Urteil des OLG Köln vom 18.12.2007
OLG Köln: vernehmung von zeugen, befangenheit, glaubhaftmachung, versicherung, protokollierung, tonträger, rechtsmittelinstanz, vertreter, form, einzelrichter
Oberlandesgericht Köln, 2 W 101/07
Datum:
18.12.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 W 101/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 7 O 96/06
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 27. November 2007 gegen
den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 19.
November 2007 - 7 O 96/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
G r ü n d e
1
Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2007 haben die Beklagten erklärt, der
Einzelrichter des Landgerichts, Herr Vorsitzender Richter am Landgericht X,
werde wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses
Ablehnungsgesuch hat die Zivilkammer des Landgerichts durch Beschluß vom
19. November 2007 zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit
der sofortigen Beschwerde vom 27. November 2007. Durch Beschluß vom 7.
Dezember 2007 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht
abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2
Das gemäß § 46 Abs. 2 ZPO statthafte, in rechter Form und Frist eingelegte
Rechtsmittel ist nicht begründet. Durch den angefochtenen Beschluß hat das
Landgericht das Ablehnungsgesuch der Beklagten zu Recht und mit
zutreffender Begründung, die sich der Senat zu eigen macht und auf die er
deshalb auch zur Begründung seiner vorliegenden Beschwerdeentscheidung
Bezug nimmt, zurückgewiesen. Das Vorbringen der Beschwerde veranlaßt
keine abweichende Entscheidung.
3
Gemäß § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter unter anderem wegen Besorgnis der
Befangenheit abgelehnt werden. Sie ist nach § 42 Abs. 2 ZPO gegeben, wenn
ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des
Richters zu rechtfertigen. Hierfür ausreichend, aber auch erforderlich ist nach
allgemeiner Auffassung und insbesondere ständiger Rechtsprechung ein
Sachverhalt, der aus der Sicht des Ablehnenden einer ruhig und vernünftig
denkenden Partei bei Würdigung aller Umstände berechtigten Anlaß gibt, an
4
der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 82, 30 [38];
BVerfGE 92, 138 [139]; BGHZ 77, 70 [72]; BGH, NJW 1995, 1677 [1679]; BGH
NJW-RR 2003, 1220 [1221]; BGH FamRZ 2006, 1440; OLG Brandenburg, NJW-
RR 2000, 1091; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 42, Rdn. 9;
Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 42, Rdn. 9). Hierauf hat das
Landgericht zutreffend abgestellt; die Einwendungen der Beschwerde dagegen,
daß es seiner Beurteilung als Maßstab die nach allgemeiner Auffassung
maßgebliche Sicht einer ruhig und vernünftig wägenden Partei zugrunde gelegt
hat, gehen deshalb fehl. Der Ablehnungsgrund, das heißt der Sachverhalt, der
aus dieser Sicht die Besorgnis der Befangenheit begründet, ist nach § 44 Abs. 2
Satz 1, 1. Halbsatz ZPO glaubhaft zu machen.
Hiernach sind, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, die
Voraussetzung einer Ablehnung von Herrn Vorsitzenden Richter am
Landgericht X wegen der Besorgnis der Befangenheit im Streitfall nicht erfüllt.
Der durch die dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters vom 18. Oktober
2007 nach § 44 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 ZPO glaubhaft gemachte Sachverhalt
rechtfertigt die Ablehnung nicht. Ihre teilweise abweichende Darstellung des
Sachverhalts haben die Beklagten nicht, wie nach § 44 Abs. 2 Satz 1, 1.
Halbsatz ZPO erforderlich, glaubhaft gemacht.
5
Aus Rechtsgründen hier unerheblich sind die ausführlichen Darlegungen der
Beschwerdeschrift vom 27. November 2007 zu dem Verhalten und den
Äußerungen des abgelehnten Richters in einem früheren Verhandlungstermin
am 11. Juli 2006. Denn nach § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen
Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm in eine
Verhandlung eingelassen hat oder Anträge gestellt hat, ohne einen ihr
bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen. Im Termin vom 10. Oktober
2007 hat Rechtsanwalt Dr. I namens der Beklagten einen Antrag auf
Klageabweisung gestellt. In diesem Zeitpunkt war den Beklagten, die
ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 11. Juli 2006 beide selbst in diesem
Termin anwesend waren, bekannt, was der abgelehnte Richter in dem Termin
vom 11. Juli 2006 erklärt und vorgeschlagen hatte.
6
Für die Frage der Ablehnung des Richters wegen der Besorgnis der
Befangenheit unerheblich sind auch die Ausführungen der Beschwerde dazu,
daß die Prozeßbevollmächtigten des Klägers den anwaltlichen Vertreter der
Beklagten "lautstark" und teilweise "völlig unangemessen" unterbrochen haben
sollen. Für eine Befangenheit des Richters ergibt sich daraus nichts. Daß sich
dieser um eine einervernehmliche Lösung des Streits bemüht hat, was in jeder
Lage des Verfahrens zu tun er nach § 278 Abs. 1 ZPO gehalten war, ist aus der
maßgeblichen Sicht einer verständigen Partei ebenso wenig zu beanstanden,
wie daß er sich in diesem Zusammenhang auch nach der finanziellen
Darstellbarkeit einer etwaigen einvernehmlichen Regelung erkundigt hat. Wie
die Beschwerde selbst zutreffend ausführt, ist es nicht selten, daß im Rahmen
der Erörterung einer einvernehmlichen Lösung seitens des Gerichts auch auf
die mit einer Fortsetzung der streitigen Auseinandersetzung in mehreren
Instanzen verbundenen weiteren Kosten hingewiesen wird. Auf eine
Voreingenommenheit des Richters gegen eine Seite schließt eine verständige
Partei daraus nicht, zumal sich der Hinweis auf die Kosten, die den letztlich - in
der letzten Instanz - Unterliegenden treffen, an beide Parteien richtet.
7
Eine Stellungnahme des Senats zu den - angeblich - von dem abgelehnten
Richter vertretenen Rechtsauffassungen ist hier ebenso wenig veranlaßt wie
eine Stellungnahme zu den Fragen, ob die Entscheidung des Streitfalls eine
Beweisaufnahme veranlaßt und oder jener Fall, in dem der
Prozeßbevollmächtigte der Beklagten nach den Angaben der Beschwerde
unlängst in einem Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof obsiegt haben will,
der dem Streitfall zugrunde liegenden Fallgestaltung ähnlich ist. Wenn ein
Richter im Verfahren seine Rechtsansicht darlegt und dabei eine von der Partei
abweichende Auffassung vertritt, muß dies von der Partei hingenommen
werden, zumal es in der Natur der Sache liegt, daß der Richter nur eine der
unterschiedlichen Rechtsansichten der sich streitenden Parteien für richtig
halten kann (vgl. KG, MDR 1999, 253). Die Überprüfung der Richtigkeit einer
Entscheidung oder Rechtsauffassung ist allein einem eventuellen Rechtsmittel
in der Sache selbst vorbehalten. Das Ablehnungsverfahren ist dagegen weder
dazu bestimmt noch geeignet, die Rechtsauffassung des Richters zur
Überprüfung anderer, mit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch
befaßter Richter oder der Rechtsmittelinstanz zu stellen (vgl. KG a.a.O.; KG
KGR 2005, 140 f.; OLG Brandenburg, Beschluß vom 6. März 2007 - 1 W 3/07 -,
hier zitiert nach juris; Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O., § 42, Rdn. 15;
Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42, Rdn. 26 mit. weit. Nachw.). Daß er sich noch
nicht abschließend festgelegt hat, hat der abgelehnte Richter im Termin vom 10.
Oktober 2007 nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerde deutlich gemacht,
indem er im Zusammenhang mit dem Thema des Beweisantritts durch Antrag
auf Vernehmung von Zeugen erklärt hat, daß er dies bei seiner Entscheidung
"wägen" werde.
8
Der in der dienstlichen Erklärung des abgelehnten Richters vom 18. Oktober
2007 geschilderte Ablauf der Erörterungen im Termin vom 15. Oktober 2007
vermag aus der Sicht einer verständigen Partei die Besorgnis der Befangenheit
des Richters nicht zu begründen. Dies gilt auch für die - auch nach der eigenen
Einschätzung des Richters in dieser Erklärung - "flapsige" Wendung, in der
davon die Rede war, ein Urteil in das Diktiergerät zu "rotzen". Auch aus der
Sicht der Partei kann eine solche Äußerung nicht isoliert von dem Kontext
betrachtet und gewürdigt werden, in dem sie gefallen ist. Selbst wenn ein
Richter in der Sitzung ein auf eine Partei bezogenes Schimpfwort in den Mund
nimmt, ergibt sich daraus nicht in jedem Fall und ohne Berücksichtigung des
Zusammenhangs ein Ablehnungsgrund. Eine eigene Äußerung des Richters,
durch die er die Partei mit einer Verbalinjurie belegt, wird zwar regelmäßig
einen Ablehnungsgrund darstellen. Spricht der Richter dagegen das
Schimpfwort aus, um eine entsprechende Äußerung der Gegenseite zu ihrer
Protokollierung auf Tonträger festzuhalten und anschließend die hiernach
gebotenen Maßnahmen einzuleiten, so ist dies auch aus der Sicht der mit dem
Schimpfwort bezeichneten Partei nicht zu beanstanden. Entsprechend kann
auch das Wort "rotzen" im Streitfall nicht lösgelöst von seinem Kontext
gewürdigt werden. Daß es der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten als
schlechthin unangemessen empfindet, begründet noch nicht die Ablehnung des
Richters. Nach dessen dienstlicher Erklärung hat er im Vergleichsgespräch zur
Verdeutlichung, daß letztlich bei streitiger Entscheidung die Rechtsauffassung
in letzter Instanz mit der Sache befaßten Gerichts, nicht aber die der ersten
Instanz maßgeblich sei, geäußert, es sei dafür, "egal, welche Entscheidung der
9
Richter der ersten Instanz bei der Urteilsabfassung in sein Diktaphon
hineinrotzen" werde. Hiernach ergab sich aus dem Sinnzusammenhang der
Äußerung und der anschließenden nochmaligen Klarstellung des mit ihr
Gemeinten auch für die Beklagten ohne weiteres, daß der Richter nicht
angekündigt hat, er werde ohne Berücksichtigung ihrer Argumente entscheiden,
sondern lediglich in salopper Sprache den für die Beurteilung der
Prozeßchancen im Rahmen des Vergleichsgesprächs wesentlichen Umstand
verdeutlichen wollte und verdeutlicht hat, daß gerade bei zweifelhafter Sach-
und Rechtslage letztlich der Standpunkt der letzten Instanz ausschlaggebend
ist, den der Richter einer der Vorinstanzen je nach den Umständen des Falles
nicht hinreichend verläßlich prognostizieren kann. Eine Besorgnis der
Befangenheit des Richters ergibt sich daraus für eine verständig würdigende
Partei nicht.
Ihre von der Schilderung des Geschehens in jener dienstlichen Erklärung
abweichende Darstellung des Sachverhalts haben die Beklagten nicht
glaubhaft gemacht. Sie kann der Senat seiner Entscheidung deshalb nach § 44
Abs. 1 Satz 1, 1, Halbsatz ZPO nicht zugrunde legen. Insbesondere ist die
schriftliche Erklärung des Beklagten zu 2) vom 26. Oktober 2007 kein
geeignetes Mittel der Glaubhaftmachung. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz
ZPO darf die Partei, die den Ablehnungsgrund glaubhaft zu machen hat, zur
Versicherung an Eides statt nicht zugelassen werden. Eine nicht durch eine
solche Versicherung bekräftigte Erklärung genügt deshalb erst recht nicht zur
Glaubhaftmachung. Auch das neue Vorbringen der Beschwerde dazu, daß der
abgelehnte Richter den Beklagten einen Herrn Dr. M als den Bevollmächtigten
von Herrn B U in einem weiteren - offenbar bei der Zivilkammer des
Landgerichts anhängig gewordenen - Verfahren vorgestellt habe, ist nicht
glaubhaft gemacht. Abgesehen hiervon ergibt sich auch daraus kein
Ablehnungsgrund. Unabhängig davon, daß das entsprechende Vorbringen der
Beschwerde nicht schlüssig und nicht die Besorgnis der Befangenheit
darzulegen geeignet ist, kann eine Ablehnung des Richters auf den Beklagten
bereits vor dem Beginn der Antragstellung vom 10. Oktober 2007 bekannt
gewordene Vorgänge nach § 43 ZPO nicht mehr gestützt werden.
10
Die Beschwerde muß deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückgewiesen werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung
der Rechtsbeschwerde sind nicht erfüllt.
11
Beschwerdewert : EUR 3.000,-- (Bei dem Ablehnungsverfahren handelt es sich
um einen nicht vermögensrechtlichen Streit.)
12