Urteil des OLG Köln vom 28.02.2000
OLG Köln: anhörung, entziehung, erbe, vertretungsmacht, zustellung, testament, mündel, auflage, pfleger, schwiegereltern
Oberlandesgericht Köln, 27 UF 24/00
Datum:
28.02.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
27 UF 24/00
Vorinstanz:
Amtsgericht Siegburg, 33a F 320/99
Tenor:
Auf die Beschwerden der Beschwerdeführer werden die Be-schlüsse
des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegburg vom 25.11.1999 und vom
6.1.2000 - 33a F 320/99 -aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung über die Entziehung der
Vermögenssorge der Eltern, soweit die Vertretung im
Erbscheinsverfahren betroffen ist, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
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Die Beschwerden sind nach § 621 e Abs. 1 i. V. m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an sich
statthaft. Es handelt sich bei den angefochtenen Beschlüssen um urteilsähnliche
Endentscheidungen im Sinne des § 621 e Abs. 1 ZPO, da sie die Instanz abschließen
(Zöller/Philippi,ZPO, 21.Auflage, § 621e Rz.6 ), so dass als Rechtsmittel die befristete
Beschwerde gegeben ist. Sie sind auch im übrigen zulässig, insbesondere gemäß §
621 e Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 516 ZPO fristgerecht eingelegt worden. Zwar ist die
Beschwerde vom 17.12.1999 erst am 8.2.2000 bei dem Oberlandesgericht Köln
eingegangen. Da aber der Beschluss vom 25.11.1999 nicht förmlich zugestellt worden
ist und durch die Zustellung der Lauf einer Notfrist in Gang gesetzt werden sollte, waren
die formlose Zustellung nicht wirksam und demgemäss die Beschwerdefrist am
8.2.2000 noch nicht abgelaufen. Es kommt gemäß § 187 Satz 1 ZPO, § 16 Abs. 2 Satz 1
FGG nicht darauf an, wann der Beschluß den Beteiligten zugegangen ist.
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Der Beschluß vom 6.1.2000 ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer
am 10.1.2000 zugestellt worden. Die Beschwerde ist am 9.2.2000 bei dem
Oberlandesgericht Köln eingegangen und war damit ebenfalls fristwahrend.
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Die Beschwerden haben in der Sache vorläufig Erfolg, soweit das Amtsgericht den
Eltern die Vertretung ihrer Kinder im Erbscheinsverfahren entzogen hat und soweit es
Rechtsanwalt H. K. in S. zum Ergänzungspfleger mit dem Aufgabenkreis der Vertretung
der Kinder im Erbscheinsverfahren bestellt hat.
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Das Verfahren des Amtsgerichts leidet an einem schweren Verfahrensmangel, der die
Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung gebietet. Nach §§ 50a Abs. 1 Satz 1, 50b Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FGG
hat das Gericht in einem Verfahren, das die Vermögenssorge für ein Kind betrifft, die
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Eltern und das Kind persönlich anzuhören. Letztes gilt jedenfalls dann, wenn dies nach
der Art der Angelegenheit angezeigt erscheint. Diese Voraussetzung ist gegeben, da
sich beide Kinder in einem Alter befinden - S. H. wird in diesem Jahr volljährig - , in dem
sie eine Vorstellung von der Bedeutung der Angelegenheit sowohl in
vermögensrechtlicher als auch in familienrechtlicher Hinsicht entwickeln können. Eine
Anhörung der Kinder hat bisher aber nicht gefunden. Auch die Anhörung der Eltern
entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Nach dem Aktenvermerk vom
27.12.1999 (Bl. 29R) hat zwischen der Rechtspflegerin des Familiengerichts und der
Rechtspflegerin des Nachlaßgerichts ein Ferngespräch stattgefunden, in dem die
Anordnung der Pflegschaft thematisiert und für wahrscheinlich gehalten wurde. Bei
diesem Ferngespräch waren die Eltern auf Seiten der Rechtspflegerin des
Nachlaßgerichts anwesend. Sowohl der Aktenvermerk als auch die Art der Anhörung
lassen offen, ob die Eltern, insbesondere die Mutter, die selbst nicht Miterbin ist,
verstanden haben, ob auch ihr die Vertretungsmacht entzogen werden sollte und
welche Bedeutung der teilweisen Entziehung der Vertretungsmacht und der Anordnung
einer Ergänzungspflegschaft zukommt. Das Amtsgericht wird daher die Anhörung der
Eltern und der Kinder nachzuholen haben.
Bei der nach Anhörung der Beteiligten zu treffenden Entscheidung ist folgendes zu
beachten:
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Nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB kann das Familiengericht den Vater und der Mutter
nach § 1796 BGB die Vertretung entziehen. Nach § 1796 Abs. 2 1.Alternative BGB soll
die Entziehung nur erfolgen, wenn das Interesse des Kindes zu dem Interesse des
Elternteils, dessen Vertretungsmacht entzogen werden soll, in erheblichem Gegensatz
steht. Ein erheblicher Interessengegensatz liegt vor, wenn die Förderung des Interesses
der einen Seite auf Kosten des Interesses der anderen Seite erfolgt oder diese
Förderung nur auf Kosten des Interesses der anderen Seite möglich ist
(Staudinger/Peschel-Gutzeit, Kommentar zum BGB, 12.Auflage, 1997,§ 1629 Rz. 288 m.
w. N.). Ein solcher Interessengegensatz ist in der Rechtsprechung für den Fall
angenommen worden, dass ein Elternteil zugleich Testamentsvollstrecker und das Kind
Erbe ist (BayObLG Rpfl 1977,440; KG KGJ 48,141) oder der gesetzliche Vertreter die
dem Vertretenen angefallene Erbschaft in dessen Namen ausschlagen will mit der
Folge eigener Berufung als Erbe (BayObLGZ 11,64). Ein derartiger
Interessengegensatz besteht auch hier. Die Eltern bzw. Großeltern Hans und R. H.
haben in ihrem Testament vom 23.4.1988 bestimmt, nach ihrem Tod " sollen unser
Sohn, J. H. und seine Kinder das Wohnhaus ... und alle Grundstücke erhalten
einschließlich das Erbe unserer Mutter, E. H. ". Eine vergleichbare Anordnung haben
die Großeltern bezüglich der Schwester A. L. des Vaters J. H. getroffen. Der Wortlaut
des Testaments kann dahin zu verstehen sein, daß neben dem Vater J. H. auch dessen
Kinder S. und J. H. zu Erben berufen sein sollten. Im Erbscheinsantrag vom 16.12.1999
(Bl. 2 in Beiakten 45 VI 428-29/99 Amtsgericht Siegburg) ist der Vater J.H. einem
solchen Verständnis aber mit eingehender Begründung entgegengetreten, weil dieses
dem Willen seiner Eltern nicht gerecht werde. Er hat die Auffassung vertreten, das
Testament enthalte seine Einsetzung und die seiner Schwester zu Erben seiner Eltern
so, daß niemand außer ihm und seiner Schwester Erbe seiner Eltern sei. Daraus folgt,
daß das Interesse des Vaters J.H. zu dem seiner Kinder in erheblichem Gegensatz
steht. Der Vater J.H. kann sein eigenes Interesse nur auf Kosten des Interesses seiner
Kinder fördern.
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An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, daß das Erbscheinsverfahren
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kein Parteienstreitverfahren, sondern ein objektives, vom Grundsatz der Amtsermittlung
geprägtes Verfahren ist. Auch in einem solchen Verfahren kann sowohl durch Mitteilung
von ausserhalb der Urkunde liegenden Umständen als auch argumentativ, wie dies
durch den Vater J.H. im Erbschaftantrag auch versucht wird, auf die zu treffende
Entscheidung Einfluß genommen und das Interesse gefördert werden.
Hinsichtlich der Mutter R. H. ist selbständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine
Entziehung der Vertretung der Kinder im Erbscheinsverfahren gegeben sind. Da sie
selbst am Erbscheinsverfahren nicht beteiligt ist, weil sie nicht Miterbin ist, kann sich ein
erheblicher Interessengegensatz zu ihren Kindern nur daraus ergeben, daß sie mit dem
Vater J.H. verheiratet ist. Für den Fall, daß zwischen dem Mündel und einer anderen
dem Vormund nahestehenden, nicht von ihm vertretenen Person, etwa einem mit ihm in
der Seitenlinie Verwandten oder einem Verschwägerten ein Interessengegensatz
besteht, kommt die Entziehung der Vertretungsmacht § 1796 Abs. 2 BGB nur dann in
Betracht, wenn wegen der Beziehung des Vormunds zu einer solchen Person, deren
Interessen mit denen des Mündel in einem erheblichen Gegensatz stehen, ein
gleichgelagertes eigenes Interesse des Vormunds anzunehmen ist (Staudinger/Engler,
13.Bearbeitung 1999, § 1796 Rz. 10). Ähnlich ist der Fall zu sehen, wenn es um die
Frage geht, ob das Interesse eines Elternteils zu dem Interesse des Kindes in
erheblichem Gegensatz steht und ob ein gleichgelagertes eigenes Interesse des
anderen Elternteils anzunehmen ist. Ein solches gleichgelagertes eigenes Interesse der
Mutter Marita H. liegt hier nahe. Hierbei kann nicht außer acht bleiben, daß die Mutter
die tatsächlichen Angaben des Vaters J.H. im Erbscheinsantrag bestätigt und erklärt hat,
daß sie das Verständnis des Testaments ihrer Schwiegereltern teile und dies auch als
Mutter der Kinder S. und J. H. erkläre. Der Bundesgerichtshof hat zum
Alleinvertretungrecht der Mutter im Ehelichkeitsanfechtungsprozeß des geschiedenen
Ehemannes zu § 1629 Abs.2 BGB in der damals geltenden Fassung ausgeführt (BGH
NJW 1972,1708), daß, wenn ein Elternteil an der Vertretung des Kindes rechtlich
verhindert sei, es nicht im Interesse des Kindes liege, dass dann der andere Elternteil
seine Vertretung übernehme, auch wenn er im Einzelfall nicht kraft Gesetzes von der
Vertretung ausgeschlossen sei. Gerade bei gutem Einvernehmen der Ehegatten seien
beide in solchen Fällen in gleicher Weise zu Vertretung des Kindes ungeeignet. Es
müsse daher entsprechend dem - damaligen - Rechtszustand ein Pfleger zur Vertretung
des Kindes bestimmt werden. Daraus sei zu entnehmen, dass der nicht verhinderte
Elternteil deshalb von der Vertretung ausgeschlossen sein solle, weil der andere wegen
gesetzlich vermuteter Interessenkollision nicht vertreten könne und in diesen Fällen
häufig eine Befangenheit beider Elternteile vorliege, die zu einem Mißbrauch der
elterlichen Gewalt führen könne. Diese Erwägungen sind auch im vorliegenden Fall
jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen zugrundezulegen.
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Gegebenenfalls ist die Auswahl des Ergänzungspflegers, auf die nach § 1916 BGB die
Vorschriften der §§ 1776 bis 1778 BGB über die Berufung zur Vormundschaft keine
Anwendung finden, mit den Eltern zu besprechen und dieser alsdann zu bestellen.
Nach der Anhörung wird das Amtsgericht weiter zu entscheiden haben, ob
insbesondere die Mitwirkung eines Rechtsanwalts erforderlich ist.
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Soweit das Amtsgericht als Aufgabenkreis des Pflegers die
Überprüfung/Geltendmachung der Erbansprüche nach den Großeltern H. angeordnet
hat, ist darauf hinzuweisen, dass die Kinder nicht Erben der Grossmutter H. geworden
sind, sondern, wenn überhaupt, nur Erben des Grossvaters H.. Auch ist der
Aufgabenkreis zur weit gefasst, da es zunächst nur um die Vertretung im
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Erbscheinsverfahren geht. Ein Fall des § 1795 Abs.1 Nr.1 BGB ist nicht gegeben, da
bisher von einem auch nur beabsichtigten Rechtsgeschäft i.S. dieser Vorschrift keine
Rede sein kann.
Beschwerdewert: 5.000,- DM
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