachtens sollte von der
Einzahlung eines Kostenvorschusses von 4.000,00 DM abhängig sein. Gemäß
weiterem Beschluss des Familiengerichts vom 15.01.2002 (Bl. 34 GA GÜ) wurde als
Gutachter für das einzuholende Gutachten der Sachverständige C (Antragsteller im
Festsetzungsverfahren) benannt. Gleichzeitig wurde der Kostenvorschuss auf 2.000,00
DM herabgesetzt. Der Gutachterauftrag erfolgte mit Verfügung des Familiengerichts vom
05.06.2002 (Bl. 47 GA GÜ). Mit dem Gutachterauftrag wurden die Akten mit den beiden
vorgenannten Beschlüssen vom 27.11.2001 (Bl. 42 HA) und vom 15.01.2002 (Bl. 34 GA
GÜ) sowie der Zahlungsanzeige betreffend den Auslagenvorschuss mitübersandt.
Damit war dem Sachverständigen C bekannt, dass zur Zeit der Gutachtenbeauftragung
lediglich ein Kostenvorschuss von 1.000,00 Euro eingezahlt worden war. Dies ergibt
sich auch aus dem Schreiben des Sachverständigen vom 17.07.2002 (Bl. 51 GA GÜ),
dem er den Beschluss vom 15.01.2002 in Kopie beigefügt hat. Gleichzeitig wies der
Sachverständige in diesem Schreiben darauf hin, dass aufgrund einer ersten Durchsicht
der Verfahrensakte er davon ausgehe, dass mindestens Kosten von 7.680,00 Euro zzgl.
Umsatzsteuer entstehen würden. Das entspräche ca. 10 % des von der Antragstellerin
bezifferten Unternehmenswertes von 150.000,00 DM. Er bat gleichzeitig darum,
aufgrund der Anforderung und der allgemeinen Verschärfung der Haftung für erbrachte
Gutachterleistungen, einem Stundensatz von 130,00 Euro gem. § 7 ZSEG zuzustimmen.
Der Stundensatz liege unter den in der neueren Rechtsprechung anerkannten Sätze. Er
fragte gleichzeitig an, ob die Parteien wegen einer möglichen Kostenreduzierung damit
einverstanden seien, dass bei der Bewertung des Unternehmens im Wege der
"vereinfachten Preisfindung durch Anwendung von Ergebnis- oder
Umsatzmultiplikatoren" vorgegangen werde. Dieser Schriftsatz des Sachverständigen
wurde den Parteien zur Stellungnahme übermittelt. Die Antragstellerin erklärte sich gem.
Schriftsatz vom 11.09.2002 (Bl. 59 GA GÜ) mit der vorgeschlagenen Vereinfachung
einverstanden. Laut Vermerk des Familienrichters vom 16.09.2002 (Bl. 60 GA GÜ)
erklärte sich auch der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners mit der vom
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Sachverständigen vorgeschlagenen einfacheren Begutachtung einverstanden. Hierauf
teilte der Familienrichter dem Sachverständigen unter dem 16.09.2002 (Bl. 61 GA GÜ)
mit, dass Einverständnis mit dem von ihm geforderten Stundensatz von 130,00 Euro
bestehe. Die Parteien hätten sich nunmehr auf die von ihm zwecks Kostenreduzierung
vorgeschlagene vereinfachte Bewertung verständigt. Es werde gebeten, entsprechend
zu verfahren.
Mit Schriftsatz von 26.09.2002 forderte der Sachverständige weitere Unterlagen an (vgl.
Bl. 62 GA GÜ). Nach Beendigung der Arbeiten übersandte er dem Gericht eine erste
Kostenrechnung vom 03.12.2002 (Bl. 68 GA GÜ) über 7.250,00 Euro. Diese verhält sich
über 45 Arbeitsstunden á 130,00 Euro sowie 8 Stunden für Hilfsarbeiten á 50,00 Euro.
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Nach Einschaltung des Bezirksrevisors und dessen Stellungnahme von 28.04.2003 (Bl.
184, 185 GA GÜ) übersandte der Sachverständige C mit Schriftsatz vom 09.07.2003 (Bl.
190 bis 192 GA GÜ) gem. Anlage 1 zu diesem Schriftsatz (Bl. 193, 194 GA GÜ) eine
genaue Aufstellung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten mit Aufschlüsselung der jeweils
angefallenen Arbeitsstunden. Gleichzeitig übersandte er mit Datum vom 09.07.2003
eine neue Kostenrechnung über 7.899,19 Euro (Bl. 195 GA GÜ), die Gegenstand des
vorliegenden Festsetzungsverfahrens ist. Auch in dieser Rechnung beträgt die Höhe
des Stundensatzes 130,00 Euro.
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Bei der vom Sachverständigen gewählten Verfahrensweise ist keine Pflichtverletzung
seinerseits festzustellen. Nachdem er über die Höhe des Kostenvorschusses informiert
war und sich einen Überblick über die anfallenden Arbeiten verschafft hatte, teilte er
dem Gericht die voraussichtlichen Kosten mit und bat um Bewilligung des erhöhten und
dann auch berechneten Stundensatzes. Nachdem das Gericht ihm mitgeteilt hatte, dass
die Parteien mit der vorgeschlagenen Verfahrensweise und dem geforderten
Stundensatz einverstanden seien, durfte der Sachverständige C davon ausgehen, dass
das Gericht einen kostendeckenden Vorschuss eingefordert hatte oder eventuell
nachträglich einfordern würde. Er hatte keine Veranlassung zur Annahme, dass das
Familiengericht trotz der zu erwartenden Kosten - auch wenn diese bei Anwendung in
der "vereinfachten Preisfindung" möglicherweise niedriger als veranschlagt ausfallen
würden - den Auftrag zur Gutachtenerstellung zu den genehmigten Bedingungen gab,
ohne dass eine Kostendeckung vorlag oder zu erwarten war. Der Sachverständige hatte
keine Möglichkeit zu erkennen, ob ein weiterer Kostenvorschuss angefordert worden
war. Teilte ihm dann das Gericht mit, dass die Parteien mit der vorgeschlagenen
Vorgehensweise einverstanden seien und er entsprechend tätig werden solle, so konnte
er davon ausgehen, dass das Gericht alle verfahrensnotwendigen Maßnahmen
getroffen hatte, damit sein Entschädigungsanspruch gesichert war.
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Bei dieser Sachlage vertritt der Senat mit einem Teil von Literatur und Rechtsprechung (
vgl. Meyer/Höver/Bach, Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und
Sachverständigen, 22. Aufl., § 7 ZSEG Rn 12.1; Jessnitzer, Der gerichtliche
Sachverständige, 10.Aufl., Rn 820, 821; OLG Düsseldorf BauR 1995, 880 f; OLG Hamm
RPfleger 1988, 550 ) die Auffassung, dass dem Sachverständigen grundsätzlich
Vertrauensschutz zu gewähren ist. Der Sachverständige, der alles getan hat, um dem
Gericht die möglicherweise entstehenden Kosten mitzuteilen, muss grundsätzlich darauf
vertrauen dürfen, dass er, wenn er dann uneingeschränkt beauftragt wird, auch in der
vom Gericht genehmigten Weise abrechnen darf. Entgegen der Auffassung von
Hartmann (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 31. Auflage, § 8 ZSEG Rdnr. 16) kann die
Schutzwirkung aber nicht weiter gehen als die Reichweite des § 7 Abs.1 ZSEG selbst,
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d. h. in der zugesagten Höhe muss ein ausreichender Betrag an die Staatskasse gezahlt
sein (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., § 7ZSEG Rn 12.1 ). Ansonsten kann eine
Festsetzung des vereinbarten Honorarsatzes nach § 16 ZSEG nicht erfolgen.
Eine solche Kostendeckung liegt derzeit nicht vor, so dass die beantragte Festsetzung
derzeit hieran scheitert. Allerdings ist das Gericht gehalten, alles zu tun, um dem
Sachverständigen die Durchsetzung seiner Ansprüche zu ermöglichen (vgl. OLG
Stuttgart JurBüro 1985, 1370, 1371 a.E.). Das gebietet der oben bejahte, dem
Sachverständigen zuzubilligende Vertrauensschutz. Daher hat das Gericht einen
weiteren Kostenvorschuss anzufordern, denn ein solcher kann auch noch nach
Erstattung des Gutachtens angefordert werden, so denn ein solcher Anspruch besteht (
vgl. Meyer/Höver/Bach a.a.O., Rn 8.1 ). Hat das Gericht die Beauftragung des
Sachverständigen nicht ( vollständig ) von der Vorauszahlung abhängig gemacht, so
bleibt nämlich die Vorschusspflicht gleichwohl bestehen: §§ 68 Abs. 1 GKG, 8 Abs. 1 u.
2 KostO. Der so festgesetzte weitere Kostenvorschuss kann dann gegebenenfalls der
Gerichtskasse zur Einziehung überwiesen und beigetrieben werden. Erst wenn die
Kostendeckung erfolgt ist, kann die Festsetzung nach § 16 ZSEG erfolgen.
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Entsprechend wird das Amtsgericht zu verfahren haben.
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3. Nachdem der Sachverständige im Einzelnen die Erforderlichkeit der 45 Stunden
aufgeschlüsselt hat, ist der Anfall der genannten Stundenzahl nicht mehr im Streit.
Der Senat sieht keine Veranlassung zu der Annahme, dass dieser Aufwand nicht
erforderlich gewesen wäre.
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3. Im Hinblick auf § 16 Abs. 5 ZSEG ist eine Kostenentscheidung entbehrlich.
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