Urteil des OLG Köln vom 01.12.2000

OLG Köln: treu und glauben, ablauf der frist, agb, kündigung, unangemessenheit, kontrolle, gegenleistung, prozessführungsbefugnis, mindestbetrag, beendigung

Oberlandesgericht Köln, 6 U 63/00
Datum:
01.12.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 63/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 26 O 122/99
Tenor:
1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.3.2000 verkündete
Urteil des Landgerichts Köln - 26 O 122/99 - wird zurückgewiesen. 2.)
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. 3.) Das
Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 4.) Die Beschwer der Beklagten wird auf
50.000 DM festgesetzt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg, weil das Landgericht
zumindest im Ergebnis zu Recht die Verwendung der streitgegenständlichen Klausel
untersagt hat.
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Die Klägerin ist zunächst trotz der zwischenzeitlich erfolgten Änderung des § 13 Abs.2
Ziff.1 AGBG, die auf Grund des "Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen
des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro" vom 27.6.2000
(BGBl.I,897) mit Wirkung zum 30.6.2000 in Kraft getreten ist, weiterhin
prozessführungsbefugt. Das gilt ungeachtet der Frage, ob sie auch die
Voraussetzungen der Neufassung der Vorschrift erfüllt und insbesondere bereits in das
dort näher bezeichnete Verzeichnis oder in die Liste gem. § 22 a AGBG n.F.
eingetragen ist. Denn selbst wenn das noch nicht der Fall sein sollte, besteht die
Prozessführungsbefugnis der Klägerin gem. § 28 Abs.5 S.1 AGBG n.F. fort. Nach dieser
Vorschrift steht die Prozessführungsbefugnis nämlich bis zum Ablauf des 31.12.2000
auch solchen Verbraucherverbänden zu, die zwar noch nicht in die erwähnte Liste gem.
§ 22 a AGBG n.F. eingetragen sind, deren Eintragungsantrag aber zu entsprechen wäre.
Das ist indes bei der Klägerin der Fall, weil gem. § 22 a Abs. 2 S.2 AGBG n.F.
unwiderleglich vermutet wird, dass u.a. Verbraucherzentralen die
Eintragungsvoraussetzungen erfüllen.
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Die mithin zulässige Klage ist auch begründet, weil die angegriffene Klausel der
Inhaltskontrolle gem. §§ 9 ff AGBGB unterworfen ist und dieser Kontrolle nicht standhält.
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Die streitgegenständliche Klausel mit dem Wortlaut:
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"Im Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses auf dem Guthabenkonto
bestehende Guthaben verfallen, es sei denn, die Beendigung des
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Vertragsverhältnisses erfolgt durch T-Mobil aus nicht von dem Kunden zu vertretenden
Gründen, durch den Kunden aufgrund eines von T-Mobil zu vertretenden Umstandes
oder durch den Kunden gem. Ziff. 13.2 dieser Bedingungen."
ist entgegen der Auffassung der Beklagten der Inhaltskontrolle nicht gem. § 8 AGBG
entzogen. Über deren Wortlaut hinaus ist von dieser Vorschrift zwar auch die
Beschreibung der Leistungspflichten erfasst (vgl. Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen,
AGBG, 7.Aufl. § 8 RZ 9 f). Um eine solche handelt es sich bei der angegriffenen Klausel
aber nicht. Die Bestimmung des § 8 AGBG ist im Interesse einer umfassenden Kontrolle
von AGB eng auszulegen (Brandner a.a.O., RZ 10). Zu den Leistungspflichten des
Kunden gehört danach in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zusammenhang nur
die Vornahme der monatlichen Aufladung in Höhe von 50 DM. Demgegenüber ist die
Regelung der Frage, was mit dem Guthaben bei einer Kündigung geschieht, eine
Nebenabrede, die der Kontrolle nach dem AGB-Gesetz unterliegt. Das ergibt sich schon
aus dem Umstand, dass die Klausel sogar - nämlich dann, wenn die
Vertragsbeendigung im weiteren Sinne ihren Grund in der Sphäre der Beklagten hat -
Ausnahmen zu Gunsten des Kunden enthält und der Verfall auch für den Fall geregelt
ist, dass über den Mindestbetrag von 50 DM hinaus zusätzlich in Anspruch genommene
Einheiten aufgelaufen sind. Allein dass der Verfall des Restguthabens nach Auffassung
der Beklagten aus dem Wesen des Vertrages folgen soll, macht ihn noch nicht zu einem
Bestandteil der Hauptleistungspflicht des Kunden. Außerdem wäre ohne weiteres eine
inhaltlich abweichende Regelung denkbar, ohne dass sich dadurch der Vertrag in
seiner Struktur ändern würde.
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Die mithin der Inhaltskontrolle unterworfene Klausel benachteiligt die Kunden der
Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher
gem. § 9 Abs.1 AGBG unwirksam.
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Der Senat neigt allerdings der Auffassung zu, eine unangemessene Benachteiligung
nicht schon in der Tatsache an sich zu sehen, dass nach der Klausel ein bei
Vertragsbeendigung noch bestehendes Guthaben verfällt. Angesichts des - aus Ziff.6.1
der AGB unmissverständlich zu entnehmenden - Umstandes, dass der Kunde
verpflichtet ist, jeden Monat eine Mindestaufladung im Wert von 50 DM vorzunehmen,
dürfte es nicht unangemessen sein, dass der Kunde den nichtverbrauchten Betrag bei
von ihm herbeigeführter Vertragsbeendigung nicht zurückerhält, weil er sonst im
wirtschaftlichen Ergebnis tatsächlich die Mindestabnahme nicht vollständig
vorgenommen hätte. Das dürfte nicht nur für den Restbetrag aus derjenigen Aufladung
im Wert von 50 DM gelten, die in dem letzten Vertragsmonat erfolgt ist, sondern
abweichend von der Auffassung des Landgerichts auch für solche Guthaben, die -
aufgrund der gem. Ziff. 7.3 der AGB bestehenden Möglichkeit, Beträge bis zu einem
Wert von 350 DM anzusammeln - aus den nicht verbrauchten Mindestaufladungen
vergangener Monate aufgelaufen sind. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen. Denn
die Klausel enthält jedenfalls aus dem nachfolgend darzustellenden Grunde eine im
Sinne des § 9 Abs.1 AGBG unangemessene Benachteiligung der Kunden der
Beklagten und ihre Verwendung ist daher zu Recht durch das angefochtene Urteil in
dem dort näher festgeschriebenen Rahmen untersagt worden.
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Die Beklagte bietet mit dem streitgegenständlichen Formularvertrag, und zwar durch die
Regelungen in den Ziffern 6.1 bis 6.5, ihren Kunden die Möglichkeit, über den
obligatorischen monatlichen Mindestbetrag von 50 DM hinaus weitere (automatische
oder manuelle) Aufladungen vorzunehmen. Auf Grund der angegriffenen Klausel
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verfallen auch die Restbeträge aus diesen Aufladungen. Das stellt indes eine
unangemessene Benachteiligung dar, weil der Kunde für die von ihm erbrachte
Leistung eine Gegenleistung nicht erhält und eine Rechtfertigung für diese Abweichung
von dem vertraglichen Grundgedanken des Austausches von Leistung und
Gegenleistung nicht besteht.
Die Regelung kann - was die Beklagte auch nicht für sich in Anspruch nimmt - nicht
damit gerechtfertigt werden, dass das Angebot der Xtra-Telefonkarte sonst nicht
wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden könne. Denn da der Kunde nicht verpflichtet
ist, derartige Mehrbeträge aufzuladen, kann die Beklagte auch nicht darauf angewiesen
sein, nach Vertragsbeendigung auch nicht abtelefonierte Teile dieser Mehrbeträge für
sich zu behalten. Ebenso rechtfertigt sich der Einbehalt dieser Beträge nicht aus der
Verpflichtung zur Ladung eines Mindestbetrages von 50 DM, weil die hier zu
erörternden Restguthaben gerade nicht aus der monatlichen Pflicht zu
Mindestaufladung herrühren. Auch die von der Beklagten in der mündlichen
Verhandlung angeführten Gesichtspunkte lassen die Regelung nicht als angemessen
erscheinen.
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Das gilt zunächst für den Umstand, dass der Kunde, der zusätzliche Aufladungen
vorgenommen hat, nicht so schnell wie der Abnehmer nur der Mindestaufladungen
Gefahr läuft, dass ein Gespräch wegen Verbrauchs der restlichen Aufladung
unterbrochen wird. Denn dabei handelt es sich nicht um eine irgendwie geartete
Leistung der Beklagten, sondern lediglich um die Konsequenz aus der Zuladung, deren
Wesen es gerade ist, dass dem Kunden eine größere Anzahl von Gesprächseinheiten
zur Verfügung gestellt wird.
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Ebenso rechtfertigt es die Regelung nicht, dass der Kunde sich jederzeit nach seinem
Kontostand erkundigen kann. Denn dies nützt ihm dann nichts, wenn er - etwa in der
irrigen Annahme eines bevorstehenden größeren Gesprächsbedarfes - bereits eine
zusätzliche Aufladung vorgenommen hat, die sich im nachhinein als zu umfangreich
herausstellt.
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Auch dass der Kunde den Termin der Kündigung mit Blick auf das noch zu
verbrauchende Guthaben steuern kann, ändert an der Unangemessenheit der Regelung
nichts. Allerdings könnten die AGB - in den Ziffern 6.4 und 6.5 - so zu verstehen sein,
dass die hier zu erörternden Mehraufladungen zumindest teilweise auf die
Mindestaufladungen der zukünftigen Monate anzurechnen sind. Der Kunde hätte damit
die Möglichkeit, die Kündigung so weit hinauszuschieben, dass sich seine Belastung
bis dahin nicht höher als diejenige darstellen würde, die er bei Abnahme nur der
monatlichen Mindestaufladung hätte. Indes kann der Entscheidung schon nicht
zugrundegelegt werden, dass die AGB tatsächlich diese Anrechnung vorsehen, und
überdies würde eine solche Anrechnung die Unangemessenheit der angegriffenen
Regelung im Ergebnis auch nicht beseitigen.
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In abstrakten, auf § 13 AGBG beruhenden Kontrollverfahren wie dem vorliegenden ist
mit Blick auf die Gefährdung des Rechtsverkehrs durch die für den Vertragspartner
nachteiligste Auslegungsvariante die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen
(vgl. z.B. Brandner a.a.O., § 9 RZ 31 m.w.N.). Zumindest danach steht indes nicht fest,
dass die zusätzlich geladenen und dann noch nicht verbrauchten Beträge tatsächlich
auf die Mindestaufladungen der nachfolgenden Monate angerechnet werden. Allerdings
sieht Ziff. 6.4 der AGB vor, dass durch die "Aktivierung" von weiteren sogenannten
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"Telefonschecks" die monatliche Mindestaufladeverpflichtung höchstens für einen
Zeitraum von 12 Monaten im Voraus entrichtet werden könne. Es ist indes fraglich, wie
diese Regelung zu verstehen sein soll, weil die Mindestaufladung von 12 Monaten
einem Gesamtbetrag von (12 x 50 DM =) 600 DM entspricht und andererseits Ziffer 7.3
der AGB - und zwar nicht etwa nur für Aufladungen, die nicht durch Aktivierung von
Telefonschecks erfolgt sind - für die Ansammlung von Guthaben sowohl aus
Mindestaufladungen als auch aus zusätzlichen Aufladungen eine Obergrenze von nur
350 DM vorsieht. Außerdem lässt für den neben der Aktivierung von Telefonschecks
vorgesehenen Fall der automatischen Aufladung zusätzlicher Beträge die abweichende
Formulierung in Ziff. 6.5, in der nicht von einer Entrichtung der
Mindestaufladeverpflichtung für einen bestimmten Zeitraum im Voraus die Rede ist, ein
Verständnis als zumindest möglich, wenn nicht sogar naheliegend erscheinen, wonach
die in der Klausel erwähnte Erfüllung der Verpflichtung zur Leistung der monatlichen
Mindestaufladung sich nur auf den einen Monat bezieht, in dem der zusätzliche Betrag
aufgeladen wird. Im übrigen bestimmt Ziff. 6.4 a.E. sogar ausdrücklich, dass manuell,
also durch "Telefonscheck" aufgeladene Beträge ab einem gewissen Umfang die
Mindestaufladeverpflichtung nicht erfüllen.
Die Anrechnung würde, wenn sie in den AGB eindeutig und umfassend enthalten wäre,
an der Unangemessenheit der streitgegenständlichen Klausel aber auch nichts ändern.
Denn der Kunde würde auf diese Weise so lange an den Vertrag gebunden, dass sich
dies als unangemessen darstellen würde. Der Vertrag sieht in Ziff. 7.3 die Möglichkeit
der Ansammlung von Gesprächsguthaben auch aus zusätzlichen Aufladebeträgen bis
zu einer Höhe von 350 DM vor. Er hat gemäß Ziff. 10.1 zunächst eine Laufzeit von 6
Monaten und wandelt sich dann in einen unbefristeten Vertrag mit der Möglichkeit
monatlicher Kündigung um. Beabsichtigt ein Kunde nach Ablauf der Frist von 6 Monaten
bei einem Guthaben von 350 DM, den Vertrag zu kündigen, so tritt der beschriebene
Ausgleich nur ein, wenn er die Kündigung nicht mit vierwöchiger Frist zum nächsten
Monatsende, sondern erst zum Ablauf von weiteren 7 Monaten ausspricht. Eine derartig
lange Bindung an den Vertrag ist indes nicht gerechtfertigt und insbesondere deswegen
unangemessen, weil der Kunde zuvor bereits 6 Monate lang den Vertrag nicht kündigen
konnte.
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Schließlich vermag der vorgetragene Verwaltungsaufwand die Einbehaltung der aus
den zusätzlichen Aufladungen verbliebenen Restbeträge nicht zu rechtfertigen. Sowohl
bei der manuellen, als auch der automatischen Aufladung ist es mit Hilfe der auch von
der Beklagten eingesetzten Datenverarbeitung jederzeit möglich, das jeweilige
Guthaben zu berechnen und den Kontostand abzurufen. Dies zeigt sich schon an dem
Umstand, dass die Beklagte, die dies im übrigen selbst nicht in Abrede stellt, in Ziff. 7.1.
ihrer AGB den Kunden die jederzeitige Möglichkeit der Abfrage des Kontostandes
zusagt. Es trifft aber auch nicht zu, dass die Erstattung der Guthabenbeträge durch die
Notwendigkeit von Schriftverkehr und Adressenermittlung einen unzumutbaren Aufwand
mit sich bringen würde. Das gilt ohne weiteres für alle die Kunden, die das zu
erstattende Guthaben im Wege der automatischen Aufladung angesammelt haben.
Denn die automatische Aufladung geschieht gem. Ziff. 6.3 der AGB durch Einziehung
des Betrages von einem Bankkonto des Kunden und auf dieses Konto kann die
Beklagte die Beträge überweisen. Soweit die Aufladungen gem. Ziff. 6.3 durch die in
den AGB nicht näher erläuterte "Aktivierung eines Telefonschecks" erfolgen, ist es der
Beklagten - soweit sich aus den "Telefonschecks" nicht ohnehin schon eine
Bankverbindung des Kunden ergibt - aber auch möglich und zumutbar, sich zum
Zwecke der Erstattung eventueller Guthaben bei Vertragsbeginn eine Kontoverbindung
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nennen zu lassen.
Die Voraussetzungen der - von der Beklagten auch nicht beantragten - Zulassung der
Revision liegen nicht vor. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausgehende
grundsätzliche Bedeutung und der Senat weicht mit der vorliegenden Entscheidung
auch nicht von einem Urteil eines der in § 546 Abs.1 S.2 Ziff. 2 ZPO aufgeführten
Gerichte ab.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
20
Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert
ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 50.000 DM.
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